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Einfluss der gesamten Indikatoren auf die FSWUR

4. Das fahrradbezogene Unfallgeschehen auf Schulwegen in Bayern

4.2 Zusammenhänge zwischen dem landkreisspezifischen Fahrradunfall-

4.2.6 Einfluss der gesamten Indikatoren auf die FSWUR

Durch eine multiple Regressionsanalyse wird der Einfluss aller in diesem Kapitel vorgestell-ten Indikatoren auf die FSWUR untersucht. Die Indikatoren werden nachfolgend auch als Prädiktorvariablen resp. Prädiktoren bezeichnet, da sie eingesetzt werden, um die landkreis-bezogenen FSWUR bzw. die Kriteriumsvariable vorherzusagen (BORTZ &SCHUSTER, 2010, S.183). Die Prädiktoren korrelieren alleine betrachtet verhältnismäßig stark (r≥0,5) und üben jeweils aus unterschiedlichen Gründen einen signifikanten (p<0,001) Einfluss auf die FSWUR aus. Sie haben allesamt Einfluss auf die Radnutzung und somit einen mittelbaren Einfluss auf die FSWUR.

Die mittels Einschlussmethode durchgeführte multiple Regressionsanalyse zeigt, dass die Prädiktoren die Höhe der FSWUR zu großen Teilen vorhersagen. Tabelle 4-8 gibt Auskunft über den Anteil der einzelnen Prädiktoren an der erklärten Varianz:

Tab. 4-8: Ergebnisse der Regression für die Variablen Topographie, Schuleinzugsgebiet, Funsport-SWUR, ÖPNV-SWUR und deren β- und Toleranzwerte (Quelle: Eigene Berechnung)

Prädiktoren

Standardisierte

Koeffizienten (β-Werte) Toleranz

Topographie -0,53** 0,6

Schuleinzugsgebiet -0,23** 0,7

Funsport-SWUR 0,22* 0,7

ÖPNV-SWUR -0,18* 0,8

0,722

Signifikanz 0,001

F (4,84)=54,66

* Koeffizient ist auf dem Niveau p<0,05 signifikant

** Koeffizient ist auf dem Niveau p<0,001 signifikant

Insgesamt erklärt das Modell 72 Prozent der Varianz der FSWUR. Den guten Erklärungswert des Modells zeigt auch die hoch signifikante (p<0,001) Varianzanalyse. Wie den β-Werten

entnommen werden kann, hat die Topographie den größten Einfluss auf die FSWUR, gefolgt von der Größe der Schuleinzugsgebiete, der Funsport- und der ÖPNV-Unfallrate. Dabei weist nur die Funsport-SWUR einen positiven Wert auf bzw. korreliert positiv. Je höher die Fun-sport-SWUR, desto größer ist auch die FSWUR. Alle vier verwendeten Prädiktoren üben je-weils einen signifikanten Einfluss auf die FSWUR aus und tragen gemeinsam zu dem hohen Erklärungswert bei, im Gegensatz zu den Variablen Geschlecht, Schulform, Ethnizität und siedlungsstrukturelle Kreistypisierung. Diese Variablen wurden aus der Analyse ausgeschlos-sen, um mit möglichst wenigen Prädiktoren eine gute Vorhersage der FSWUR zu erzielen.

Bei einer schrittweise durchgeführten Regression wird keiner der in Tabelle 4-8 betrachteten Prädiktoren ausgeschlossen. Die verhältnismäßig hohen Toleranzwerte bestätigen die geringe Multikollinearität der unabhängigen Variablen (siehe BORTZ &SCHUSTER, 2010, 354f). Auch die Korrelation der Prädiktoren untereinander ist vergleichsweise niedrig, was ebenfalls auf eine niedrige Multikollinearität hindeutet. Der Zusammenhang zwischen FSWUR und den übrigen Prädiktoren ist auch nach Kontrolle der einzelnen Einflussfaktoren nur etwas geringer als die Korrelation der einzelnen Prädiktoren mit dem Kriterium. Eine Analyse der standardi-sierten Residuen verdeutlicht außerdem, dass Ausreißer keinen Einfluss auf das Ergebnis ha-ben (Std. Residuen Min = -2,3, Std. Residuen Max = 2,7). Der Durbin-Watson-Test (d=2,2) zeigt, dass keine Autokorrelation zwischen den Residualgrößen vorliegt (FIELD, 2009, S.220f). Eine Normalverteilung der Residuen ist gegeben, was auch durch eine Übereinstim-mung der beobachteten und der erwarteten Residuen bestätigt wird (siehe auch P-P-Diagramm in Anhang B). Zudem kann die Linearitätsannahme verifiziert werden. Das Streu-diagramm (siehe Anhang B) zeigt jedoch eine nach rechts größer werdende Streuung, was an einer Verletzung der Varianzhomogenität liegen könnte. Auch wenn eine solche Verletzung nicht schwerwiegend ist, deutet das Diagramm darauf hin, dass hohe FSWUR weniger gut erklärt werden können als niedrige FSWUR. Dies ist vermutlich auf die Streuung der FSWUR bei flachen urbanen Kreisen zurückzuführen. Hier spielen offensichtlich neben den untersuch-ten Prädiktoren auch weitere bisher nicht genannte Einflussfaktoren eine Rolle, die in Kapitel 5 untersucht werden.

4.3 Zusammenfassung

In dem betrachteten Untersuchungszeitraum von 2007 bis 2011 ereignen sich bayernweit 66.884 SWU. Die Unfallrate liegt bei 10,2 Unfällen pro 1.000 Schüler und Jahr, wobei 16.117, also etwa ein Viertel aller Schulwegunfälle, Fahrradunfälle sind. Pro Jahr kommt es durchschnittlich zu gut 3.000 FSWU mit jährlichen Schwankungen von bis zu 20 Prozent. Bei

einer Betrachtung der FSWU im Jahresverlauf zeigt sich ein wiederkehrendes Muster. Die Zahl der Unfälle steigt bis zum Sommer und sinkt anschließend wieder bis zum Winter. In etwa einem Drittel der Fälle handelt es sich um Kollisionsunfälle mit anderen Verkehrsteil-nehmern, wobei die Unfallschuld etwa gleich verteilt ist. Zwei Drittel aller Unfälle sind über-wiegend selbst verschuldete Alleinunfälle; mit 66 Prozent dominieren minderschwere und oberflächliche Verletzungen das Unfallgeschehen.

Die Unfallrate Rad fahrender Schüler von allgemeinbildenden Schulen beträgt 2,5 bzw. 3,3, wenn nur Schüler der Sekundarstufe berücksichtigt werden. Grundschüler weisen also deut-lich niedrigere Unfallraten als ältere Schüler auf. Neben dem Alter wirken sich das Geschlecht und die Schulform auf die FSWUR aus. Jungen weisen schulformunabhängig höhere Unfall-raten auf als Mädchen. Besonders deutlich zeigt sich dies während der Pubertät, also im Alter von zwölf bis 16 Jahren. Die Unfallrate der über 14-jährigen Schülerinnen steigt allerdings sehr stark an und übertrifft die der Jungen sogar teilweise. Elf- bis 13-Jährige und die ältesten Schüler der einzelnen Schulformen besitzen besonders hohe FSWUR. Gymnasiasten weisen in vielen Altersklassen die höchsten fahrradbezogenen Unfallraten auf. Insgesamt betrachtet tragen aber Hauptschüler das höchste schulformspezifische Risiko eines Fahrradunfalls.

Ob zwölf-jährige männliche Gymnasiasten auch ein erhöhtes Unfallrisiko aufweisen oder ob deren hohe Unfallrate durch eine höhere Radnutzung erklärt werden kann, muss durch eine Messung der Schulwegmobilität überprüft werden. Dies geschieht im anschließenden Kapitel.

Erst mit der Kenntnis der Mobilitätskennziffern kann das Unfallrisiko adäquat dargestellt werden. Dies gilt auch für die großen regionalen Unterschiede der FSWUR.

Bei einer bayernweiten Betrachtung zeigt sich ein deutliches Süd-Nord-Gefälle. Die ländlich geprägten, dünn besiedelten und hügeligen nördlichen und östlichen Landesteile weisen sehr niedrige Unfallraten auf. Im südlicheren Bayern, besonders in den kreisfreien Mittelstädten, sind die höchsten Unfallraten vorzufinden. Dies gilt auch für verdichtete Kreise. Die Groß-städte dagegen weisen vergleichsweise niedrige Unfallraten auf.

Der augenscheinliche Zusammenhang zwischen der FSWUR und den siedlungsstrukturellen Kreistypen beruht auf einem ökologischen Trugschluss. Nicht die Kreistypisierung per se ist für die Höhe der Unfallrate verantwortlich, sondern die mit den siedlungsstrukturellen Kreis-typen verbundene Größe der Schuleinzugsgebiete. In urbanen Kreisen sind die Schuleinzugs-gebiete meist sehr klein, was zu kurzen Schulwegen führt; deshalb fahren dort viele Schüler mit dem Rad zur Schule, woraus wiederum die hohe FSWUR resultiert. Analog dazu verhält

sich der Zusammenhang zwischen der Nutzung und der Unfallrate von Funsportgeräten. In ländlichen Kreisen mit weiten Schulwegen kann die Argumentationskette für beide Verkehrs-mittel umgedreht werden. In Landkreisen mit weiten Schulwegen sind die Schüler dagegen häufig auf den ÖPNV angewiesen, was die hohen ÖPNV-Unfallraten dort erklärt. Aus diesen Gründen korreliert die FSWUR negativ mit der ÖPNV-Unfallrate und positiv mit der Fun-sport-Unfallrate. Den mit Abstand größten Einfluss auf die Radnutzung resp. die FSWUR besitzt jedoch die Topographie. Je hügeliger der Schulweg ist, umso weniger Schüler nutzen das Rad, was zu einer niedrigen FSWUR führt.

Topographie, Schuleinzugsgebiet, Funsport und ÖPNV-Unfallrate zusammen erklären 72 Prozent der räumlichen Unterschiede der FSWUR. Diese vier Prädiktoren vermitteln den Zu-sammenhang zwischen der Radnutzung und der fahrradbezogenen Unfallrate. Somit bestätigt sich auch die Arbeitshypothese, dass die Varianz der FSWUR in erster Linie von der unter-schiedlichen Radnutzung abhängig ist.

Welche weiteren Einflussfaktoren die verbleibenden Unterschiede in der Varianz der FSWUR erklären, wird in der anschließenden Fall-Kontroll-Studie untersucht.

5. Die Untersuchungsregionen Rosenheim und Schweinfurt im