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Diskussionsbeeinflussende Faktoren

Im Dokument Diskussionen im Geographieunterricht (Seite 109-121)

2.3 Gestaltungsmodalitäten von Unterrichtsdiskussionen

2.3.3 Diskussionsbeeinflussende Faktoren

Im folgenden Unterkapitel sollen einige Faktoren betrachtet werden, deren Gestaltung für den Verlauf einer Diskussion entscheidend ist. Die ersten beiden Faktoren betreffen Möglichkei-ten der Steuerung durch geeignete Diskussionsleiter und –regeln. Des Weiteren werden diskussi-onsförderliche Bedingungen der Raumgestaltung sowie allgemeine Richtlinien zu Gruppenkons-tellationen und Organisationsformen näher erläutert. Die Wirkung dieser Faktoren auf das Gelingen von Diskussionen soll in der qualitativen Studie empirisch überprüft werden (siehe 6.2.2.2).

2.3.3.1 Diskussionsleiter

„Die Fähigkeit, ein Gespräch zu leiten, ist die höchste Qualifikation, die im Rahmen der schulischen Gesprächserziehung zu vergeben ist“ (Frommer 2009, S. 42).

Großen Einfluss auf den Verlauf einer Diskussion hat die Wahl der Art der tung. Die Bandbreite reicht dabei von einer autoritären Führung der Lehrkraft als Diskussionslei-ter, über von Schülern und Lehrern gemeinsam oder von einzelnen Schülern geleiteten Diskussi-onen, bis zu freien Diskussionen ohne Geschäftsordnung (Pilz-Gruenhoff 1979, S. 39 ff.). Die Entscheidung für eine dieser Varianten ist von der Einschätzung der Diskussionsfähigkeiten der Teilnehmer und der Wahl der organisatorischen Diskussionsform abhängig. Dabei sollte ein Diskussionstraining nicht mit der letzten Variante beginnen. Gerade in noch ungeübten Klassen ist ein Diskussionsleiter unerlässlich (Abraham 2008, S. 128), der die Schüler bei der Umsetzung der diskussionsimmanenten Handlungsmuster anleitet (siehe 2.3.1). Er kann sich mit wachsender Diskussionsfähigkeit der Teilnehmer zurückziehen und lediglich eine Moderatorenrolle über-nehmen (Becker 1988, S. 243). In geübteren Klassen soll die Aufgabe der Diskussionsleitung auch durch einzelne Schüler übernommen werden, da dafür erforderliche Fähigkeiten wie

Empa-thie, Verhandlungsgeschick und Ambiguitätstoleranz bedeutende Lernziele darstellen, die Schü-ler selbst erreichen sollen (Abraham 2008, S. 128). Zudem fällt es SchüSchü-lern möglicherweise leichter als Lehrkräften sich mit Belehrungen und Korrekturen in der Diskussion zurückzuhalten (Rössner 1967, S. 51 f.). Für die Wahl eines Schülers zum Diskussionsleiter formuliert Polzius (1992, S. 110) folgende Kriterien als ausschlaggebend:

 Sachwissen,

 Kommunikationsfähigkeiten,

 soziales Ansehen,

 spezielle Kenntnisse,

 Persönlichkeitsentwicklung.

Die große Schwierigkeit der Arbeit eines Gesprächsleiters beschreibt Frommer (2009, S.

42) in einem Satz:

„Der Leiter soll einerseits den vorhandenen Dissens verdeutlichen, andererseits Wege zum Konsens aufzeigen und ebnen und soll bei alledem noch auf die Symmetrie der Gesprächs-rollen achten.“

Bei der Bewältigung dieser Anforderungen nimmt der Diskussionsleiter mehrere Rollen ein. Er ist gleichzeitig Instrukteur, Teilnehmer, Modell vorbildlichen Verhaltens, Teufels Advocat, neut-raler Vorsitzender und Berater (Van Ments 1992, S. 52). Die Bedeutung der einzelnen Rollen ist je nach gewähltem Führungsstil in einer von Schülern oder Lehrkräften geleiteten Diskussion unterschiedlich ausgeprägt. Pilz-Gruenhoff (1979) und Vogt (2002) beschreiben einige Füh-rungsstile, die sich in den von Polzius (1992, S. 108 ff.) für den gesamten Diskussionsprozess festgelegten Niveaustufen einordnen lassen (siehe 2.3.2). Im Folgenden werden die Führungssti-le im Sinne der Stufung von Polzius (ebd.) mit der maximaFührungssti-len KontrolFührungssti-le der Lehrkraft beginnend vorgestellt. Sie zeigen einerseits welche Rolle dem Leiter und andererseits der Lehrkraft bei der-artig geführten Diskussionen zukommt. Den Führungsstil der ersten Niveaustufe bei Polzius (ebd.) nennt Pilz-Gruenhoff (1979, S. 39) autoritär und Vogt (2002, S. 135) lehrerzentriert. Die Lehrkraft führt die Diskussion in allen Phasen direkt mit vielen gesprächslenkenden, provozie-renden Fragen und reglementieprovozie-renden bzw. disziplinieprovozie-renden Beiträgen selbst (ebd., S. 167, Pol-zius 1992, S. 108). Sie entspricht damit am ehesten Van Ments (1992, S. 52) Rollen des Instruk-teurs und Teufels Advocat. Dieser Führungsstil eignet sich zur straffen Führung großer

undisziplinierter Gruppen. Dabei sollte die Lehrkraft darauf achten, nicht zu diktatorisch zu lei-ten (Pilz-Gruenhoff 1979, S. 39). Denn eine lehrerzentrierte Ordnung ist für das Entstehen und Austragen von Diskussionen nur bedingt förderlich, da die Kontrolle der Lehrkraft über die Schüler sich hemmend auf deren Mitteilungsbereitschaft auswirken kann. Derartige Diskussio-nen gestalten sich häufig als öffentliche Zwiegespräche zwischen Lehrkraft und Schülern (Vogt 2002, S. 142 ff.).

Die Führungsstile der zweiten Niveaustufe Polzius’ (1992, S. 109) lassen sich als autorita-tiv oder verfahrensgeregelt beschreiben (Vogt 2002, S. 143, Pilz-Gruenhoff 1979, S. 39). Der autoritative Führungsstil lässt den Schülern mehr Freiheiten oder überträgt ihnen einige

Diskus-sionsleiteraufgaben. Autoritative Leiter sind eher neutrale Vorsitzende und Berater im Sinne Van Ments (1992, S. 52). Dennoch genießt der Leiter und seine Anordnungen hohe Akzeptanz auf-grund seines überlegenden Verhaltens und seiner Sachkenntnis (Pilz-Gruenhoff 1979, S. 39). Die verfahrensgeregelte Ordnung beruht dagegen auf vorher gemeinsam festgelegten Abläufen und Regeln hinsichtlich der Abfolge von Gesprächsbeiträgen durch Rednerlisten und feste Redezei-ten (Vogt 2002, S. 143). Ist diese Geschäftsordnung zu straff organisiert, können Gesprächsfreu-digkeit und Spontaneität sinken. Direkte Bezüge zum Vorgängerbeitrag werden erschwert (ebd., S. 145 ff., Pilz-Gruenhoff 1979, S. 41). Dennoch ist diese Form der kommunikativen Ordnung besonders für kleine parallel verlaufende Gruppendiskussionen (siehe 2.3.5.2) geeignet, wenn sie eine egalitäre Rederechtverteilung sicherstellt und die Möglichkeit zu spontanen nicht ausufern-den Äußerungen bzw. Verständnisfragen offen lässt (ebd., Vogt 2002, S. 149). Der autoritative und verfahrensgeregelte Führungsstil verlangen eine vermehrt indirekte Führung der Lehrkraft durch die gemeinsame Konzeption der Führungsstrategie oder die teilweise Übertragung der Diskussionsleitung an einzelne befähigte Schüler (Polzius 1992, S. 109).

Auf der dritten Niveaustufe geschieht die Diskussionsleitung entweder durch einzelne Schüler oder durch das gesamte Plenum. Die Lehrkraft ist nun gleichberechtigter Diskussions-partner (Polzius 1992, S. 110). Die entsprechenden Führungsstile nennen Pilz-Gruenhoff (1979, S. 40) und Vogt (2002, S. 149) demokratisch bzw. schülerzentriert. Die Diskussionsleiter sind gleichzeitig Teilnehmer der Diskussion. Dies erfordert eine grundlegende Beherrschung von Strategien zur Gesprächsführung seitens der Schüler, sodass sie selbstständig, eigenverantwort-lich und diszipliniert kommunizieren können und nur im Notfall von der Lehrkraft unterstützt werden müssen (Pilz-Gruenhoff 1979, S. 41). Solche Notfälle treten ein, wenn Schüler grobe Argumentationsfehler begehen, Gesprächsregeln massiv verletzen, keine Beiträge mehr bringen wollen oder Pausen entstehen, obwohl das Thema aus Lehrersicht noch nicht erschöpfend disku-tiert ist (Vogt 2002, S. 154 f.). Die minimierten Lenkungsaktivitäten der Lehrkraft erlauben Frei-raum zur Entfaltung und Bearbeitung des Themas im Sinne nicht-institutioneller Diskussionen insbesondere in Kleingruppen (ebd., S. 150, Rössner 1967, S. 33). Van Ments (1992, S. 55) nennt weitere Vorteile, die sich für die Teilnehmer für die Diskussion insgesamt aus der demo-kratisch geleiteten Variante ergeben: Solche Diskussionen fördern das Vertrauen in die eigene Sprache. In entspannter Atmosphäre werden tatsächlich interessierende anstelle rein diskussions-leitender Fragestellungen zur Thematik zugelassen. In umfangreichen unbegrenzten Beiträgen wird die Thematik entsprechend des Schritttempos der Teilnehmer diskutiert. Dabei erhält jeder Verantwortung für das Gelingen der Diskussion, ein Aspekt, der auch eine tiefgründige Vorbe-reitung erfordert. Jeder darf zudem Erfahrungen in der Gesprächsführung sammeln (ebd.). Die-sen Vorteilen stellen Vogt (2002, S. 155), Van Ments (1992, S. 56) und Pilz-Gruenhoff (1979, S.

19) auch Gefahren dieses Führungsstils gegenüber. Ihnen zuforlge wird ohne dynamische Lei-tung und RichLei-tungsweisung die Thematik möglicherweise nicht umsichtig genug diskutiert.

Überlappungen und simultanes Sprechen werden begünstigt. Diskussionsergebnisse würden nicht zusammenfassend festgehalten und stellten eher Dissens als Konsens dar. Falsche Informa-tionen würden unkorrigiert aufgenommen. Die Dominanz redegewandter Sprecher könne

ver-ängstigte, unmotivierte Gesprächspartner einschüchtern und an ihrer Beteiligung hindern. Diese Aspekte könnten eine Unlust auf zukünftige Diskussionen hervorrufen, sodass eventuelle Sto-ckungen, Störungen oder andere Defizite in der Auswertung thematisiert und mit weiteren Ge-sprächsübungen gezielt abgebaut werden sollten (ebd., S. 41).

Vogt (2002, S. 157) bemerkt für die vorgestellten Führungsstile, dass sie meist als Misch-form in Unterrichtsdiskussionen auftreten. Deshalb Misch-formuliert er drei weitere Stile, die die bishe-rigen kombinieren. So wird aus einer lehrerzentrierten Führung eine lehrerzentriert-verfahrens-geregelte, wenn die Rederechtzuteilung aufgrund vieler paralleler Meldungen geregelt oder trotz Leitung der Lehrkraft gemeinsam ein Abstimmungsverfahren für das Diskussionsende festgelegt wird (ebd., S. 158). Verläuft der Diskussionsprozess besser als es die Lehrkraft vorausgeahnt hat, kann ihre direkte Führung zur schüler-lehrerzentrierten werden. Dann verzichtet sie für bestimm-te Zeit auf die Rederechtvergabe, macht aber gleichzeitig deutlich, dass sie jederzeit eingreifen kann (ebd., S. 162 f.). Die dritte Mischform der verfahrensgeregelten-schülerzentrierten Führung tritt ein, wenn in einer klar festgelegten Rednerliste spontane Stellungnahmen zu vorgetragenen Standpunkten ermöglicht werden.

Das Gelingen von geleiteten Diskussionen hängt auch von der Bewältigung bestimmter moderierender und gesprächssteuernder Aufgaben des Leiters in den einzelnen Diskussions-schritten ab. Daher sollte sich auch ein Diskussionsleiter intensiv vorbereiten (Polzius 1992, S.

83). Auch wenn er kein Experte in allen die Diskussionsfrage betreffenden Bereichen sein muss, benötigt er beispielsweise inhaltliche Einblicke zu allen in der Diskussion angesprochenen Per-spektiven, um die Diskussionsteilnehmer mit gezielten Fragen herauszufordern bzw. inhaltliche Lücken der bisherigen Diskussion zu erkennen und sie durch entsprechende Impulse füllen zu können (ebd.). In der Eröffnung einer Diskussion muss der Diskussionsleiter einerseits die Dis-kussion organisatorisch vorbereiten. Es gilt wichtige DisDis-kussionsregeln aufzustellen, die die Wortvergabe, Redezeiten, Mitschriften, Ausdrucksweisen und den gegenseitigen Umgang betref-fen, sowie das genaue Ziel und den Ablauf der Diskussion zu klären (Wenzel 1995, S. 230 f., Van Ments 1992, S. 43 f.). Andererseits muss er inhaltlich auf die Diskussionsthematik lenken und einen widerspruchsvollen, herausfordernden, diskussionsanregenden Einstieg gestalten, der alle Beteiligten motiviert (ebd., Polzius 1992, S. 84). Hierfür nennt Alt (2003 S. 129 f.) mit Be-zug auf Lemmermann (1997) vier Einleitungstechniken. So hat der Leiter die Wahl zwischen:

1. einem Aufhänger mittels konkretem Beispiel, Erfahrungsbericht oder einer Meldung aus den Medien,

2. einem Vorspann, der als Eisbrecher das Publikum zunächst mit dem Thema vertraut ma-chen soll,

3. einem Denkanreiz, in dem maximal drei Fragen benannt werden, die im Verlauf der Dis-kussion geklärt werden sollen,

4. und einem direkten Einstieg mit Nennung der Diskussionsfrage und sofortigem Diskus-sionsbeginn (ebd.).

Des Weiteren soll der Leiter den Wunsch auf Teilhabe aller Teilnehmer äußern, bevor er dem ersten Sprecher das Wort erteilt (Van Ments 1992, S. 44, Wenzel 1995, S. 230 f.). Es folgt die Vorstellung der Teilnehmer, in der sie zu einer ersten Standpunktpräsentation aufgerufen wer-den. Alt (2003, S. 19, 1994, S. 31 f.) fordert stets eine neutrale Begrüßung und Vorstellungsrun-de, die unabhängig von persönlichen Merkmalen gestaltet ist, d. h. die keine Rücksicht auf Sym-pathien oder soziale Rangunterschiede der Teilnehmer nimmt. Zudem sollten alle Teilnehmer vom Leiter vorgestellt werden, um der Vielrederei bei einer eigenen Vorstellung vorzubeugen (ebd.). Die darauf folgende erste Standpunktbenennung gibt allen Gelegenheit zur Äußerung und baut gleichzeitig mögliche Sprechängste ab (Van Ments 1992, S. 44). Es ist Aufgabe des Leiters zum Beginn der diskursiven Verknüpfung überzuleiten (Polzius 1992, S. 84).

In der Argumentationsphase soll sich der Leiter so neutral und zurückhaltend wie möglich verhalten (Pilz-Gruenhoff 1979, S. 37, Polzius 1992, S. 85, Alt 2003, S. 19). Polzius (1992, S.

85) schränkt diese Forderung etwas ein, indem er dem Leiter zugesteht, seine Meinung im Ver-lauf der Diskussion deutlich werden zu lassen. Er solle aber keine diskursive Hauptrolle über-nehmen. Dazu gehört auch, nicht auf Fragen zu antworten, die gut von Teilnehmern selbst be-antwortet werden können (Van Ments 1922, S. 66). Vielmehr ist es seine primäre Aufgabe, für die Einhaltung eines gesprächskulturvollen Ablaufs, den Diskussionsfortgang und eine vertiefte Problembearbeitung zu sorgen, dabei stets den ‚roten Faden’ und das Diskussionsziel im Auge behaltend (ebd., S. 55, Polzius 1992, S. 84, Pilz-Gruenhoff 1979, S. 37). Dies bedeutet einerseits eine moderierende Aufgabe der gerechten Rederechtverteilung und Beachtung der Redezeiten, gegebenenfalls durch Führung einer Rednerliste (ebd., Wenzel 1995, S. 230, Fabian 1977, S. 33 f.). Dabei soll der Diskussionsleiter nicht zu pedantisch vorgehen (Alt 2003, S. 19). Andererseits muss er stets den inhaltlichen Verlauf der Diskussion aufmerksam verfolgen, um argumentative Schwachpunkte herausarbeiten und darauf verweisen, Unklarheiten und Widersprüche hinterfra-gen oder intervenieren zu können, wenn die Diskussion stockt (ebd.). Ebenso sollte er mit Soll-Ist Vergleichen an Thema und Ziel erinnern, wenn dies aus dem Auge gerät oder bereits während der Diskussion wichtige Zwischenergebnisse formulieren, unterschiedliche Ansichten gegenüber stellen und verbindende Gemeinsamkeiten herausstellen (ebd., S. 20, Popp 2001 o. S., Alt 1994, S. 31 f., Wenzel 1995, S. 230 f., Van Ments 1992, S. 46, Polzius 1992, S. 84, Pilz-Gruenhoff 1979, S. 37, Fabian 1977, S. 33 f.).

Schmidt / Stock (1979, S. 166) stellen einige Möglichkeiten des Diskussionsleiters vor, an Vorgängerbeiträge anzuknüpfen:

a) Fragend: nachhakende, weiterführende oder impulsgebende Fragen zur dargestellten Problematik

b) Anregend: von allgemeinen bereits getätigten Vorschlägen ausgehende Anregung zur Formulierung konkreter Verwirklichungsmöglichkeiten und ihrer Beratung

c) Explizierend: Anknüpfen an Äußerungen durch Konkretisierung der Aussage oder Hin-zufügen weiterer Faktoren

d) Vergleichend: getätigte Ausführungen mit analogen Möglichkeiten vergleichen

e) Widerlegend: Provozieren und Mobilisieren durch Widerlegen getätigter Teilaussagen f) Kommentierend: Kommentieren von Aussagen durch Aufzeigen von Zusammenhängen

zu anderen Bereichen, Konsequenzen oder Fehlern, Hintergrundinformationen zu Sach-verhalten geben, die eine tiefere Auseinandersetzung mit der Problematik ermöglichen.

Mit Bezug auf kommentierende oder rein gedankenwiedergebende Äußerungen des Diskussions-leiters weist Van Ments (1992, S. 67) auf ihren möglicherweise großen Einfluss auf die Mei-nungsbildung der Teilnehmer hin. Dieser ergibt sich einerseits durch die längere gemeinsame Aufmerksamkeit auf den Gedanken, andererseits durch den hohen sozialen Status des Leiters, dessen Aussagen als autorisiert gelten (ebd.).

Unabhängig ob als Kommentar oder Frage formuliert, sollten Redebeiträge des Leiters stets an alle gerichtet sein, um reine Frage-Antwort Dialoge mit dem Leiter zu unterbinden (ebd., S. 65, Pilz-Gruenhoff 1979, S. 37). Zudem muss der Leiter versuchen, weitere Teilnehmer ein-zubeziehen, sobald sich die Diskussion lediglich zwischen zwei Diskussionspartnern entwickelt.

So können alle Perspektiven in der Diskussion berücksichtigt, Geschwätzige gebremst und Schüchterne herausgefordert werden (Alt 2003, S. 20, Pilz-Gruenhoff 1979, S. 37). Der Leiter soll auch intervenieren, wenn Diskussionsregeln grob verletzt werden. Persönliche Angriffe und Beleidigungen sind sofort zu untersagen bzw. zu ahnden (ebd., Fabian 1977, S. 34). Für jegliche Art der Intervention stellt Pilz-Gruenhoff (1979, S. 39) heraus, dass es schwierig ist, das richtige Maß an Führung zu finden und zu erkennen, wann eingegriffen werden muss. Schüler können dies nur durch systematische und schrittweise Einübung sowie Aufgaben zur Gesprächsanalyse erlernen. Als Ziel dieser Übungen soll ein guter Leiter zwar Probleme erkennen, sie aber von den Teilnehmern selbst lösen lassen, indem er lediglich zum Gedanken- und Informationsaustausch ermuntert und dabei Pausen zulässt, damit sich die Teilnehmer auf den Diskussionsprozess be-sinnen können (Van Ments 1992, S. 54).

Polzius (1992, S. 85) sieht die wichtigste Aufgabe des Diskussionsleiters in der Hinfüh-rung zu Ergebnissen. Eine Ergebniszusammenfassung ist spätestens am Ende der Diskussion unerlässlich. Sie kann entweder durch den Diskussionsleiter selbst oder durch von ihm bestimm-ten Teilnehmer vorgenommen werden (Polzius 1992, S. 86). Die Ergebnissicherung sollte alle in der Diskussion zum Ausdruck gekommenen Perspektiven berücksichtigen. Eine schriftliche Fi-xierung der Ergebnisse etwa in einem Tafelbild sollten, anders als von Polzius (ebd.) angeregt, erst in der anschließenden Diskussionsauswertung erfolgen, um die Diskussion mit einem klaren Schlusswort, einer Abstimmung oder dergleichen offiziell zu beenden und eine gemeinsame Auswertung losgelöst von den Diskussionsrollen zu gewährleisten. Für dieses Schlusswort könn-ten Redeprotokolle zurate gezogen oder etwaige Mitschrifkönn-ten verlesen werden (Van Ments 1992, S. 51). Das Schlusswort sollte neben der Ergebnisformulierung auch offene Fragen und Proble-me benennen, die in der Weiterführung oder an anderer (fiktiver) Stelle erörtert werden müssen (ebd., Alt 2003, S. 20). Offene (Klärungs-)Diskussionen (siehe 2.3.5.1) brauchen keine abschlie-ßende, zusammenführende Ergebnisformulierung (Van Ments 1992, S. 51). Hier genügen Flos-keln wie, ‚Wie sie sehen, gibt es unterschiedliche Auffassungen zum Thema…’ Für alle Diskus-sionen mit einem Leiter gilt, dass er sich spätestens im Schlusswort noch einmal für die

Diskussionsbeteiligung bedankt und auf Probleme bei der Einhaltung der Diskussionsregeln aufmerksam macht (Polzius 1992, S. 86). Wie solche Regeln aussehen können, wird im nächsten Unterkapitel deutlich. Die vorangegangenen Ausführungen zeigen die Komplexität der Anforde-rungen an einen Diskussionsleiter. Die empirische Untersuchung wird zeigen, inwieweit Schüler und Lehrkräfte die Aufgaben der Diskussionsleitung bewältigen können (siehe 6.2.2.3).

2.3.3.2 Diskussionsregeln

„Regeln unterstützen die Erarbeitung der Gesprächsfähigkeiten für die Einzelnen wie für die Gruppe“ (Potthoff et al. 1995, S. 25).

Diskussionsregeln sollen Handlungsorientierungen geben, die in besonders kurzer sprach-licher Fügung Theorie und Empirie des Unterrichtsgeschehens verallgemeinern und auf ein ef-fektives Lehren und Lernen hin gerichtet sind (Polzius 1992, S. 129). Polzius (ebd., S. 130) be-trachtet sie weniger als statische Vorschriften, sondern mehr als schöpferische

Regieanweisungen im Sinne von Impulsgebern oder Wegweisern mit lenkendem, mobilisieren-dem oder hinweisenmobilisieren-dem Charakter. Alt (1994, S. 24) sieht in ihnen die Möglichkeit, Ungleich-heiten zwischen den Diskussionsteilnehmern zu neutralisieren, indem sie für alle Beteiligten gelten. Regeln beruhigen einerseits die Furchtsamen oder weniger Selbstsicheren, andererseits schränken sie das Potential freier Argumentation ein (Van Ments 1992, S. 39).

Neben ihrer Kenntnis betrachtet Wenzel (1995, S. 89) auch die Fähigkeit und Bereitschaft diese Regeln umzusetzen als Voraussetzung für das Gelingen von Diskussionen. Regeln sollten daher gemeinsam mit den Schülern formuliert werden, um sie zu ihren Regeln zu machen, deren Einhaltung auch intrinsisch motiviert ist (Roberts 2003, S. 82). Ihre Einhaltung verlangt zum einen ungeschriebene Gepflogenheiten, die bereits vor Einsetzen des Fachunterrichts vorhanden sind. Dazu gehören Grundprinzipien gelingender Kommunikation im Unterricht wie der geord-nete Sprecherwechsel, gegenseitiges Zuhören, einander Ausreden lassen oder seine Redeabsicht durch vorheriges Melden signalisieren (Wenzel 1995, S. 119, Potthoff et al. 1995, S. 59). Zum anderen müssen Diskussionsregeln bewusst formuliert, vermittelt, verstanden, eingeübt, erprobt und reflektiert werden, um nach etwaiger Modifizierung bejahend verinnerlicht zu werden (Wenzel 1995, S. 119). Dies bedeutet einen langfristigen Lernprozess, der durch gemeinsame Regelaufstellung, schriftliche Visualisierung der Regeln, Übung an Beispielen und wiederkeh-rende Anwendung in echten Unterrichtsgesprächen unterstützt werden kann (Potthoff et al. 1995, S. 60 ff.). Dabei sollen ausgehend von einfachen und wenigen Regeln, je nach Übung und Ver-mögen der Lerngruppe, zusätzliche und schwierigere Regeln hinzukommen. Grundsätzlich gilt bei der Formulierung von Diskussionsregeln, so viele wie nötig und dennoch so wenig wie mög-lich zu bedenken (Wenzel 1995, S. 120 f).

Aus den unzähligen Regeln zu vernünftigem Diskutieren und Argumentieren, wie sie in Diskussionsratgebern, wissenschaftlichen Monographien und Beiträgen zu Argumentationstheo-rien formuliert sind, soll ein Katalog von für Diskussionen im Geographieunterricht als wichtig

erachteten Regeln zusammengestellt werden, der einerseits keinerlei Anspruch auf Vollständig-keit erhebt, andererseits in seiner Fülle aber nicht Maßstab für jede im Geographieunterricht stattfindende Diskussion sein muss. Er zeigt welche Aspekte im Sinne der Kommunikations-kompetenz im Allgemeinen und der ArgumentationsKommunikations-kompetenz im Speziellen durch explizite Regeln für Schüler bewusst gemacht und durch ihre Einhaltung erlernt werden sollen. Dies be-dingt auch eine Erweiterung um konkrete Regeln für das ‚geographische’ Diskutieren, welche über die Einhaltung allgemeiner Gesprächsregeln hinaus den Diskurs zu einem geographisch relevanten Thema steuern. Der Katalog formuliert Regeln zu unterschiedlichen Bereichen einer Diskussion. Sie werden nicht nummeriert, um keinen Eindruck von Hierarchie zu erwecken. Je nach situativer Einschätzung bezogen auf die Diskussionsart, das Diskussionsziel, das Leistungs-niveau der Schüler sowie die gewünschte Kompetenzförderung sollten Lehrkräfte am besten gemeinsam mit ihren Schülern die für ihre Zwecke als sinnvoll erachteten Diskussionsregeln dieser Sammlung bestimmen.

Allgemeine Regeln für die Diskussion (nach Mayer 2007, S. 155 f., Van Eemeren / Grooten-dorst 2004, S. 123 ff., Kienpointner 1996, S. 200 ff., Wenzel 1995, S. 252 f., Alt 1994, S. 24, Van Ments 1992, S. 48, Polzius 1992, S. 3 im Anhang, Potthoff et al. 1995, S. 68 ff. Pilz-Gruenhoff 1979, S. 19, Fabian 1977, S. 94 f., Rössner 1967, S. 37):

 Bei allen Äußerungen in Diskussionen besteht Meinungsfreiheit.

 Betrachte die Diskussionsteilnehmer als gleichberechtigte Partner.

 Jeder bekommt die Gelegenheit zur Äußerung.

 Niemand darf zum Reden gezwungen werden.

 Halte dich an die Redezeiten.

 Arbeite stets aufmerksam, diszipliniert, sach- und themenbezogen mit.

 Nachfragen und direkte Reaktionen auf Äußerungen haben Vorrang.

 Geh respektvoll mit deinen Gesprächspartnern um.

 Beharre nicht nur auf der eigenen Meinung.

 Nutze emotionale Aussagen nur, um das Gesprächsklima zu verbessern.

 Vermeide den Ton der Unwiderruflichkeit, meist gibt es kein richtig oder falsch.

 Formuliere so einfach wie möglich und so komplex und differenziert wie nötig.

 Formuliere so kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig.

 Setze vielfältige und sprachlich angemessene Mittel ein.

 Sprich klar und deutlich, aber nicht monoton.

Regeln für die Diskussionsvorbereitung (nach Polzius 1992, S. 3 im Anhang):

 Verlange Klarheit in der Ziel- und Aufgabenstellung.

 Bemühe dich bei der Informationsrecherche um ein ausgewogenes Verhältnis von Theo-rie und EmpiTheo-rie.

 Fixiere deine Gedanken übersichtlich und handhabbar.

 Bemühe dich um eine beweiskräftige Problemlösung.

 Bedenke Möglichkeiten, die Diskussionspartner herauszufordern.

 Orientiere deine Vorbereitung immer an der Diskussionsfrage.

 Verdeutliche, wo du die Position anderer benötigst, formuliere Fragen.

Regeln für die eigentliche Diskussion (nach Wenzel 1995, S. 252 f., Van Ments 1992, S. 48 ff., Polzius 1992, S. 3 f. im Anhang, Potthoff et al. 1995, S. 68 ff.):

 Vermeide Abschweifungen oder führe zum Kern zurück.

 Halte dich mit einem abschließenden Urteil bis zum Diskussionsende zurück.

 Fordere die Diskussionsteilnehmer heraus.

 Stelle dich nicht in den Vordergrund, aber sei stets präsent.

Regeln für Diskussionen mit Leiter:

 Der Leiter darf nur auf direkte Fragen an ihn antworten.

 Übernimm das Wort erst, wenn es dir der Leiter erteilt hat.

 Übernimm das Wort erst, wenn es dir der Leiter erteilt hat.

Im Dokument Diskussionen im Geographieunterricht (Seite 109-121)