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Die Blockade des Plexus brachialis hat eine lange Tradition. Halsted (31) führte 1884 zum ersten Mal eine Betäubung am freigelegten Plexus brachialis mit Cocain-getränkten Tupfern durch. Seit Hirschel (23) 1911 die erste transkutane Betäubung des Plexus über den axillären Zugangsweg publiziert hat, sind mehr als 25 Techniken zu seiner Blockade beschrieben worden (19). Von einer optimalen Plexusblockadetechnik wurde gefordert, dass mit einer Punktion der gesamte Arm zu betäuben sei, dies möglichst ohne Komplikationen.

Die häufigsten heutzutage angewandten Blockadetechniken sind:

• die interscalenäre Plexusblockade nach Winnie und Meier (33)

• der supraclaviculäre Plexusblock nach Kulenkampff, mit der Variante Paravaskulärblock (19)

• der infraclavikuläre Plexusblock nach Kilka (27)

• der axilläre Plexusblock nach De Jong (9)

Schaut man nur auf die infraclavikuläre Region, so findet man dort immer wieder Modifikationen, viele der beschriebenen Techniken unterscheiden sich allerdings nur wenig.

Eine infraclaviculäre Technik ist zuerst von Bazy 1917 beschrieben worden (4). Er punktierte von einer infraclavikulär gelegenen Stelle unterhalb der Clavicula in kranialer Richtung auf den Processus transversus des 6. Halswirbelkörpers (HWK), nach Auffinden des Plexus infiltrierte er ihn.

Babitzky (2) beschreibt 1918 einen neuen Weg zum Plexus brachialis. Der Einstichpunkt ist im Winkel gebildet durch die Kreuzung der Clavicula mit der zweiten Rippe, betrachtet aus vertikaler (vom Kopf des Patienten) Position.

Im Jahre 1924 publizierte Balog (3) eine Modifikation dieser Technik. Die Punktionsstelle war die Spitze des leichter auffindbaren Processus coracoideus scapulae. Nach Einstich wurde die Kanüle in medialer Richtung parallel zur Clavicula im Winkel von 45° zur Unterlage vorgescho ben.

Labat (29) beschreibt 1930 seine Technik, bei der er medioclavikulär punktiert und die Nadel unter der Clavikula in Richtung Proc. transversus des 6.HWK führt. Auf dem Weg zu den Nervenwurzeln läuft die Nadel dicht an der Pleurakuppel vorbei.

58 Um die Pneumothoraxgefahr zu verringern, wurden viele Varianten entwickelt. Als bedeutendster Vorläufer der heutigen vertikal- infraclavikulären Blockade gilt eine von Raj (47) 1973 veröffentlichte Technik. Der Autor markierte den Plexus brachialis auf seiner ganzen Länge, das Tuberculum caroticum, die Arteria brachialis, die Stelle, wo die A. subclavia unter der Clavicula eintaucht und falls diese Stelle nicht tastbar, dann auch die Mitte der Clavicula. Er zeichnete praktisch auf der Haut des Patienten die Route der Nervenstränge von ihrer Austrittstelle am Hals bis zum Arm. Diese Markierung erhielt den Namen linea anaesthetica, da im gesamten Verlauf unter transkutaner Stimulation der Plexus brachialis darzustellen ist und dieser im gesamten Verlauf punktiert und anästhesiert werden kann. Ein Vorgehen, dass von Lorenz (30) in einer aktuellen Arbeit 2004 erst wieder entdeckt wurde.

Ferner wurden Vorschläge zur Modifikation von Sims 1977 (51), von Whiffler 1981 (56) und von Munteanu 1982 (37) gemacht. Alle diese Zugänge waren mit Komplikationen behaftet (s.Synopsis,Tab.15), wobei das Auftreten von Blutungskomplikationen bei Whiffler’s Coracoid Block mit 50% angegeben wird, dies bedeutete in der Praxis, dass der infraclavikuläre Zugang sich zunächst nicht durchsetzten konnte. Es wurde aus Sicherheitserwägungen die aus vergleichenden Arbeiten (6,18,19,54) bekannten Einschränkungen wie längere Anschlagszeit und Problemnerven, in der Anwendbarkeit der axillären Plexusblockade in Kauf genommen.

Erst 1995 folgte Kilka’s (27) Vorschlag der vertikal infraclavikulären Blockade (s.Kap.1.6), wobei das besondere das lotrechte einbringen der Nadel war.

Aufmerksamkeit erregt die schnelle Anschlagszeit und die komplette Betäubung des Armes. Doch auch er musste das Auftreten von Pneumothoraces und Gefäßpunktionen einräumen. Aufgrund dieser Problematik wurde versucht, durch Einführen eines Korrekturfaktors den Punktionsort nach lateral zu verlegen, um das Risiko von Pleurapunktionen zu minimieren (40).

Seit der Veröffentlichung der infraclavikulären Plexusblockade von Kilka wurde diese Methode von verschiedenen Untersuchern angewandt. Es wurden bisher Vergleiche mit der axillären Technik und das Auftreten von Pneumothoraces als

59 Zeichen einer akzidentellen Pleurapunktion bei VIB untersucht (1,5,12,13,18,24,28,41,50), die Blutungskomplikationen standen dagegen bisher nicht im Mittelpunkt.

Im HELIOS Klinikum Berlin- Buch wurde nach klinischen Beobachtungen der Abstand eines Fingers vom Sulcus deltoideopectoralis zunächst mit dem gemessenen Punkt nach Kilka verglichen, dies wurde auch wie in Kap. 1.7 beschrieben an Probanden in Schichtaufnahmen dargestellt. Anschließend wurde dort gezielt mit einer Stimulationskanüle eingegangen und eine Plexusanästhesie angelegt. Es wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren im Rahmen der internen Qualitätskontrolle bei jedem Pat. beide Punkte angezeichnet und verglichen. Eine regelmäßige Übereinstimmung zwischen dem nach Kilka gemessenen und dem nach Dimitrov (13) bestimmten Punkt war in höchstens einem Drittel der Fälle festzustellen, die Übereinstimmung scheint also zufällig zu sein. Der Sulcusblock ist also eine Modifikation der vertikal- infraclavikulären Technik, welcher auf anderen Landmarken beruht, bei nur zufälliger Übereinstimmung der Punktionsorte.

5.1 Zur Problemstellung

Im Mittelpunkt unserer Betrachtungen standen die Blutungskomplikationen, die in der Literatur in erschreckender Häufigkeit zwischen 10 Prozent bei Kilka (27), über 30 Prozent bei Neuburger (38) und Kühnast (28), bis 50 Prozent bei Whifflers Coracoidblock (57) zu finden waren (s. Synopsis Tab. 15).

Ein Punkt soll die Aktualität dieser Frage verdeutlichen. In der Arbeit von Sandhu und Capan (48) wird der Ultraschall eingesetzt, um den Plexus brachialis zu anästhesieren. Es sollen damit auch die Strukturen identifiziert werden, die durch Fehlpunktionen am häufigsten verletzt werden, um damit das Auftreten dieser Komplikationen zu verhindern. Doch auch unter Verwendung von Ultraschall wurde bei einem Pat. versehentlich ein Gefäß punktiert. Dies zeigt, dass das Risiko einer akzidentellen Gefäßpunktion ein ernsthaftes Problem bei Punktionen in dieser Region darstellt.

60 Wir wollten untersuchen, ob sich durch die Änderung des Vorgehens das Auftreten von Blutungskomplikationen verringern lässt. Zunächst ließ sich im MRT zeigen, dass durch die Punktionsortbestimmung nach Dimitrov (s.Kap.1.7) der Abstand zu Pleura und Gefäßen größer wird.

In unserer Untersuchung wurde bei insgesamt 83 Pat. eine Plexusanästhesie angelegt, davon 40 mit der vertikal- infraclavikulären Technik und 43 mit dem Sulcusblock (s. Kap. 4.1). Es traten 4 Blutungskomplikationen auf, alle in der VIB- Gruppe, dies entspricht 10% und damit exakt der Angabe von Kilka (27), der in seiner ersten Veröffentlichung ebenfalls 10% Blutungskomplikationen bei der VIB angegeben hatte. Vergleicht man diese Zahlen mit Angaben aus den Arbeiten von Kühnast (28) und Neuburger (38), die auch die klassische VIB untersuchten, so müsste geklärt werden, warum hier mit 30% bzw. 31% deutlich mehr Blutungskomplikationen auftraten.

Da in der SB- Gruppe keine Blutungskomplikation zu verzeichnen waren und dies sich als statistisch signifikanter Unterschied darstellt, können wir folgern, dass durch die Modifikation der infraclavikulären Technik, also durch die Bestimmung des Punktionsortes nach Dimitrov am Sulcus deltoideopectoralis, sich die Sicherheit bezüglich versehentlicher Gefäßpunktionen erhöhen lässt.

61 Autoren Patienten Erfolgsrate Blutung Pneumothorax

Raj 200 95% 0 0

Borgeat 150 97% 2% 0

Whiffler 40 92,5% 50% 0

Kapral* 20 100% 0 0

Sandhu* 126 97,6% 0,8% 0

Kilka 175 95% 10% 0

Mehrkens 570 91% 10% 0,7%

Desroches 150 91% 0 0,7%

Neuburger 97 88% 30% 0

Kühnast 100 83% 31% 1%

5.2 Blockadeerfolg der Anästhesieverfahren

Verglichen mit der axillären Technik gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass die VIB hinsichtlich Anschlagszeit und Erfolgsrate Vorteile hat (54). In einer Untersuchung von Heid (18), der die VIB mit einer modifizierten axillären Technik verglich, ließen sich Unterschiede hinsichtlich Erfolgsrate und Ausbreitung zeigen.

Bei der VIB wurden hier bis zu 100% Erfolgsrate angegeben, während bei der hochaxillären Technik 70% genannt wurden. Auch Neuburger (39) konnte in einer vergleichenden Arbeit zeigen, dass die Erfolgsrate bei der VIB deutlich besser ist als bei der axillären Technik, er gab 88% für die VIB und 70% für den axilären Plexus (AxPlex) an.

Tab. 15: Synopsis der infraclavikulären Blockaden, Erfolgsrate und das Auftreten von Komplikationen bei ausgewählten Arbeiten mit unterschiedlichen infraclavikulären Techniken (*Ultraschallgestützte Technik).

62 Eine Frage in dieser Arbeit war, ob sich in diesem Punkt ein Unterschied zwischen VIB und SB darstellen lässt. Es konnte jedoch kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Erfolges bei Anlage der Plexusanästhesie zwischen beiden Verfahren gezeigt werden. In unserer Arbeit lag die Erfolgsquote bei der VIB bei 85%, beim SB bei 91% (Kap.4.3). Ein Ergebnis, dass mit den Zahlen der anderen Untersuchungen (s.Tab.15) vergleichbar ist.

Durch Supplementierung konnten alle Pat. mit Plexusanästhesie operiert werden.

Es gibt Hinweise auf einen Vorteil zu Gunsten des Sulcusblockes, da in dieser Gruppe nur fünfmal bei unzureichender Wirkung supplementiert werden musste, bei der VIB waren in neun Fällen ergänzende Maßnahmen notwendig, um eine Operation zu tolerieren (Kap.4.3.1). Zu diesem Punkt wäre sicher eine Untersuchung mit einer deutlich höheren Fallzahl erforderlich, um ein signifikantes Ergebnis zu erhalten.

Hinsichtlich der Anzahl der Punktionsversuche war kein Unterschied zu sehen, es wurden im Mittel 1,8 Versuche benötigt, um bei der VIB den Plexus brachialis zu erreichen, beim SB waren es im Mittel 1,7 Versuche (Kap.4.3.2). Auch die geringen Unterschiede, es gelangen mehr SB mit einem Versuch und mehr SB mit mehr als drei Versuchen (s.Kap.4.3.2), waren nicht signifikant und lassen zu diesem Punkt keine Aussage zu. Hier wäre zu klären, ob sich die Anzahl der Versuche in der SB- Gruppe noch senken lässt, da der Untersucher eine größere Erfahrung in der Mittel 60,5 sec bei der VIB um den Punktionsort zu finden, dagegen nur 17,1 sec beim SB.

63 Bei den Punkten Punktionszeit T2 (s.Kap.4.2.2) und Anschlagszeit T3 (s.Kap.4.2.3) konnten tendentielle Unterschiede gezeigt werden, diese waren beide zu Gunsten des SB, aber ohne Signifikanz. Da jedoch insgesamt alle drei Zeiten Vorteile in der SB- Gruppe zeigen, können wir hier in der Summe einen deutlichen Vorteil für den Sulcusblock sehen.

Dies ist für die klinische Anwendung interessant und bringt Vorteile bei der täglichen Anwendung.

Betrachtet man nur die Anschlagszeit T3 und vergleicht diese mit den Angaben aus der Literatur (18,27,28,39), so werden hier zwischen 10 min und 30 min genannt.

Problem ist die Definition des Endpunktes, da einige Autoren die Termini „operabel“

oder „chirurgische Toleranz“ benutzen. Wir hatten den Endpunkt der Anschlagszeit mit Freigabe nach Testung definiert, das heißt bei ausreichendem sensiblen Blockadegrad (s.Kap.2.7.1). Insgesamt haben wir, mit im Mittel 15,4 min bei der VIB und mit 13,9 min beim SB, für beide Verfahren Zeiten ermitteln können, die im Bereich der anderen Arbeiten lagen, mit einer Tendenz zu schnelleren Zeiten beim SB.

5.4 Blockadeausbreitung

Vergleicht man die Ergebnisse aus Kap. 4.4 hinsichtlich der segmentalen Ausbreitung mit Angaben aus der Literatur, so wird nicht in allen Arbeiten nach Einzelnerven differenziert. Bei Heid (18) werden die Anschlagszeiten für die einzelnen Hauptnerven dargestellt. Die Autoren weisen auf signifikante Unterschiede bis zum Einsetzen der Anästhesie hin, wie am N. radialis mit 80%

kompletter Blockade in der VIB- Gruppe und nur 36,7% in der axillären Plexusgruppe nach 30 min. Auch für den N. musculocutaneus war der Unterschied signifikant, 70% bei der VIB vs. 33,4% beim AxPlex, was mit der anatomischen Gegebenheit des frühen Abgangs der Nerven aus dem Plexus erklärt wurde.

64 In unserer Arbeit wollten wir sehen, ob es analog einen Unterschied hinsichtlich der Ausbreitung zwischen VIB und SB gibt. Bei der segmentalen Ausbreitung der Blockade konnte kein Unterschied gezeigt werden. Es waren keine typischen Lücken zu erheben. Es scheint aber einen Vorteil hinsichtlich der Intensität in den Randbezirken, also C4/C5 und Th1/2, zu geben (s.Abb.17), dies entspricht den Nervi suprascapularis, axillaris und intercostobrachialis. Außerdem tritt die Wirkung in den Segmenten C6/7, C7 und C8 schneller ein, dies entspricht den Nervi radialis, ulnaris und medianus, also den Hauptnerven der Hand (s. Abb.19 und Tab.13). Es war also insgesamt eine gleichmäßigere Ausbreitung der Blockade bis in die Randsegmente beim SB zu sehen und zusätzlich wurden die Hauptnerven zur Hand schneller blockiert, zwei Vorteile für den SB. Auch hier könnte eine höhere Fallzahl weitere Ergebnisse liefern.