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Planung weiterer Einstellungen nach Berufen (n=78)*

5 DISKUSSION DER VERBLEIBSTUDIE

Ziel der Studie VAMOS war es, den beruflichen Verbleib der Absolvent*innen nach dem Abschluss eines Modellstudiums in den Gesundheitsfachberufen in NRW zu beschreiben und dabei die Merkmale und Rahmenbedingungen der beruflichen Situation umfassend darzustellen und zu erklären. Um hierzu möglichst valide Aussagen treffen zu können, wurden sowohl die Erfahrungen der Absolvent*innen selbst, als auch die ihrer derzeitigen Arbeitgeber*innen erfasst. Die methodischen Spezifika sowie die qualitativen und quantitativen Ergebnisse der beiden Untersuchungsstränge wurden in den vorangegangenen Kapiteln 3 und 4 ausführlich dargelegt und werden im Folgenden komplementär zusammengeführt.

Den erforderlichen übergeordneten Rahmen für die Ergebniszusammenführung liefern die fünf zentralen Ergebnisfelder (vgl. Kapitel 2.4) und die darin integrierten übergeordneten Forschungsfragen der Studie (vgl. Kapitel 2.1). An dieser Struktur orientieren sich die folgenden Kapitel 5.1 bis 5.5.

Die Ergebniszusammenführung wird jeweils ergänzt um differenziertere Erläuterungen, die hierzu in den Zusammenhang zu weiteren empirischen Untersuchungen zum Verbleib der Absolvent*innen der Modellstudiengänge gestellt werden. Bezogen auf die Perspektive der Arbeitgeber*innen liegen allerdings noch keine empirischen Ergebnisse vor, die explizit die Absolvent*innen der Modellstudiengänge in Deutschland betreffen.

Insgesamt wird bei der Zusammenführung deutlich, dass die Daten aus den Befragungen der Absolvent*innen und die aus den Befragungen der Arbeitgeber*innen weitgehend zu kongruenten Einschätzungen führen. Die Ergebnisse erlauben folglich zusammenfassende Kernaussagen, die für jedes Ergebnisfeld am Ende der Kapitel 5.1 bis 5.5 in komprimierter Form beschreiben, wie die Absolvent*innen der Modellstudiengänge auf dem Arbeitsmarkt angekommen sind und wie sich ihre aktuelle berufliche Tätigkeit darstellt.

Die Ergebnisdiskussion ausgewählter Aspekte wird im Kapitel 5.6 dann getrennt nach den in der Studie untersuchten Berufsgruppen Pflege, Therapieberufe und Hebammenkunde geführt, da sich sowohl die Studienlage zum Verbleib der Absolvent*innen, als auch der Akademisierungsprozess insgesamt, in der Berufsfeldern unterscheiden.

Abschließend werden im Rahmen der Diskussion in Kapitel 5.7 die wesentlichen potenziellen Limitationen der Studie erörtert und Ihre Auswirkungen auf die Aussagekraft der Ergebnisse diskutiert.

5.1 DISKUSSION ERGEBNISFELD 1: BESCHÄFTIGUNGSMERKMALE

Die Modellstudiengänge werden in erster Linie als Antwort auf die Herausforderungen in der Versorgungspraxis gesehen. Wesentliches Ziel ist es aus diesem Grund, die Absolvent*innen für klientennahe Tätigkeiten in der Versorgung zu qualifizieren. Um zu untersuchen, inwieweit die eingeleitete hochschulische Erstausbildung den Bedarf und die Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung aufgreift, war es ein wesentliches Ziel von VAMOS, festzustellen, in welchen Tätigkeitsfeldern die Absolvent*innen nach Ihrem Studium tätig sind und welche Beschäftigungsmerkmale hierbei charakteristisch sind (vgl. übergeordnete Fragestellungen, Kapitel 2.1).

5.1.1 ARBEITSSETTINGS UND TÄTIGKEITSFELDER

Die Absolvent*innen wurden in der Online-Befragung gebeten jede von ihnen angegebene Haupt- und Nebenerwerbstätigkeit einem bestimmten Arbeitsfeld bzw. Setting zuzuordnen.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse ein breites Spektrum an Arbeitsfeldern, in denen die Absolvent*innen ihre aktuellen Erwerbstätigkeiten verorten. Was die Breite des Spektrums angeht, zeigen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsgruppen. Während die Bandbreite an festgestellten Arbeitssettings in der Hebammenkunde relativ gering ist, ist sie in der Pflege mit Abstand am größten (vgl. Abschnitt 3.2.1.2).

Betrachtet man vor allem die Haupterwerbstätigkeiten, ist aber ein prägendes Muster erkennbar, bei dem für jede Berufsgruppe ein klar dominierendes Arbeitssetting deutlich wird.

Die angegebenen Haupterwerbstätigkeiten in den Berufsgruppen Pflege (56%) und Hebammenkunde (53%) werden in über der Hälfte der Fälle dem Arbeitsfeld „Krankenhaus“

zugeordnet. Mit großem Abstand folgen anschließend im Pflegeberuf Haupterwerbstätigkeiten, die den Arbeitsfeldern der ambulanten und stationären

„Langzeitpflege“ (11%) sowie der „Psychiatrie“ (10%) zugeordnet werden. In der Hebammenkunde werden die Haupterwerbstätigkeiten am zweithäufigsten (23%) dem Arbeitsfeld „ohne Bindung an eine konkrete Einrichtung (z.B. freiberuflich ohne Praxis)“

zugeordnet (vgl. Abschnitt 3.2.1.2).

Für die Therapieberufe stellt sich die Situation komplett anders dar. Das klar dominierende Arbeitsfeld, in dem insgesamt über die Hälfte der angegebenen Haupterwerbstätigkeiten (im Mittel 53%) verortet werden, ist hier die ambulante „Therapiepraxis (als Beschäftigte*r)“. In der Logopädie werden sogar 61% der angegebenen Haupterwerbstätigkeiten diesem Arbeitsfeld zugeordnet. In der Ergo- bzw. Physiotherapie sind es 50% bzw. 47%. Das Krankenhaus ist bei den Therapieberufen lediglich das zweithäufigste Arbeitsfeld. Ungefähr jede zehnte Haupterwerbstätigkeit in der Ergotherapie (10%) und Logopädie (11%) wird diesem Feld zugeordnet. In der Physiotherapie ist knapp jede*r fünfte Absolvent*in (18%) im Krankenhaus haupterwerbstätig (vgl. Abschnitt 3.2.1.2).

Die aktuelle Studie zeigt für alle Berufsgruppen sehr deutlich, dass die Absolvent*innen in der Regel in der direkten Versorgung mit Klient*innen tätig sind. Annahmen, dass die Absolvent*innen nach dem Studium vorwiegend in klientenfernen Arbeitsfeldern in Wissenschaft, Lehre oder Management tätig sein könnten, werden mit der Studie VAMOS eindeutig nicht bestätigt (vgl. Abschnitt 3.2.1.3).

Die aktuell festgestellten Ergebnisse decken sich hier im Großen und Ganzen mit den Erkenntnissen aus den empirischen Untersuchungen, die bisher bundesweit zum Verbleib von Absolvent*innen der Modellstudiengänge durchgeführt wurden. Sowohl eine Untersuchung für die therapeutischen Berufsgruppen (Blümke et al., 2019), als auch eine Verbleibstudie für die Pflege (Baumann & Kugler, 2019), kommen zu nahezu identischen Ergebnissen, bezogen auf die jeweiligen Anteile der klientennahen Beschäftigung in den Berufsgruppen. Auch das im Rahmen der aktuellen Studie festgestellte Ergebnis, dass der Anteil klientennaher Erwerbstätigkeiten in den Therapieberufen im Vergleich zur Pflege etwas höher zu sein scheint, wird durch die beiden Studien bestätigt (Blümke et al., 2019; Baumann & Kugler, 2019). Für das Hebammenwesen liegen in Deutschland bislang keine vergleichbaren quantitativen Referenzdaten vor. Die verfügbaren qualitativen Ergebnisse, die im Rahmen einer Verbleibstudie der Hochschule Fulda erhoben wurden, deuten aber darauf hin, dass der im Rahmen von VAMOS festgestellte Verbleib der Hebammen in der direkten Versorgung zutreffend ist (Sterz & Blättner, 2017).

Im Hinblick auf das gesteckte Ziel der Modellstudiengänge, den Absolvent*innen vor allem eine Berufsausübung in der klientennahen Versorgung zu ermöglichen, lassen die aktuellen Ergebnisse berufsgruppenübergreifend den eindeutigen Schluss zu, dass die Studiengänge dieser Anforderung in sehr hohem Maße gerecht werden.

Neben der gelungenen Einmündung in die klientennahe Versorgung stellt sich in der gegenwärtigen Diskussion vor allem die Frage nach einem langfristigen Verbleib in diesem Bereich. Die aktuellen Ergebnisse können so interpretiert werden, dass die Befürchtung, dass ein großer Teil der Absolvent*innen den klientennahen Versorgungbereich bereits kurze Zeit nach dem Berufseintritt wieder verlassen könnte, nicht zutreffen. Eine übermäßige Abwanderung in „akademische“ Tätigkeitsbereiche (Wissenschaft, Lehre, Management etc.) bestätigen die Studienergebnisse, auch bei Absolvent*innen die mehr als 2 Jahre vor dem Befragungszeitraum (April-Juni 2017) ihr Studium abgeschlossen hatten, nicht. Auch diese Befragten arbeiten in den meisten Fällen weiterhin in der klientennahen Erwerbstätigkeit.

Nichtsdestotrotz zeigen die pseudolängsschnittlichen Analysen aber in allen Berufsgruppen, dass der Anteil der klientennah Tätigen, in den weiter zurückliegenden Prüfungsjahrgängen signifikant abnimmt. Für die Pflege wird dieser Befund durch die Untersuchung von Baumann und Kugler (2019) gestützt. Aufgrund der komplexen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt (z.B. Fachkräftemangel, Bedarf nach höher qualifizierten Fachkräften, mangelnde Attraktivität

letztlich ausschlaggebend sind. Vergleichbare Ergebnisse zur Hebammenkunde und zu den therapeutischen Berufen liegen zu diesem Untersuchungsaspekt nicht vor.

Insgesamt können die Ergebnisse so interpretiert werden, dass ein gewisser Teil der Absolvent*innen den klientennahen Versorgungsbereich innerhalb der ersten 24 Monate nach Berufseintritt bereits wieder verlässt. Die vertiefenden Analysen weisen in der aktuellen Studie hierbei auf den entscheidenden Einfluss eines zusätzlich abgeschlossenen Masterstudiums hin.

Absolvent*innen mit einem zusätzlichen Masterabschluss sind signifikant (p<0.001; Fisher’s exakter Test) seltener klientennah tätig als die Vergleichsgruppe ohne einen solchen Masterabschluss (vgl. Abschnitt 3.2.5.2).

Der Befund ist vermutlich dahingehend zu interpretieren, dass in den Einrichtungen des Gesundheitswesens bisher weitgehend noch keine Stellenprofile in der klinischen Versorgung existieren, die auf Absolvent*innen mit Masterabschluss zugeschnitten sind. Insofern erfordert dies von den Absolvent*innen vermutlich selbst nach einem klinisch ausgerichteten Masterabschluss vielfach einen Wechsel in klientenferne(re) Bereiche, wenn die im Masterstudium erweiterten Kompetenzen in der Berufspraxis adäquat angewendet werden sollen.

Bei absolvierten Masterstudiengängen mit pädagogischer oder wissenschaftlicher Ausrichtung ist es ohnehin naheliegend, dass die langfristigen Karriereoptionen dieser Absolvent*innen vornehmlich außerhalb der direkten Versorgung liegen. Hier handelt es sich um ein Phänomen, welches bereits aus der Anfangszeit der Akademisierung in der Pflege gut dokumentiert ist, wo Absolvent*innen additiver Studienangebote meist Karrieren außerhalb der klientennahen Versorgung eingeschlagen haben (Moses, 2015; Winter, 2005). Insofern ist kritisch anzumerken, dass in der aktuellen Studienlandschaft in Deutschland nur sehr wenige klinische Masterstudiengänge in den betroffenen Berufsfeldern angeboten werden, da dies vor dem Hintergrund des hohen Weiterbildungsinteresses der Absolvent*innen, die Abwanderung von Absolvent*innen aus dem klientennahen Versorgungsbereich zukünftig begünstigen wird.

Zusammenfassend kann für die Fragen der Arbeitssettings und Tätigkeitsfelder folgende Kernaussage formuliert werden.

Kernaussage 1

Den Absolvent*innen gelingt i.d.R. eine einschlägige Berufseinmündung. Diese deckt eine Vielzahl von Arbeitsfeldern ab, wobei in jeder Berufsgruppe ein Setting klar dominiert. In der Pflege und in der Hebammenkunde sind über die Hälfte der Haupterwerbstätigkeiten der Absolvent*innen im Krankenhaus verortet, während dies in den Therapieberufen für das Setting der ambulanten Therapiepraxis gilt.