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4.2 Untersuchung des Effekts verschiedener Wnt-Peptide auf das Wachstum und die Differenzierung der etablierten, chondrogenen Reporterzelllinie R-Coll(II)-EGFP-5

4.2.9 Diskussion zu Teil 1

NIH-LacZ, -wnt7a und -wnt5a mit Zusatz von drei PKc-Inhibitoren und einem -Aktivator

0 20 40 60 80 100 120 140

LacZ (Kontr.) LacZ + DMSO LacZ + Stauro LacZ + Bis LacZ + Go6976 LacZ + PMA Wnt7a (Kontr.) Wnt7a + DMSO Wnt7a + Stauro Wnt7a + Bis Wnt7a + Go6976 Wnt7a + PMA Wnt5a (Kontr.) Wnt5a + DMSO Wnt5a + Stauro Wnt5a + Bis Wnt5a + Go6976 Wnt5a + PMA

Monolayer und PKc-Inhibitor/-Aktivator

relative Intensität in Prozent (LacZ=100%)

Abbildungen 14 und 15: Vergleich der Koloniegrößen und der Fluoreszenz zwischen Softagarkulturen von R-Coll(II)-EGFP-5 über den Monolayern von NIH-LacZ, -wnt7a und -wnt5a, denen über die Zeit drei verschiedene PKc-Inhibitoren sowie ein PKc-Aktivator beigefügt wurden. So wurde Stauromycin in der Konzentration von 10-8 M, Bisindolylmaleat, Go6976 und PMA jeweils in der Konzentration von 10-7 M zugefügt. (Auf die Angabe von Standardabweichungen für die Grünfluoreszenz wurde auch hier bewusst verzichtet. Vergleiche dazu Kapitel 3.12.4 Absatz 3.)

4.2.9 Diskussion zu Teil 1

Im ersten Teil dieser Arbeit wurde zunächst eine Reporterzelllinie für chondrogene Differenzierung hergestellt und charakterisiert, um diese dann zur Untersuchung von Effekten der Wnt-Moleküle auf die Chondrozytendifferenzierung zu verwenden. Nach Selektion mit Hygromycin B wurden insgesamt drei stabile Klone der neuen Zellreihe R-Coll(II)-EGFP gewonnen. Diese Klone (benannt als R-Coll(II)-EGFP-3, -5 und -6) hatten ihre chondrogenen Eigenschaften beibehalten, so etwa die Ausbildung von Knorpelknötchen in der Langzeitkultur im Monolayer bzw. als CAG-Kultur und in der Softagarkultur, wobei diese Knorpelknötchen auch weiterhin eine charakteristische Anfärbung durch Alzian Blau44 zeigten. Gleichzeitig produzierten diese drei Zellklone R-Coll(II)-EGFP-3, -5 und -6 EGFP in Abhängigkeit von Kollagen Typ II und damit konnte eine Grünfluoreszenz als Marker ihrer chondrogenen Differenzierung unter Verwendung eines Fluoreszenzmikroskops beobachtet werden. Der Klon Nr. -5 proliferierte dabei verglichen mit den Klonen -3 und -6 am schnellsten. Zellaggregate dieses Klons auf CAG begannen bereits nach 12 (-24) Stunden eine gut erkennbare Grünfluoreszenz zu zeigen. Die Differenzierung wurde dabei zuerst im Zentrum der Kolonien beobachtet und korrelierte positiv mit der Koloniegröße. Dies lässt somit die Schlussfolgerung zu, dass Differenzierung einer bestimmten Zelldichte bedarf.

Die Softagarkultur mit Eingießen der Zellen in die Agarose bot viele experimentelle Vorteile gegenüber der Kultur auf der Kollagenagarose (s. dazu auch Kap. 3.11.9.3).

44 Bancroft et Stevens, 1990

Neben einer technischen Erleichterung in der Anlage und Kultur der Experimente konnte durch das Eingießen der Zellen in die Softagarose zudem auf den Kollagenanteil in der Trägermatrix, der eine Anheftung der Zellaggregate an die Oberfläche des CAG erst ermöglicht, verzichtet werden. So konnten Einflüsse, die aus einer Interaktion von Adhäsionsmolekülen auf der Oberfläche der Zellen mit dem Kollagen der CAG entstanden45, ausgeschaltet werden.

Die in den darauffolgenden Experimenten beobachteten Unterschiede lassen sich demnach verstärkt auf die Einflussnahme der unterschiedlichen Wnt-Monolayer in den einzelnen Wells zurückführen.

Ein speziell zu nennendes Problem in der schriftlichen Ausarbeitung stellte die statistische Aufbereitung und Darstellung der Grünfluoreszenz dar. So ist, wie bereits im Kapitel 3.12.4 Absatz 3 dargelegt, die analog zum Größenvergleich gewählte Form der Säulendiagramme auch für die Grünfluoreszenz die für den Betrachter wohl am leichtesten verständliche Darstellung der Daten. Aufgrund der vergleichsweise geringen Mengen an Einzeldaten und die zusätzliche Vereinfachung in Form einer prozentualen Darstellung (mit Standardisierung der Werte für LacZ = 100 %) ergeben sich jedoch recht grob abgestufte Diagramme, bei denen zudem ganz bewusst auf eine Angabe der Standardabweichungen verzichtet wurde.

Andere Darstellungsformen erwiesen sich hingegen im Vergleich als zu komplex, zudem wirkte der stetige Wechsel zwischen den unterschiedlichen grafischen Darstellungen sehr unruhig. Eine direkte Messung der EGFP-Expression im Verlauf der Experimente ist uns – wie im Kapitel 3.12.4 ebenfalls dargestellt – im Einzelnen nicht gelungen. So blieb letztendlich nur eine semiquantitative optische Auswertung übrig, wobei diese zusätzlich durch eine Vielzahl an Fotos unterstützt und gesichert wurde. Somit hat sich EGFP für uns auf der einen Seite als ein einfach zu handhabender und schneller Marker erwiesen, wobei auf der anderen Seite eine bessere Graduierbarkeit und eine direkte Messung, wie etwa für die Luziferaseaktivität im zweiten Teil der Arbeit, wünschenswert gewesen wären.

Bereits vor über 20 Jahren konnte durch Solursh et al. experimentell gezeigt werden, dass der Zusatz von Ektoderm zu Micro-mass-Kulturen mit Zellen aus Gliedmaßenknospen von Hühnerembryonen diese Zellen in vitro in ihrer chondrogenen Differenzierung hemmt.46 Als verantwortlich für diese negative Regulation der Chondrogenese zählen u. a. die fibroblast growth factors (FGFs) und der platelet derived growth factor (PDGF), welche in der Folge im Epithel der Gliedmaßenknospe sowie in der apikalen Ektodermalfurche (apical ectodermal ridge = AER) identifiziert wurden.47 Ihre Produktion vermag wiederum durch Mitglieder aus der Familie der Wnt-Glycoproteine induziert und/oder reguliert werden.48 Darüber hinaus zeigte sich, dass das Wachstum der Kolonien und die chondrogene Differenzierung bei Überexpression von Wnt1 oder Wnt7a in Gliedmaßenknospen von Hühnerembryonen oder in der Micro-mass-Kultur in vitro bei Verwendung eines retroviralen Vektors inhibiert werden.49 Zudem konnte von anderen Arbeitsgruppen gezeigt werden, dass Wnt4 die Einleitung der Chondrogenese in vitro blockiert und die Differenzierung der terminalen Chondrozyten beschleunigt, während Wnt5a und Wnt5b eine früh einsetzende Knorpelbildung in vitro beschleunigen, wohingegen sie die terminale Differenzierung in vivo hemmen.50 In derselben Arbeit konnte außerdem nachgewiesen werden, dass Wnt5b und Wnt11 die Chondrogenese auf zwei parallelen Pathways beeinflussen. Diese Beobachtungen haben wir auch auf weitere

45 Vergleiche McDougall, Fu, Lowe et al., 1996

46 Ahrens et al., 1977; Solursh et al., 1984

47 Reddi, 1994

48 Cummings, 2000; Parr et al., 1994

49 Rudnicki et Brown, 1997; Tufan et al., 2002

50 Church, 2002

Mitglieder der Wnt-Familie ausgeweitet und erste Beweise für gegensätzliche Effekte der einzelnen Mitglieder dieser Glycoproteinfamilie auf die chondrogene Differenzierung in vitro geliefert. Wnt1, -3a, -4, -7a und -7b hemmten die Differenzierung und das Wachstum der Kolonien unserer chondrogenen Reporterzelllinie, während Wnt5a und -11 das Kolonie-wachstum förderten und auch die Differenzierung der Zellen mäßig steigerten.51

Gegensätzliche Effekte der Wnt1- und der Wnt5-Klasse waren bereits in anderen experimentellen Arbeiten beschrieben worden, so z. B. in der Transformation von Säugetierzellen52 und den Achsenverdopplungsversuchen in frühen Xenopusembryonen.53 Wnt-4 wurde aufgrund seines hemmenden Einflusses im Kidney-induction-Assay54 gleich-wohl der Wnt1-Klasse zugeordnet, während es wegen seines fehlenden Effektes auf die Aktivität im Xenopus-axis-induction-Assay ebenso zur Wnt5-Klasse gerechnet werden konnte. So wurden nach McEven mindestens drei Wege der Signaltransduktion aufgezeigt, darunter neben der direkten Freisetzung von intrazellulärem Kalzium durch den Wnt/Ca2+ -Pathway55 der ´canonical Wnt Pathway und der ´planar cell polarity signaling´-Pathway, wobei letzterer unabhängig von β-Catenin funktioniert.56

Zudem wurde ein `mitogen-activated protein kinase (MAPK)`-Pathway beschrieben, der direkt in die inhibitorische Aktivität von Wnt7a auf die chondrogene Differenzierung in der Gliedmaßenknospe einwirkt.57 Außerdem konnte gezeigt werden, dass Lithium-Chlorid durch Inhibierung der Serin/Threonin-Phosphorylierungsaktivität der GSK-3beta einen Wnt7a-mimetischen Effekt auf die Chondrogenese ausübt.58

Die Zelllinie R-Coll(II)-EGFP-5 wurde von uns für die weiteren Experimente zur Untersuchung der Wnt-Effekte auf die Chondrozytendifferenzierung ausgewählt. Dabei kam es zunächst darauf an, zu zeigen, dass mit dieser neugeschaffenen Zelllinie die unter-schiedlichen Effekte der Wnt-Proteine überhaupt erkannt und auch reproduzierbar gemessen werden konnten. Damit sollten zunächst keine wesentlichen neuen Erkenntnisse über die Einflussnahme der Wnts auf die Chondrogenese erzielt werden, stattdessen sollte in erster Linie die Funktion dieser Zelllinie als Reporterzelllinie für die chondrogene Differenzierung bewiesen und gefestigt werden. Vergleiche mit Beobachtungen und Erkenntnissen aus der bisherigen Forschung (insbesondere auch retrospektiv) zeigen, dass unsere Ergebnisse über die Einflussnahme der Wnts auf die Proliferation und die Differenzierung der chondrogenen Reporterzelllinie vergleichbar sind, wodurch die Reporterqualität des Zellklones R-Coll(II)-EGFP-5 untermauert wird. So ist z. B. die proliferationssteigernde Wirkung des Wnt5a im longitudinalen Knochenwachstum59 ebenso beschrieben worden wie der inhibierende Effekt von Wnt3a auf die osteogene Differenzierung60 oder die Blockierung der Ausbildung von Knorpelknötchen durch Wnt7a.61

Ob die beiden anderen Zelllinien (R-Coll(II)-EGFP-3 und -6) demgegenüber möglicher-weise andere Vorteile, z. B. eine bessere Graduierbarkeit der EGFP-Intensität als differenzierte Abstufung für das Fortschreiten der Knorpelentwicklung in den beobachteten Zellen, aufwiesen, wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter untersucht. So sei nur angemerkt, dass z. B. in den Experimenten zur Auswirkung der drei Proteinkinase C-Inhibitoren und des PKc-Aktivators teilweise einfach keine Abstufungen in der Intensität der

51 Bergwitz et al., 2000

52 Humphreys et Rosen, 1997; Wong et al., 1994

53 Du et al.,1995; Moon et al., 1993

59 Kawakami et al., 1999; Yang et al., 2003; Yamaguchi et al., 1999

60 Boland et al., 2004

61 Stott et al., 1999

EGFP-Fluoreszenz bei insgesamt sehr stark leuchtenden Zellkolonien mehr erkennbar waren (s. Kapitel 4.2.8). Hierbei hätten vielleicht die weniger ausgeprägt leuchtenden Klone weitere Erkenntnisse erbracht. Phänotypischen Unterschiede zwischen einzelnen Subklonen einer Transfizierungsreihe von Rattenknochenzellen wurden bereits vorbeschrieben62, daher wären für evtl. weiterführende Forschungen mit den hier etablierten Reporterzelllinien solche Unterschiede der einzelnen Klone im Vorfeld entsprechend zu prüfen.

Der Einsatz von Chlorat kehrte den wachstumsstimulierenden Effekt von Wnt5a und –11 ebenso um wie die Suppression der Grünfluoreszenz, welche bei Cokultur mit Wnt1, -3a, -4, -7a und -7b zu erkennen war. Chlorat wirkt dabei durch Inhibierung der Sulfatierung von Proteoglykanen auf der Zelloberfläche63, so dass, seitdem die Funktion der Proteoglykane als Corezeptoren für die Wnts bekannt ist, damit die Wnt-Spezifität der beobachteten Effekte erklärt werden könnte. Dabei konnte jedoch kein größerer Effekt des Chlorats auf die Wachstumsinhibition durch Wnt1, -3a, -4, -7a und -7b beobachtet werden mit Ausnahme des Einflusses auf Wnt1 und Wnt4 bei Einsatz von Chlorat in anderen Systemen.64 Da sich diese Beobachtungen über die gesamte Dauer aller entsprechenden Experimente fortsetzten, scheint die Zugabe von Chlorat einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Fluoreszenzaktivität der Zellen als auf das Wachstum der Kolonien zu nehmen.

In neueren Arbeiten konnte nachgewiesen werden, dass eine Hypoxie während der Kultur einen deutlichen Einfluss auf die Entwicklung und Differenzierung innerhalb der Chondro-genese ausübt.65 So beschleunigt eine Haltung unter Hypoxie die Differenzierung von mesenchymalen Zellen entlang der chondrozytären Entwicklungsbahn. Diese Beobachtungen konnten auch in unseren Untersuchungen bestätigt und gestützt werden. So konnten wir in hier nicht näher aufgeführten Experimenten, in denen kleine geometrische Figuren aus der Softagarose ausgeschnitten und dann über längere Zeit kultiviert und beobachtet wurden, nachweisen, dass die Zellen im eher hypoxischen Zentrum der Agaroseblöcke verstärkt differenzierten und damit zunehmend EGFP exprimierten, wohingegen die am Rand gelegenen Zellkolonien vermehrt proliferierten.

Der Signaltransduktionsweg wechselt für einige Mitglieder der Wnt-Familie zwischen unterschiedlichen Geweben, bleibt aber offensichtlich für Chondrozyten (sowie für Nierenzellen) gleich. Zudem wurden die einzelnen Wnts z. T. an unterschiedlichen Stellen in der sich entwickelnden Gliedmaßenknospe nachgewiesen. So fand sich Wnt5a im Perichondrium, während Wnt4 vornehmlich in den Zellen der Gelenkregion nachgewiesen wurde.66 Auch könnte die unterschiedliche Sensitivität der untersuchten Zellen auf die Behandlung mit Chlorat (s. o.) durch das Vorhandensein multipler Wege der Signalver-arbeitung erklärt werden, wobei einige offenbar keine sulfatierten Proteoglykane benötigen.

Zusätzlich haben wir in unserem System auch den Effekt eines fz-related Proteins (sFRP2) auf die Einflussnahme der einzelnen Wnts getestet. Das Protein sFRP2 umfasst eine cysteinreiche Domäne, welche mit dem extrazellulären, aminoterminalen Ende des frizzled Rezeptors verwandt ist. Dieses Protein findet sich in der Neuralplatte und im Neuralrohr67 und wird besonders in der Gliedmaßenknospe sehr hoch exprimiert68, wo es insbesondere sowohl in der Myogenese69 als auch in der Osteogenese70 als Antagonist der Wnts aktiv ist. Daher

62 Bellows, Sodeck, Yao et Aubin, 1986

63 Baeuerle, Huttner, 1986

64 Binari et al., 1997; Kispert et al., 1998; Kispert et al., 1996; Reichsman et al., 1996

65 Schipani, 2005; Robins, Akeno et al., 2005

66 Hartmann et Tabin, 2000

67 Ladher, 2000

68 Lescher et al., 1998

69 Cauthen, Berdougo et al., 2001; Anakwe et al., 2003; Ladher et al., 2000

70 Vaes, Dechering, van Someren et al., 2005

erwarteten wir anfangs, dass sFPR2 die Interaktion der Wnts mit ihren Rezeptoren verhindert.

In der Tat wurden die beobachteten Effekte von Wnt5a durch den Einfluss von sFRP2 umgekehrt, wodurch ein weiterer Beweis für die Spezifität des beobachteten Effekts geliefert wurde. Allerdings übte sFRP2 (auch in Abwesenheit der Wnts) bereits einen eigenen inhibitorischen Einfluss auf das Koloniewachstum und die Differenzierung der Chondrozyten aus. Unsere Ergebnisse zeigten, dass sFRP2 selbst ebenfalls eine intrinsische, Wnt-ähnliche Aktivität hat, wie bereits durch andere Untersuchungen vermutet wurde.71 So war in der Cokultur der R-Coll(II)-EGFP-5-Zellen mit sFRP2 sowohl eine Hemmung der Proliferation als auch der EGFP-Expression zu erkennen, wie sie sonst in der Cokultur mit den einzelnen Mitgliedern der Wnt1-Klasse zu beobachten war. An diesem Punkt kann somit auch nicht ausgeschlossen werden, dass sFRP2 möglicherweise als ein löslicher Mediator endogen produzierter, inhibitorischer Wnts wirkt oder dass es die Funktion endogen stimulierender Wnts inhibiert72 bzw. die Signaltransduktion der einzelnen Wnt-Pathways moduliert.73

Wnt1, -3a und -7a mögen ihr Signal via dsh/GSK-3ß/ß-Catenin-Pathway weiterleiten74, wobei für die chondroinhibitorische Wirkung von Wnt7a ein hoher Expressionslevel von N-Cadherin belegt ist75, wohingegen Wnt5a und Wnt11 offenbar den InsP3/diacylglycerol/PKc-Pathway76 aktivieren. Da die Effekte von Wnt5a und Wnt7a auf die Koloniegröße additiv sind, unterstützen unsere Ergebnisse die Annahme, dass die beiden funktionellen Wnt-Klassen auch in chondrogenen Zellen unterschiedliche Signaltransduk-tionswege benutzen.

Dabei scheint der Pathway von Wnt7a dem als `canonical`-pathway bezeichneten zu entsprechen, während die Signaltransduktion von Wnt5a und Wnt11 dem ´noncanonical`-Pathway zuzuordnen ist.77

Um eine Beteiligung des InsP3/diacylglycerol/PKc-Pathways an den beobachteten Effekten nachzuweisen, nutzten wir insgesamt drei verschiedene PKc-Inhibitoren sowie Phorbol-12-myristat-13-acetat (PMA). Dabei bewirkten Go697678, Bisindolylmaleat79 und Staurosporin80 eine langstreckige Downregulation der PKc, während diese gleichfalls durch PMA81 aktiviert wurde. Dadurch waren Auswirkungen sowohl auf die Differenzierung als auch auf die Koloniegröße zu erwarten. Die Funktion von Wnt7a wurde durch alle drei PKc-Inhibitoren nicht wesentlich beeinflusst, woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass die PKc nicht essentiell für die Signaltransduktion dieses Mitglied der Wnt-Familie ist. Spekulativ könnte stattdessen Wnt7a den Weg über dsh/GSK-3ß/ß-Catenin aktivieren, wodurch die Expression von c-myc gesteigert82 und darüber hinaus die Knorpelentwicklung moduliert würde.83 Bei Zusatz von Staurosporin84 kehrte sich hingegen in Bezug auf die EGFP-Produktion der beschriebene Wnt7a-Effekt sogar um. Diese Diskrepanz der Ergebnisse mag aus der niedrigen Spezifität dieses Inhibitors der PKc resultieren und damit die mögliche Beteiligung noch weiterer Proteinkinasen wie etwa PKa an der Weitergabe einiger Wnt-Effekte anzeigen.

In der weiterführenden Arbeit von Fischer, 2002, wurde u. a. dem Wnt3a ein dem Wnt7a gegensätzlicher Effekt auf die Chondrogenese zugewiesen, wobei dieses Protein als erstes BMP-2-reguliertes, die Chondrogenese steigerndes Mitglied der Wnt-Familie identifiziert

71 Bafico et al., 1999

72 Lee, 1999; Levin et. al., 2001

73 Jones et Jomary, 2002

74 Galceran et al., 1999; Kengaku et al., 1998; Moon et al., 1997; Wong et al., 1994

75 Tuan, 2003

76 Slusarski et al., 1997

77 Weidinger et Moon, 2003, Topol et al., 2003

78 Martiny-Baron et al., 1993

79 Toullec et al., 1991

80 Gschwendt, Furstenberg, Leibersperger et al., 1995

81 Sanders et Stern, 1996

82 He et al., 1998; Pennisi, 1999

83 Motoyama et Eto, 1994

84 Tamaoki et al., 1986

wurde.85 Analog zu den von uns erhobenen Ergebnissen zu den wachstumsstimulierenden Effekten des Wnt5a wurde dieses als essentiell für das longitudinale Skelettwachstum beschrieben86, wobei sich auch Hinweise darauf ergaben, dass Wnt5a trotz seines in erster Linie stimulierenden Effekts durch Beschleunigung des Abbaus von β-Catenin gleichfalls eine antagonistische Wirkung auf den `canonical`-Wnt-Pathway ausübt.87 Aufgrund der großen Anzahl der regulativen Aufgaben und der komplexen Einbindung der Wnt-Proteine in die Regulation der Gliedmaßenentwicklung formulierte Tuan daher seine ´overall`-Hypothese für die Wnts.88

Die Abhängigkeit der chondrogenen Differenzierung von der Zelldichte wurde bereits in verschiedenen Systemen gezeigt89 und da auch die Effekte auf die Größe und Differenzierung unserer chondrogenen Zelllinie für beide Wnt-Untergruppen mit den bis dato beschriebenen Beobachtungen übereinstimmen, scheinen die Wnts die Differenzierung durch Modulation der Proliferation zu beeinflussen. Die Signifikanz unserer Beobachtungen in vitro für die Chondrogenese in vivo bleibt hingegen noch zu zeigen. Zur Klärung dieser und weiterer Fragen würden u. a. Untersuchungen der in situ Expression der Wnts, ihrer Rezeptoren und der frizzled-related Proteine in der heranwachsenden Kultur beitragen. So konnte bereits in Micro-mass-Kulturen der zuvor beschriebene inhibitorische Effekt des Wnt7a auf die Chondrozytendifferenzierung bestätigt werden.90

Ebenso sollte man bedenken, dass im System der Cokultur nicht zwischen einem direkten parakrinen Effekt der sezernierten Wnts auf die beobachteten chondrogenen Zelllinien und einer autokrinen Stimulation der NIH-Zellen durch gegenläufig sezernierte Faktoren wie FGF oder PDGF, welche einen indirekten Effekt auf das chondrogene Wachstum und die Differenzierung ausüben, unterschieden werden kann. Mit diesem Problem ist man auch bei der Überexpression der Peptide in Mäusen konfrontiert.91 Zukünftige Studien mit synthetischen Peptiden werden möglicherweise klären, ob einige der beobachteten Wnt-Effekte intermediäre Hormone beinhalten.

Eine direkte Übertragbarkeit der hier aufgeführten Ergebnisse dieser Arbeit und der darin angeführten Literatur auf entsprechende Regulationsvorgänge in der Entwicklung des Menschen und insbesondere auf die Bedeutung der Wnts für die Entstehung von menschlichen Tumoren92 ist insgesamt nur mit Einschränkungen zu ziehen, wie sich am Beispiel von Wnt1 zeigt. So wurde dieses Protein ursprünglich als Oncogen in Mammatumoren der Maus identifiziert, wobei es nicht in die Entstehung von humanen Brustneoplasmen mit eingebunden werden konnte, während andere Wnts sehr wohl signifkant überexprimiert in Brusttumoren nachgewiesen werden konnten.93

Zusammenfassend haben wir im ersten Teil der Arbeit zunächst eine Reporterzelllinie für chondrogene Differenzierung hergestellt und etabliert, weiterführend konnten wir dann erste Beweise liefern, dass Wnts in vitro das Koloniewachstum und die Differenzierung chondrogener Zelllinien unterschiedlich regulieren, woraus sich Schlussfolgerungen für die Knorpeldifferenzierung in vivo ableiten lassen. Die Wnt-Funktion in unserer Reporterzelllinie scheint dabei über unterschiedliche Signaltransduktionswege vermittelt zu werden und kann insbesondere durch Staurosporin und Sulfatierung der Proteoglykane moduliert werden.94

85 Fischer, 2002

86 Yang et al., 2003; Dealy, Roth et al., 1993

87 Topol, 2003

88 Tuan, 2003

89 Crowe et al., 1999; Hall et Miyake, 1995; Oberlender et Tuan, 1994; Widelitz et al., 1993

90 Tufan, 2001

91 Johnson et Tabin, 1997; Parr et al., 1993

92 vergl. u. a. Arends, 2000

93 Brown, 2001

94 Der gesamte Text umfasst Ausschnitte aus der Veröffentlichung dieser Arbeit in `Wnts differentially regulate colony growth and differentiation of rat calvaria cells.` (Bergwitz et al., 2000)

4.3 Ergebnisse zu Teil 2 der Arbeit: Herstellung eines tetracyclinregulierten Genexpressionssystems in chondrogenen Zelllinien