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In der vorliegenden Untersuchung wurde eine Methode entwickelt und optimiert, um Primärkulturen von Darmepithelzellen des Rindes zu etablieren. Im folgenden werden zunächst die speziell hierfür eingesetzten Methoden der Isolierung, Kultivierung und Anreicherung von Epithelzellen kritisch diskutiert und mit Befunden anderer Untersucher bei anderen Spezies verglichen. Anschließend werden aufgrund der durchgeführten Zellcharakterisierung Rückschlüsse gezogen, welchen Zelltyp die Epithelzellen in den vier über einen längeren Zeitraum passagierbaren Primärkulturen hatten. Abschließend wird die etablierte Primärkultur auch in Hinblick auf ihre Handhabbarkeit für weiterführende Untersuchungen (z. B. Infektionsversuche mit Virus) bewertet.

Zur Isolierung der Darmepithelzellen wurde eine Kombination aus mechnischer Zellgewinnung und enzymatischem Verdau eingesetzt. Auf den Versuch, Epithelzellen ausschließlich durch mechanische Behandlung des Darmes zu gewinnen, wurde verzichtet, da diese Methode sich bei mehreren vorausgegangenen Studien als wenig erfolgreich erwiesen hatte, um überlebensfähige Epithelzellen zu erhalten (QUARONI 1979, POTHIER u.

HUGON 1980, EADE et al. 1981, PERREAULT u. BEAULIEU 1996). Für den enzymatischen Verdau wurde zunächst Trypsin eingesetzt, da bei Darmepithelzellen des Kaninchens nach Behandlung des Darms mit Trypsin gutes in vitro-Wachstum beobachtet wurde (NGUYEN et al. 1993). Durch die Trypsinbehandling der Darmschleimhaut des Rindes ließen sich neben mesenchymalen Zellen auch Darmepithelzellen isolieren, aber es war unabhängig von der Konzentration des eingestzten Trypsinlösung nur ein geringer Teil lebensfähig. Daher wurden weitere Enzyme getestet. Auch der bei menschlichen Zellen der Darmschleimhaut als optimal beschriebene Verdau mit Thermolysin (PERREAULT u.

BEAULIEU 1996) erwies sich bei den Epithelzellen des Rindes als ungeeignet, lebensfähige Zellen zu erhalten. Im Gegensatz zu der bei humanem Darm beschriebenen selektiven Gewinnung von Epithelzellen, war beim Rind die Kontamination der Kultur mit Fibroblasten weiterhin sehr hoch. Am besten geeignet, Darmepithelzellen mit erhaltener Proliferationskapazität zu gewinnen war der Verdau mit einer Enzymmischung aus Kollagenase und Dispase. Diese Enzyme wurden auch zur Gewinnung von Darmepithelzellkulturen bei der Ratte erfolgreich eingesetzt. Bereits durch alleinigen Verdau

mit Kollagenase ließen sich vitale und subkultivierbare Zellen gewinnen (QUARONI et al.

1979). In einer vergleichenden Untersuchung hatte sich jedoch die Überlegenheit der Enzymmischung aus Kollegenase und Dispase gegenüber der getrennten Verwendung der beiden Enzyme gezeigt (EVANS et al. 1992).

Bei der Beurteilung des Kulturerfolges der isolierten Zellen ist allerdings auch die Herkunft der Zellen zu berücksichtigen. Eine besonders wichtige Rolle spielen das Alter der verwendeten Tiere und der Grad der autolytischen Gewebezerstörung. Da das Wachstumspotential bei Feten wesentlich höher ist als nach der Geburt wurden in der vorliegenden Studie Därme von Rinderfeten verwendet. Hierbei zeigte sich, daß bereits bei älteren Feten über 6,5 Monaten die gewonnenen Darmepithelzellen keine Wachstumsaktivität in Zellkultur zeigten. Als besonders geeignet erwiesen sich Feten im Alter von 4,5 bis 6,0 Monaten.

Der Grad der Autolyse variierte abhängig von der unterschiedlichen Zeitspanne, die vom nicht bekannten Schlachtzeitpunkt des Muttertieres bis zum Verarbeiten der fetalen Därme verging. Die Vitalität der dem Verdau unterworfenen Zellen kann durch Autolysevorgänge reduziert worden sein. Um dies zu berücksichtigen wurde eine histologische Untersuchung der verwendeten Därme durchgeführt. Dabei zeigte sich, daß der Grad der Autolyse und die Kultivierbarkeit nicht immer korrelierten. Die vier über längere Zeit passagierbaren Darmepithelzellkulturen stammten jedoch von Feten mit wenig autolytisch veränderter Darmschleimhaut, in der viele proliferationsaktive, Ki67-positive Epithelzellen vorhanden waren.

Das Wachstum der isolierten Zellen ließ sich durch die Wahl des Kulturmediums beeinflussen. Bei Verwendung von RPMI als Wachstumsmedium wiesen sowohl Epithelzellen als auch mesenchymale Zellen Proliferation auf und ließen sich subkultivieren.

Da nach einigen Passagen die Epithelzellen nicht mehr proliferierten, wurde versucht, das Medium zu optimieren. Zunächst wurde EDulb zum RPMI-Medium beigemischt. Im Vergleich zu RPMI enthält EDulb mehr anorganische Salze (Kalziumchlorid, Kaliumchlorid, Magnesiumsulfat, Natriumchlorid), weniger Glukose und eine höhere Konzentration an Aminosäuren und Vitaminen. Die proliferationsschwächeren Zellen älterer Passagen wurden jedoch durch dieses Medium nicht positiv beeinflußt. Durch Beifügen von ZB5-Medium zum Wachstumsmedium ließ sich das Problem der stagnierenden Proliferation bei einer der vier bereits mehrfach passagierten Zellkulturen verbessern. Dies ist möglicherweise auf das den Zellen mit diesem Medium neu zur Verfügung gestellte Angebot an nicht-essentiellen Aminosäuren (Alanin, Asparagin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Prolin, Serin), welche im

RPMI, bzw. im EDulb nicht oder nur in geringer Menge enthalten waren, sowie den höheren Serumanteil der Mischung zurückzuführen.

Eine Gemeinsamkeit all dieser Nährmedien war, daß sie ein Wachstum der unerwünschten Fibroblasten nicht unterdrücken konnten. Aus diesem Grunde kam in Anlehnung an die von FUKAMACHI (1992) an Darmepithelzellen der Ratte durchgeführten Versuche der Einsatz eines serumfreien Mediums zur Anwendung. Dieses serumfreie Medium wurder zwar speziell für das Wachstum von humanen Keratinozyten entwickelt, enthält jedoch auch die bei der Kultivierung von Enterozyten verwendeten Zusätze von EGF, bovinem Hypohysenextrakt, Insulin und Hydrocortison. Unter Verwendung einer serumfreien, supplementierten Kultur konnte der Autor ein reines Epithelzellwachstum ohne Kontamination durch mesenchymale Zellen erreichen. Es zeigte sich jedoch, daß die bovinen Darmepithelzellen bei Verwendung eines serumfreien Mediums nicht in der Lage waren, auf den Zellkulturgefäßen zu haften und untereinander Zellkontakte aufzubauen. Stattdessen adhärierten die nicht erwünschten Fibroblasten. Innerhalb kurzer Zeit starben jedoch sämtliche Zellen in diesem Medium ab.

Eine Erklärungsmöglichkeit ist, daß die Darmepithelzellen des Rindes auf eine zusätzliche Stimulation durch fetales Kälberserum angewiesen sind, um auf der Zellkulturunterlage zu adhärieren bzw. um proliferieren zu können und sich deshalb nicht im serumfreien Medium anzüchten ließen.

Auch durch den Grad des Zusatzes an FKS zum Nährmedium ließ sich das Wachstum der kultivierten Zellen beeinflussen. Bereits nach einer Kulturdauer von einer Woche zeigte sich, daß die höheren Serumkonzentrationen ausgesetzten Zellen über ein ausgeprägteres Wachstum verfügten. Bei Zusatz von nur 2,5 % FKS zum Medium nahm die Zahl der Epithelzellen dagegen drastisch ab. Dies steht den Beobachtungen von EVANS und Mitarbeitern (1992) an Darmepithelzellkulturen der Ratte entgegen, bei denen der Zusatz von 2,5 % FKS als optimal beurteilt wurde, um einerseits das Epithelzellwachstum zu fördern und andererseits das Wachstum mesenchymaler Zellen zu beschränken. Möglicherweise haben die Darmepithelzellen des Rindes einen anderen FKS-Bedarf als die des Nagers. Da bei einer Konzentration von über 10 % FKS im Medium eine vermehrte Proliferation der unerwünschten mesenchymalen Zellen beschrieben (EVANS et al. 1992) und von QUARONI (1985) FKS in einer Konzentration von 5 % erfolgreich eingestzt wurde, wurden die Rinderepithelzellen ebenfalls mit 5 % angezüchtet. Diese Konzentration stimulierte das Wachstum der Epithelzellen in ausreichendem Maße.

Die Verfügbarkeit einer extrazellulären Matrix in Form von Kollagen S führte in der vorliegenden Untersuchung zu einer ausgeprägten Gruppierung der Epithelzellen in Form von

Kolonien. Dies hatte einen deutlich positiven Einfluß auf das Wachstum der Zellen. Ähnliche Feststellungen machten PERREAULT und BEAULIEU (1998) an menschlichen Enterozyten, die ebenfalls eine stärkere Ausbreitung, hohe Konfluenz und eine erhöhte Lebensdauer bei Kultivierung auf Kollagen im Gegensatz zu Plastik beobachteten.

Eine weitere Erhöhung des Epithelzellanteils in den Kulturen wurde durch mehrere Anreicherungsverfahren erreicht. Durch Vorinkubationsschritte, bei denen die sich rasch absetzenden Fibroblasten verworfen und die sich im Zellüberstand anreichernden Epithelzellen weiterverarbeitet wurden (MOYER et al. 1990), konnte der relative Anteil der Epithelzellen deutlich erhöht werden. Bei mikroskopischer Kontrolle zeigte sich, daß sich Fibroblasten selektiv durch Trypsinierung von den konfluenten Epithelzellnestern trennen ließen, und so kam diese Methode, die schon von OWENS (1976) angewandt wurde, immer dann zum Einsatz, wenn größere Epithelzellkolonien vor dem Passagieren von den sie umgebenden Fibroblasten befreit werden sollten.

Bei Zugabe von Kollagenase zum Kulturmedium nach dem bereits von QUARONI (1979) an Darmepithelzellen der Ratte erprobten Schema konnten die mit diesem Verfahren beschriebenen Erfolge reproduziert werden. Den Fibroblasten war es bei diesem Vorgehen nicht mehr möglich, in solch ausgeprägten Kolonieformationen anzuwachsen wie in einem kollagenasefreien Medium. Auch ließ sich beobachten, daß die Fibroblasten sich bei diesem Verfahren teilweise von ihrer Unterlage lösten oder sich zumindest überwiegend als einzeln auftretende, stark abgekugelte Zellen darstellten. Zwar änderten die Epithelzellen ebenfalls ihr äußeres Erscheinungsbild, nahmen weniger Kontakt durch Zellfortsätze zu den Nachbarzellen auf und erschienen insgesamt auch eher abgekugelt, jedoch lagerten sie sich im Gegensatz zu den hauptsächlich vereinzelt liegenden Fibroblasten immer noch in den typischen traubenartigen Nestern zusammen. Nachdem die Kollagenasekonzentration nach 24 Stunden herabgesetzt wurde, wiesen die Darmepithelzellen im darauf folgenden Zeitraum wieder ihr typisches Wachstum mit intensivem Zell-Zell-Kontakt über Zellausläufer auf. Der Anteil an Fibroblasten war allerdings stark reduziert. Eine frühe Zugabe der Kollagenase zum Medium erwies sich im Vergleich zum Kollagenasezusatz nach dem ersten Passagieren der Zellen als vorteilhafter, da hierdurch die raschere Vermehrung der Fibroblasten frühzeitig vermindert wurde.

Mit dieser optimierten Isolierungs- und Kultivierungsmethode konnten zu fast 100 % reine Darmepithelzellkulturen etabliert und über mehrere Passagen in Kultur gehalten werden.

Diese vier Epithelzellkulturen wurden weiter charakterisiert, um eine genauere Bestimmung

des Zelltyps, bzw. dessen Einordnung zu den proliferationsaktiven Kryptzellen oder aber den ausdifferenzierten Villuszellen zu ermöglichen.

Das Vorhandensein von Cytokeratinfilamenten, einem Kennzeichen für Epithelzellen (SUN et al. 1979; OSBORN et al. 1982), konnte in den kultivierten Darmepithelzellen mit einem Antikörper gegen Pan-Cytokeratin regelmäßig nachgewiesen werden. Für Subtypen von Cytokeratinfilamenten ist beschrieben, daß sie nur im Epithel bestimmter Organe oder bestimmter Differenzierung auftreten. So konnte beim Nager Cytokeratin 19 ausschließlich in Kryptzellen (QUARONI et al. 1991; CALNEK u. QUARONI 1992) und bei der Ratte Cytokeratin 8 ausschließlich im Villusepithel (QUARONI und CALVERT 1992) nachgewiesen werden. Eine vergleichbare Verteilung von Cytokeratin 19 und 8 war in den fetalen Rinderdärmen nicht zu beobachten und daher konnte der Cytokeratinnachweis nicht zur genaueren Zelldifferenzierung der bovinen Darmepithelzellen eingesetzt werden.

Bezüglich ihres Proliferationsverhaltens waren die vier Zellkulturen eher den unreifen, proliferationsaktiven Kryptzellen zuzuordnen. Zwischen den vier Zellkulturen bestanden individuelle Proliferationsunterschiede, die sich durch immunhistochemischen Nachweis Ki67-positiver Zellen und Stoffwechselaktivität im Formazantest übereinstimmend darstellen ließen. Die Rinderepithelzellen ließen sich zwar nicht so oft passagieren wie z. B. etablierte Kryptzellinien der Ratte (QUARONI et al. 1979), jedoch war eine Subkultivierung über mehrere, bei den einzelnen Zellkulturen über eine von 6 bis 12 variierende Passagenzahl möglich. Hierbei nahm der Anteil proliferationsaktiver, Ki67-exprimierender Zellen bei allen vier Zellkulturen mit zunehmender Passagezahl ab. Dies entspricht den Beobachtungen, daß Primärkulturen normaler, nicht neoplastisch entarteter diploider Zellen generell eine limitierte Lebensdauer in vitro zeigen (HAYFLICK u. MOORHEAD 1961). Ein nach wenigen Tagen auftretender irreversibler Verlust der Proliferationsaktivität (KONDO et al. 1985; QUARONI 1985; SCHMIDT et al. 1985; GORDON u. HERMISTON 1994) und ein Ablösen von der Unterlage (PAUL et al. 1993) wie für ausdifferenzierte Enterozyten in Kultur beschrieben, trat nicht auf.

Hinsichtlich ihrer Morphologie stellten sich die isolierten Epithelzellen ebenfalls wie undifferenzierte Kryptzellen dar. Bei der lichtmikroskopischen Betrachtung konnte Ähnlichkeit mit bereits etablierten Kryptzellinien der Ratte, die aus epitheloid-polygonalen, mit großen ovalen Kernen versehenen Zellen mit Wachstum in Kolonien bestehen (QUARONI et al. 1979), festgestellt werden.

Rasterelektronenmikroskopisch fiel bei allen im CCSC-System angezüchteten Zellkulturen eine starke Tendenz zu einem Wachstum in nestartigen Strukturen auf, bei denen die Zellen

untereinander teils verbunden erschienen. Andererseits waren immer Lücken zwischen den Zellen oder Zellausläufern zu finden und es kam nicht zur Ausbildung eines geschlossenen Zellrasens. Die Mehrzahl der Zellen stellte sich epitheloid mit vielen Zellausläufern dar, die sich übereinander ausbreiteten. Ähnlich den Beobachtungen an undifferenzierten IEC´s (QUARONI et al. 1979) zeigte sich bei vielen Zellen ein deutlicher Mikrovillibesatz, der im Zentrum im Vergleich zur Zellperipherie stärker ausgebildet war. Unter Verwendung von Polycarbonatmembranen zur Kultivierung der Zellen bot sich bei den Kulturen 2 bis 4 im Rasterelektronenmikroskop das Bild eines kopfsteinpflasterartigen Wachstums, wie es auch in Monolayerkulturen, in denen Zelle an Zelle liegt, beobachtet wird.

Die transmissionselektronenmikroskopische Untersuchung aller vier Kulturen zeigte, daß die Zellen überwiegend in mehreren Lagen übereinander angeordnet waren. Lediglich in Präparaten der Kultur 2 waren auch in geringem Maße stellenweise einschichtige Zellagen zu bemerken. Im Gegensatz zum Wachstum im Monolayer von IEC-Kryptzellen der Ratte (QUARONI et al. 1979) weisen einzelne Karzinomzellinien, wie HAT-29, HCT-EB und HCT-GEO unter bestimmten Kulturbedingungen (glukosehaltiges Nährmedium) ebenfalls einen Multilayer an Zellen auf. Dieser kann durch einen Wechsel der Kulturbedingungen (glukosefreie Anzucht) in einen ausdifferenzierten Monolayer umgeformt werden. Dagegen verbleiben die Epithelzellen der Linien 116a, R, RCA, Moser, HCT-8R, SW-480, LS-174T und Vaco-9P unabhängig von den Kulturbedingungen in ihrem undifferenzierten Zustand (CHANTRET et al. 1998).

Die Epithelzellen aus den Kulturen 1 bis 4 wiesen keine Polarisierung auf. Die meist sehr großen Zellkerne fanden sich entweder zum Lumen hin gerichtet oder bei den flach übereinanderwachsenden Epithelzellen zentral in Längsrichtung zur Zelle verlaufend.

Dagegen ist bei polar ausgerichteten Zellen der Kern auf der basalen Zellseite angesiedelt (FUKAMACHI et al. 1992). Als funktionelle Differnzierung waren auf der apikalen Membran Mikrovilli zu finden, die jedoch keinen so gut ausgeprägten und organisierten Bürstensaum bildeten, wie er bei ausdifferenzierten Enterozyten angetroffen wird (FUKAMACHI et al. 1992; PERREAULT u. BEAULIEU 1998). Bei den bovinen Darmepithelzellen der Kulturen 2 und 4 ließen sich teilweise einige luminale tight junctions ausmachen, wie sie bei undifferenzierten Epithelzellen angetroffen werden (TRIER 1968).

Ein kompletter, für einen Epithelzellverband typischer junctional complex (PERREAULT u.

BEAULIEU 1998) war jedoch nicht zu beobachten.

Die Expression von bestimmten Enzymen, vor allem von Verdauungsenzymen, bei kultivierten Enterozyten kann als Charakteristikum für deren Differenzierung gewertet

werden. So lassen sich beispielsweise bei Darmepithelzellen der Ratte, die unter mesenchymalem Einfluß differenzieren können, Laktase, alkalische Phosphatase, Aminopeptidase, Maltase und durch Hydrocortison induzierbar auch Sucrase-Isomaltase nachweisen. Die einzelnen Enzyme sind innerhalb der Darmschleimhaut vor allem im Zottenbereich vorhanden. Mit Ausnahme von Enterozytenkulturen des Menschen, die sowohl über Aminopeptidase N und Dipeptidylpeptidase IV im Villus- und Kryptepithel verfügen (QUARONI et al. 1992; GOVEL et al. 1991), ist das Auftreten von Enzymen im Kryptbereich primärer Darmepithelzellen bisher nicht beobachtet worden.

Während in den fetalen Rinderdärmen sowohl enzymhistochemisch (Laktase, Aminopeptidase M, alkalische Phosphatase) als auch biochemisch (Saccharase-Isomaltase) eine deutliche Enzymexpression der Enterozyten nachgewiesen werden konnte, war bei den in Kultur wachsenden Darmepithelzellen keinerlei Enzymaktivität mehr vorhanden. Auch diese Tatsache spricht dafür, daß die in Kultur wachsenden Darmepithelzellen undifferenziert sind.

Hieraus kann man schlußfolgern, daß es sich bei den in Kultur wachsenden Zellen um undifferenzierte, proliferationsaktive Kryptzellen handelt. Das Wachstum in Multilayern spricht für eine starke Pluripotenz der Zellen und könnte mit den bereits erwähnten Zellen aus Dickdarmkarzinomen verglichen werden. Die ausdifferenzierten Villuszellen, die auch beim Fetus schon über die komplette Enzymausstattung verfügen und in vivo wie auch in einigen Kultursystemen in vitro eine ausgeprägte Polarität aufweisen, waren unter den eingesetzten Kulturbedingungen nicht lebensfähig. Dies war allerdings auch zu erwarten, da mit zunehmender Differenzierung der Enterozyten deren proliferative Aktivität unumkehrbar verlorengeht (SCHMIDT et al. 1985; GORDON u. HERMISTON 1994).

Alle vier Darmepithelzellkulturen des Rindes zeichneten sich durch eine für Primärzellen charakteristische begrenzte Lebensspanne aus und ließen sich nicht beliebig oft passagieren.

Daher besteht bei Einsatz dieser Zellen in Versuchen (z. B. Virusinfektion) die dringende Notwendigkeit, die Zellen in noch jungen Passagen zu verwenden, da sie dort die größte Vitalität aufweisen. Auch muß stets der Reinheitsgrad der Kultur an Epithelzellen getestet werden, da sämtliche Zellkulturen nie ausschließlich aus Epithelzellen bestanden und immer eine geringe Kontamination mit Fibroblasten gegeben war. Somit bestand ständig die Gefahr, daß eine fast reine Epithelzellkultur wieder in den Zustand der Mischkultur wie vor Einsatz der Anreicherungsverfahren zurückfiel. Auch das Konservieren der Zellen über einen Zeitraum von über sechs Monaten erscheint im Hinblick auf deren Fähigkeit, sich nach dem Auftauen wieder anzüchten zu lassen, wenig ratsam. Das Handling der etablierten primären Zellkulturen ist also nicht als besonders einfach zu betrachten.

Eine Möglichkeit, dem altersbedingten Proliferationsverlust der Zellen entgegenzutreten, ist die Transfektion der Enterozyten mit einem Onkogen, wie z. B. dem SV40TAg. Bei der Transfektion von Epithelzellen mit Plasmiden, die ein thermolabiles SV40TAg unter Promotorkontrolle enthielten (QUARONI et al. 1993), konnte je nach Temperatur, bei welcher die Zellen gezüchtet wurden, ein Wechsel vom proliferierenden zum ausdifferenzierten Zelltyp induziert werden. Wenn eine erfolgreiche Transfektion der bovinen Zellen gelänge, könnten vergleichend zu den primären Zellen die durch Transfektion immortalisierten, bzw. durch die Zucht bei nicht-permissiver Temperatur differenzierten Enterozyten untersucht und charakterisiert werden. Dabei ist zu bedenken, daß ähnlich wie bei temperatursensitiven fetalen humanen intestinalen Zellen (QUARONI u. BEAULIEU 1997) eine erfolgreiche Transfektion evtl. nicht ausreichend sein könnte, um den Epithelzellen eine verlängerte Proliferation zu ermöglichen und zusätzlich ein spezielles Kulturmedium notwendig sein könnte.

Zusammenfassend ist hervorzuheben, daß es gelungen ist eine optimierte Methode der Isolierung, Kultivierung und Anreicherung für bovine Darmepithelzellen zu entwickeln. Mit dieser Methode konnten primäre Darmepithelzellkulturen des Rindes etabliert werden. Die Kulturen wiesen jedoch eine relativ kurze Lebensdauer und eine zum Teil komplizierte Handhabbarkeit auf. Andererseits ist diese den Kryptzellen entsprechende Zellkultur vom Rind bisher einzigartig und könnte sich gerade im Hinblick auf die Mucosal Disease des Rindes, einer Verlaufsform der Infektion mit BVD-Virus, dessen Zielzellen insbesondere die unreifen Kryptepithelien sind (LIEBLER-TENORIO et al. 1997; BIEHLEFELDT OHMANN u. BLOCH 1982), als nützlich erweisen. Die bisher für Infektionen genutzten epitheloiden Zellen (z.B. MDBK) sind zwar einfacher zu kultivieren, stellen jedoch nicht die originäre Zielzelle des Virus dar und sind als permanente Zellinie mit einem von der primären Zelle unterschiedlichen Karyotyp ausgestattet. Der Vorteil der primären Darmepithelzelle liegt demnach darin, daß dieses in vitro-System noch am stärksten den in vivo-Bedingungen ähnelt und hiermit neue Möglichkeiten zur Erforschung der molekularen Vorgänge der durch die Interaktionen von Virus und Zielzelle verursachten Zellnekrose und Apoptose (KEHLER 1995) und somit zur Pathogenese der Bovinen Virusdiarrhoe eröffnen könnte.