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DIE WASSERLEITUNGEN BEI CONSTANTINOPEL

Im Dokument DORPATER JAHRBÜCHER (Seite 89-93)

(_Aus einem Briefe.')

Gestern machte ich in Begleitung einiger Flottoluciere einen weiten und angenehmen Spazierritt zu den Wasserleitungen in

der Umgegend von Constantinopel.

Zwischen Bujnkdere und der Hauptstadt, aber nur w e i ­ ter ins Land hinein, erstreckt sich auf den, j e entfernter vom Meere desto höher sich erhebenden Bergen, der sogenannte Belgradsche W a l d , ein weit ausgedehnter, waldiger Landstrich, in dessen Mitte das recht hübsch gelegene Dorf oder Städtchen Belgrad sich befindet. Noch nie sah ich eine so reiche Fülle der herrlichsten und verschiedenartigsten Holzarten: E i c h e n , Buchen und Platanen wechseln ab mit Castanien, Feigen, Wallnüssen und einer Menge anderer Baume, deren prächtiges Laub in den man­

nigfachsten Schattirungen überall die herrlichsten Gruppen bildet, eine wahre Fundgrube für den Landschaftsmaler. In diesem gro­

fsen und schönen Bergwalde nun hat die Kunst an vielen Stellen

D o r p . J a h r b . I I I . B<1, C

höher gelegener Thälcr Quellen und Flüfschen zusammengeleitet, iliren Lauf durch riesenhafte Gebäude gehemmt, so dafs (Jisternen entstanden, von der Grofse kleinerer Landseen, und aus diesen das angesammelte W a s s e r in allmälig sich senkenden Röhren zur Stadt geleitet. Das Imposante und Grofsartige dieser Gebäude liifst sich schwer beschreiben. Denke Dir ein enges, schöuhc-wachsenes Thal zwischen hohen, waldbedeckten Bergen plötzlich verbaut durch eine feste, mehr als 100 Fufs hohe W a n d von Quadersteinen, d i e , mit vorspringenden Thürmen versehen, ohne Fenster nnd Thüren, zu beiden Seiten sich dicht an den Berg ein­

schliefst, und den W a n d e r e r , der sie zum ersten Male und von unten her ansieht, in Zweifel liifst, ob er eine drohende Festung, einen unzugänglichen K e r k e r , oder gar ein verzaubertes Schlofs vor sich sieht. Z u beiden Seiten führen Fufssteige am Berge hinauf bis zur Höhe der Mauer; mit Mühe klettert man hinan voll Neugierde, auf der andern Seite hinzublicken ins Innere des Schlosses; aber siehe dai oben angelangt sieht man vor sich i n gleicher Höhe einen weiten See mit bewegten W e l l e n , welche die hintere W a n d der Mauer bis an den Rand hinauf bespülen, drängen, und längst vor sich hin ins Thal herabgestürzt hätten, wenn das Gemäuer nicht eben so stark in seiner D i c k e , .als ma­

jestätisch in seiner Breite nnd Höhe, für Jahrtausende erbaut wä­

re. Die ganze Breite oben bildet einen schönen, geräumigen Spa­

ziergang mit einer Einfassung von beiden S e i t e n , um hier das Uebertreten des Wassers, dort das Herabstürzen der Lustwandeln­

den von der Mauer ins Thal zu verhüten. In der Mitte dieses Ganges ist gewöhnlich eine breitere Stelle mit steinernen Sitzen zum Ausruhen, und Türkischen Inschriften, die mit goldenen Buch­

staben in schöne Marmortafeln gegraben sind. Z u beiden Seiten des Ganges, wo derselbe an die Berge stöfst, sind Lusthäuschen, sogenannte Kioske erbaut, die, von unten angesehen, dem Ganzen ein noch seltsameres Ansehen geben. Hier findet man an schönen Tagen oft Gesellschaften von Griechen, Armeniern oder Türken.

Denn auch der Türke ist ein Freund der schönen Natur. Ueber­

au hat er seinen Lieblingsaufenthalt, das Caffeehaus, an die schön­

sten Plätze gesetzt; das ganze malerische Ufer des Bosphorus ist auf beiden Seiten mit einer Menge gröfserer und kleinerer Dörfer besetzt und in allen diesen wird die Ufereinfassung zunächst dem Meere von fast ununterbrochenen Reihen von Caffeehäusern eingenommen. W e i t e r vom Ufer entfernt bieten schöne Baum-parthieen auf Kirchhöfen und in den Thälern, oder auf den

Anhergen unter Lauben hervorsprudelnde und in geschmack­

volle Bassins gesammelte Quellen die anmuthigsten Ruheplä­

t z e , und neben ihnen unfehlbar — ein Caffeebaus dar. — W o eine schöne Platane, W a l l n u f s oder Buche das Erbauen ei­

nes Caffeehauses hindert, da wird sie deshalb nicht umgehauen, sondern man findet häufig das Häuschen um den Stamm des Bau­

nies herunigebaut, so dafs derselbe mit seinen Aestcn und schön belaubten Gipfeln zum Dache herausragt, und das ganze Gebäude mit seinen mächtigen Armen schützt und beschattet. T o r diesen Caffeebäuscrn nun, uutcr dem Grün beschattender Lauben sieht man täglich eine Menge Türken der freien Natur geniefsen, die hier so schön und des Geiiiefsens so W e r t h ist. Aber wie geniefsen sie ihrer? — Recht eigentlich Türkisch — denn Tagelang sitzen sie da unbeweglich auf einem Platze, oft zehn und mehr in einem Kreise gelagert, die Beine gekreuzt, die Pfeife im Munde, das Caffcetäfscben in der Hand, und schlürfen abwechselnd bald reine Luft, bald Tabacksdampf, und dann gleichsam zur Neutralisiruug beider, einen Schluck Caffee. Kein W o r t wird dabei geredet, es sei denn, man rufe dem D i e n e r , um eine frische Pfeife, eine neue Tasse zu bestellen. D i e Türken mifsbrauchen gewifs nicht die hohe Rede der Gabe, und scheinen es besonders darauf abge­

sehen zu haben, Alles mit so wenig W o r t e n als möglich abzuma­

chen. Ihre Sprache selbst unterstützt sie in diesem Hestrcben;

denn die AVorte sind meist k u r z , und am kürzesten diejenigen, die am häufigsten vorkommen, W a s s e r z. B . heifst kurzweg ,,su", lind solcher Beispiele giebt es eine Menge ; ein bedeutungsvolles Niederschlagen der Augen heifst „ j a " ; „ n e i n " wird allgemein durch ein Schnalzen der Z u n g e und gleichzeitiges zweimaliges

W e h e n mit der Hand vor dem Munde ausgedrückt; diesem letz­

tern Manoeuvre wird zuweilen noch das W o r t „ j o c k " (nein) h i n ­ zugefügt. Dieses Türkische Ncinsagen haben sich V i e l e von uns schon angewöhnt. Am liebsten rauchen sie aus langen biegsamen Röhren, die mittelst einer sehr einfachen Einrichtung den Rauch durch kaltes W a s s e r ziehen. Mit langen Z ü g e n schlürfen sie den kalten Dampf in die volle Brust, sehen dabei aufmerksam dem Sprudeln des Wassers z u , und geben ihn nachher eben so be­

dächtig und langsam von sich, um ganz die Schönheit der Rauch­

wolken beobachten, und durchaus keine freie Z e i t zum Sprechen übrig behalten zu können. Ob auch die Türkinnen einer solchen Schweigsamkeit ergeben sind, weifs ich aus eigener Erfahrung nicht; man sagt aber, dafs sie in den Badstuben, ihren einzige«

Zusammenkünfte- und Versammlungsorten, wo sie mit Schmuck und Kostbarkeiten eine vor der andern grolstliun, sich nicht schlechter halten sollen, als unsere Damen am Caflcetisclie.

Doch ich hin wider W i l l e n abgekommen vom ursprünglichen Thema. Der Cisternen, von denen ich sprach, giebt es sechs im

W a l d e . Unser Ritt, den wir vom frühen Morgen bis zum Abend fortsetzten, führte uns allen vorbei; ein guter Führer ist nöthig, weil sie oft im wildesten W a l d e versteckt liegen, und sich selbst die Eingebornen dort zuweilen verirren. Einige dieser Cisternen sind von alter Bauart, und stammen noch aus den Zeiten der Genuesischen Herrschaft in Constantinopel her, andere sind später von verschiedenen »Sultanen erbaut, und jenen durchaus nachgebil­

det. Aus ihnen ergiefst sich das Wasser, gereinigt und geläutert durch feine Röhren am untern Theile der Matter, bildet dann ei­

nen gemeinschaftlichen S t r o m , der sich unter der Erdoberfläche in die eigentlichen Wasserleitungen mündet, die auf dem m ö g ­ lichst kürzesten W e g e f o r t - , und aus allen Cisternen in zwei grofse Behältnisse zusammengeleitet werden, deren eines die Haupt­

stadt selbst, das andere die Vorstädte und die Dörfer des Bospho-rus versorgt. Diese grofsen Wasserröhren nun, in denen das W a s s e r einen gleichmäfsigen Fall haben mufste, erfordern zu i h ­ rer Fortleitung grofse Anstalten; hier laufen s i e , wo Berge sich ihnen entgegen stellen, tief unter der Erde gemauert fort; dort, wo Thäler sich darbieten, unterstützte man sie durch riesenhafte Bogengänge, die Brücken gleich von einem Bergrücken zum an­

dern führen, und die man, da sie durch ihre imposante Bauart besonders in die Augen fallen, ansschliefslich mit dem Namen Wasserleitung, Aquaeducten, bezeichnet. Ihrer giebt es natürlich eine Menge, kleinerer nnd gröfserer, j e nachdem es nöthig war.

D i e gröfste derselben ist Genuesischen Ursprungs, und besteht aus drei aufeinanderstellenden Bogengängen, deren oberster mit sei­

nem Gew ölbe das W a s s e r trägt. Das Durchsickern desselben hat an vielen Stellen der Bogen mannigfaltige Formen von Tropfstein gebildet. Im Innern der Bogen sind Treppen und Gänge, die ich natürlich auf und a b , und mich selbst müde und matt klet­

terte. In der Stadt angelangt, wird das W a s s e r wieder in klei­

nere Ströme vertheilt, und zu den Fontainen geleitet, die, in allen Gegenden der Stadt angebracht, überall W a s s e r in beliebiger Menge liefern. D i e Türken haben grofse Achtung vor gutem W a s s e r ; jede bedeutendere Fontaine gehört, nächst den Moscheen, zu den Schönheiten der Stadt, und ist mit goldenen Inschriften geziert,

meist Sprüchen ans dem Koran, die oft schön, kr.:if(ifx «ud wirk­

lich goldwerth sind, wie ich mich aus den Ueberseizuiigen einiger überzeugt habe. In Hammor's „Constautinopol und der Hosphorus"

findet man eine Menge übersetzte Inschriften.

Am 12. Juni 1833.

Dr. C A R L ROSKNBKRGKK, A r z t bei iler K a i s e i l . B u s » . VMUi.

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