• Keine Ergebnisse gefunden

3. Das Klassifizierungsmodell

3.5. Die Codebezeichnungen des Schlüssels

3.5.1. Die Griffkonstruktionen

Aus der Gesamtheit der im Katalog erfaßten Griffkonstruktionen ergaben sich sechs verschiedene Arten der Griffangelkonstruktion sowie neun verschiedene Arten der Griffzungenkonstruktion. Sie werden im folgenden in ihren Charakteristika be-schrieben.

Die Griffangelkonstruktionen

Die Konstruktionsformen A.1-A.6 umfassen alle im bearbeiteten Fundgut vertete-nen Griffangelkonstruktiovertete-nen. Gemeinsam ist ihvertete-nen die Angel, eine dornartige, am Heft oft abgesetzte und nach hinten aus der Klinge auslaufende Verlängerung, auf die der eigentliche Vollgriff, welcher z.B. aus einem Röhrenknochen, einem Stück Geweih oder aus einem längs durchbohrten Holzschaft bestehen konnte, von hinten aufgesetzt und manchmal auch ganz durchgeschoben wurde:

bei letzterer Befestigungsart wurde das Angelende entweder umgebogen oder bilde-te als Platbilde-te oder Kopf den Griffabschluß.

Oft treten am Heft und am Angelende die Ansatzstellen verstärkende, zum Teil zwingenartige Zusatzhalterungen auf, wie Abschlußkonstruktionen aus Metall-scheiben, massiven Metallkörpern oder am Heft angebrachten Metallhülsen (Abb. 13).

Abb. 13 Zusätzliche Befestigungsarten bei Griffangelkonstruktionen

Die Konstruktion A1 (Abb. 14)

Unter diese Bezeichnung fallen Griffangelkonstruktionen ohne irgendeine zusätzli-che Befestigungsart. Die Gruppen A1.0 bis A1.3 umfassen neun Möglichkeiten, die Angel am Ansatz zum Heft abzusetzen, bei ihrer Leitform fällt der Absatz weg: die Angel springt hier direkt aus dem Heft. Die Gruppen A1.4 und A1.5 beinhalten sechs Absetzungsmöglichkeiten für den Fall, daß die Angel schräg nach oben bzw.

nach unten verläuft.

Für die Gruppen der Konstruktionsform A1 gilt, daß der jeweilige Vollgriff aus einem organischen Material besteht, da er nachgiebig sein muß, um fest auf der Angel zu verbleiben, ohne zusätzlichen Halt von hinten zu bekommen.

Für die sehr seltenen Fälle, in denen die Angel direkt zu einem eisernen Vollgriff ausgeschmiedet worden ist, wurde keine separate Bezeichnung gewählt, da techno-logisch für die Endfertigung des Griffs ebenfalls nur ein Schritt erforderlich ist. In diesen Fällen wird die Konstruktion aus der Schreibweise der Verschlüsselung er-sichtlich: Ein aufgeschobener Holzvollgriff erscheint als Code: – / A 1. H1 (–), ein direkt an die Klinge geschmiedeter Volleisengriff erhält zwischen Konstruktion und Material einen Pfeil: – / A 1. E1 (–).

Die Konstruktion A2 (Abb. 15)

Dieser Code bezeichnet die gleiche Konstruktion wie die des Codes A 1. Sie ist hier allerdings versehen mit einer zusätzlichen Halterung am Griffangelende, indem diese entweder umgebogen oder als Platte oder verdickter Kopf gearbeitet worden ist.

Eine zweite Halterungsmöglichkeit dieser Konstruktionsform ist eine Heftverstär-kung in Form einer bereits am Messerrohling ausgeschmiedeten VerdicHeftverstär-kung am Angelansatz oder eines vor dem organischen Griff auf die Angel gesteckten Griff-plättchens als Griffabschluß zum Heft. Diese Art der Heftgestaltung tritt auch zusammen mit den Zusatzhalterungen am Griffende auf, wobei zum Beispiel oft ein Griffplättchen am Heft und zusätzlich eines am Griffende befestigt worden ist.

Die Konstruktion A3 (Abb. 16a)

Der Code A3 beinhaltet eine Sonderkonstruktion, die in der "Plättchentechnik" ver-zierten Messergriffe35.

Die Griffangel wird immer mit mindestens jeweils einem am Heft und am Griffen-de auf die Angel gesteckten Griffplättchen versehen, die Griffen-den Griff beidseitig abschließen. Im Fall der Plättchenverzierung ist der Vollgriff zusätzlich in einzelne

35 Der Begriff "Plättchentechnik" wurde von H.A. Knorr übernommen (Knorr 1971)

Segmente unterteilt, die jeweils von Griffplättchen am Heft und am Angelende ein-gerahmt werden.

Die Plättchen können seltener aus Silberblech, häufiger aus Kupferoder Messing-blech bestehen, die Segmente des Vollgriffs bestehen oft neben dem ursprünglichen Material des segmentierten Vollgriffs wie Wurzelholz aus zusätzlich zwischenge-setzten Leder-, Horn- oder Bleisegmenten. Den Angelabschluß bilden verschiedene Arten von Nietknöpfen oder kleinere Abschlußscheibchen, sehr selten sind Beispie-le mit massiveren Metallabschlüssen. Ursprünglich sollte die allgemeine Verwendung von Griffplättchen in einem eigenen Code zusammengefaßt werden.

Davon wurde vor allem wegen der unterschiedlichen Funktionen ihrer Verwendung Abstand genommen:

Im Code A2 ist die zwingenartige Anbringung metallener Griffplättchen eine reine Befestigungsart und somit eine unter mehreren Arten, den auf die Angel gesteckten, aus organischem Material bestehenden Vollgriff zu stabilisieren.

Im Code A3 wird diese Befestigungsart durch die Segmentierung des Griffs und Einschub weiterer Plättchen ausgeweitet und so zusätzlich zu einer besonderen Art, den Griff zu verzieren. So ist diese Konstruktionsform eigentlich eine Sonderform des Codes A2. Sie wurde getrennt, da die Verbreitung dieser Verzierungsart relativ einheitlich und auch zeitlich einzugrenzen ist. Zwei größere Publikationen haben diese Technik in ihrem Erscheinungsbild und ihrer geographischen Verbreitung bereits bearbeitet, so daß eine gesonderte Behandlung dieser Griffgestaltung nahe lag36.

Die Konstruktion A4 (Abb. 16b)

Unter diesem Code sind Griffangelkonstruktionen zusammengefaßt worden, bei denen das vordere, an das Heft stoßende Vollgriffende von einem Metallblech um-mantelt ist. Diese Befestigungsart kann als breiter Ring gearbeitet sein, der nachträglich um das vordere Vollgriffende gelegt wurde; sie kann aber auch aus einer zylindrischen oder konischen Hülse bestehen, die vor dem Aufstecken des Vollgriffs auf die Angel gesetzt worden ist. Eine zusätzliche Befestigung am hinte-ren Griffende in der Art der Konstruktion des Codes A2 kann zusätzlich auftreten, sie ist für diese Befestigungsart aber nicht regelmäßig zu beobachten.

Ob ein am Heft um den an die Klinge stoßenden Vollgriff gelegter Ring, Draht oder eine Manschette als Reparatur eines vorne eingerissenen Griffs oder als serienmä-ßige Zusatzsicherung anzusehen ist, war oft nicht einwandfrei festzustellen.

36 Vgl. vor allem Knorr 1971

Drescher 1975

Die Konstruktion A5 (Abb. 16c)

Für diesen Code gibt es nur wenige Belegexemplare. Zwischen dem eigentlichen Dorn und dem hinteren Klingenende befindet sich am Heft ein im Schnitt mehr-eckiger oder zylindrischer Metallkörper, welcher zum Beispiel Plättchen oder Hülsen am Heft ersetzt und bereits den vorderen Teil des Griffs darstellt. Lediglich im hinteren Teil besteht der Griff noch aus einem auf die Angel geschobenen orga-nischen Vollgriff.

Die Konstruktion A6 (Abb. 16d)

Der Code A6 bezeichnet eine äußerst selten beobachtete Konstruktionsform. Sie bildet typologisch die Übergangsform von der Griffangel- zur Griffzungenkon-struktion:

Bei meist breiter und kurzer, seltener auch längerer Angel sind im Anschlußbereich der Klinge an die Angel ein oder zwei Nietlöcher vorhanden. Leider hat sich bei keinem der vorhandenen Exemplare der Vollgriff erhalten, so daß sich über die Vernietung am Heft nur Mutmaßungen anstellen lassen. Denkbar ist jedoch, daß der Vollgriff im vorderen Bereich das Heft umfaßte wie zwei Griffschalen, indem er vorne eingeschnitten worden war.

Die Konstruktionsform A6 ist typologisch in ihrer Gesamterscheinung noch eine Angelkonstruktion mit zusätzlicher Heftverstärkung. Exemplare des 12. bis 13. Jahrhunderts liegen aber noch so früh, daß chronologisch von einer zur Griff-zungenkonstruktion führenden Übergangsform nur bedingt gesprochen werden kann37.

37 Vgl. Kapitel 6, Abschnitt 2.3.2

Abb. 14 Die Griffangelkonstruktion A1

Abb. 15 Die Griffangelkonstuktion A2

Abb. 16 a: Die Griffangelkonstruktion A 3 b: Die Griffangelkonstruktion A 4 c: Die Griffangelkonstruktion A 5 d: Die Griffangelkonstruktion A 6

Die Griffzungenkonstruktionen

Das Prinzip der Griffzungenkonstruktion beruht auf der verbesserten Haltbarkeit und Festigkeit des Griffs: auf ein flaches Bandeisen, welches in der Regel zur Schneide hin abgesetzt ist, ansonsten aber in der Stärke der Klinge hochkant nach hinten weiterverläuft, werden beidseitig zwei aus meist organischem Material be-stehende Griffschalen mit mehreren querverlaufenden Nieten befestigt. Diese Art der Griffkonstruktion ist die jüngere Grifform38. Insgesamt wurden im bearbeiteten Material neun verschiedene Arten von Griffzungenkonstruktionen beobachtet, wo-bei die Konstruktion mit der Codebezeichnung B5 nur aufgrund ihrer Verbindung mit der Konstruktionsform B6 in die Kategorie Griffzungenkonstruktionen mit ein-geordnet wurde.

Die Konstruktionsform B1 (Abb. 17a)

Dieser Code bezeichnet die Grundform der Griffzungenkonstruktion ohne jede wei-tere Zusatzsicherung. Die Form der Zunge ist rechtekkig, zumeist läuft der Klingenrücken ansatzlos in den Griffzungenrücken über.

Die Konstruktionsform B2 (Abb. 17b)

Ähnlich wie bei der entsprechenden Angelkonstruktion ist auch hier der Griff mit einer zusätzlichen, oft zwingenartigen Griffsicherung am Heft und/oder am hinteren Zungenende versehen worden. Das Prinzip der Zwinge kann sich durch eine zusätz-lich am Heft angebrachte Verstärkung, zum Beispiel in Form zweier Messingplatten, die an den Seiten des Heftes durch Niete befestigt sind, deutlich dokumentieren. Die hintere Abschlußgestaltung kann sich in mannigfaltiger Art zeigen, so in aus Buntmetall oder Edelmetall bestehenden gegossenen Aufsätzen auch zoomorphen Charakters, in aus Edel- oder Buntmetallblechen bestehenden, gravierten Manschetten und Hülsen oder in über die Zunge nach unten herausra-genden und dort verbreiterten Griffschalenenden.

Die Konstruktionsform B3 (Abb. 17c)

Der Code B3 bezeichnet die Form einer trapezoid nach hinten verbreiterten Griff-zunge, wobei eine beidseitige Trapezoidität nicht Voraussetzung ist. So ist die häufigste Vertreterin dieser Art die Form B3.2 ohne Verbreiterung der Oberkante.

Der Einfall der unteren Zungenkante zum Heft verhindert das Abrutschen der Fin-ger auf die Schneide, ohne daß es noch eines zusätzlichen Heftschutzes bedarf.

38 s. Kapitel 6, Abschnitt 2.3, in dem die Ergebnisse der Auswertung zu dieser Frage zusammengefaßt behandelt werden.

Unter diesen Code fallen die Formen von B3, die zusätzlich mit einer zwingenarti-gen hinteren Abschlußverstärkung versehen sind, ähnlich den Konstruktionen der Form B2. Eine zusätzliche Heftverstärkung ist auch hier nicht zwingend. Die hinte-re Abschlußverstärkung kann beispielsweise aus metallenen Aufsätzen oder aus hinten überstehenden Griffschalenenden bestehen.

Die Konstruktionsformen B5 und B6 (Abb. 17e)

Der Code B5 bezeichnet strenggenommen eine eigenständige Art der Griffkon-struktion: sie besteht aus einer direkt am Heft ansitzenden Hülse, die einen Vollgriff ohne dornartige Angel oder Zunge aufnimmt. Diese konisch zum Heft hin zulaufende Hülse kann als Zusatzsicherung einen Nagel oder einen Niet als Quer-verbindung enthalten. Diese Art der Griffzungenkonstruktion ist für Messer selten;

sie ist eher bei haus- und landwirtschaftlichen Geräten oder Werkzeugen zu beo-bachten.

Bei den Beispielen der Konstruktionsform B6 stellen die metallene Hülse in der Art der Form B5 oder auch Metallringe eine zusätzliche Heftverstärkung dar, sie um-fassen im vorderen Bereich die Zunge, die ansonsten das Prinzip der Griffschalenvernietung beibehält. Eine zusätzliche hintere Zungenendabsicherung kann hinzutreten.

Abb. 17 Die Griffangelkonstruktion B1 bis B 6

Die Konstruktionsform B7 (Abb. 18a)

Dieser Code bezeichnet eine Sonderform, bei der das Prinzip der Griffschalenver-nietung auf einem flachen Bandeisen beibehalten wird. Die Griffzunge wird aber gegenüber der Klinge um eine Vierteldrehung versetzt, so daß jetzt das Flacheisen nicht mehr hochkant, sondern waagerecht vor der Klinge steht und die Griffschalen – von oben nach unten vernietet – sich auf und unter der Zunge befinden. Diese Form ist äußerst selten beobachtet worden. Es scheint, als trete sie zumeist in Kom-bination mit vollmetallenen, ausgeschmiedeten Partien ähnlich denen der Formen A5 und (seltener) A3 auf.

Bei einem Absatz des Griffs zur Schneide ist auch das Volleisenstück am Heft zur Schneide abgesetzt, die waagerecht zur Klinge stehende Zunge läuft dann nur aus diesem Griffteil heraus.

Die Konstruktionsform B8 (Abb. 18b)

Die Form B8 stellt das Pendant zur Griffangelform A5 dar. Auch hier besteht der vordere Teil des Griffs aus einem zylindrischen oder mehreckigen Vollmetallstück, welches am Heft ansitzt. Aus diesem Schaft springt nach hinten die eigentliche, von Griffschalen ummantelte Zunge. Wie die Form A5 ist auch B8 äußerst selten aufge-treten.

Die Konstruktionsform B9 (Abb. 18c)

Eine weitere äußerst seltene Griffzungenform bezeichnet der Code B9. Hier handelt es sich um die gleiche Art der ohne Zusatzbefestigungen auftretenden Zungenkon-struktion wie bei der Form B1. Nur läuft hier die Zunge nach hinten konisch zu.

Typologisch scheint diese Zungenform das Anschlußglied an die Konstruktions-form A6 zu sein, da die Kanten der Zunge ähnlich konisch zulaufen, die längslau-fende Vernietung aber schon an eine Griffzunge erinnert. Die Griffzunge der Form B9 kann hinten spitz oder abgeschnitten enden.

Am Anfang des codierten Kataloges (Kapitel 5, Abschnitt 2) sind alle hier behan-delten Konstruktionsformen noch einmal aufgeführt und graphisch dargestellt worden (Codierungstafeln 4 und 5).

Abb. 18 a: Die Griffzungenkonstruktion B 7 b: Die Griffzungenkonstruktion B 8 c: Die Griffzungenkonstruktion B9 d: Schematisierte Klappkonstruktion