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Abschließende Anmerkungen zur Quellenkritik und zum Forschungsstand zum Forschungsstand

2.2. Die Funde

2.2.6. Abschließende Anmerkungen zur Quellenkritik und zum Forschungsstand zum Forschungsstand

Die bisher angesprochenen quellenkritischen Aspekte zur Materialbasis der vorlie-genden Untersuchung korrespondieren mit einer von W. Janssen getroffenen Feststellung, die er 1986 im Zusammenhang mit der Erforschung des städtischen Handwerks nach einer deutlich formulierten Kritik am allgemeinen Zustand der deutschen Stadtkernarchäologie traf:

"Wir subsummieren diese ausschnitthaften Erkenntnismöglichkeiten

der Archäologie des Mittelalters ... unter dem Sammelbegriff der erhaltungsbeding-ten ... und der publikationsbedingerhaltungsbeding-ten Ausschnitthaftigkeit der archäologischen Quellen"13.

Eine über weite Strecken auf Literatur angewiesene, regional und zeitlich übergrei-fende Untersuchung wie die vorliegende kann die Defizite, die sie vorfindet, nicht ausgleichen. Sie kann lediglich auf sie hinweisen und einige spezifische Möglich-keiten zu ihrer Beseitigung formulieren.

11 Vgl. Kapitel 6, Abschnitt 2.7

12 Bereits an dieser Stelle sei auf eine 1987 erschienene Monographie über Messer

und Messerscheiden aus der Londoner Innenstadt verwiesen: J. Cowgill u.a., Knives and scabbards, Medieval Finds from Excavations in London 1, London 1987

13 In leichter formaler Abänderung übernommen aus dem 1986 erschienenen Sammelband "Zur Lebenswei-se in der Stadt um 1200":

W. Janssen 1986, S. 307-308

ten Fundbestände, die zum größten Teil noch unpubliziert in den Magazinen liegen, kann nur vor Ort durchgeführt werden. Dementsprechend sind die zu dieser Unter-suchung mitberücksichtigten bisher unpublizierten Messer vor allem unter dem Aspekt aufgenommen worden, nach Durchsicht der Literatur erkennbare Lücken aufzufüllen oder zu bestimmten Fragestellungen repräsentative Mengen von Bele-gen über den bisher publizierten Bestand hinaus zu erhalten.

Der Entschluß, die Untersuchung zu mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Mes-sern überregional anzulegen, entsprang neben den im Vorwort genannten Anstößen auch der Tatsache, daß dieser Gegenstand von archäologischer Seite bisher wenig Beachtung gefunden hat.

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Messer nehmen im Fundmaterial, gemessen an der Zahl der Gefäßkeramik oder anderer eiserner Objekte wie Nägel und Be-schlagfragmente zwar einen weitaus geringeren Teil ein, liegen aber mittlerweile sicher in mehreren zehntausend Exemplaren in den Magazinen der europäischen Stadtkernarchäologien vor.

Im Gegensatz zu Gürtelschnallen, Riemenzungen, Beleuchtungsgeräten, Dreifuß-töpfen (Grapen) oder anderen Alltagsgütern, deren Formenspektrum weniger umfangreich und deren Entwicklungsstufen im wesentlichen bekannt sind, liegen zeit-und raumübergreifende Studien zur Vielfalt von Messerformen, Funktionen und Herstellungstechniken bisher noch nicht vor.

Dazu beigetragen haben nicht nur die bisher beschriebenen quellenimmanenten Probleme, die eine Beschäftigung mit Messern mit sich bringt.

Die breite Spanne von Klingenformen, für deren gesicherte Ansprache bis heute jede Basis fehlt, läßt sich in regional begrenzten Ausschnitten nicht näher untersu-chen. Deutlich zeigen dies Arbeiten wie die von Baart (u.a.) und Cowgill (u.a.) zu den in Amsterdam und London ausgegrabenen Messern14.

Kaum ein Gegenstand erscheint derart verschwommen im chronologischen Raster der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie wie das Messer. Waffen, Schmuck und an-deres persönliches Zubehör, selbst Hufeisen und Zaumzeug erfreuten sich sowohl in der Kunstgeschichte wie in der Archäologie größerer Beliebtheit, so daß sie in Fundkatalogen seit langem veröffentlicht und bearbeitet wurden. Messer wurden zumeist erst dann interessant, wenn ihre Griffe erhalten und verziert waren15.

Dieses ist um so erstaunlicher, wenn man sich die Bedeutung des Messers im alltäglichen mittelalterlichen Leben vor Augen führt. Das Messer gehörte während des gesamten Untersuchungszeitraumes und darüber hinaus zum Minimum persönlicher Ausrüstung (Benediktsregel, Grabausstattungen u.a.) beider Geschlechter. Sein Auftreten im Fundgut ist relativ häufig, seine Funktionen im

14 Baart (u.a.) 1977

Cowgill (u.a.) 1987

15 Vgl. beispielhaft Billberg 1982, S. 32-34 Knorr 1971, S. 121-145

Leciejewicz 1974

Auftreten im Fundgut ist relativ häufig, seine Funktionen im Alltag waren ele-mentar und vielseitig. Seine Bedeutung erhellt nicht zuletzt durch den Umstand, daß es auf vielen Bildzeugnissen von der Karolingerzeit bis zur Malerei des 17. Jahrhunderts in seiner Anwendung und als Staffage festgehalten wurde.

Für diese Diskrepanz gibt es fund- wie gattungsspezifische Gründe. Der Erhal-tungszustand der Messer vor allem des Mittelalters ist gegenüber dem von z.B.

Waffen aus ersichtlichen Gründen erheblich schlechter: letztere waren ungleich höherer Belastung unterworfen, in der Regel aus besserem Stahl gefertigt und er-hielten sich auch in feuchten Böden besser. Bei Messern war oft bestenfalls die Schneide gestählt, sie wurden im täglichen Gebrauch häufig benutzt, bis die Schneide verschliffen war. Dementsprechend sind viele geborgene Messer an der Schneide zerfressen, oft ist nur noch der Klingenansatz und ein Teil des Griffs vor-handen. Dazu kommt der Umstand, daß sich die Variationsbreite der Klingen aufgrund fehlender Informationen zur Funktionsspanne kaum erschließt. Lediglich Spezialmesser wie Werkzeugmesser von Sattlern und Fleischern, Rebmesser, Vor-legemesser bei Tisch oder Schnitzmesser fielen wegen ihrer Formen sofort auf und konnten teilweise klassifiziert und zugeordnet werden16. Diese Unzulänglichkeit des Materials mag einer der Gründe dafür sein, daß in den meisten publizierten Fundkatalogen die Forscher den Messern nur wenige lapidare Sätze widmen17. Die wenigen Arbeiten, die bereits zu Problemen der Einordnung ergrabener Messer Stellung nehmen, sind weder auf alle Messer anwendbar, noch reichen sie aus, aus den Fundkomplexen oder Sonderformen, für die sie erarbeitet wurden, weiterge-hende Analysen bezüglich ihrer Funktion oder ihres chronologischen Stellenwertes vorzunehmen18.

Aus diesen Gründen ergab sich der Wunsch, Messer, in ihrer Vielfalt zu erfassen und zu untergliedern, um einen Einstieg in die Erforschung dieses für den Men-schen zum ständigen Begleiter gewordenen Instrumentes zu ermöglichen.

16 Bereits 1959 stellte B.A. Koltschin neben einer Auswahl der in Novgorod geborgenen Messer auch Un-tersuchungen zur Funktion und Technologie der Messer an und unterschied "Universalmesser des bäuerlichen Haushalts" von "Messern zur Holzbearbeitung" sowie von "Schustermessern" und "Chirur-genmessern". Auch stellte er die typische Abfolge verschiedener Verschliffstadien dar: Koltschin 1959, v.a. S. 52-58 und Abb. 41-43

Eine Zusammenfassung in englischer Sprache liegt vor: Thompson 1967, S. 73-78, v.a. Abb. 74 17 3 Beispiele mögen hier stellvertretend einen Eindruck von der Art der Behandlung geben, die die Messer

seitens der Forschung sehr oft erfahren,

1: "Diese Messerform kommt als einfaches Hausgerät während des gesamten Mittelalters vor und läßt keine differenziertere zeitliche Einordnung zu."

in: E. Plümer, Die Wüstung Oldendorp bei Einbeck, Einbeck 1978, S. 211

2: "... die Formen sind seit spätmerowingisch-karolingischer Zeit geläufig und leben bis in das hohe Mit-telalter fort."

in: W. Janssen, M. Müller-Wille, Das Fundmaterial der Grabungen aus der Niederungsburg bei Haus Meer, in: Rheinische Ausgrabungen I, Köln 1968, S. 74 (Zitat dort nach L. Berger, Die Ausgrabungen am Petersberg in Basel, Basel 1963, S. 60 ff)

3: "Für die Datierung sind die Messer nicht geeignet, da sie sich in fast unveränderter Form über Jahrhun-derte gehalten haben und die einzelnen Formen lange nebeneinander vorkommen."

in: W. Timpel, Gommerstedt, ein hochmittelalterlicher Herrensitz in Thüringen, Weimar 1982, S. 72 18 Vgl. u.a. Knorr 1971

Schoknecht 1969 Drescher 1975

diskutierten Ergebnisse ließen sich nur teilweise in Verbindung mit Forschungser-gebnissen historischer Nachbardisziplinen diskutieren, wie etwa das Aufkommen von Klingenmarken, der Beginn der serienmäßigen Verarbeitung von Buntmetallen am Griff, einzelne Verzierungsarten oder herausragende Befunde wie das Witten-berger Schiffswrack, dessen Messerladung im Zusammenhang mit wirtschaftshistorischen Fragestellungen diskutiert wird19.

Zahlreiche Fragestellungen, die sich aus den in der Auswertung ermittelten Daten ergaben, konnten jedoch nicht näher historisch eingebunden werden.

Das betrifft zunächst Ergebnisse, die sich am Objekt selbst manifestieren, wie Ver-änderungen der Klingenform oder der Klingenlänge. Letztere weisen wie auch einige Beobachtungen zur Entwicklung der Grifformen auf Forschungslücken, auf die jeweils an geeigneter Stelle hingewiesen wird.

In der Regel ergab sich die Unmöglichkeit nachweisbarer historischer Einbindun-gen vieler Aspekte und Daten wie in der Analyse fundortspezifischer Unterschiede von Messerklingen aus den fehlenden Begleitinformationen zum ausgewerteten Fundgut. Wesentliche Daten zur sozial- und wirtschaftshistorischen Umgebung, in der die Messer angetroffen worden waren, standen dem Autor nicht zur Verfügung, weil sie entweder nicht beobachtet oder nicht angegeben worden waren.

So konnten soziale Analysen, Fragen zu Messern als Ware in regionalem und über-regionalem Handel und die Bandbreite der Funktionen vom Mehrzweckmesser bis zum Vorschneidemesser nur beispielhaft behandelt werden, wobei in allen Fällen Quellen und Erkenntnisse aus Nachbardisziplinen mitberücksichtigt wurden.

Eine schwerwiegende Forschungslücke ergab sich nach Durchsicht der Beiträge zu Produktionstechniken von Messerklingen.

Die publizierten Ergebnisse20 zeigen, welche Erkenntnismöglichkeiten in einer se-riellen metallurgischen Objektanalyse verborgen liegen. Aussagen zur Technik- und Wirtschaftsgeschichte (unter anderem aus Danzig und Novgorod), die teilweise Rückschlüsse auf wirtschaftsplitische und versorgungstechnische Mechanismen vor dem Einsetzen ausreichend vorhandener historischer Quellen zuließen, wurden bei-spielhaft zum Zweck der Verdeutlichung dieser Möglichkeiten vorgestellt.

Metallurgische Analysen gehören aber nach wie vor zu den Ausnah-meerscheinungen, so daß auf eine vergleichende Untersuchung zur Verbreitung der verschiedenen Produktionstechniken verzichtet werden mußte.

19 Vgl. Kapitel 6, Abschnitt 2.6 und Kapitel 9, Abschnitt 1.3 20 Vgl. Kapitel 9, Abschnitt 1