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Die grammatischen und rhetorischen Schriften

II JOHANN CHRISTIAN VON BOINEBURG UND SEINE BIBLIO- BIBLIO-THEK IN DER RESPUBLICA LITERARIA

II.7 Die theologischen Schriften

II.7.2 Die philologischen, philosophischen und poetischen Schriften

II.7.2.2 Die grammatischen und rhetorischen Schriften

„Philologie und Grammatik wurde bei der Wissensvermittlung die Fähigkeit zugesprochen, den Fachdisziplinen durch allgemein gültige Methoden den Zugang zu ihren Quellen zu öffnen.“978 Eine Vielzahl von Grammatiken und Wörterbüchern beschäftigte sich mit den

975 Das schlägt sich in Boineburgs Bibliothek zum Beispiel in der Aufstellung „Contra Hobben. Pro Hobbe“

nieder, in der Leibniz als „L“ unter den Befürwortern auftaucht. (UBE Pu 1434, hinteres Vorsatz). Für den Hinweis danke ich Dr. Ursula Goldenbaum.

976 „Leibnizio literae tuae maximo sunt solatio. Est iuvenis 24 annorum, Lipsiensis, Iuris Doctor; imo doctus supra quam vel dici potest, vel credi, Philosophiam omnem percallet, veteris et novae felix ratiocinator.

Scribendi facultate apprime armatus. Mathematicus, rei naturalis, medicae, mechanicae omnis sciens et per-cupidus; assiduus et ardens. In religione suae spontis; vestrati coetui concorpor. Iuris philosophiam, imo et praxin, quod mirandum, in numerato habet; tui amans et reverens ex animo. Moguntiae degit apud Las-serum [...]“. Boineburg an Conring, Frankfurt am Main, 22.4.1670. In: Gruber, S.1287-1288.

977 Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz (Hg.), Marii Nizolii de veris principiis et vera ratione philosophandi contra pseudophilo-sophos, libri IV. Inscripti illustrissimo Baroni a Boineburg. Francofurti 1670 (UBE Pu 585; NLB LK II, f. 192v).

Vgl. zu der Schrift Wiedeburg, Der junge Leibniz, I/1, S.222-229.

978 Werner Arnold, Bibliotheken im 17. Jahrhundert. In: Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek 12 (1999), S.87-97, hier: S.88.

drei Sprachen der antiken Tradition, mit dem Lateinischen979, dem Griechischen980 und dem Hebräischen981. Als Übungsbuch zur Erlernung des Lateinischen diente Boineburg das weit verbreitete Werk des Jesuiten Jacob Pontanus.982 Die Schriften zur französischen und italie-nischen Grammatik sowie Sprachlehren und Wörterbücher in lateinischer Sprache sind unter den Schlagworten „Grammatica Gallica“, „Lingua Gallica“ und „Grammatica Italica“ des Leibniz-Kataloges verzeichnet, die in Französisch, Italienisch und Spanisch jeweils unter den

„Grammatici“ in der jeweiligen Sprachabteilung.983 Die wenigen deutschsprachigen Titel, die sich mit grammatischen Fragestellungen befassen, sind im vierten Band des Leibniz-Kataloges unter „Sprachen wie diesselbe leicht zu lernen“ zusammengefasst. Dort ist auch das Öffentlich Außschreiben des Nürnberger Orientalisten Elias Hutter (gest. 1605) aufgeführt, eine Sprachharmonie, die eine Verkürzung und Verbesserung des Sprachenstudiums durch den Druck einer Bibel vorschlägt, in der die verschiedenen Sprachen synoptisch in Spalten nebeneinander angeordnet sind.984 Zu den grammatischen Schriften gehören auch eine deutschsprachige Methodus didactica und ein Appendix practica985 des Polyhistors und Konverti-ten Johann Joachim Becher (gest. 1682), die sich mit der Aneignung des Lateinischen mit Hilfe der Muttersprache beschäftigen. Boineburg hatte Becher in Mainz kennen gelernt, wo sich dieser der besonderen Gunst des Kurfürsten erfreute, und stand mit ihm im Briefwech-sel.986 Einer der wirkungsmächtigsten Renaissancegrammatiken, die für das 17. Jahrhundert wesentlich waren, der Minerva des Franciscus Sanctius (gest. 1600), hatte Boineburg eine Liste mit den aus seiner Sicht besten Sprachkundigen vorangestellt.987 Herausgegeben worden war die in seiner Bibliothek vorhandene Ausgabe von dem zum katholischen Glauben konver-tierten Philologen und päpstlichen Politiker Kaspar Schoppe (gest. 1649), dessen auf der Grundlage der Minerva verfasste und mehrfach aufgelegte philosophische Grammatik der

979 Schlagworte „Grammaticalia“, „Grammatica Latina“, „Latinitas“, „Latinae linguae abusio“, „Latina lingua“,

„Latina lingua discenda“, „Latinae linguae emendatio (NLB LK II, f. 157v-158r, 160r-v, 165r, 166r-166v).

980 Im Leibniz-Katalog hauptsächlich unter „Graeca“, „Grammatica Graeca“, „Graeca lingua“ und „Gramma-tica Graeca cum Latina congruens“ (NLB LK II, f. 157f, 158v und 159r) zu finden.

981 Schlagworte „Grammatica Hebraica“, „Hebraica“, „Lingua Hebraica“ (NLB LK II, f. 159v, 161r, 166v).

982 Vgl. Anm. 255.

983 NLB LK II, f. 158v, 167r, 160r, französisch: „Grammatici“ (273v-275r), italienisch: „Philologici, oratorii, grammatici“ (280r-281v), spanisch: „Grammatici et Philosophici“ (289r-290r).

984 „Eliae Hutteri öffentlich Außschreiben [...] darinnen angezeigt wirdt, welcher masen der ietzigen Welt [...]

durch eine sonderliche Sprach Kunst geholfen werden könne [...] Nürnberg 1602. 8°.“ (NLB LK IV, f.

475v). Vgl. dazu Wolf Peter Klein, Am Anfang war das Wort. Theorie- und wissenschaftsgeschichliche Elemente früh-neuzeitlichen Sprachbewußtseins. Berlin 1992, S.281-296. Weitere Sprachharmonien in der Boineburgica stam-men von Johann Heinrich Hottinger, Grammatica, quatuor linguarum Hebraicae, Chaldaicae, Syriacae et Arabicae, harmonica. Heidelbergae 1659 (UBE Gr 3181); Ders., Grammaticae chaldaeo-syriacae libri duo, cum triplici appendice, chaldaea, syra et rabbinica. Tiguri 1652 (UBE Gr 3322, beide: NLB LK II, f. 158v).

985 „Joh. Joach. Bechers Methodus didactica [...] München 1668. 4 “ (NLB LK IV, f. 475v), Appendix practica über seinen methodum didacticam. München 1669 (UBE 3an Hg 1075; NLB LK IV, f. 475v).

to.

986 Vgl. Joannis, Vita, f. 134; im Nachlass Bechers in der Universitätsbibliothek Rostock ist keine Korrespon-denz der beiden überliefert (Auskunft von Heike Tröger, 22.5. 2002).

987 „Grammatici optimi“ in: Minerva sive de causis Latinae linguae commentarius, cui accedunt animadversiones et notae Casperis Scioppii. Amsterodami 1664 (UBE Gr 1202, Vorsatz). Zur Minerva vgl. Gregor Vogt-Spira, Franciscus Sanctius‘ Minerva seu de causis linguae Latinae (1587). In: Wolfram Ax (Hg.), Von Eleganz und Barbarei. Wiesba-den 2001, S.169-188.

lateinischen Sprache ebenda angebunden war.988 Einige wenige rote Kreidestriche deuten auf ihre Benutzung durch Boineburg hin. Zur Fülle der von Schoppe verfassten Abhandlungen, von denen Boineburg 28 Titel in zum Teil mehreren Exemplaren besaß, gehörte auch die zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges erschienene fanatische katholische Schrift Classicum belli sacri in einer lateinischen und einer deutschen Ausgabe.989

Ã

Zu den 62 Einzelschriften aus dem umfangreichen Œuvre des Leidener reformierten Theo-logen, Professors der Rhetorik und Polyhistors Gerhard Johann Vossius (gest. 1649) gehör-ten neben den zahlreichen theologischen Disputationen und Dissertationen unter Vossius‘

Leitung auch die verschiedenen Teile von Vossius‘ großem Enzyklopädiekonzept – alle Bü-cher hatte Boineburg durchgearbeitet und mit zahlreichen Tabellen gefüllt.990 Bereits kurz nach Erscheinen pries Boineburg Vossius‘ De quatuor artibus popularibus [...] libri tres als „den rechtmäßigsten Beginn der ganzen Enzyklopädie“.991 Neben dessen grammatischen Haupt-werken992 besaß Boineburg eine Auflage des Standard-Lehrbuches der Rhetorik an den pro-testantischen Lehranstalten seiner Zeit von Vossius, das er am Anfang seines Studiums am 30. Juli 1638 in Jena erworben hatte.993 In diesem Lehrbuch und in dem zu Grunde liegenden Kompendium994 von Vossius notierte Boineburg zahlreiche Namen und Titel zum Thema.

Er besaß auch das entsprechende katholische Lehrbuch von dem portugiesischen Jesuiten Cyprianus Soarez (gest. 1593) und das von Ludovicus Carbo herausgegebene Tabellenwerk, das den Stoff von Soarez in übersichtlichen Tabellen erfasst.995

Rhetorik gehörte zu den Kernfächern protestantischer und katholischer Schulbildung.

Boineburg besaß zu dieser „ars“ die wichtigen zeitgenössischen Schriften, die auf den antiken Klassikern Aristoteles (gest. 322 v. Chr.), Cicero (gest. 43 v. Chr.) und Quintilian (gest. um

994 Commentariorum rhetoricorum sive oratoriarum institutionum libri sex. Lugduni Batavorum 1643 (UBE Lu 1053;

NLB LK II, f. 183v).

988 Grammatica philosophica. Amstelodami 1664 (UBE 1an Gr 1202), weiteres Exemplar: Amstelodami 1659 (UBE 1an Jus M 351; beide: NLB LK II, f. 159v-160r).

989 Classicum belli sacri. Ticini 1619 (UBE 2an Hg 2005; NLB LK III, f. 341r); Raht- und Anschläge, welche Herr Caspar Scioppius [...] in diesem 1619 Jahr zu Pavia in offenen Truck außgehn lassen. Pavia 1619 (UBE 9an Hu 3108).

Eine der bedeutenden Erwiderungen auf Schoppes Kampfschrift fand auch Aufnahme in die Bibliothek:

Matthias Bernegger, Tuba pacis occenta Scioppiano belli sacro classico. Augustae Trebocorum 1621 (UBE 1an Jus H 140).

990 De quatuor artibus popularibus, de philologia et scientiis mathematicis [...] chronologia mathematicorum libri tres. Amstelo-dami 1650 (UBE Eu 4140; NLB LK II, f. 174v), De logices et rhetoricae natura et constitutione libri II. Hagae Co-mitis 1658 (UBE 13an Ts 3557 ger; NLB LK II, f. 171r), De philosophia et philosophorum sectis libri II. Hagae Comitis 1658 (UBE Pu 38; NLB LK II, f. 189v).

991 „De Vossiano opere, quod est initium justissimum plenae Encyclopaediae [...]“. Boineburg an Dieterich, Frankfurt am Main, 17.10.1650. In: Meelführer, S.112-147, hier: S.120.

992 Z.B. Aristarchus, sive de arte grammatica libri septem. Amstelaedami 1662 (UBE Gr 1244; NLB LK II, f. 160v), Etymologicon linguae latinae. Amstelodami 1662 (UBE 2° Lex 51). Vgl. dazu Jürgen Leonhardt, Die grammati-schen Werke des Gerardus Iohannes Vossius. In: Ax, Von Eleganz, S.189-208.

993 Rhetorices contractae sive partitionum oratoriarum libri V. Genae [d.i. Jenae] 1634 (UBE an Eu 5112, Besitzver-merk auf dem Titelblatt; NLB LK II, f. 201v).

995 De arte rhetorica libri tres ex Aristotele, Cicerone et Quintiliano praecipuè deprompti. Coloniae 1658 (UBE Lu 1056);

Ludovicus Carbo, Tabulae rhetoricae Cypriani Soarii [...] sive totius artis rhetoricae absolutissimum compendium. Colo-niae 1658 (UBE 1an Lu 1056, beide: NLB LK II, f. 201r).

96) fußten.996 Von Erasmus von Rotterdam finden sich zwei Ausgaben des Dialogus cui titulus Ciceronianus: sive de optimo genere dicendi,997 eines Leitfadens zur Erlernung der alten Sprachen, von Melanchthon Ausgaben der verschiedenen Fassungen seines Rhetorik-Kompendiums.998 Auch die grundlegenden rhetorischen Arbeiten999 des Straßburger Humanisten Johann Sturm (gest. 1589) sind vorhanden, der in seinen pädagogischen Programmschriften1000 der Erzie-hung zur Frömmigkeit die Entwicklung sprachlicher Fertigkeit und die Aneignung von Wis-sen zur Seite stellte und auf der Grundlage von Melanchthon „diejenige pädagogische Orga-nisationsform“ entwickelte, „die den Rhetorikbetrieb auch für das gesamte Barockzeitalter“

bestimmte.1001 Von dem Helmstedter Christoph Schrader (gest. 1680) besaß Boineburg des-sen Ausgabe der Rhetorik des Aristoteles.1002 Auch Schriften des Wittenberger Rhetorikpro-fessors und „Sachwalters des Opitzschen Erbes“,1003 August Buchner, der die deutsche Poe-sie in sein Lehrprogramm aufnahm, gehören zum Bestand.1004 Das wiederholt aufgelegte Werk über die richtige Art von Stilübungen aus der Feder des Professors für Eloquenz und Politik in Uppsala, Johann Scheffer (gest. 1679), besaß Boineburg in der von Johann Andreas Bose herausgegebenen Auflage von 1670, die auch eine Dissertation seines Freundes Johann Heinrich Boecler, der wiederum Lehrer von Scheffer in Straßburg gewesen war, enthält.1005

Unter den poetologischen Schriften ragt das „Fundamentalbuch der Frühen Neuzeit“1006 für die Poetik, die Poetices libri septem des italienischen Humanisten Julius Caesar Scaliger (gest.

1558) heraus.1007

996 Vgl. hauptsächlich die Schlagworte „Rhetorica“, „Rhetorica Ciceroni“, „Oratoria“, „Eloquentia“ (NLB LK II, f. 200r-202r, 182v-184r, 147v), in denen auch Ausgaben der Klassiker enthalten sind, sowie „A-ristotelis Rhetorica“ (NLB LK II, f. 131v-132r).

997 Neapoli Nemetum 1617 (UBE 3an Lr 500; NLB LK II, f. 182v); Lugduni Batavorum 1643 (UBE an Gr 1071).

998 Z.B. „Phil. Melanchtonis Elementorum Rhetorices libri duo [...] Lipsiae 1547. 8°. [...]“ (NLB LK II, f.

201r); „Phil. Melanchtonis Institutiones Rhetoricae. Hagenoae 1570. 4°.“ (NLB LK II, f. 200v).

999 Z.B. De imitatione oratoria libri tres. Argentorati 1574 (UBE Lu 1004; NLB LK II, f. 183v); De universa ratione elocutionis rhetoricae libri IIII. Argentorati 1576 (UBE Lu 1005; NLB LK II, f. 201r).

1000 Z.B. De literarum ludis recte aperiendis liber. Argentorati 1557 (UBE Eu 15; NLB LK II, f. 203r). Der Titel stammt aus der Bibliothek Robert Königsmanns.

1001 Barner, Barockrhetorik, S.260-261. Zum von Sturm formulierten Bildungsziel, „sapiens atque eloquens pietas“, vgl. dort und Schindling, Humanistische Hochschule.

1002 Aristotelis de arte rhetorica libri tres. Helmaestadi 1648 (UBE 24an Ts 2039; NLB LK II, f. 201r).

1003 Barner, Barockrhetorik, S.250.

1004 Z.B. De commutata ratione dicendi. Wittenbergae 1665 (UBE an Ph.sac. 12° 17; NLB LK II, f. 200r).

1005 De stylo exercitiisque eius ad consuetudinem veterum liber singularis [...]. Accessit Joannis Henrici Boecleri dissertatio de comparanda Latinae linguae facultate. Jenae 1670 (UBE Gr 1200; NLB LK II, f. 210r). Zu den Schriften von Scheffer vgl. Conrad Bursian, Geschichte der classischen Philologie in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegen-wart. München 1883, S.332-335.

1006 Wilfried Barner, Spielräume. Was Poetik und Rhetorik nicht lehren. In: Hartmut Laufhütte (Hg.), Künste und Natur in der frühen Neuzeit. Wiesbaden 2000, S.33-67, hier: S.39.

1007 O. O. [Heidelberg] 1594 (UBE Lu 902; NLB LK II, f. 224v).