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3. DIREKTZAHLUNGEN (ERSTE SÄULE) UND MEHRWERT

3.1. Die erste Säule als Einkommensbeihilfe und ihr Mehrwert

Ein häufig angeführtes Argument für die Gewährung von Direktzahlungen an EU-Landwirte ist die Notwendigkeit der Einkommensstützung. Ansonsten, so heißt es, würden viele Landwirte der Landwirtschaft den Rücken kehren, was gravierende Folgen für die Umwelt, die Landschaft und die ländlichen Gemeinden hätte.

Öffentliche Interventionen zur Verbesserung des Einkommens bedürftiger Einzelpersonen oder Haushalte sind gang und gäbe. Normalerweise ist die Gewährung solcher Einkommensbeihilfen an eine Bedürftigkeitsprüfung gekoppelt, damit die Unterstützung jenen zugute kommt, die sie wirklich brauchen. Die Direktzahlungen im Rahmen der GAP beruhen jedoch nicht auf einer Analyse des individuellen Bedarfs der landwirtschaftlichen Betriebe, so dass sie keine gezielte Hilfe für Landwirte mit geringem Einkommen bieten. Die GAP begünstigt die Eigentümer der primären Produktionsfaktoren und die Inhaber von Produktionsrechten, die eigentlich nicht die Hauptbegünstigten sein sollen.

Direktzahlungen sind aber in jedem Fall ein großer Fortschritt im Vergleich zur Preisstützung. Es wird vielfach berichtet, dass sie die Einkommen der Landwirte stabilisiert und zur Erhaltung der Landwirtschaft in Gebieten beigetragen haben, in denen sie sonst aufgegeben worden wäre. Zweifellos ist die Transfereffizienz bei den Direktzahlungen bedeutend höher als bei der Preisstützung, wie ein von der OECD (2002) angestellter Vergleich zeigt. Es wurde festgestellt, dass Preisstützungen bei den Landwirten nur zu 23 % und bei Grundbesitzern, die keiner landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgingen, nur zu 13 % auf das Einkommen durchschlugen. Die Direktzahlungen dagegen wurden bei den Landwirten zu 47 % und bei Grundbesitzern, die keiner landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgingen, zu 45 % kapitalisiert, und die Verluste an Zulieferer waren deutlich geringer. Bei der Preisstützung gingen 36 % allein an die Zulieferer. Extrem umfangreiche Ressourcen wurden auch auf die Produktion umgeleitet (Verzerrung), wodurch bei der Preisstützung 28 % des Werts verloren gingen, während es bei Direktzahlungen nur 5 % waren.

Durch Direktzahlungen und Entkopplung gelang es, die Verzerrungen und Verluste im Agrarsektor bedeutend zu verringern und die Förderung effizienter zu gestalten, was

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jedoch an sich nicht als Steigerung des Mehrwerts gewertet werden kann, sondern eher als Senkung der Opportunitätskosten der Agrarsubventionen.

Können Direktzahlungen als Einkommensbeihilfe einen (wirtschaftlichen oder sozialen) Mehrwert schaffen? Sie schaffen einen Mehrwert, wenn sie einkommensschwachen Landwirten zugute kommen und wenn sie die Erhaltung der Landwirtschaft in Gebieten ermöglichen, wo dies gesellschaftlich wünschenswert ist. Wirtschaftlich gesehen sollten die Kosten dieser Maßnahme den von ihr erhofften Mehrwert widerspiegeln, also die Bereitschaft der Gesellschaft, dafür zu zahlen, dass die Landwirtschaft insbesondere in strukturschwachen Gebieten erhalten bleibt. Die Direktzahlungen könnten auf territoriale Bedürfnisse zugeschnitten werden, wobei der Schwerpunkt auf besonders unterstützungsbedürftigen Regionen liegen sollte, wie Gonzalez Regidor (2005) und sogar einzelne Bauernverbände vorschlagen.

Zwar können Direktzahlungen unter Umständen bewirken, dass in bestimmten Gebieten die Agrarwirtschaft aufrechterhalten wird, doch eignen sie sich nicht unbedingt als Maßnahme zur Einkommensstützung. Die GAP steht unter falschen Vorzeichen, denn die eigentlichen Adressaten der Einkommensstützung profitieren am wenigsten davon (siehe Baldwin, 2005). Schätzungen von ESPON (2004) zufolge gehen 44 % der GAP-Zahlungen im Rahmen der ersten Säule an stark urbanisierte Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte. Auf diese entfallen 29 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF). Das wäre an sich noch kein Problem, aber die Tatsache, dass die landwirtschaftlichen Haushalte in diesen Gebieten normalerweise wohlhabender sind und ihre Tätigkeit stärker diversifiziert ist, stellt die Verteilungsgerechtigkeit in Frage.

Übrigens wird bei der Argumentation zugunsten von Einkommensbeihilfen selten berücksichtigt, dass in zahlreichen EU-Ländern landwirtschaftliche Tätigkeiten nicht die Haupt- bzw. einzige Erwerbsquelle der Landwirte und der Mitglieder des

landwirtschaftlichen Haushalts sind und dass daher ein geringes Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit nicht ausreicht, um eine Einkommensbeihilfe zu rechtfertigen.

Die Annahme, dass Agrarbetriebe arm sind, wurde durch die Beitrittsländer gestärkt.

So, wie die Direktzahlungen konzipiert sind, bewirken sie in diesen Ländern jedoch nicht den notwendigen Einkommensausgleich zwischen den verschiedenen Sektoren.

Durch die Erweiterung haben sich die Agrareinkommen in den neuen Mitgliedstaaten beträchtlich erhöht. Im Jahr 2004 stiegen sie Eurostat zufolge um 50 %. Dies geschah trotz der nur teilweisen Einführung von Direktzahlungen. Ungeachtet aller Reformen macht die Preisstützung nach wie vor etwa die Hälfte der Unterstützung aus (Wichern, 2004).

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Wie aus regionalen statistischen Daten ersichtlich wird, ist Armut bei Nicht-Landwirten ebenso stark, wenn nicht sogar stärker ausgeprägt als bei Landwirten. Angaben aus dem Jahr 2005 zum sehr ländlichen Gebiet Podkarpackie in Polen (Quelle: Statistisches Amt Rzeszow) (Abbildung 1) belegen, dass die Bruttoeinkommen in anderen Bereichen meist niedriger sind als in der Landwirtschaft und dass die Einkommen der landwirtschaftlichen Haushalte über dem Durchschnitt liegen. Beim verfügbaren Einkommen können die Diskrepanzen sogar noch größer sein als die Daten es zeigen, da für die Landwirte Steuervergünstigungen und Vorteile bei der Sozialversicherung gelten.

Abbildung 1. Bruttoeinkommen je Wirtschaftszweig in Rzeszow, Polen, im Jahr 2005

100%

Real Estate, renting and business activities

Public Administration and defence, compulsory social security sector

Education

Health and social work

Other community, social and personal service activities

Legende:

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Verkehr und Nachrichtenübermittlung Kredit- und Versicherungsgewerbe

Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung Bildung

Gesundheits- und Sozialwesen

Sonstige öffentliche und persönliche Dienstleistungen

Quelle: Statistisches Amt Rzeszow (Online-Datenbank)

Die Daten zur Verteilung des Bruttoeinkommens überraschen, aber das größte Gefälle zeigt sich im Agrarsektor selbst. Das höhere Durchschnittseinkommen ist auf die außergewöhnlich hohen Einnahmen großer landwirtschaftlicher Familienbetriebe zurückzuführen. Zweifellos befinden sich unter den ärmsten und am stärksten benachteiligten Einwohnern der Region auch zahlreiche kleine Landwirte und Semisubsistenzbetriebe, doch an ihnen gehen die „Einkommens“-Beihilfen vorbei.

Die Direktzahlungen können angesichts ihrer ungenügenden Ausrichtung auf einkommensschwache Landwirte nicht als sinnvolle Einkommensbeihilfen gelten.

Angesichts der geringen Unterstützung ärmerer landwirtschaftlicher Haushalte durch