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Die Definition des Flüchtlingsbegriffes

Im Dokument hier (Seite 21-26)

Die 14 Mitgliedländer des Völkerbundes einigten sich 1938 auf einen gemeinsamen Flüchtlingsbegriff für die Menschen, die „ihr Heimatland wegen Verfolgung verlie-ßen“.88 Doch fehlt nach Überzeugung Angenendts bis heute eine einheitliche und vor allem zeitgemäße und praxisnahe Definition des Flüchtlingsbegriffes. Denn Menschen, die aus wirtschaftlicher Not ihre Heimat verlassen, werden von der in-ternationalen Staatengemeinschaft meist als ´Migranten` bezeichnet. Eine völker-rechtliche Unterscheidung von Flüchtlingen und ´MigrantInnen` erfolgt mit der Begründung, dass ´MigrantInnen` wandern, weil sie diese Möglichkeit gewählt ha-ben, Flüchtlinge aber wandern, weil sie dazu gezwungen sind. Schließlich handelt es um Menschen, deren Leben durch „unterschiedliche historische, persönliche und sozio-kulturelle“89 Hintergründe geprägt wurde. Häufig gehen „individuelle politische Verfolgung mit einer Zerstörung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage der Betroffenen einher, und in Kriegs- und Bürgerkriegssituationen vermischen sich politische Verfolgung, wirtschaftliche Zusammenbrüche und soziale Zerrüt-tung als Fluchtursachen“90, die oftmals „durch ökologische Katastrophen zusätzlich verschärft“91 werden.92

Nach Ansicht von Schoop liegen den Flüchtlingsbewegungen innerhalb der Länder des Südens [Anm. vorwiegend Afrika], wie auch vom Süden in den Norden [Anm.

vorwiegend Europa] vier zentrale Ursachenkomplexe zugrunde, deren Ursachen wiederum externe wie interne Faktoren beinhalten können.

Dabei handelt es sich um Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen (z.B. so-genannte ethnische Konflikte), Repressionen und Menschenrechtsverletzungen z.B. durch totalitäre Regime. Weiterhin die Armut als Folge unterschiedlicher Ent-wicklungen, sei es durch eine zunehmend starke Verschuldung oder der Zerstö-rung traditioneller Lebensformen und die ZerstöZerstö-rung natürlicher Lebensgrundla-gen. Besonders deutlich sind die Faktoren der globalklimatischen Veränderungen

88 Angenendt, 2000, S. 22

89 Borde, David, 1999, S. 8

90 Angenendt, 2000, S. 22

91 ebd.

92 vgl. Angenendt, 2000, S. 22; Borde, David, 1999, S. 8; Kiefer, 2006, S. 32-33

und anthropogener Umweltzerstörungen, verdeutlicht am Raubbau von Rohstof-fen und der intensiven Monokulturennutzung.

In der Betrachtung der vielfältigen und individuellen Gründe für Flucht und Mi-gration spielen jedoch Armut sowie der zunehmende Mangel an Grundfreiheiten der Menschen, als Folgen einer international verfehlten Entwicklungspolitik, eine übergeordnete Rolle.93

Nach Veiter ist Flucht „in der Regel aufgrund individueller Entscheidung zu beob-achten, sie kann aber aus geänderten politischen Verhältnissen deshalb erfolgen, weil eine Person dann in ihrer angestammten Heimat nicht mehr Leben kann bzw.

will“.94 So führt die Flucht „aus politischen, rassischen usw. Motiven“95 dazu, dass

„der Flüchtende ein Flüchtling wird“.96 Dabei handelt es sich nach Ansicht Fadlal-las um einen „scheinbar freiwilligen Wohnsitzwechsel“97, dessen individuelle Ent-scheidungen jedoch mit den Ursachen der politischen Veränderung verbunden sind.98

Brinkmeier sieht einen „zwingenden Zusammenhang zwischen den Fluchtgründen und der Furcht vor Verfolgung“99, so dass auch Flüchtlinge, die beispielsweise aus

„ökonomischen und ökologischen, sozialen und kulturellen, aber auch religiös-weltanschaulichen“100 Fluchtgründen Asyl suchen, sowie sogenannte ´Binnen-flüchtlinge`, nach der GFK berücksichtigt werden. Der UNHCR betont, dass ´Bin-nenflüchtlinge`, bei denen die Flucht und Vertreibung vielfach in „Bürgerkriegen und innerstaatlichen Unruhen“101 begründet liegt und die nicht unter die GFK fal-len, „dringend Unterstützung benötigen“.102 Die Organisation weist auch darauf hin, dass in der globalen Betrachtung auch die als befriedet geltenden Gebiete

93 vgl. Schoop, 1994, S. 4

94 Fadlalla, 1991, S. 15

95 ebd.

96 ebd.

97 Fadlalla, 1991, S. 16

98 vgl. Fadlalla, 1991, S. 15-16

99 Brinkmeier, 2006

100 Bade, 2002b, S. 21, 25

101 UNHCR, 2006c

102 UNHCR, 2006d

nicht vergessen werden dürfen. „Wiederaufbau, [...] politische Transformation und nachhaltige Entwicklungshilfe“103 müssen dabei im Vordergrund stehen.104

In der politischen und gesellschaftlichen Diskussion finden sich unterschiedliche Ausgestaltungen des Flüchtlingsbegriffes (Wirtschafts-, Armuts-, Umweltflüchtlin-ge), denen häufig eine differenzierte Definition unter Beachtung der vielfältigen Fluchtursachen fehlt. In den 1980er Jahren wurde beispielsweise für „die überwie-gende Zahl der Asylbewerber“ der negativ besetzte und stigmatisierende Begriff der ´Wirtschaftsflüchtlinge` benutzt, der jedoch auch heute oft noch in der Termi-nologie für einen Großteil der Flüchtlinge verwendet wird.105

Die im juristischen und institutionellen Sprachgebrauch verwendeten Bezeichnun-gen einzelner Flüchtlingsgruppen dienen zur Differenzierung u.a. nach Aufent-haltsstatus, Leistungsbezug und Fluchtgrund der einzelnen Menschen. Demnach gelten nur die Menschen als Flüchtlinge, die ein Bleiberecht durch die Anerken-nung als Asylbewerber, Kontingent- oder Konventionsflüchtling bekommen. Bür-gerkriegsflüchtlinge sowie abgelehnte oder geduldete Asylsuchende dagegen wer-den nach Aussage Angenendts nicht als Flüchtlinge bezeichnet.106

Die Verwendung des Flüchtlingsbegriffes in den folgenden Ausführungen schließt folgende Flüchtlingsgruppen mit ein:

De-facto-Flüchtlinge:

Als De-facto-Flüchtlinge gelten Menschen, die entweder keinen Asylantrag gestellt haben oder dieser abgelehnt wurde. Eine Abschiebung ist z.B. aus humanitären Gründen nicht möglich, so dass sie eine Duldung erhalten. Dies betrifft zum Bei-spiel Bürgerkriegsflüchtlinge.107

Konventionsflüchtlinge:

GFK- oder Konventionsflüchtlinge nach § 60 Abs. 1, AufenthG sind anerkannte Flüchtlinge auf Grundlage der GFK, jedoch ist auch eine Anerkennung nach § 60

103 UNHCR, 2006c

104 vgl. Brinkmeier, 2006; Lienkamp, 2006, Schoop, 1994, S. 4-5; UNHCR, 2006c; 2006d

105 Fadlalla, 1991, S. 22-23

106 vgl. Angenendt, 2000, S. 22-23

107 vgl. BMI, 2007a; Collatz, 1999, S. 40; Fadlalla, 1991, S. 17: Germershausen, Narr, S. 30

Abs. 3, 4 AufenthG [„geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgung“108] möglich.109

Geduldete Flüchtlinge:

Die Asylanträge dieser Flüchtlinge wurden abgelehnt und können aufgrund von in-lands- wie zielstaatsbezogenen Abschiebehindernissen nicht abgeschoben werden.

Zum Beispiel durch Aussetzung der Abschiebung oder ein bestehendes Abschie-bungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5, 7 AufenthG (siehe unten).

Hierunter fallen auch sogenannte ´Altfälle`. ´Altfälle` sind Flüchtlinge, die ohne gesicherten Aufenthaltsstatus meist seit vielen Jahren in Deutschland geduldet werden.

- § 60 Abs. 2 AufenthG: „konkrete Gefahr der Folter“110

- § 60 Abs. 3 AufenthG: „Gefahr der Todesstrafe“111

- § 60 Abs. 5 AufenthG: „Verletzung von Menschenrechten nach EMRK“

(ebd.)

- § 60 Abs. 7 AufenthG: „konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit“.112 Illegalisierte:

´Sans Papiers`, ´Papierlose` sind Flüchtlinge, die aufgrund eines fehlenden recht-lichen Aufenthaltsstatutes, illegalisiert werden

Asylsuchende:

Als Asylsuchende werden Flüchtlinge bezeichnet, deren Asylverfahren um die An-erkennung nach § 16a Grundgesetz noch nicht abgeschlossen ist.113

108 Tobiassen, 2006, S. 29

109 vgl. BMI, 2007a; Tobiassen, 2006

110 Tobiassen, 2006, S. 31

111 ebd.

112 Tobiassen, 2006, S. 31; vgl. BMI, 2007a; Tobiassen, 2006

113 vgl. BMI, 2007a

Anerkannte Flüchtlinge:

Anerkannte Flüchtlinge oder „Asylberechtigte“114 besitzen eine Anerkennung nach Artikel 16a Grundgesetz. Als „asylberechtigt“115 gelten Menschen, deren Asylgründe im Antrag auf Asyl nach Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flücht-linge (BAMF) anerkannt wurden.116 .

Subsidiär geschützte Flüchtlinge:

Für diese Flüchtlinge besteht nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein Abschiebeschutz aufgrund einer drohenden Gefahr von Folter oder Todesstrafe im Herkunftsland nach § 24 AufenthG.117

Eine Ausnahme gilt für die große Gruppe der jüdischen ´Kontingentflüchtlinge`, auf die in der vorliegenden Arbeit größtenteils nicht eingegangen werden kann. Bei den ´Kontingentflüchtlingen`, die aus Gründen der humanitären Hilfe bis in die 1980er Jahre nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz anerkannt und aufgenommen wurden, handelte es sich häufig um sogenannte ´Boat-People`118 aus Vietnam, Kambodscha, Laos, sowie irakische KurdInnen, für die das Gesetz über Maßnah-men im RahMaßnah-men humanitärer Hilfsaktionen aufgenomMaßnah-mener Flüchtlinge (Hum-HAG) verabschiedet wurde. Anfang der 1990er Jahre wurden albanische Bot-schaftsflüchtlinge als ´Kontingentflüchtlinge` aufgenommen. Nach einem Be-schluss der Innenministerkonferenz (IMK) von 1991 wurde das ehemalige DDR-Recht in gesamtdeutsches DDR-Recht umgewandelt. Demnach wurde es Menschen jüdi-scher Religionszugehörigkeit ermöglicht, über ein „erleichtertes Einreiseverfahren“

in die BRD einzureisen. Seit dem 1. Januar 2005 ist das HumHAG außer Kraft ge-setzt und durch § 23 Abs. 2 AufenthG erge-setzt worden. Die Flüchtlinge behalten so-mit ihren Flüchtlingsstatus nach der GFK.119

114 BMI, 2007a

115 BMI, 2006

116 vgl. BMI, 2006a; 2007a

117 vgl. BMI, 2007a; Tobiassen, 2006, S. 28

118 Der Begriff kommt aus dem amerikanischen Sprachgebrauch und bezeichnet indochinese boat people. Er wird benutzt für Bootsflüchtlinge, die als Folge des Vietnamkrieges das Land und seine Nachbarländer verließen (vgl. Wikipedia, 2006b)

119 vgl. Benz, 2006a, S. 96-97; BMI, 2006b; Kohlmeier, Schimany, 2005, S. 21; Tobiassen, 2006, S.

26; Widmann, 2006, S. 109; Wikipedia, 2006b

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