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Die Bleiberechtsregelung

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2.5 Die gesetzlichen Rahmenbedingungen

2.5.2 Die deutsche Gesetzgebung

2.5.2.2 Die Bleiberechtsregelung

Am 17. November 2006 einigten sich die Innenminister der Länder über eine Blei-berechtsregelung für langjährig in Deutschland geduldete Flüchtlinge. Die als In-nenministerkonferenz (IMK)-Beschluss bezeichnete Einigung fand nach einer kur-zen euphorischen Phase harsche Kritik.358 Nach Vorstellung des BMI sollte diese Regelung die bisherigen sogenannten ´Kettenduldungen` abschaffen. Doch tat-sächlich veränderte sich nur die Situation einiger weniger Betroffener.

Die Innenminister der Länder berieten Anfang März diesen Jahres erneut über eine Bleiberechtregelung. Diese überarbeitete Form soll demnach voraussichtlich bis Ende März 2007 im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens als Gesetzespaket verabschiedet werden.359

Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf das Aufenthalts-gesetz in Bezug auf den offiziellen Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17.

November 2006 mit einem kurzen Ausblick auf die geplanten Änderungen. Eine Berücksichtigung der länderspezifischen Auslegung des Beschlusses kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Darüber hinaus kann auch hier dem Anspruch auf Vollstän-digkeit nicht entsprochen werden.

Nach der derzeitigen Bleiberechtsregelung haben Alleinstehende, die sich mindes-tens seit acht Jahren (seit dem 17. November 1998), und Familien mit Kindern, die sich mindestens seit sechs Jahren (seit dem 17. November 2000) in Deutschland dauerhaft aufhalten, die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Aus-nahmen und unterschiedliche Handhabungen gelten z.B. für als minderjährig, un-begleitet eingereiste Flüchtlinge.

Gelten soll dieses Bleiberecht somit für langjährig Geduldete, „Asylbewerber“360, anerkannte Flüchtlinge im Widerrufsverfahren361 und Menschen mit einer Aufent-haltserlaubnis nach § 25 Abs. 4, 5 AufenthG.

358 vgl. Voigt, 2007a; Tobiassen, 2006

359 vgl. Löhr, 2007; Voigtt, 2007a

360 Bleiberechtsbüro 2007. „Um ein Bleiberecht zu erhalten, müssen Asylbewerber (Anm. nach einer verbindlichen Zusicherung durch die Ausländerbehörde) ihren Asylantrag zurückziehen (Bleibe-rechtsbüro, 2007).

361 Anerkannte Flüchtlinge im Widerrufsverfahren müssen ihre Klage gegen den Widerruf zurück-ziehen“ ebenfalls nach verbindlicher Zusicherung durch die Ausländerbehörde (vgl. Bleiberechtsbü-ro, 2007).

Nach Ansicht Hohlfelds liegt die Anzahl der Betroffenen, die „die zeitliche Voraus-setzung des IMK-Beschlusses erfüllen“, zwischen 72.303 und 106.739.362

Um von der Bleiberechtsregelung profitieren zu können, müssen die Betroffenen bestimmte Voraussetzungen wie z.B. den Nachweis über ein „dauerhaftes Beschäf-tigungsverhältnis“363 nach Punkt. 3.2.1 IMK-Bleiberechtsbeschluss, zur Sicherung des Lebensunterhaltes „ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen“364 nach Punkt. 3, 4 IMK-Bleiberechtsbeschluss, erfüllen.

Nach dem derzeitig gültigen Beschluss muss der Antrag auf Erteilung der Aufent-haltserlaubnis bis spätestens dem 17. Mai 2007 gestellt werden. Bis zum 30. Sep-tember 2007 gilt für diese Menschen eine Duldung nach § 60a Abs. 1 AufenthG.

Mit der Duldung erhalten die Betroffenen eine Arbeitserlaubnis und auf Nachfrage einen „unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt“.365 Eine Vorrangprüfung findet hier in der Regel nicht statt. Die auf das Aufenthaltsgebiet beschränkte Arbeits-platzsuche durch die bestehende Residenzpflicht kann nur auf Antrag, über eine sogenannte „Verlassungserlaubnis“366, kurzzeitig ausgesetzt werden. Eine Duldung wird dann ausgesprochen, wenn die Voraussetzungen, wie die Aufenthaltsdauer und die Abwesenheit von Ausschlussgründen erfüllt sind. Bis zu dem oben genann-ten Stichtag müssen die Betroffenen eine Arbeitsstelle vorweisen. Einen Nachweis über einen Arbeitsvertrag und Passdokumente sind jedoch für die Antragstellung nicht erforderlich.

Wird ein Arbeitsvertrag vorgelegt, erfolgt eine „Wochen dauernde, [...] arbeitsver-hindernde“367 sogenannte „Lohnprüfung“368, welche sich an die „branchenweiten Tarifverträge oder [...] an der ortsüblichen Bezahlung“369 orientiert.370

Der Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes ist erbracht, wenn das monatli-che Einkommen mindestens so hoch ist wie der nach sozialrechtlimonatli-chen Regelungen des SGB II bzw. SGB XII ermittelte Bedarf, zuzüglich der Miete, der Nebenkosten

362 vgl. Hohlfeld, 2007

363 IMK, 2006

364 ebd.

365 Bleiberechtsbüro 2007

366 Classen, 2006a

367 Flüchtlingsrat B, 2006

368 Voigt, 2007b

369 ebd.

370 vgl. Bleiberechtsbüro 2007; Classen, 2006a; Flüchtlingsrat B, 2006; IMK, 2006, S. 35-40; SZ, 2006b; Voigt, 2007b

und der Kosten einer Krankenversicherung. Menschen mit einer Aufenthaltser-laubnis haben nach § 23 Abs. 1 AufenthG einen zum 1. Januar 2006 rückwirken-den Anspruch auf Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld sowie Unterhaltsvor-schuss. Dieser seit dem 13. Dezember 2006 geltende Anspruch wird für die „Le-benshaltungskosten als eigenes Einkommen angerechnet“.371 In einigen Bundes-ländern (z.B. Niedersachsen) wird der Nachweis über „ausreichende Deutsch-kenntnisse“372 verlangt, obwohl es den meisten Betroffenen bisher verwehrt blieb, Sprachkurse zu besuchen.373

Tab. 2.5.e: Bemessungsgrenzen für einen gesicherten Lebensunterhalt

Gruppe Bemessungsgrenze

in Euro

Einzelperson

345,-Ehepaar ohne Kind

622,-Jedes Kind unter 14

Jah-ren

207,-Jedes Kind zwischen 14

und 18 Jahren

Eigene Darstellung nach: Bleiberechtsbüro, 2007

Werden alle Voraussetzungen und Bedingungen für ein Bleiberecht nach § 23 Abs.

1 AufenthG erfüllt, wird von der zuständigen Ausländerbehörde eine Aufenthalts-erlaubnis für zwei Jahre erteilt. Nach diesen zwei Jahren erfolgt eine Überprüfung der Voraussetzungen für ein Bleiberecht. Erst dann wird in der Regel eine Nieder-lassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG ausgesprochen.

Zu einem Ausschluss von der Bleiberechtsregelung kann es kommen, wenn die/der Betroffene z.B. zu mehr als 50 Tagessätzen374 (bei Residenz- und Pass-pflicht, 90 Tagessätzen) Geldstrafe oder Haft- bzw. Bewährungsstrafen verurteilt

371 Bleiberechtsbüro 2007

372 HAZ, 2006

373 vgl. Bleiberechtsbüro 2007; Classen, 2006a; 2007a; HAZ, 2006; Ibendahl, 2007

374 Anm. in diesem Fall droht eine Abschiebung (vgl. Weber 2007c).

wurde. Weitere mögliche Ausschlussgründe sind u.a. fehlende Deutschkenntnisse nach Stufe A2 („elementare Sprachbeherrschung“375) des Gemeinsamen Europäi-schen Referenzrahmens (GERR) und ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht (z.B. bei der Passbeschaffung). Wer Passpflicht nicht nachkommt oder nicht über

„ausreichenden Wohnraum“376 verfügt, ist ebenfalls von der Regelung ausgeschlos-sen.377

Die MitarbeiterInnen des Bleiberechtsbüros befürchten, dass es auch in Zukunft

´Kettenduldungen` geben wird, da diese Bleiberechtsregelung nur für einen klei-nen Teil der Betroffeklei-nen in Frage kommt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaub-nis nach § 25 AufenthG ist jedoch auch weiterhin möglich. Außerdem gibt es bun-desweit Härtefallkommissionen, die eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 23a AufenthG gewähren können. In Nordrhein-Westfalen (NRW) sind die Ausländerbehörden nach Angaben von Pro Asyl in über 80 Prozent der

„Ersuchsentscheidungen“378 der Kommission gefolgt.379

Reimar vertritt den Standpunkt, dass es dem Sozialstaatsprinzip widerspricht, den Flüchtlingen kein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren, da sie auf Sozialleistungen angewiesen sind und ihren Lebensunterhalt in der Regel nicht eigenständig be-streiten können. Außerdem ist „die Erteilung eines Aufenthaltsrechts für Men-schen, die seit Jahren und Jahrzehnten in Deutschland leben und hier ihren Le-bensmittelpunkt haben“380, nach Ansicht des niedersächsischen Flüchtlingsrates,

„eine Frage des menschlichen Anstands“.381 In diesem Kontext weisen Bündnis 90/Die Grünen deutlich auf die besondere Situation von „Kranken, Behinderten, Alten und alleinstehenden Frauen und Müttern“382 hin, die eine Abschiebung „be-sonders hart treffen würde“.383

Die Einigung der Regierungskoalition über die zweite Bleiberechtsregelung zu ei-nem Gesetzesentwurf erfolgte am 12. März 2007.

375 Hochschule Darmstadt, 2007

376 Bleiberechtsbüro 2007

377 vgl. Bleiberechtsbüro 2007; Hochschule Darmstadt, 2007; HAZ, 2006; SZ, 2006a

378 Pro Asyl, 2007c

379 vgl. Bleiberechtsbüro 2007; Pro Asyl, 2007c

380 Flüchtlingsrat Nds., 2006

381 ebd.

382 Reimar, 2006

383 Reimar, 2006; vgl. Flüchtlingsrat Nds., 2006; Reimar, 2006

Nach Einschätzungen des Niedersächsischen Flüchtlingsrates haben sich dadurch einige Änderungen zu der oben beschrieben Bleiberechtsregelung ergeben.

Somit wird bei einem Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für diese Menschen eine Duldung bis zum 31. Dezember 2009 ausgesprochen. Bei einem entsprechenden Nachweis über die Lebensunterhaltssicherung aus eigener Er-werbstätigkeit, kann diese Aufenthaltserlaubnis um zwei Jahre verlängert werden.

Außerdem kann minderjährigen Kindern, deren Eltern abgeschoben werden, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt werden.

Der neu eingefügte § 104a AufenthG betrifft die Menschen, die unter die ´Altfallre-gelung` fallen. Sie erhalten nach Abs. 5 eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe"384, und können bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf Eltern-geld nach dem ElternEltern-geldgesetz geltend machen.

Die derzeit gültige „3-Jahres-Frist“385 des Leistungsbezuges von Flüchtlingen, soll nach dem erarbeiteten Gesetzesentwurf auf vier Jahre ausgeweitet werden. Für Menschen, die unter diese Regelung fallen, bedeutet das ein um ein Jahr längeren Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG. Darüber hinaus soll es den Ländern über eine Länderöffnungsklausel freigestellt werden, den Betroffenen, die am 1.

März 2007 Sachleistungen erhalten haben, auch in Zukunft ausschließlich diese Sachleistungen zu gewähren.

Nach geltendem EU-Recht sollen Flüchtlinge einen Abschiebeschutz erhalten, die vor „willkürlicher Gewalt“386 geflohen sind. Doch nach dem vorliegenden Gesetz-entwurf ist kein genereller Schutzanspruch nach EU-Vorgaben vorgesehen, son-dern diese Flüchtlinge „sind auf Abschiebungsstopps der Bundesländer angewie-sen“.387 Nach Aussage von Pro Asyl droht „tausenden Betroffenen [...] damit die Abschiebung in Kriegs- und Krisengebiete“.388 Derzeit finden beispielsweise Wi-derrufsverfahren für geduldete Flüchtlinge aus dem Irak statt.389

384 Viusa, 2007

385 Reimann, 2007

386 Pro Asyl, 2007b

387 ebd.

388 ebd.

389 vgl. Bundesverwaltungsgericht, 2007; DLF, 2007b; Pro Asyl, 2007b; Reimann, 2007; Viusa, 2007; Weber, 2007a; 2007b

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