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Netzwerkkontraktion in hochmolekularen Lösungen

6.6 Deutung und Einordnung in die Literatur

Ein vollständiges Gesamtbild aus der Vielzahl der einzelnen Erkenntnisse zu bilden ist aufgrund der Anzahl an variablen Parametern (Konzentration, Kettenlänge, Art der Heizsequenz, Reservoirtemperatur, Laserleistung) schwierig. Grundsätzlich stimmen die Beobachtungen darin überein, dass sich stets eine räumliche Variation des beobachteten Verhaltens ergibt, die durch den Temperaturgradienten und die lokale absolute Temperatur verursacht wird. Abhängig von der Zusammensetzung der jeweiligen Probe unterscheiden sich diese Verhaltenstypen aber klar. Für kurze Ketten und geringe Konzentration ist im Zweiphasengebiet Konvektion in Richtung der Heizquelle sichtbar, während im einphasigen Gebiet freie Diffusion der Markerteilchen zu beobachten ist. Mit erhöhter Polymerkonzentration verschwindet die Konvektion innerhalb des Zweiphasengebietes,

Abbildung 6.22:Modell eines verschlauften PNIPAM-Netzwerkes im Temperaturgradi-enten. Im Bereich oberhalb der Phasenübergangstemperatur kontrahiert das Netzwerk als Ganzes. Außerhalb dieses Gebietes wird es durch thermophoretische Verschiebung in Richtung der kühleren Gleichgewichtstemperatur verschoben. Im Bereich der Phasengren-ze bleibt das genaue Verhalten unklar, eine lokale Verringerung der Netzwerkdichte ist naheliegend. Offen bleibt, ob dort mit zunehmender Zeit eine Entschlaufung des Netzwerkes zu erwarten ist, die den äußeren und inneren Bereich voneinander entkoppelt.

wird dann aber im einphasigen Gebiet sichtbar. In dieser Systemkonfiguration wird deutlich, dass das beobachtete Verhalten klar von den Randbedingungen und der Vorgeschichte der Probe abhängt. Quasistationäres Heizen durch langsame Erhöhung der Laserleistung, sprunghafte einmalige Erhöhung der Leistung, sprunghafte mehrmalige Erhöhung der Leistung und das periodische Schalten zwischen hoher und niedriger Leistung führen jeweils zu abweichenden dominierenden Effekten.

Bestimmend bleibt der Eindruck, dass sich innerhalb des Zweiphasengebiets eine Kontraktion zeigt, die sich so verhält, wie es in einem Volumenphasenübergang in einem Gel oder Mikrogel zu erwarten ist. Hier dominiert das Verhalten des transienten Netzwerkes und nicht das der Einzelketten. Dies äußert sich im Temperaturgradienten in Form eines Soret-ähnlichen Effekts, bei dem sich eine Einzelkette trotz ihres eigentlich positiven Soret-Koeffizienten in Richtung der Heizquelle bewegt, weil sie nicht unabhängig von denjenigen Ketten ist, mit denen sie gemeinsamen Verschlaufungen vorweist. An der Phasengrenze entsteht eine Soret-Barriere, an der die Polymerkonzentration aufgrund des weiter außerhalb dominierenden Soret-Effektes verarmt. Dieses, in Abbildung 6.22 skizzierte Verhalten, wird durch die verschiedenen Messungen mit langkettigen und hochverschlauften Polymerlösungen bestätigt.

Dabei fällt auf, dass der Effekt der Netzwerkkontraktion zeitlich verzögert auftritt, und für alle Abstände zunächst eine Abstoßung von Kolloiden (und somit eine thermophoretische Verschiebung des Polymernetzwerks) beobachtbar ist. Diese Verzögerung vergrößert sich mit zunehmendem Abstand. Durch Hochgeschwindigkeitsaufnahmen in niedermolekularen

Lösungen wird außerdem klar, dass genau dieser Effekt auch dort beobachtbar ist, die Zeitskalen aber um Größenordnungen hin zu kürzeren Zeiten verschoben sind.

Schwierig gestaltet sich der direkte Vergleich mit ähnlichen Arbeiten in der Literatur, da diese nur einen eingeschränkten Überlapp aufweisen. In einem ähnlich konzipierten Experi-ment mit geheizten Goldteilchen wird eine irreversible Anlagerung von phasenentmischten PNIPAM Ketten an der Oberfläche der Kolloide beobachtet[150]. Ein Hinweis auf einen solchen Effekt fand sich im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht. Ähnlich verhält es sich mit den Beobachtungen von Enders et al.[151], die eine Anreicherung von Polyethylenglykol und Natriumdodecylsulfat an der Oberfläche eines geheizten Goldteilchens messen. In beiden Fällen befinden sich die geheizten Kolloide jedoch (wie in Referenz [152]) an der oberen Grenze der Küvette und ein Transport dieser Moleküle durch thermische Konvektion erscheint wahrscheinlich.

Sehr nahe an den Untersuchungen dieser Arbeit liegen die Messungen von Hofkens et al.[153]. Dort wurde ein fokussierter Infrarotlaser benutzt, um ein lokales Heizen niedrig konzentrierter (3.6 % und weniger) PNIPAM-Lösungen mit vergleichbarem Moleku-largewicht (Mw = 63 kg/mol) zu ermöglichen. Obwohl sich die grundsätzliche Gestalt des Zweiphasengebiets in ähnlicher Art wie in den hier dargestellten Messungen ergibt, ist eine Vergleichbarkeit aufgrund der deutlich geringeren erreichbaren Temperaturen und Gradienten nur bedingt möglich. Zudem ist die Abweichung von einem idealen radialen Temperaturfeld bei Verwendung eines Infrarotlasers aufgrund der kontinuierlichen Ab-sorption entlang des optischen Wegs deutlich größer. Die Auswertung der gemessenen Aggregatradien zeigt ebenfalls Abweichungen zu den Beobachtungen dieser Arbeit. Bei Erhöhung der Laserleistung erreicht dieser Radius dabei für bestimmte Grenzwerte einen Plateauwert, der mit zunehmender Konzentration anwächst. Bezüglich des zeitabhängigen Wachstums einer geheizten Probe ergibt sich auch dort ein kontinuierliches Wachstum selbst für lange Zeiten, das allerdings deutlich stärkere Gedächtniseffekte zeigt.

Nahezu identische Experimente wurden von Ishikawa et al.[154] durchgeführt. Dabei zeigt vor allem die Kurve des zeitabhängigen Wachstums starke Ähnlichkeit mit denjenigen, die hier vorgestellt werden. Zudem werden Experimente in deuteriertem Wasser vorgestellt, die darauf hinweisen, dass auch durch den Strahlungsdruck des Lasers allein eine Ansammlung und Aggregation des Polymers erzeugt werden kann. Beide Gruppen können aus ihren Messdaten aufgrund der Nichtverwendung von Markerteilchen auf weniger experimentelle Information zurückgreifen, als es in den Messungen dieser Arbeit möglich war. Effekte, die durch Temperaturgradienten beeinflusst sind, sind in den deutlich geringeren Amplituden einer räumlich ausgedehnten Heizquelle schlichtweg nicht sichtbar.

Ebenfalls mit Hilfe eines Infrarotlasers beobachteten DeRosa et al.[155] den lokalen Phasenübergang. Die in deren Publikation beinhalteten Experimente zeichnen sich dadurch aus, dass der Laserstrahl innerhalb des Probenvolumens aus einer Faser ausgekoppelt wird. Die Laserpropagation ergibt sich in diesem Fall nicht parallel, sondern senkrecht zur Beobachtungsrichtung. Somit kann die Entmischungsdynamik entlang des Laserstrahls untersucht werden. Dabei zeigen sich Konvektionsströme, die ähnlich wie in den hier aufgeführten Beobachtungen aufgrund von phasenseparierten Tröpfchen sichtbar werden.

Eine Wiederholung des Experimentes mit vernetzten Gelen führte zur einer Beobachtung eines Phasenübergangs ohne sichtliche Bewegung oder Tröpfchenbildung. Zudem änderte

sich die Morphologie des entmischten Bereiches. Als Ursache dafür wird eine verringerte molekulare Beweglichkeit aufgrund der Vernetzung angeführt.

Untersuchungen an Mikrogelen erfuhren relativ kürzlich einen neuen Impuls, als Bischofberger et al.[156] entdeckten, dass auch oberhalb der Phasenübergangstemperatur eine systematische Schrumpfung der Ansammlungen von PNIPAM-Molekülen und somit der daraus gebildeten transienten Netzwerke beobachtbar ist. Die Untersuchungen beschränken sich dabei zwar auf Mikrogele, decken sich aber mit den hier mikroskopisch beobachten Schrumpfungen bei Wachstumsschalen und der Teilchenbewegung innerhalb der räumlich begrenzten Aggregate.

Der in den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen beobachtete Effekt der sichtbaren Kon-traktion des Netzwerkes bewegt sich auf einer ähnlichen Zeitskala, wie ein von Lu et al.[147] beobachteter Effekt, den diese auf eine Netzwerkentschlaufung der entmischenden Polymerlösung zurückführen (≈1.5 ms). Für die eigentliche Anlagerung der Monomere-inheiten sehen sie eine kürzere Zeitskala von 0.2 ms. Die in der Publikation verwendeten Proben zeigen jedoch nahezu keine Abhängigkeit dieser Zeiten von Molekulargewicht und Konzentration. Somit liegt nahe, dass aufgrund der im Rahmen dieser Abhand-lung beobachteten extremen Verlangsamung des Netzwerkeffektes mit Annäherung der Umgebungstemperatur an den Phasenübergang, bei langkettigen Polymeren hier eine abweichende Ursache zugrunde liegt.

evaporationsinduzierten Strömungen