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Determinanten innerhalb des Überzeugungssystems

2 Das Konzept väterlichen Sorgehandelns in

5.3 Determinanten innerhalb des Überzeugungssystems

Neben der sozialen und physischen Umwelt und ihren Ressourcen sowie Restriktionen wird das väterliche Sorgehandeln ferner durch das akteursimmanente Überzeugungs-system bestimmt (u.a. Feldhaus/Huinink 2005: 199f.; Matzner 2004: 25). Dazu zählt die

81 Diese Funktion ist in den meisten Scheidungsgesetzgebungen sogar institutionalisiert. So muss in vielen Ländern - auch in denen, die ein gemeinsames Sorgerecht in der Ehe und nach der elterlichen Trennung als Norm praktizieren - das gemeinsame Sorgerecht v.a. von den nicht verheirateten Eltern gemeinsam, also konsensuell, beantragt werden. Im deutschen und im britischen Fall können nicht verheiratete Väter nur mit dem Einverständnis der Mutter das gemeinsame Sorgerecht erhalten. Zum Teil gilt dies auch für die Um-gangsrechte, so in Deutschland (Ostner 2007: 235).

Persönlichkeit des Akteurs bestimmt durch Einstellungen, Wertorientierungen und Emo-tionen.

Tab. 5.14: Hypothesen zur ökonomischen Situation der Mutter.

ÖkSitMu_1 Die wahrgenommene ökonomische Situation der Mutter hat keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines hohen sozio-emotionalen Engagements des Vaters.

ÖkSitMu_2 Mit zunehmend als schlecht wahrgenommener ökonomischer Situation der Mutter sinkt die Wahrscheinlichkeit von Unterhaltsproblemen.

Ein wichtiger Aspekt des inneren Überzeugungssystems ist die Einsicht des Vaters, dass er seiner getrennt lebenden Familie finanziell – aber auch sozio-emotional - verpflichtet ist. Diese Einsicht ist eher gegeben, wenn sich die Mutter in einer prekären ökonomischen Situation befindet, d.h. auf die Unterhaltszahlungen angewiesen ist. Dabei ist es weniger von Bedeutung, ob die Mutter tatsächlich finanziell schlecht gestellt ist. Wichtig ist viel-mehr, wie der Vater ihre monetäre Situation wahrnimmt. Es kann jedoch nicht ange-nommen werden, dass ein Vater eher zahlt, weil die Mutter sich in einer finanziellen Not-lage befindet, denn diese kann gerade durch ausbleibende Unterhaltszahlungen ausgelöst worden sein. Der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist nicht eindeutig zu bestimmen. Es kann jedoch der umgekehrte Zusammenhang theoretisch fundiert werden: Ein Vater, der annimmt, dass seine Ex-Partnerin monetär gut gestellt ist, hat eine geringere Einsicht in seine finanzielle Verpflichtung als ein Vater, der davon ausgeht, dass die Mutter seine Unterstützung benötigt. Dies impliziert die Annahme, dass je schlechter der Vater die ökonomische Situation der Mutter wahrnimmt, desto eher kommt er seinen Zahlungsver-pflichtungen nach. Auf das väterliche Sorgehandeln in Form von Care dürfte die wahrge-nommene ökonomische Situation der Mutter keinen Einfluss haben.

Tab. 5.15: Hypothesen zur Dauer seit der Trennung.

DurSep_1 Mit zunehmender zeitlicher Distanz zur elterlichen Trennung sinkt die Wahrscheinlichkeit eines hohen sozio-emotionalen Engagements des Vaters.

DurSep_2 Mit zunehmender zeitlicher Distanz zur elterlichen Trennung steigt die Wahrscheinlichkeit von Unterhaltsproblemen.

Mit der wahrgenommen Fairness kann auch im Fall der Dauer seit der Trennung argu-mentiert werden, was ihre Einordnung im Rahmen des individuellen Überzeugungs-systems rechtfertigt. Es gilt: Je länger die Trennung zurückliegt, desto eher treten Zahlungs- und Kontaktabbrüche auf. Mit der Zeit kann das finanzielle Verantwortungs-gefühl des Vaters insbesondere für seine frühere Partnerin aber auch für gemeinsame Kin-der abnehmen. Die Zeitkomponente führt ferner zu einer emotionalen Distanzierung und psychischen Ablösung, die durch die räumliche Trennung begünstigt wird (Amato 1998:

256). Auch andere Studien belegen, dass die Gefahr des Kontaktabbruchs mit der zeit-lichen Distanz zur Trennung steigt (Amendt 2003: 78, Bray/Berger 1993: 162).

Es wurde bereits bei den formulierten Hypothesen zur Anzahl der getrennt lebenden un-terhaltsberechtigten Kinder mit dem väterlichen Commitment des Vaters gegenüber der Kindsmutter argumentiert. In eine ähnliche Richtung zielen die Annahmen mit Blick auf die Anzahl der gescheiterten Beziehungen, aus denen Kinder hervorgegangen sind. Diese Zahl der Elternschaften liefert erste Hinweise darauf, wie stark sich der Vater in der Ver-gangenheit an Partnerinnen gebunden hat. Eine hohe Anzahl an Elternschaften außerhalb seines Haushaltes kann als Indiz für einen unbeständigen Lebenswandel interpretiert wer-den. Ein geringes Verantwortungsgefühl und eine niedrige Verbindlichkeit der Part-nerschaften dürfte sich negativ auf die Wahrscheinlichkeit eines intensiven väterlichen Sorgehandelns sowohl in Form von Care als auch von Cash auswirken. Hier gelten dem-nach ähnliche Argumente in umgekehrter Richtung, wie bei der Formalisierung der elter-lichen Beziehung vor der Trennung. Mit Blick auf die finanziellen Unterstützungs-leistungen kann angenommen werden, dass je mehr getrennt lebende Elternschaften für den Vater bestehen, desto eher wird er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach-kommen, weil diese eher höhere Kosten verursachen als Unterhaltsforderungen aus nur einer gescheiterten Beziehung.

Tab. 5.16: Hypothesen zur Anzahl der Beziehungen mit externen Kindern.

AnzBez_1 Mit steigender Zahl gescheiterter Beziehungen, aus denen Kinder hervorgegangen sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines hohen sozio-emotionalen Engagements des Vaters.

AnzBez _2

Mit steigender Zahl gescheiterter Beziehungen, aus denen Kinder hervorgegangen sind, nimmt die Wahrscheinlichkeit von Unterhaltsproblemen zu.

Basierend auf den dargestellten theoretischen Überlegungen können für insgesamt 17 Determinanten Hypothesen formuliert werden, die angeben, wie der jeweilige Prädiktor auf die Care- bzw. Cash-Komponente väterlichen Sorgehandelns wirkt. Unten stehende Tabelle 5.17 stellt die angenommenen Zusammenhänge im Überblick dar.

Tab.: 5.17: Übersicht der theoretisch generierten Determinanten väterlichen Sorge-handelns und ihrer Wirkungsrichtung getrennt nach Cash und Care.

THESE DETERMINANTEN DER PHYSISCHEN UMWELT Z

Dist_1 Distanz zwischen den Wohnorten steigt > Care sinkt eher

-Dist_2 Distanz zwischen den Wohnorten - ohne Einfluss auf Cash-Probleme 0

Ek_1 Einkommen steigt > Care steigt eher +

Ek_2 Einkommen steigt > Cash-Probleme unwahrscheinlicher

-ArbZ_1 Arbeitszeit steigt > Care sinkt eher

-ArbZ_2 Arbeitszeit steigt > Cash-Probleme unwahrscheinlicher

-Ausb_1 Bildungsniveau steigt > Care steigt eher +

Ausb_2 Bildungsniveau steigt > Cash-Probleme unwahrscheinlicher

-THESE DETERMINANTEN DER MIKRO-SOZIALEN UMWELT Z

KiHH_1 Kinder im väterlichen Haushalt > Care sinkt eher

-KiHH_2 Kinder im väterlichen Haushalt > Cash-Probleme wahrscheinlicher +

ExtKi_1 Externe Kinderzahl steigt > Care sinkt eher

-ExtKi_2 Externe Kinderzahl steigt > Cash-Probleme wahrscheinlicher +

BezVa_1 Beziehung des Vaters formalisierter > Care sinkt eher

-BezVa_2 Beziehung des Vaters formalisierter > Cash-Probleme wahrscheinlicher +

BezMu_1 Beziehung der Mutter formalisierter > Care sinkt eher

-BezMu_2 Beziehung der Mutter formalisierter > Cash-Probleme wahrscheinlicher +

FamKon_1 ehemalige Beziehung formalisierter > Care steigt eher +

FamKon_2 ehemalige Beziehung formalisierter > Cash-Probleme unwahrscheinlicher

-DurBez_1 Längere elterliche Beziehung früher > Care steigt eher +

DurBez_2 Längere elterliche Beziehung früher > Cash-Probleme unwahrscheinlicher

-FestUH_1 Friedlichere Unterhaltsfestlegung > Care steigt eher

-FestUH_2 Friedlichere Unterhaltsfestlegung > Cash-Probleme unwahrscheinlicher +

FestSR_1 Friedlichere Sorgerechtssfestlegung > Care steigt eher

-FestSR_2 Friedlichere Sorgerechtsfestlegung – ohne Einfluss auf Cash-Probleme 0

Sorge_1 Gemeinsames Sorgerecht > Care steigt eher +

Sorge_2 Gemeinsames Sorgerecht - ohne Einfluss auf Cash-Probleme 0

Freund_1 Freundschaft der Eltern heute > Care steigt eher +

Freund_2 Freundschaft der Eltern heute - ohne Einfluss auf Cash-Probleme 0

THESE DETERMINANTEN DER INDIVIDUELLEN ÜBERZEUGUNG Z

ÖkSitMu_1 Ökonomische Lage der Mutter - ohne Einfluss auf Care 0

ÖkSitMu_2 Schlechtere ökon. Lage der Mutter > Cash-Probleme unwahrscheinlicher

-DurSep_1 Längere Dauer seit der Trennung > Care sinkt eher

-DurSep_2 Längere Dauer seit der Trennung > Cash-Probleme wahrscheinlicher +

AnzBez_1 Anzahl Beziehungen mit Kindern steigt > Care sinkt eher

-AnzBez _2 Anzahl Beziehungen mit Kindern steigt > Cash-Probleme wahrscheinlicher +

Z = Richtung des erwarteten Zusammenhangs

+ = positiver Zusammenhang; - = negativer Zusammenhang; 0 = kein Zusammenhang Quelle: eigene Darstellung.

Es wird deutlich, dass Cash und Care durch einzelne Determinante in gleicher Weise, d.h.

mit der gleichen Wirkungsrichtung, bestimmt werden.82 Zum Teil werden jedoch auch gegenläufige Zusammenhänge erwartet. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungs-richtungen werden innerhalb der nachfolgenden Analyse die Care- und Cash-Komponente väterlichen Sorgehandelns zunächst getrennt voneinander erklärt. Es kann weiter davon ausgegangen werden, dass die einzelnen Determinanten auf verschiedenen Ebenen mit-einander korrespondieren und sich wechselseitig beeinflussen (Matzner 2004: 25;

Feldhaus/Huinink 2005: 199). Diesen Wechselwirkungen wird innerhalb einer multiplen Analyse Rechnung getragen. Zunächst werden jedoch die makro-sozialen Kontexte, in denen die Nachtrennungsväter eingebettet sind, beschrieben. Die drei Länder, Deutsch-land, Großbritannien und Norwegen, dienen dabei der parallelen Theorietestung.

82 Es ist dabei darauf zu achten, dass Cash nicht als generelle Zahlungspraxis des Vaters verstanden werden darf, sondern als Zahlungsprobleme konzeptionalisiert wird (siehe dazu ausführlich Kap. 10.2. Die ab-hängige Variable: Cash). Damit käme einer „steigenden Cash-Variablen“ eine andere Bedeutung zu. Hier impliziert das Ansteigen der Cash-Variable die Zunahme von Zahlungsschwierigkeiten und nicht die ver-besserte Leistung von Unterhalt z.B. in Form ihrer Höhe oder Regelmäßigkeit. Ein negativ angenommener Zusammenhang zu Cash ist damit als „gut“ zu bewerten für die Zahlungsmoral des Vaters, weil dies be-deutet, dass keine Zahlungsprobleme vorliegen.

6 Nationale Kontexte der Nachtrennungsväter

Neben dem unmittelbaren, v.a. familialen Kontext ist der Vater als Akteur in weiter rei-chende soziale Rahmenbedingungen eingebettet. Das Framing einer Situation stellt keinen Prozess der freien Reflexion, der individuellen Interpretation und stetigen Neudefinition unterschiedlicher Handlungssituationen dar, sondern ist vielmehr von sozialen Institu-tionen umgeben und geprägt (Leip 2004: 25; Esser 2001: 157). So gilt:

“Despite their essentially personal and private nature, human sexual as well as otherwise passionate behaviour, in societies like ours, will regularly occur in highly regulated, often institutionalized frameworks of social relationships which for the individual have the character of a ‘fait social’ (Durkheim 1970) urging him to behave in certain ways rather than in others” (Strohmeier 2002: 322, Hervorhebungen C.M.).

Die Handlungsbeschränkungen bzw. –möglichkeiten der mikro-sozialen und physischen Umwelt werden durch Institutionen des makro-sozialen Kontextes bestimmt (Kunz 2004:

37). Abbildung 6.1 zeigt das hier zugrunde gelegte Verständnis der sozialen Situation gra-phisch als Mehrebenen-Modell.

Abb. 6.1: Mehrebenen-Modell der sozialen Situation.

Quelle: eigene Darstellung.

Im Handlungsmodell in Anlehnung an Kühnel und Bamberg83 wird zwischen einer individuellen Akteursebene sowie dem sozialen Kontext differenziert. Letzterer kann je nach Abstraktionsgrad mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden. Das bedeutet, der väterliche Handlungskontext umfasst sowohl (wohlfahrtsstaatliche) Institutionen, z.B. in

83 Siehe dazu Kap 4.1 Das individuelle Handlungsmodell nach Kühnel/Bamberg, Abbildung 4.1.

Mikro-soziale Umwelt

Physische Umwelt

Akteur

Makro-sozialer Kontext

Form von Gesetzen oder Normen, die im Folgenden als makro-soziale Ebene verstanden werden, als auch das beschriebene soziale und physische Nahumfeld. Beide Dimensionen, so hier die Annahme, bestimmen das individuelle Handeln mit, jedoch in unterschied-lichen Wirkungsgraden. Im Zentrum des Modells steht entsprechend der bisherigen theo-retischen Ausführungen der einzelne Nachtrennungsvater als Akteur. Er ist umgeben von einer physischen und mikro-sozialen Umwelt. Beide Dimensionen sind nicht unabhängig voneinander (gekennzeichnet durch eine gestrichelte Linie) und wirken sich „direkt“ auf das individuelle Handeln aus (ausgedrückt durch zwei Pfeile). Darüber hinaus ist der Vater in einen weiteren sozialen Kontext eingebettet, der als makro-soziale Rahmenbe-dingungen bezeichnet wird und im Wesentlichen die institutionelle Dimension umfasst. Es wird deutlich, dass makro-soziale Strukturen nicht direkt auf den Akteur wirken. Sie ver-ändern den Rahmen des individuellen Handelns. Jeweils im Modell nebeneinander lie-gende Ebenen beeinflussen sich wechselseitig (dargestellt durch gestrichelte Linien). Da-bei werden in der Analyse ausschließlich die Einflüsse, die sich von außen nach innen richten, berücksichtigt. Es wird an dieser Stelle explizit darauf hingewiesen, dass hier kein deterministisches Verständnis von Institutionen zu Grunde liegt. Institutionen sind keine vom Akteur unabhängige, bereits existierende Strukturen, denen Individuen machtlos ge-genüber stehen. Auch wenn sie gerade ins alltägliche Handeln häufig als selbstverständ-lich und unveränderselbstverständ-lich – damit unhinterfragt – einfließen, so unterliegen sie doch einem fortlaufenden Prozess der (Ent-) Institutionalisierung (Bühl 1994: 302). Das bedeutet, sie werden gerade über ihre Integration im Alltagshandeln reproduziert und sozial legitimiert (Esser 2000c: 3). Für die Erklärung väterlichen Sorgehandelns ist die zweiseitige Interde-pendenz jedoch von untergeordneter Bedeutung. Am Beispiel illustriert bedeutet das, dass für den Vater in erster Linie handlungsrelevant ist, welche Ressourcen z.B. in Form von Einkommen oder Zeit ihm konkret zur Verfügung stehen, welche Erwartungen die Kindsmutter an ihn heranträgt oder auch was sie an Sorgehandeln zulässt. Zwar geben z.B. gesetzliche Rahmenbedingungen formal vor, welche Rechte und Pflichten dem Vater je nach Familienform zustehen – dies bestimmt seine Möglichkeiten seine Ansprüche ein-zufordern – entscheidender ist jedoch, ob die Mutter ihm als Handlungsressource oder – restriktion in der Umsetzung seines väterlichen Engagements dient.