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Die untersuchten Parameter und verwendeten Messinstrumente werden im Folgenden detail-liert dargestellt.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Mittels einer Case Report Form (CRF) wurden die Kinder und Jugendlichen befragt und unter-sucht. Die CRF beinhaltete unter anderem Angaben zum Schwangerschafts- und Geburtsver-lauf, Fragen zu Symptomen und Hinweise auf das Krankheitsbild der HPP, Medikamenten- und Familienanamnese, relevante Vorerkrankungen und Operationen sowie einen Muscle Grading Scale (MRC Scale) zur groben Beurteilung der Muskelkraft. Daraufhin wurden die Kinder und

Nachbetreuung

Mitteilung der Untersuchungsbefunde

Bei Verdacht auf HPP klinische Weiterbetreuung

Teilnahmekriterien Kontaktaufnahme Aufklären über Studie Einverständniserklärung

Jugendlichen pädiatrisch-internistisch untersucht. Dabei wurde vor allem auf Auffälligkeiten der Schädelform, des Zahnstatus und Skelettfehlbildungen geachtet.

MRC Scale

Eine grobe Einschätzung zur Überprüfung der Muskelkraft bietet der MRC Scale. Dabei wer-den normalerweise sechs Muskeln untersucht (M. deltoideus, M. biceps brachii, Handge-lenksextensoren, M. ileopsoas, M. quadriceps femoris, M. tibialis anterior). Die Gesamtpunkt-zahl für die MRC-Summe reicht von 0 (Gesamtlähmung) bis 60 (normale Kraft). Die Gesamt-punktzahl errechnet sich aus den erreichten Werten von sechs Muskeln (drei an den oberen und drei an den unteren Extremitäten) auf beiden Seiten, wobei jedem Muskel ein Zahlenwert von 0 bis 5 zugeordnet wird (Kleyweg et al., 1991). In der vorliegenden Studie wurde die Untersu-chung auf Prüfung des M. deltoideus und M. quadriceps femoris beschränkt.

Kraftgrade des MRC Scales:

5 normale Stärke

4 Bewegung gegen Widerstand des Prüfers möglich

3 Bewegung gegen die Schwerkraft möglich, jedoch nicht gegen den Widerstand des Prüfers 2 Bewegung möglich, jedoch nicht gegen die Schwerkraft (das Gelenk kann stattdessen in

horizontaler Ebene geprüft werden) 1 Muskelzittern, aber keine Bewegung 0 keine Kontraktion

Anthropometrie

Die Körpergröße wurde mit dem „Ulmer Stadiometer“ ermittelt. Die Kinder und Jugendlichen wurden ohne Schuhe, an der Wand stehend, vermessen. Das Körpergewicht wurde mit einer Körperwaage der Firma Seca gemessen, wobei die Kinder und Jugendlichen keine Schuhe tru-gen. Nach dreimaliger Wiederholung der Messungen wurde jeweils der Mittelwert gebildet.

Blut- und Uringewinnung

Nach der körperlichen Untersuchung wurde jedem Teilnehmer Blut abgenommen. Bei jüngeren Teilnehmern (unter 10 Jahren) oder auf Wunsch wurde eine lokalanästhetische Salbe (Emla®

Creme) auf die Ellenbeuge, wo die Blutentnahme stattfinden sollte, aufgetragen und mit einem

Transparentverband von Tegaderm™ fixiert. Die Creme wurde circa 30 Minuten vor der Blut-entnahme appliziert. Der Urin wurde entweder als Morgenurin von zu Hause mitgebracht oder im ZKJ direkt nach der Untersuchung in einen Urinbecher abgegeben. Die verwendeten Mate-rialien für die Laboranalysen wurden bereits in 3.1 aufgeführt. Nach Abschluss der Untersu-chung wurden die Blutproben für die verschiedenen Analysen an die Labore Clotten, das kli-nikinterne Stoffwechsellabor, das Zentrallabor und an das Labor von Professor Sass verschickt.

Blutentnahme

Zur Sicherung der Diagnose HPP wurden die Parameter PLP, AP, PEA und PPi bestimmt. Zur Untersuchung auf andere Erkrankungen oder Mangelzustände, die auch zu einer verminderten Aktivität der AP führen können, wurden folgende Untersuchungen durchgeführt: Blutbild, Nat-rium, Kalium, Calcium, Phosphat, Magnesium, Zink, Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, GOT, GPT, GGT, Bilirubin gesamt, TSH, Parathormon, 25-OH-25-OH-Vitamin D2/D3, Coerulo-plasmin und Zöliakie-Antikörper (Jakob et al., 2017; Whyte, 1994). Die verwendeten Reagen-zien und Geräte vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universi-tätsklinikums Freiburg stammen von der Firma Roche Diagnostics, Mannheim.

Falls die Blutproben nicht mehr am selben Tag in das zuständige Labor verschickt werden konnten, wurden die Serum-Röhrchen in einer Zentrifuge bei 4000 Umdrehungen/min für 10 min aufbereitet und in einem Kühlschrank zwischengelagert, bis sie am Folgetag an das ent-sprechende Labor weitergeleitet wurden. Das Blut zur Bestimmung von anorganischem Pyro-phosphat wurde bei -77.7°C tiefgefroren aufbewahrt und bei Erreichen einer ausreichend gro-ßen Probenanzahl im Labor Clotten in Freiburg untersucht. Ergaben sich während des Visits klinisch oder laborchemisch Hinweise auf das Vorliegen einer HPP, wurde eine genetische Di-agnostik mittels ALPL-Sequenzierung nach Sanger durchgeführt.

Urin-Untersuchung

15 ml Urin wurden auf folgende Parameter untersucht: PEA, Kreatinin, Calcium, Phosphat, anorganisches Pyrophosphat, Pyridolin- und Desoxypyridinolin-Crosslinks (Girschick et al., 2007).

Die Proben wurden größtenteils unmittelbar ins Zentrallabor der Uniklinik, bzw. ins Stoffwech-sellabor des ZKJs und ins Labor Clotten verschickt und dort analysiert. 5 ml Urin wurden eben-falls direkt bei -77,7°C tiefgefroren und bei Erreichen einer ausreichend großen Probenanzahl zur Bestimmung von anorganischem Pyrophosphat ins Labor von Prof. Sass geschickt.

Methoden zur Gewinnung der wichtigsten Laborparameter

Die Blut- und Urinproben wurden an vier verschiedene Labore versendet, um alle gewünschten laborchemischen Parameter zu erhalten. Im Folgenden sind die Methoden der wichtigsten La-borparameter (Alkalische Phosphatase, Calcium, Phosphat, PEA im Serum und Urin und PPi) aufgeführt.

Alkalische Phosphatase (AP):

Die alkalische Phosphatase wurde mittels Farbtest nach der IFCC Referenzmethode bestimmt.

Dazu wurde p-Nitrophenylphosphat in Gegenwart von Magnesium- und Zinkionen durch Phos-phatasen in Phosphat und p-Nitrophenol gespalten. Das dabei freigesetzte p-Nitrophenol ist direkt proportional der katalytischen AP-Aktivität und wurde photometrisch gemessen (schrift-liche Kommunikation mit Dr. Busse Grawitz, 2018). Die AP wurde im Labor Clotten, Freiburg mit Hilfe der Geräte der Firma Sigma Aldrich, Darmstadt, analysiert.

Pyridoxalphosphat (PLP):

Um PLP messen zu können, wurde den Teilnehmern Vollblut abgenommen und das Blut in einem EDTA-Röhrchen entweder direkt ins Labor Clotten transportiert oder tiefgekühlt. Durch den Tiefkühlvorgang wurde eine Hämolyse des Blutes erzielt. Um den PLP-Wert zu messen, wurde die HPLC (high performance liquid chromatography, Hochleistungs- oder Hochdruck-Flüssigkeitschromatografie) angewandt (Firma Chromsystems GmbH, Gräfelfing). Dies ist eine Art von Flüssigkeitschromatographie, die zur Trennung einzelner Komponenten einer Lö-sung verwendet wird. Diese Komponenten sind zwischen den mobilen flüssigen und stationären festen Phasen unterschiedlich verteilt und laufen daher unterschiedlich schnell durch die Säule.

Die HPLC verwendet schmale Säulen, die kleine, stationär phasenbeschichtete Kügelchen als Matrix enthalten. Die mobile Phase besteht in der Regel aus zwei oder mehreren Lösungsmit-teln. Adsorption, Gelfiltration, Ionenaustausch oder Verteilung können als Trennverfahren zwi-schen verschiedenen Phasen verwendet werden. Über hohen Druck wird die mobile Phase auf-getrennt. Die eluierten Substanzen können durch UV-Absorption, Refraktometer oder Fluores-zenzdetektoren nachgewiesen werden (Hemschemeier & Maelicke, 2016).

Phosphoethanolamin (PEA):

Um das PEA im Serum und Urin zu bestimmen, wurde ein Aminosäuren-Analysator eingesetzt und die Proben mittels Ionenaustauschchromatographie ausgewertet (Puffer: Firma Biochrom Ltd., Cambridge, UK; Aminosäuren-Analysator: Laborservice Firma Onken GmbH, Gründau).

Dabei wurde das Prinzip von unterschiedlich geladenen chemischen Gruppen verwendet. Nach der Denaturierung des Serums und des Urins mit 10%iger Sulfosalicylsäure wurden die freien Aminosäuren mit Hilfe eines Puffers auf eine Trennsäule aufgetragen und über einen Katio-nenaustauscher voneinander getrennt. So wurden die Aminosäuren schrittweise von der Säule losgelöst (sogenanntes „Eluieren“). Nach Ablauf der chromatographischen Trennung wurden die getrennten Aminosäuren mit einer Ninhydrin-Lösung vermischt und die entstandenen Re-aktionsprodukte in einem Photometer ausgewertet (sogenannte „Nachsäulenderivation“).

Schlussendlich erfolgte eine quantitative Auswertung durch eine Vergleichsmessung mit einem Standardgemisch bekannter Konzentrationen (Bollag, 1994; Präsentation Kordes N., Stoff-wechsellabor, Universitätsklinikum Freiburg, 2012; Regnier, 1984). Abbildung 16 zeigt bei-spielhaft eine Auswertung einer Ionenaustauschchromatographie.

Abbildung 16: Beispiel einer Auswertung der Ionenaustauschchromatographie. Analyse verschiedener Ami-nosäuren.

Aus Chunli et al., 2014.

Anorganisches Pyrophosphat im Urin (PPi):

Für die Bestimmung von PPi im Urin wurde ein Pyrophosphat Assay-Kit verwendet (schriftli-che Kommunikation mit Prof. Dr. Sass, Hochschule Bonn Rhein Sieg, 2018; Firma Sigma Ald-rich, Darmstadt). Die Pyrophosphatkonzentration einer Probe wird durch Verwendung eines fluorogenen Pyrophosphatsensors bestimmt, bei dem Pyrophosphat zur Erzeugung eines fluo-reszierenden Produkts (λex = 316 /λem = 456 nm) proportional zu dem vorhandenen Pyrophos-phat ist (Merck KGaA, 2019). Nach Auftauen und Schütteln der Proben wurden die Proben bei

4°C 3 Minuten lang bei 5000 RFC (relative Zentrifugalbeschleunigung) zentrifugiert und mit-tels HEPES-Puffer (2-(4-(2-Hydroxyethyl)-1-piperazinyl)-Ethansulfonsäure, pH 7,0) verdünnt.

Anschließend wurden sie auf 96-well plate black-Mikrotiterplatten aufgetragen und analysiert (Abbildung 17). Dabei wurde jede Probe zweimal analysiert und der Mittelwert daraus als Basis für die weitere Berechnung verwendet (Merck KGaA, 2019; schriftliche Kommunikation mit Prof. Dr. Sass, 2018).

Abbildung 17: Pyrophosphat-Testkit. Pyrophosphat-, ATP- und Phosphat-Dosisreaktionen werden in einer schwarzen Platte mit 96 Vertiefungen unter Verwendung eines Fluoreszenz-Mikroplattenlesegerätes gemessen.

Bei einer Inkubationszeit von 10 Minuten kann 1 μM (100 Pikolmol/Well) Pyrophosphat nachgewiesen werden.

PPi: Anorganisches Pyrophosphat; ATP: Adenosintriphosphat, Pi: Phosphat.

Übernommen von Merck KGaA, 2019.

Calcium

Um die Konzentration von Calcium im Serum zu ermitteln, wurde ebenfalls ein Farbtest ein-gesetzt. Die Ca2+-Ionen reagieren mit dem Chromophor (NM-BAPTA). Dies führt zu einer Farbveränderung. Der Ca-NM-BAPTA-Komplex reagiert im zweiten Schritt mit EDTA.

EDTA löst aufgrund der höheren Bindungsaffinität das Ca aus dem Komplex heraus. Die Än-derung der Absorption bei 340nm des jetzt freien NM-BAPTA ist direkt proportional der Kal-ziumkonzentration (schriftliche Kommunikation mit Dr. Busse Grawitz, 2018).

Phosphat

Um das Phosphat im Serum und im Urin zu bestimmen, wurde ein Molybdat UV-Test verwendet, nach der sogenannten Endpunkt-Methode mit Probenleerwert. Dabei bildet

anorganisches Phosphat mit Ammoniummolybdaten in schwefelsaurer Lösung einen Ammoniumphosphomolybdat-Komplex nach der Formel (NH4)3[PO4(MoO3)12]. Dieser Komplex wird im ultravioletten Bereich (340nm) photometrisch gemessen (schriftliche Kommunikation mit Dr. Busse Grawitz, 2018).

ALPL-Sequenzierung nach Sanger:

Die genetische Testung der laborchemisch und/oder klinisch auffälligen Teilnehmer wurde mit-tels ALPL-Sequenzierung nach Sanger in der pädiatrischen Genetik der Uniklinik Freiburg un-ter Leitung von PD Dr. Lausch durchgeführt. Die Sanger-Sequenzierung ist eine Methode der DNA-Sequenzierung, die zuerst von Applied Biosystems kommerzialisiert wurde, basierend auf dem selektiven Einbau von Kettenabbruch-Didesoxynukleotiden durch DNA-Polymerase während der in vitro-DNA-Replikation (Sanger & Coulson, 1975; Sanger et al., 1977). Sie wurde 1977 von Frederick Sanger und Kollegen entwickelt und war die meistgenutzte Sequen-zierungsmethode seit ungefähr 40 Jahren. In jüngerer Zeit wurde diese Methode größtenteils durch "Next-Gen"-Sequenzierungsverfahren ersetzt, insbesondere für automatisierte Genom-analysen im großen Maßstab. Die Sanger-Methode wird jedoch weiterhin für kleinere Projekte zur Validierung von Next-Gen-Ergebnissen und zum Erhalt besonders langer zusammenhän-gender DNA-Sequenzablesungen (> 500 Nukleotide) verwendet (Pettersson et al., 2009).