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Das Problem der Theodizee

Im Dokument Das sinnsuchende Individuum (Seite 175-178)

IV. Religiosität ohne Religion

1. Einleitung: Wozu noch Religionsphilosophie?

1.3 Aufgabe der Religionsphilosophie

1.3.3 Das Problem der Theodizee

Die Theodizee ist ein spezielles Problem des Christentums, das einen großen Anteil an der abendländischen Kultur und Philosophie besitzt. Es scheint auf den ersten Blick nur das Problem des Widerspruches in Gottes Eigenschaften zu sein. Wenn Gott nämlich, wie das

401 Diese Vermeidung setzt den absoluten Unterschied zwischen Gott und dem Menschen voraus.

402 Vgl. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. B659-660.

Christentum ihn schildert, sowohl gut als auch allmächtig ist, wie ist das Phänomen des Bösen zu erklären? Wie ist das Böse entstanden und in der Welt zustande gekommen? Warum kann es weiter geschehen und nicht aufhören? Die typische Fragstellung ist folgende: Wenn Gott wirklich gut wäre, wieso lässt er das Böse zu? Da das Böse eine Tatsache ist, kann die Antwort darauf zweierlei sein, nämlich: Entweder Gott sei außerstande, es zu unterbinden; in diesem Fall wäre Gott nicht allmächtig, was der landläufigen Gottesvorstellung nicht entspricht. Oder Gott ist wohl allmächtig aber habe die Absicht nicht, das Böse zu verhindern.

In diesem Fall könnte Gott nicht absolut gut sein, was das Christentum ablehnt. Die beiden Eigenschaften Gottes „Gutsein“ und „Allmächtigkeit“ stehen infolge des Bösen miteinander in Widerspruch.

Die Aporie ist um so mehr, je mehr man nach der Quelle des Bösen sucht. Denn die Eigenschaft „Güte“ Gottes steht in Widerspruch zu einer anderen Eigenschaft Gottes, nämlich

„Schöpfersein“. Diese Widersprüche ergeben sich aus der Gotteslehre des Christentums.

Denn dieser zufolge ist Gott der einzige Schöpfer allen Seienden, was in der Welt ist. Wenn man das Böse hypostasiert und als ein Seiendes ansieht, kann das dazu führen, dass auch das Böse aus Gott kommt, d.h. Gott würde die eigentliche Ursache oder der wirkliche Urheber des Bösen sein. Das Problem des Bösen kann auf diese Weise in Widerspruch zu anderen Eigenschaften Gottes, die das Christentum Gott zuschreibt, stehen. Das passt aber zum traditionellen Gottesbild nicht. Mit anderen Worten: Die faktische Existenz des Bösen ist eine große Herausforderung der überlieferten Gotteslehre. Dass der an den Gott des Christentums Glaubende sein Gottesbild rational verteidigen will, daraus ist das Problem der Theodizee entstanden. Das Problem der Theodizee spielt in der Religionsphilosophie eine wichtige Rolle, da es eng mit einer konsequenten Gottesvorstellung zusammenhängt.

Aus dem Zusammenhang der Diskussion können wir deutlich ersehen, dass das Problem der Theodizee nicht eine bloß theoretische Streiterei ist, sondern hauptsächlich wegen der Tatsache des faktischen Bösen zustande gekommen ist. Es handelt sich nicht um denkerische Theoretisierung, vielmehr geht es um den faktischen Glauben, der dem praktischen Leben zugehört. Es wäre viel einfacher, wenn man nicht an einen solchen Gott glaubte oder keine Absichte hätte, zu diesem Gott eine Beziehung zu bilden. Der Grund, warum das Problem der Theodizee in der Religionsphilosophie von Bedeutung ist, besteht darin, dass der Mensch sich nach einem vollkommenen Gottesbild sehnt und die Beziehung zu diesem Gott erhofft. Und das Gottesverhältnis beschränkt sich nicht auf die Beziehung des Einzelmenschen zu Gott.

Vielmehr wünscht man, dass sowohl die Natur als auch die Gesellschaft unter der Herrschaft dieses perfekten Gottes ständen. Das Problem der Theodizee kann sich auf die Kosmologie und Sozialphilosophie erstrecken. Eine der Aufgaben der Religionsphilosophie liegt auch darin, zu erläutern, wie die Tilgung der Ungerechtigkeit, also die Gerechtigkeit bezüglich des Gottesbildes zu verwirklichen ist.

1.4 Zwischenbilanz

Was ist die Aufgabe der Religionsphilosophie? Sie ist keineswegs eine reine Untersuchung dessen, was das Göttliche an sich ist. Der Mensch kann niemals eine Gottesperspektive oder eine Metagottesperspektive einnehmen, um „über“ Gott als solchen zu sprechen oder zu diskutieren. Die Achse der Religionsphilosophie ist meines Erachtens die Beziehung zwischen dem Menschen und Gott. Die Religionsphilosophie muss immer die — in Bezug auf dieses Gottesverhältnis — anderen Problematik erläutern. Die Fragen, ob Gott existiert und ob sein Dasein bewiesen werden kann, welche Eigenschaften Gott zukommen und ob sie in Widerspruch miteinander stehen können, entfalten sich alle immer in Bezug auf das Verhältnis des Menschen zu Gott.

Es kommt der Religionsphilosophie darauf an, die existenzielle Frage des Menschen bezüglich des übernatürlichen Absoluten zu durchleuchten. Um das Verhältnis des Menschen zu dem Metaempirischen angemessen zu bilden (bzw. verkehrtes Verhältnis zu berichtigen), muss man nach der Möglichkeit der Existenz Gottes und nach dessen Eigenschaften fragen.

Da Philosophieren eine kritische Tätigkeit der menschlichen Vernunft ist, müssen diese religiösen Erörterungen vernünftig betrieben werden. Das heißt, man muss einmal versuchen, auf rationale Weise Antworten auf die oben genannten Fragen zu untersuchen, z.B. was es für metaphysische oder sprachliche Voraussetzungen einer bestimmten Position gibt, und ob die Position logisch konsequent ist oder ihr Widersprüche unterlaufen, usw.

Zum anderen muss man die Subjektivität des Menschen hinsichtlich dieser religiösen Fragen überprüfen, nämlich die Spannweite und Grenzen der menschlichen Vernunft als die Bedingung bzw. Grenzen der Möglichkeit der religiösen Erfahrungen oder den inneren Zustand als Willen zum Glauben (bzw. Widerwillen gegen Glauben) kritisch zu prüfen. Dass unter der Religion die existenzielle Frage des Menschen zu verstehen ist, bedeutet, dass der Mensch sich in den existenziellen Situationen mit seiner Vorstellung von Nichts, von Gott

und vom Sinn des Lebens konfrontiert wird und sich danach verhalten würde. In diesen drei Aspekten wollen wir im Folgenden Heideggers Denken nachgehen, um die religiösen Implikationen herauszufinden und die Bedeutsamkeit der Religiosität in seiner Philosophie festzustellen.

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