• Keine Ergebnisse gefunden

B. Computersabotage (§ 303b StGB)

7. Computerbetrug (§ 263a StGB)

§ 263a StGB behandelt den Computerbetrug. Der Polizei-statistik zufolge tritt dieser sehr häufig auf, während die Computerspionage (sog. Hacker) trotz ihrer großen Verbreitung in der polizeilichen Ermittlungspraxis kaum eine Rolle spielt.416 Besondere Bedeutung hat der Compu-terbetrug mittels rechtswidrig erlangter Karten für Geldausgabe- bzw. Kassenautomaten erlangt. Insbesondere bei Betrug mittels solcher Karten wurde eine starke Zu-nahme der Fälle gegenüber dem Jahr 1999 registriert.417 So hat diese Art des Computerbetrugs im Jahr 2000 fast vier Fünftel der registrierten Computerkriminalität ausge-macht.418

Beim Computerbetrug werden hauptsächlich zwei Fallgrup-pen unterschieden: der sogenannte Codekartenbetrug und der Missbrauch von Geldausgabe- bzw. Geldspielautomaten.

Derzeit sind diese beiden Fallgruppen noch die wichtig-sten. Jedoch hat sich mit der Datennetzkriminalität ein anderer – im folgenden darzustellender - neuer Anwen-dungsbereich dieses Deliktes herausgebildet.419 So wurde im Bericht der Polizeistatistik ein Computerbetrug be-züglich der Zugangsberechtigung zu Kommunikationsdien-sten im Jahre 1998 erstmals erfasst.420

416. Hilgendorf, a.a.O. (Fn. 216), S. 510; zu dieser Stati-stik, Paul, NJW-CoR 1995, S. 42 ff.; aus neuerer Zeit, in:

Polizeiliche Kriminalstatistik 2000, S. 242 f.

417. Polizeiliche Kriminalstatistik 2000, S. 242.

418. Polizeiliche Kriminalstatistik 2000, S. 243.

419. Hilgendorf, a.a.O. (Fn. 246), S. 130.

420. Polizeiliche Kriminalstatistik 1998, S. 233.

III. Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich sagen, dass in Deutschland ei-ne Fülle von ganz unterschiedlichen Fallgestaltungen der Computer- und Internetkriminalität aufgetreten ist.

Rechts-praxis und Rechtswissenschaft ist es gelungen, diese Fälle mittels der Normen des Computerstrafrechts im StGB zu lösen, wobei eine stetige Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der Dogmatik zu beobachten ist.

Im folgenden soll anhand dreier bedeutender Fälle aus dem Internetstrafrecht geprüft werden, ob sich hierbei eine Flexibilisierung des Strafrechts und seiner herge-brachten rechtsstaatlichen Strukturen beobachten läßt.

Dritter Teil:

Lösungsansätze der Rechtsprechung zum Internetstrafrecht:

Eine Tendenz zur Flexibilisierung ?

Kapitel 7

Der CompuServe-Fall

I. Vorbemerkung

Im folgenden wird beleuchtet, welche Antworten bislang die deutsche Rechtsprechung auf die Herausforderungen der Internetkriminalität gegeben hat und ob sich dabei Tendenzen feststellen lassen, die als „Flexibilisierung“

strafrechtlicher Strukturen zu deuten sind. Vor allem drei Entscheidungen haben viel Aufmerksamkeit erregt:

der „CompuServe-Fall“, der „Auschwitzlüge-Fall“ und der

„Kinderpornographie-Fall“.

Das zentrale Problem des CompuServe-Falles war die Haf-tung des Providers für die VerbreiHaf-tung von Pornographie via Internet. Der Angeklagte hatte als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft gemeinschaftlich mit der Mutter-gesellschaft deutschen Kunden jugendgefährdende Darstel-lungen zugänglich gemacht, die auf dem Server der Mut-tergesellschaft in den USA lagen. Das AG München hat die Verantwortung des Angeklagten u.a. gemäß § 5 II TDG a.F.

(Teledienstegesetz, inzwischen durch das EGG geändert) für mittäterschaftliche Verbreitung von Kinderpornogra-phie nicht eingeschränkt. Hingegen hat das LG München den Angeklagten wegen § 5 III TDG a.F. freigesprochen.

Anhand dieser Rechtsprechung lässt sich erkennen, wie durch das TDG die bestehende Lücke einer Haftungsrege-lung des Providers ausgefüllt wurde, weil das AG München (Urteil vom 28.05.1998) gleich nach Inkrafttreten des Gesetzes am 13.06.1997 das Urteil gesprochen hat.

Im zweiten hier zu diskutierenden Fall, dem Auschwitzlü-ge-Fall, handelt es sich um die Verbreitung krimineller Publikationen vom Ausland via Internet. Hierbei stellt sich die Frage, ob auf diese aus dem Ausland stammenden Inhalte nach § 9 I StGB das deutsche Strafrecht Anwen-dung findet. Im Urteil vom 12.12.2000 hat sich der BGH zum ersten Mal die Frage nach dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts in den Internet-Fällen gestellt.

Vor allem hat sich der BGH mit der Frage der Anwendbar-keit des deutschen Rechts auf abstrakt-konkrete Gefähr-dungsdelikte im Bereich des Internet befasst. Dabei ist deutlich geworden, dass die Internationalität der Daten-netze weitreichende dogmatische Fragen aufwirft, deren Beantwortung in Rechtsprechung und Lehre noch sehr um-stritten ist.

Im dritten Fall, dem Kinderpornographie-Fall, ging es um das Zugänglichmachen und Verbreiten von Kinderpornogra-phie über das Internet. Es spricht einiges dafür, dass die Erzeugung und Verbreitung von Kinderpornographie durch das Internet zugenommen hat. Konsumenten dieser Form von Pornographie erleben sich nicht mehr als iso-liert, sondern stoßen im grenzenlosen „cyberspace“

leicht auf Gleichgesinnte. Dateien mit kinderpornogra-phischem Inhalt lassen sich leicht versenden, auch und gerade in verschlüsselter Form. Der BGH hat versucht, durch eine teilweise Neudefinition zentraler Begriffe des § 184 StGB den Herausforderungen durch das Internet besser gerecht zu werden. Es soll geprüft werden, ob dies auf Kosten der rechtsstaatlichen Substanz des mate-riellen Strafrechts geschah.

Alle drei Fälle haben auch in der Öffentlichkeit erheb-liches Aufsehen erregt. Viele Menschen sind der Ansicht, die Verbreitung von Pornographie und rechtsradikaler Propaganda im Internet müsse strafbar sein;

Strafrechts-politik und Strafrechtspraxis hätten dazu die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Auf der anderen Seite steht ein Strafrecht, dessen rechtsstaatliche Wurzeln bis weit in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Nullum crimen, nulla poena sine lege: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht schließt es aus, beliebigen Strafbarkeitbe-dürfnissen nachzugeben. Vielmehr muß die Strafbarkeit schon vor der Tat gesetzlich geregelt gewesen sein, und der Strafausspruch muß in einer Weise begründbar sein, die den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Strafrechts genügt. Für das vorliegende Thema folgt daraus: Obwohl das Computerstrafrecht geregelt wurde, und dadurch viele Fälle der Kriminalität im Internet unter Strafe gestellt wurden, genügt dies noch nicht, um jegliche Formen der Internetkriminalität zu erfassen. Dementsprechend ist es unvermeidlich, das die Rechtsanwender in die Versuchung geraten, Lücken im Computerstrafrecht ad hoc zu füllen, indem sie sich über traditionelle Regeln des deutschen Strafrechts hinwegsetzen oder diese so extensiv inter-pretieren, dass das gewünschte Ergebnis erzielt werden kann. Im folgenden soll überprüft werden, ob in den drei genannten Entscheidungen eine Tendenz zu einer derarti-gen Flexibilisierung des Strafrechts festgestellt werden kann.