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Eine positive Folge der intensiven Schweinehaltung für die Verbraucher sind die resultierenden niedrigen Preise für Schweinefleisch. Mit dem Wachsen der Bestandsgrößen sind aber auch etliche Risiken und Nachteile verbunden. Ein Problem stellt in der Schweinehaltung der hohe Anfall von potentiell schädigenden Gasen wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff sowie von Stäuben und hohen Gehalten an Bakterien in der Stallluft dar, die zu erheblichen Atemwegsbelastungen der Tiere und der im Stall arbeitenden Menschen führen können (ELBERS 1991;

BUSSE 1994; VON ALTROCK 1998). Als weiteres prominentes Problem von Schweinehaltungsanlagen gilt die Geruchsbelästigung der Anwohner im Umfeld durch den intensiven Schweinegeruch. So wurden bereits 1986 mit der Erstellung der VDI Richtlinien 3471 (Schwein) und 3472 (Huhn) „sichere“ Abstände zwischen Stallen und Wohnbebauung zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen beschrieben und mit dem Bundesimmissionsgesetz sowie der TA Luft Grundlagen für den Immissionsschutz geschaffen.

Zu den wichtigsten Luftverunreinigungen aus Nutztierställen mit nachteiliger Wirkung in der näheren und weiteren Umgebung gehören vor allem Geruchsstoffe (Osmogene) und Gase wie Ammoniak (NH3) und Schwefelwasserstoff (H2S), sowie Stäube und sogenannte Bioaerosole. Unter Bioaerosolen werden luftgetragene Partikel mit Mikroorganismen und deren entsprechenden Stoffwechselprodukten verstanden (NEVALAINEN et al. 1993; HIRST 1995; HARTUNG & MONTENY 2000;

HARTUNG 2001; HARTUNG 2005, NIKOLAI et al. 2006, HARTUNG et al. 2014).

Besonders den Bioaerosolen wird ein umwelt- und gesundheitsschädliches Potential zugeschrieben. Um die gesetzlichen Regelungen zur Minimierung von Luftverun-reinigungen einhalten zu können, müssen Immissionsschutzmaßnahmen getroffen werden. Hierzu gehören beispielsweise das Management in der Fütterung und Entmistung oder eine veränderte Abführung der Stallabluft (TA Luft 2002).

HINTERGRUND UND LITERATURÜBERSICHT

Im Folgenden wird ein Überblick über die in der Schweinehaltung relevanten Emissionen gegeben, wobei der Schwerpunkt auf den Bioaerosolen liegt, die den wesentlichen Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Dissertation darstellen.

2.2.1 Geruchsstoffe

Die wichtigsten Quellen für Geruchsstoffe aus Schweineställen mit Flüssigmistsystem werden in Abbildung 3 dargestellt. Die Stoffe stammen vor allem vom Futter, den Tierkörpern selbst (tierart-typischer Geruch) und der Gülle (Gemisch von Urin, Fäkalien und Futterresten). Die Geruchsstoffe bestehen überwiegend aus leicht flüchtigen organischen Substanzen wie flüchtigen Fettsäuren, Indolen, Phenolen, Schwefelverbindungen, Ammoniak und flüchtigen Aminen (LE et al. 2005).

Abb. 3: Geruchsquellen und geruchsbeeinflussende Faktoren (aus LE et al. 2005)

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Die messtechnische Erfassung von Stallgerüchen erfolgt mittels Olfaktometrie, wobei Geruchsschwellen bestimmt werden (VDI 3881). Die Geruchsstoffkonzentration (cG) wird als Geruchseinheit (GE) pro Kubikmeter Neutralluft angegeben. Eine Geruchseinheit entspricht dabei der Menge an Geruchsstoffen, die in einem Kubikmeter Neutralluft verteilt, bei 50 % der Probanden zu einem Geruchsempfinden (Erreichen der Geruchsschwelle) führt (VDI 3881).

Die Akzeptanz von Nutztieranlagen in der Nachbarschaft hängt oft von der Häufigkeit und Intensität der Geruchbelästigung ab. Daher wurden Abluftreinigungsanlagen ursprünglich vor allem zur Minderung und Eliminierung unangenehmer und belästigender Gerüche entwickelt (ZEISIG 1977; O’NEILL et al. 1991). Daten zum Rückhaltevermögen von Abluftreinigungsanlagen für Geruchsstoffe stützen sich inzwischen auf eine recht breite Basis (OLDENBURG & MANNEBECK 1987; HÜGLE

& MANNEBECK 1993; GRIMM & RATSCHOW 1993; MANNEBECK 1994;

MANNEBECK & HÜGLE 1994; SIEMERS & VAN DEN WEGHE 1997).

2.2.2 Ammoniak

Ammoniak (NH3) ist ein farbloses, stechend riechendes Reizgas und zählt ebenfalls zu den belästigenden geruchsintensiven Stoffen. Neben seinen gesundheitsschädi-genden Eigenschaften ist es ein Luftschadstoff, der Ökosysteme stark belasten kann.

Versauerung und Nährstoffeintrag in Böden sind Folgen von Ammoniakemissionen mit weitreichendem Ausmaß für Vegetation, Böden, Gewässer und technische Werkstoffe (ISERMANN 1994; DÄMMGEN & ERISMAN 2002).

Die Landwirtschaft ist in Deutschland mit 96 % der Hauptemittent von Ammoniak (UBA 2013). Es entsteht bei mikrobiellen Umsatzprozessen von Tierexkrementen und Gülle. Der Großteil fällt bei der Rinderhaltung an, aber auch die Schweine-haltung leistet mit 22 % einen bedeutsamen Beitrag an den bundesweiten Ammoniakemissionen (Abb. 4) (UBA 2013a).

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Abb. 4: Ammoniak-Emissionen der Landwirtschaft nach Nutztieren (nach UBA 2013a, Stand 2012)

Zur Verringerung der Ammoniakemissionen hat Europa 2001 die NEC-Richtlinie (National Emission Ceilings RL 2001/81/EG) verabschiedet. Bis 2010 sollten die Emissionen auf 550 kt a-1 gesenkt werden. 2003 lag sie noch bei 601 kt a-1. 2010 hat Deutschland dieses Ziel mit 548 kt a-1 knapp erreicht. Dies lag vor allem an der Reduktion des Einsatzes von stickstoffhaltigen mineralischen Düngern in den neuen Bundesländern. Für das Jahr 2011 stiegen die bundesweiten Ammoniakemissionen erneut auf 563 kt NH3 an (UBA 2013a).

Die EU hat einen Arbeitsplatz-Grenzwert für Ammoniak festgelegt (EU 2000). Bei einer Aufenthaltsdauer von 8 Stunden im Stall liegt der Grenzwert bei 14 mg NH3 m-3 Luft. Auch für die eingestallten Nutztiere wird ein Grenzwert von 14 mg NH3 m-3 Luft vorgeschrieben (TierSchNutztV 2001).

Das Rückhaltevermögen von biologischen Abluftreinigungsanlagen für Ammoniak ist in den letzten Jahren verschiedentlich beschrieben worden (UENK et al. 1993;

ZEISIG 1993; SCHIRZ 1994; SIEMERS & VAN DEN WEGHE 1997; HARTUNG et al 1997). Das Rückhaltevermögen von biologischen Abluftreinigungsanlagen wird bei deren Zertifizierung in dem DLG Signum Test (DLG 2009) überprüft.

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2.2.3 Stäube

Je nach Partikelgröße wird Staub in Grob- und Feinstaubfraktionen unterteilt (vgl.

Abbildung 5). Grobstaub deponiert i.d.R. in den oberen Luftwegen des Atemtraktes.

Feinstaub kann bis in die Lungenalveolen eindringen. Analog hat Grobstaub vor allem stallnah eine örtliche Relevanz, da er rasch am Emissionsort deponiert.

Feinstaub kann dagegen eine gewisse Zeit in der Atmosphäre verweilen und so weiter transportiert werden. Die Verweildauer in der Luft wird durch den aerodynamischen Durchmesser bzw. die Sinkgeschwindigkeit des Partikels bestimmt (DFG 2001).

Abb 5: Partikeldefinitionen und Größenbereiche (nach KRUG 2003)

Staubpartikel aus Nutztieranlagen bestehen aus organischen und anorganischen Bestandteilen, wobei in Schweineställen der organische Anteil etwa 90 % des Staubes ausmacht (LOUHELAINEN et al. 1987). Nach ihrer Herkunft setzt sich der Staub in Schweineställen hauptsächlich aus Futtermittelresten und Fäkalien-Bestandteilen sowie Hautpartikeln und Haaren zusammen (HARTUNG 1992;

AARNINK et al. 1999; SEEDORF & HARTUNG 2002).

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Die Menge des inhalierbaren Staubes in Schweineställen liegt unter den Staubkonzentrationen beim Geflügel, aber deutlich über der Gesamtstaubmenge in Rinderställen (SEEDORF und HARTUNG 2002):

→ Rinder: 0,66 mg m-3

→ Schweine: 2,08 mg m-3

→ Geflügel: 2,46 mg m-3

Das gesundheitliche Risiko von Staubemissionen hängt vor allem davon ab, wie tief die Partikel in den Atemtrakt eindringen können und wie lange sie am Wirkungsort verbleiben (MEHLHORN 1979; STELZENBACH 1997). Partikel unter 2,5 µm können bis in die Alveolaren eindringen und dort deponiert werden. Ultrafeine Partikel

< 100 nm können zudem vom Alveolargewebe in den Blutkreislauf übergehen und dadurch systemische Wirkung entfalten (SEATON et al. 1995; ZANOBETTI et al.

2000; KAPPOS et al. 2003).

2.2.4 Bioaerosole

In ihrer Zusammensetzung können Bioaerosole eine hohe Komplexität aufweisen. Im Zusammenhang mit der Tierhaltung sind Bioaerosole als ein in der Stallluft und Stallumgebung dispers verteiltes Gemisch belebter (Bakterien, Viren, Pilze, Pollen, Protozoen) und unbelebter Bestandteile (Staub) sowie einer Vielzahl von Stoffwechselprodukten (z. B. Endotoxine, Mykotoxine) aufzufassen (DE COSEMO &

GRIFFITHS 1992; SEEDORF 2006).

Für zahlreiche Bioaerosole wird eine gute Atemwegsgängigkeit angenommen, so dass im Zusammenhang mit Bioaerosolen verschiedene Gesundheitsbeein-trächtigungen diskutiert werden. Vor allem biologisch aktive Partikel mit einer Größe zwischen 0,5 µm und 100 µm besitzen ein infektiöses, allergisches, toxisches oder pharmakologisches Potential (LACEY & CROOK 1988; BRINTON et al. 1987;

RICHERSON 1990; FRANZ 1992; MALMBERG et al. 1993; CARVALHEIRO et al.

1995; HIRST 1995; ZHAOMING & LOCKEY 1996; MÜSKEN 2002; MÜSKEN 2003;

HERR et al. 2003a; BECK 2007; HEUTELBECK 2008; HARTUNG 2014). Ob es zu

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einer Reaktion auf Bioaerosole kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab wie der Aufnahme, dem Transport und der Ablagerung der Bioaerosolbestandteile im Respirationstrakt, der Zusammensetzung und Konzentration der einzelnen Komponenten des Bioaerosols sowie der Disposition des Menschen bzw. Tieres. Da Bioaerosole eine Vielzahl biotischer und abiotischer Inhaltsstoffe aufweisen, die sich in ihrem Wirkungsspektrum gegenseitig beeinflussen können, lassen sich die Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht immer auf einen Einzelfaktor zurückführen (MILLNER 1995; EDUARD & HEEDERIK 1998; HERR et al. 1998; HERR et al.

2003b; HERR et al. 2004).

Im Luftgetragenen Zustand werden etwa 80 % der Mikroorganismen überwiegend an Partikeln haftend transportiert (MÜLLER et al. 1987). Dennoch sind die für den Staub definierten Quellen und Dynamiken nur prinzipiell für die Bioaerosole gültig.

Relative Feuchte, Temperatur, Gaszusammensetzung (O2, O3, N2, NO2, SO2) und UV-Strahlung bestimmen wesentlich die Überlebensfähigkeit von Mikroorganismen im luftgetragenen Zustand und damit auch die Infektiosität eines Bioaerosols (LINSEL 2001). Die meisten Bakterien sterben im luftgetragenen Zustand innerhalb kurzer Zeit ab (WRIGHT et al. 1968; KUNDSIN 1968; WRIGHT et al. 1969; DRUETT

& MAY 1969; TANG 2009). Daher sind die Ausbreitungsentfernungen von Staubpartikeln und vermehrungsfähigen Bakterien nur sehr bedingt vergleichbar.

Allerdings konnten für einige Arten Transportdistanzen über die Luft von einigen hundert Metern bis zu über 4,7 km nachgewiesen werden (SEEDORF 2006; DEE et al. 2009). Besonders Kokken sind widerstandsfähig und in der Lage mehrere Stunden im luftgetragenen Zustand zu überdauern (MÜLLER & GRÖNING 1981).

Umweltepidemiologische Untersuchungen sind vor allem die Niedersächsische Lungenstudie (RADON 2004), das AABEL-Projekt (RADON 2004) sowie eine Studie aus den Niederlanden (HEEDERIK und IJZERMANS 2011). Aus den Studien ergeben sich Hinweise auf eine Verknüpfung zwischen einem erhöhten Erkrankungsrisiko von Anwohnern an Tierhaltungsanlagen und den Konzentrationen von Bioaerosolen. Ein ursächlicher Zusammenhang kann allerdings nicht belegt werden. Es gibt keine Dosis-Wirkungsbeziehung für Luftgetragene Mikroorganismen,

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möglichen Belastung der Stallumgebung mit Antibiotika resistenten Keimen wie Methicillin resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) gibt es keine Hinweise auf eine Gefährdung der Bevölkerung. Hinsichtlich einer Gesamtbewertung zur Risikoeinschätzung von Gesundheitsgefahren, die von Tierhaltungen ausgehen können, kommt ein Fachgespräch in großer Expertenrunde, initiiert von Agrarminister Remmers und begleitet von seinem Staatssekretär Peter Knitsch in NRW am 08.04.2014 zu der Schlussfolgerung, dass „es bisher keinen Nachweis gibt, dass Wohnen in der Umgebung von Tierhaltungsanlagen, im Vergleich zu anderen Wohnorten, in Bezug auf resistente Bakterien (LA-MRSA) ein höheres unmittelbares Gesundheitsrisiko für die Allgemeinbevölkerung birgt.“ (Fachgespräch NRW 2015).

Dennoch erscheint es aus meiner Sicht sinnvoll, auch diese Einträge im Sinne einer allgemeinen Vorsorge möglichst zu reduzieren.

Auf Grund der komplexen Zusammensetzung ist eine vollständige Charakterisierung der mikrobiellen Vielfalt und Aktivität innerhalb der einzelnen mikrobiellen Biozönose

„Bioaerosol“ schwierig, zumal sich die verschiedenen Bestandteile von Bioaerosolen stark gegenseitig beeinflussen und somit andere Wirkungen aufweisen können, als es die einzelnen Komponenten für sich täten. Daher werden Leitorganismen zur Einschätzung eines gesundheitsschädlichen Potentials bakterieller Emissionen aus Tierställen herangezogen. Zu diesen Indikatoren gehören grampositive Bakterien wie Staphylokokken (Methicillin resistente Staphylococcus aureus (MRSA)) und Streptokokken; gramnegative Bakterien wie Enterokokken und Pseudomonaden (mit deren Endotoxinen), Aktinomyceten, Schimmelpilze (mit deren Sporen, Mykotoxinen und ß-(1,3)-Glukanen). Generell wird die Gesamtkeimzahl (GKZ) ermittelt.

(SEEDORF & HARTUNG 2002).

SCHULZ (2014) formuliert folgende allgemein wünschenswerte Charakteristika für luftgetragene Indikatorbakterien:

a) Herkunft und Emissionsquelle eines Indikatorbakteriums sollten bekannt sein bzw. zugeordnet werden können.

b) Es sollten möglichst geringe oder besser keine Einflüsse durch Sekundärquellen bei Außenmessungen vorherrschen.

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c) Es sollten Hinweise auf die Tenazität (eventuell auch Pathogenität) der Indikatorbakterien in luftgetragenem Zustand vorliegen.

d) Indikatorbakterien sollten gut differenzierbar und von anderen Bakterien (z. B.

von Begleitfloren auf Nährmedien) unterschieden werden können.

e) Messverfahren, Differenzierung und Quantifizierung sollten möglichst standardisiert sein, mindestens aber evaluiert sein.

f) Messfehler bzw. Fehler im Rahmen der Differenzierung müssen bei quantitativen Fragestellungen berücksichtigt werden.

Methodenfehler können bereits durch das Probenahmeverfahren beeinflusst werden (CLAUSS et al. 2012). Die selektiven kulturellen Verfahren sind zumeist standardisiert und stellen die Grundlage für verschiedene Richtlinien dar, die zur Bewertung von mikrobiellen Luftverunreinigungen herangezogen werden. Dennoch sind sie mit einer Fehlerquote belastet, deren Berücksichtigung in eine Bewertung der Ergebnisse einfließen sollte (SCHULZ 2014).

Aufgrund der komplexen und unregelmäßigen Zusammensetzung von Emissionen und besonders von Bioaerosolemissionen erscheint es sinnvoll mit Abluftreinigungsanlagen möglichst viele dieser Komponenten zurückhalten zu können.

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