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3 MATERIAL UND METHODEN

3.9 Bestimmung von Polleneltern

3.9.2 Schätzung wahrscheinlichster Polleneltern

3.9.2.2 CERVUS

Mit dem Ansatz von MEAGHER´s „most-likely“-Methode entwickelten MARSHALL et al.

(1998) ein Programm Namens CERVUS. Wie der Name andeutet, wurde dieses Programm mit den Daten einer mittels Mikrosatelliten genetisch inventierten Rotwildpopulation gene-riert, soll aber für alle Datensätze mit kodominanten Markern zu verwenden sein.

MEAGHER´s Methode zur Berechnung von LOD-scores (3.9.2.1) wurde von MARSHALL et al.

(1998) aufgenommen u. a. um folgende Merkmale erweitert: Das Programm kalkuliert die Möglichkeit fehlerhafter Datensätze (Tippfehler, Nullallele etc.) über die Eingabe einer fikti-ven Fehlerquote mit ein. Es müssen nicht alle potentiellen Väter bekannt sein und über Mon-te-Carlo-Simulationen wird ein sogenannter ∆-Wert berechnet; nur wenn der wahrscheinlichs-te Vawahrscheinlichs-ter einen um diesen ∆-Wert höheren LOD-score als der zweitwahrscheinlichswahrscheinlichs-te Vawahrscheinlichs-ter besitzt, wird er als solcher angenommen. Sinn der Eingabe einer Irrtumshäufigkeit ist die Vermeidung nicht gerechtfertigter Ausschlüsse von Vätern aufgrund fehlerhafter Dateneinga-be oder –erhebung. Die Anzahl und der Anteil der untersuchten Väter kann eDateneinga-benso variiert werden wie das Signifikanzniveau bei der Berechnung des ∆-Wertes. Die Arbeitsweise von CERVUS wird von MARSHALL et al. (1998) wie folgt veranschaulicht:

Abb. 3.8 A flow chart illustrating the operation of the CERVUS program´s simulation of paternity inference. Boxes indicate repeated loops. Simulation of paternity in-ference where mothers are unsampled is carried out in a parallel simulation (Abb. und Beschreibung aus MARSHALL et al. 1998).

Repeat for each paternity test

Define parameter values and read in allele frequencies

Generate maternal and paternal genotypes and sample parental alleles to create an offspring, also

generate genotypes of unrelated candidate males

Alter and delete genotypes at random loci and pick males at random to be unsampled

Calculate log-likelihood ratio (LOD score) Repeat for each

paternity test

Find the two most-likely male and record log-likelihood ratio difference (∆)

From distribution of∆ find relaxed and strict criteria

Predict success rate of paternity analysis using these criteria

Für viele Schritte in Abb. 3.8 werden Simulationen verwendet. Die Eingabe einer fiktiven Fehlerquote weicht die Stringenz des Ausschlußverfahrens auf. Es werden weniger Väter aus-geschlossen und damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, daß der wahrscheinlichste Vater sich um den ∆-Wert vom zweitwahrscheinlichsten ausreichend absetzt, um als solcher bestimmt zu werden. Die Wahl eines niedrigen Signifikanzniveaus bei der Berechnung der LOD-scores (z. B. 80 %), welches gleichbedeutend mit einem kleineren ∆-Wert ist, erhöht den Anteil der so ermittelten Vaterschaften ebenso wie eine geringe Zahl potentieller und ein hoher Anteil bekannter potentieller Väter.

Unter Verwendung von drei Enzym- und neun Mikrosatellitengenorten konnten MARSHALL et al. (1998) für eine Rotwildpopulation (Cervus elaphus) mit ihrem Programm bei bekannter Mutter für 59,3 % bzw. für 28,9 % der Nachkommen einen Vater bestimmen (bei Signifi-kanzniveau des ∆-Wertes von 80 % bzw. 95 %). Dabei wurden 75 (65 %) potentielle Väter untersucht, 35 % blieben unbekannt. Die Fehlerquote wurde mit 1 % eingegeben.

Bei den Schätzungen der wahrscheinlichsten Polleneltern für die Lindenpopulation Schwie-gershausen wurden in das Programm CERVUS die Genotypstrukturen aller potentiellen Pol-leneltern (141 Linden), der 54 Einzelbaumnachkommenschaften mit n ≥ 20 (insgesamt 3863 Samen) und die der zugehörigen Sameneltern eingegeben. Es wurde angenommen, daß alle potentiellen Polleneltern bekannt sind. Als Eingangsparameter für die Fehlerquote wurden 0 % und 1 %, für das Signifikanzniveaus des ∆-Wertes 80 % und 95 % gewählt. Der Daten-satz des Versuchsbestandes wurde somit in vier verschiedenen Kombinationen innerhalb des CERVUS-Programmes durchgerechnet; für die Simulationen sind jeweils 10.000 Zyklen verwendet worden.

3.9.2.3 „Paternity analysis“ nach ADAMS et al.

Einen neuen Weg schlugen ADAMS et al. (1992) ein, indem sie der Pollenelternbestimmung über die wahrscheinliche Gametenproduktion, in diesem Fall die Übergangswahrscheinlich-keit (transition probability) von DEVLINS et al. (1988), den Term Φ hinzufügten. Dieser Term Φ steht für eine a priori-Wahrscheinlichkeit der Pollenelternschaft, die nicht über genetische Parameter berechnet wird. In erster Linie sind Informationen über Blühtermin, Fertilität und Abstand der potentiellen Polleneltern zum Samenelter als geeignete Parameter für die Be-rechnung von Φ zu nennen.

Als Grundlage diente die, bereits im Rahmen einer anderen Arbeit erhobene, genetische Struktur von 285 Eukalypten (Eucalyptus regnans) einer zehnjährigen Samenplantage und 1679 ihrer Nachkommen. Dabei zeigten sieben der zehn untersuchten Genorte einen Majorpo-lymorphismus, drei einen Minorpolymorphismus. Mit diesen zehn Genorten generierten

A-DAMS et al. (1992) für acht Sameneltern dieser Samenplantage mit Monte-Carlo-Simulationen eine Nachkommenschaft von je 50 Samen. Mit Hilfe der Übergangswahrscheinlichkeit wurde für diese 400 simulierten Nachkommen eine Bestimmung der Polleneltern vorgenommen. Für 23 Nachkommen konnte ein wahrscheinlichster Pollenelter bestimmt werden und daraus wur-de eine vorläufige mittlere Pollentransportweite berechnet, welche zusammen mit einer op-tisch ermittelten Fekundität der Eukalypten in die Formel für die Herleitung von Φ einging.

der verschiedenen Annahmen, der Anteil wahrscheinlichster Polleneltern mindestens verdop-pelt werden.

Der Argumentation von ADAMS et al. (1992) konnte nicht immer gefolgt werden bzw. kamen Zweifel an deren Plausibilität auf (z. B. Herleitung von Φ). Auch stand ein Anwendungspro-gramm für die Herleitung wahrscheinlichster Polleneltern nach der Methode von ADAMS et al.

nicht zur Verfügung. Eine eigene Programmierung hätte Umfang und Anspruch des Arbeitsrahmens gesprengt.

Der Ansatz, a priori die Wahrscheinlichkeit einer Pollenelterschaft z. B. über den Abstand vom Paarungspartner und Fertilität zu schätzen, ist mit Sicherheit einleuchtend; zumal die, u. a. von MEAGHER (1986) für seine „most-likely“-Methode gemachte Annahmen einheitli-cher Fertilität der Polleneltern und der Existenz einer einheitlichen Pollenwolke nur in den seltensten Fällen gegeben ist. Viele Arbeiten haben gezeigt, daß eine einheitliche Pollenwolke eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Bei dem leptokurtischen Verlauf der Kurven der Pollentransportweiten für entomophile Arten (s. Kap. 2.8.6) wäre besonders im vorliegenden Fall eine gleichmäßige Verteilung des Pollens über die gesamte Population auch nicht zu er-warten. Die Annahme gleicher Fertilität aller Polleneltern muß ebenfalls als zu stark verein-facht angesehen werden, ist aber in der Praxis oft nur schwer zu überprüfen.

Wegen der oben geschilderten Problematik wurde das Verfahren von ADAMS et al. (1992) nicht für den Datensatz der Winterlindenpopulation Schwiegerhausen eingesetzt.