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ihn ansehe, vergesse ich die Details schon wieder und muss sie ein zweites Mal registrieren. Ist das Ihr Geschäft? Es war mir bis-her noch gar nicht aufgefallen. Wie lange gibt es Sie denn schon?

Jeder Satz wird gefolgt von einem unangenehmen Schweigen; erst der letzte sorgt für eine Reaktion. Seit fünf Jahren, sagt er. Er klingt selbst nicht überzeugt. Kann ich Ihnen helfen? Ich beschreibe das Buch, das ich suche. Er schreibt sich nichts auf. Wir könnten da möglicherweise ein Exemplar im Lager haben. Kommen Sie mor-gen vorbei.

Am nächsten Tag fahren die S-Bahnen wieder. Als ich die Ladentür öffne, empfängt er mich mit dem Buch in der Hand. Es ist die Auf-lage, die ich brauche. Als ich es aufschAuf-lage, kommt mir ein leicht muffiger Geruch entgegen wie aus einem Antiquariat. Die Schrift sieht normal aus, aber in meinem Augenwinkel scheint sie sich zu verändern. Keine Drucktype. Das Buch hat eigentlich genau das richtige Gewicht für einen Sprachkurs, aber es fühlt sich in meinen Händen zu leicht an. Es müsste gebunden sein, und mit schwere-rem Papier. Ich erwähne das dem Ladenbesitzer gegenüber und er nickt leicht, dann sagt er: Keine Sorge, das hört spätestens nach einem Tag auf. Zum Abschluss deutet er kurz in eine Lücke im Bü-cherregal. Zwei Augen schauen daraus hervor. Das ist Kim, meine Katze. Lässt sich gerne streicheln. Ich trete einen Schritt näher und strecke vorsichtig meine Hand aus. Kim ist ein Huhn. Sie lässt sich klaglos streicheln und ich verabschiede mich schnell aus dem La-den, in dem sich sonst niemand mehr aufhält. Hinter mir dreht der Inhaber das Schild in der Tür auf „geschlossen“ um. Es ist elf Uhr vormittags.

Er hat recht gehabt, kurz darauf verhält sich das Buch normal. In den nächsten Wochen fragt mich meine Sprachlehrerin mehrmals, warum ich bei meinen Hausaufgaben immer wieder ins Lateinische wechsele. Ich sage ihr, dass ich parallel versuche, noch ein paar andere Sprachen zu lernen und dabei immer mal wieder etwas durcheinanderkomme. Aber ich lerne kein Latein, und überhaupt keine romanische Sprache. Meine Lehrerin geht nach einer

Wei-le dazu über, mir die FehWei-ler nicht mehr anzustreichen; stattdessen schreibt sie nur noch „seufz“ darunter. Ich besuche den Buchladen immer mal wieder und bestelle, was ich brauche. Jedes Buch, ohne Ausnahme, trifft am nächsten Tag ein. Der Inhaber scheint viele Kims zu haben, denn sie sieht jedes Mal anders aus. Einmal ist sie eine Eidechse. Eine Katze ist nie dabei. Irgendwann gehe ich trotz-dem dazu über, sie als solche anzusprechen und frage, wie sie sich beim Mäusefangen macht. Bei der einen Gelegenheit, als der In-haber mir eine Maus als Kim vorstellt, lasse ich die Frage aus. Sie erscheint mir taktlos.

Abgesehen von dem Sprachbuch benimmt sich keins meiner Bü-cher seltsam. Deshalb empfehle ich den Laden an ein paar meiner Freunde. Die ersten kommen nach wenigen Tagen zu mir und er-zählen, dass sie ihn nicht finden können. Er liegt etwas versteckt in einer Seitenstraße, vielleicht haben sie nicht richtig geschaut. Sie streiten das ab, wollen aber nicht, dass ich mit ihnen gemeinsam hingehe. Einer glaubt, ich will ihn verarschen. Ich war seit mehreren Monaten nicht mehr da; aber nun steht wieder ein Besuch an. Ich nehme mir vor, danach für meine orientierungslosen Mitstudenten eine Karte zu zeichnen und stecke Katzenfutter für Kim ein. Egal, welche von ihnen da ist – das mag sie immer.

Als ich ankomme, ist kein Buchladen da. Ich überprüfe die Stra-ße doppelt und dreifach, gehe sie mehrmals ab. Ein Fitnessstudio schmiegt sich eng an eine Studentenbar, die noch zu hat. Ein paar Wohnhäuser, dann ist die Straße zu Ende. Ich trete näher an das Studio, dessen Glasfront mich an etwas anderes erinnert… in der Tür hängt ein Schild, es sieht alt und aufwendig gemacht aus. Wie für einen Buchladen. Darauf steht „geschlossen“.

[for lack of snow]

this is a serious time everything it does to you is aimed with the utmost precision the pressing clouds the heavy raindrops etching themselves into your skin

you don’t even leave the house without an umbrella in hand anymore and your boots pair for pair stay soaked for the rest of the year something in this air turns your lungs inside out

whenever you slow down to think the weeks to come will not put up with tardiness but you have trouble to keep this speed up at all feel yourself slithering to a halt at every stoplight almost falling or more accurately offering the least possible resistance

you have gone down this road a thousand different times and still you’ve never been quite as stunned as this – and I mean that in the literal sense – you’re unable to move not even for this wind sharply humming you a rhythm to dance to

I

n der Kulturbrauerei, heißt es, wohnt seit letzter Woche ein Dra-che. Irgendwer hat ihn dort auf dem Innenhof landen sehen, gleich hinter dem Haupteingang. Eine Punktlandung war das, nicht eins der Bäumchen hat gezittert. Dann hat er vorsichtig die Flügel eingeklappt und ist durch die Tür ins erstbeste Gebäude getreten.

Er hatte ein Bündel Federn am Schwanzende und war nicht einmal halb so groß wie erwartet.

Nach dem ersten kurzen Schreck wurde der Neuankömmling ganz gut aufgenommen. Es hat sich herausgestellt, dass sich sein Be-dürfnis, Feuer zu spucken, in Grenzen hält. Obwohl er es kann. Das war die größte Sorge. Warum er hier gelandet ist, kann niemand sagen, am wenigsten er selbst. Eine Beschwörung muss stattgefun-den haben, sagt er, wenn man ihn fragt. Drachen lernen häufig die Sprachen in ihrer Umgebung. Es ist nicht notwendig für sie, son-dern eher so eine Art Hobby. Er spricht Englisch mit walisischem Akzent. Seinen Namen will er nicht nennen, das ist zu persönlich.

Und außerdem nicht notwendig, man muss ihn ja von nichts an-derem unterscheiden. Soweit bekannt, gibt es nur diesen einen Drachen in der Stadt. Er ist höflich zu allen, die ihn ansprechen;

im Gegenzug hat man ihm eines der Gebäude geräumt und ver-sprochen herauszufinden, woher er kommt. Unter einer Beschwö-rung fliegt man wie in Trance, eine innere Stimme sagt einem den Weg an. Aber das zurückverfolgen oder sich daran erinnern kann man nicht. Dass er irgendwo aus den Bergen kommt, lässt sich ver-muten. Während irgendwelche Leute, die sich auskennen, Nach-forschungen anstellen, steht der Drache häufig im Innenhof. Die Stadt ist ihm zu laut und die Autos machen ihn nervös. Wenn Flug-zeuggeräusche zu hören sind, duckt er sich. Wie festgefroren steht er dann minutenlang da. Es ist viel zu sonnig, die Wärme juckt ihm in der Nase. Er schließt die gelben Augen und wartet auf Regen.