• Keine Ergebnisse gefunden

6 Vergleich der Fangergebnisse mit den Daten der Revierkartierungen

12.1 Brutvogelkartierung

Die in den 30 Hecken erfasste Artenzahl umfasst 14 % der 288 Brutvogelarten Deutschlands (WITT et al. 1996). Das Artenspektrum setzt sich aus Arten lichter Waldhabitate, naturnaher Waldränder und halboffener Landschaften mit Sträuchern und Einzelbäumen zusammen (RINGLER et al. 1997).

Detaillierte Aufzeichnungen über die Vogelwelt in schleswig-holsteinischen Knicks in der Nähe Hamburgs von DIETRICH (1903) bieten eine Vergleichsmöglichkeit der Brutvogel-bestände über einen Zeitsprung von etwa 100 Jahren. Der Autor ordnete die häufigsten 13 Arten entsprechend ihrer Dominanz und fügte diesen weitere 24 in abfallender Häufigkeit an, ohne weitere Dominanzwerte zu nennen.

Mit Dorngrasmücke (11,2 %), Goldammer (10 %), Gartengrasmücke (8 %) und Amsel (7,4 %) waren damals fast die gleichen Arten dominant wie heute. Nur die Heckenbraunelle erreichte mit 4,2 % halb so hohe Dominanzwerte in den Hecken wie heute um Göttingen (Tab. 24). Neuntöter (6,7 zu heute 1,2 %) und Elster (5,1 zu 1,4 %) weisen dagegen einen beträchtlichen Rückgang ihrer relativen Häufigkeit in Hecken auf. Ebenso fand DIETRICH

(1903) für Gelbspötter (4,5 zu 0,32 %) und Baumpieper (4,0 zu 0,68 %) erheblich höhere Dominanzen in den Knicks von Schleswig-Holstein. Bei Fitis (4 zu 1,2 %), Bluthänfling (4 zu 1,8 %) und Sumpfrohrsänger (4 zu 2,4 %) sind die Unterschiede vergleichsweise gering.

DIETRICH (1903) gibt für die dominierenden Buscharten in den Knicks Brombeere, Hasel-strauch, Eiche, Weide und Weißdorn, mit jeweils in über 75 % der Knicks vorkommend, an.

Die um Göttingen dominante Schlehe ist bei DIETRICH (1903) erst an 13. Stelle genannt und kommt in weniger als der Hälfte aller Knicks vor. Rose und Holunder waren nach Dietrich noch seltener (unter 25 %). Insofern unterscheiden sich die von DIETRICH (1903) und die in dieser Studie untersuchten Hecken aufgrund ihrer Gehölzartenflora erheblich. Über die Strukturen der Knicks finden sich in der Arbeit keine Anhaltspunkte, außer dass nach der Rodung von Knicks auch Überhälter stehen gelassen wurden, vor allem Eichen, die in 39 % der Hecken als Baum festgestellt werden konnten. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass alte Knicks in Schleswig-Holstein vor 100 Jahren in ihrer Struktur ähnlich aufgebaut waren, wie die von mir untersuchten Hecken um Göttingen, dass die Knicks aber durch häufige Nutzung durchschnittlich viel jüngeren Bewuchs aufwiesen und eine höhere Arten-zahl an Gehölzpflanzen beherbergten.

In den Hecken um Göttingen ist das 'auf den Stock setzten', der Rückschnitt von Hecken auf etwa 10-20 cm Stocklänge über dem Boden, keine übliche Pflegemethode. Die Hecken werden in unregelmäßigen Abständen an den Seiten abgeschlegelt und der Krautsaum wird zumeist jährlich gegen Ende Mai bis Mitte Juli gemäht. Zum einen kann damit die Gehölz-zusammensetzung und die Dominanz der Schlehe erklärt werden, zum anderen die höhere Dichte von Arten wie Heckenbraunelle oder Mönchsgrasmücke. Letztere zählte DIETRICH

(1903) zu den selten oder nur ausnahmsweise auftretenden Arten. Bemerkenswert ist das Fehlen der Singdrossel bei Dietrich, eine Art die PUCHSTEIN (1980) in Schleswig-Holstein als subdominant einstufte und die in Göttingen in über 2/3 der untersuchten Hecken brütete (Tab.

22). DIETRICH (1903) fand insgesamt weniger als 10 % Baumbrüter in den Hecken, so dass das Fehlen der Singdrossel eventuell auf das Fehlen geeigneter Nistorte zurückgeführt werden kann, zumal er die Amsel nach seinen Beobachtungen in den Hecken als 'Erdnister' bezeichnete.

Der besondere Wert der historischen Arbeit von DIETRICH (1903) ergibt sich aus der Ver-gleichsmöglichkeit des Arteninventars, auch wenn die Hecken in ihrer Ausprägung und Nutzung zu den von mir untersuchten Hecken Unterschiede aufweisen und auch davon auszugehen ist, dass die Landnutzung gravierende Veränderungen erfahren hat (vgl. dazu GEORGE 1996a, BUSCHE 1997, EVANS 1997). Zwar ist die Artenzahl der Vögel in Hecken um Göttingen heute höher, doch listet DIETRICH (1903) neun Vogelarten auf, die 100 Jahre später nicht mehr als Heckenbrutvögel festgestellt werden können: Gartenrotschwanz, Nachtigall, Braunkehlchen, Raubwürger, Saatkrähe, Wendehals, Grauschnäpper Sperbergrasmücke und Grauammer, nach ihrer Häufigkeit sortiert. Fünf dieser Arten waren bereits in den Unter-suchungen von HAHN (1966), KIRCHHOFF & IHSSEN (1972) und PUCHSTEIN (1980) in Knicks nicht mehr nachweisbar. Zu dem Zeitpunkt der letztgenannten Untersuchungen hatten bereits großflächige Rodungen von Hecken zu Gunsten eines Strukturwandels in der Landwirtschaft eingesetzt (z.B. BEZZEL 1982). In den von mir bearbeiteten Hecken waren zum Teil noch Heckenstrukturen erhalten, die “in ihrer Form so schon vor dem II. Weltkrieg existierten”

(mdl. Mitteilung von Herrn Evers, Landwirt und Verwahrer der historischen Feldkarten der Feldmarksinteressentenschaft in Volkerode). Gartenrotschwanz, Nachtigall, Braunkehlchen, Raubwürger, Grauschnäpper und Grauammer konnten aber jeweils nur an ein bis maximal drei Tagen festgestellt werden, nach über 300 Beobachtungstagen. Wendehals, Saatkrähe und Sperbergrasmücke traten in den von mir untersuchten Hecken nicht auf.

Die Populationsentwicklung der Dorngrasmücke zeigte einen starken Bestandseinbruch gegen Ende der sechziger Jahre (BERTHOLD 1973, 1974), der sich auf ganz Europa erstreckte

(WINSTANELY et al. 1974 (aus BODDY 1993). Danach konnte sich die Population zwar wieder stabilisieren, allerdings auf niedrigerem Niveau (MARCHANT et al. 1990, BAUER & BERTHOLD

2000). Die Dominanz der Dorngrasmücke in Hecken spiegelt die Bestandsentwicklung über die letzten 100 Jahre wider: Um 1900 bis in die 60er Jahre hinein ist die Art der häufigste Heckenvogel Norddeutschlands und die Dominanz liegt zwischen 11,2 (um 1900) bis 17,3 (1966) Prozent (DIETRICH 1903, HAHN 1966, KIRCHHOFF & IHSSEN 1972, PUCHSTEIN 1980).

1974 weisen die Daten von PUCHSTEIN (1980) dann einen Einbruch der Dorngrasmücken-Bestände aus: Die Dominanz liegt nur noch bei 8,2 %. In den Untersuchungsgebieten um Göttingen ist die Art über die Untersuchungsjahre konstant mit 7,7 % vertreten. Mit Goldam-mer, Heckenbraunelle und Amsel sind in den Hecken drei Arten häufiger (Tab. 24). Für den Landkreis Göttingen stellt DÖRRIE (2000) fest, dass die Dorngrasmücke “in geeigneten Habitaten wieder ein durchaus häufiger Vogel ist”. Der Vergleich mit den historischen Daten zeigt aber, dass auch diese heute wieder relativ häufige Art bis vor 35 Jahren noch erheblich höhere Dichten gehabt haben könnte: HEITKAMP (1981) fand in seinen Untersuchungen an einer Saumbiozönose bei Göttingen zwischen 1963-1967, dass die Dorngrasmücke in der offenen Gebüschlandschaft „dominant als zweithäufigste Art hinter der Goldammer“ mit 11,1-17,8 BP/10ha auftrat.

Eine Zunahme der relativen Häufigkeit war bei Heckenbraunelle (von 4,2 % bei DIETRICH

(1903) auf 8,5 % in dieser Studie) und Goldammer (von 10 % auf 12,9 %) festzustellen. Die Zunahme weiterer Arten kann nicht exakt dokumentiert werden, weil Dietrich für seltenere Arten keine Dominanzwerte angegeben hat. Er bezeichnet aber die heute sehr häufigen Arten Mönchsgrasmücke, Feldsperling, Kohl- und Blaumeise, Zilpzalp und Ringeltaube als 'ziemlich selten oder nur ausnahmsweise' in Hecken brütenden Vögel. Die Dominanz der Heckenbraunelle ist mit 8,5 zu 4,2 heute doppelt so hoch und die Singdrossel, von der in dieser Studie vier Brutpaare je Kilometer Hecke festgestellt wurden, wird bei DIETRICH

(1903) überhaupt nicht erwähnt. Während die hohen Dichten von Feldsperling und zum Teil auch von Kohl- und Blaumeise auf der großen Anzahl von Nistkästen in den Hecken basieren, zeigt das Auftreten der anderen heute häufigen Arten vor allem Auswirkungen der strukturellen Veränderung der Hecken. Die Arten, die in den Hecken um Göttingen häufiger vorkommen als in den schleswig-holsteinischen Knicks, sind alle in bestimmter Weise von Gehölzstrukturen abhängig und weniger von der Nutzung der Flächen um die Hecken. Das ist bei vielen Arten, die in ihren Bestand abgenommen haben, umgekehrt: Neuntöter, Elster, Rebhuhn, Turteltaube, Sumpfrohrsänger, Baumpieper, Bluthänfling und vor allem viele der vollkommen verschwundenen Arten wie Gartenrotschwanz, Braunkehlchen, Raubwürger,

Saatkrähe, Wendehals, Grauschnäpper und Grauammer benötigen mindestens zum Nahrungs-erwerb Habitatstrukturen, die über die Hecke hinausgehen. Für diese Arten steht zu vermuten, dass nicht die Nutzungsaufgabe der Heckengehölze, sondern eine andere oder intensivere Nutzung der Heckenumgebung zu den Bestandsabnahmen geführt hat. Auch SIRIWARDENA et al. (2000) haben für Rebhuhn, Turteltaube, Feldlerche, Feldsperling, Bluthänfling und Grauammer starke Bestandsrückgänge zwischen 1969 und 1995 auf eine durch technischen Fortschritt begründete Intensivierung der Landwirtschaft zurückgeführt. Unter den Arten, die rückläufige Bestandszahlen haben, waren mit Gimpel und Singdrossel in England und Wales auch Waldarten sowie die Rohrammer als Feuchtlandbewohnerin betroffen. Die Mehrzahl der abnehmenden Arten war jedoch von den Autoren als 'Farmland Spezialisten' kategorisiert und in erster Linie von den Einflüssen höherer Pestizid- und Düngemitteleinsätze betroffen (SIRIWARDENA et al. 2000).