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6 Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen

6.1 Bisherige Maßnahmen

Im Offenland besteht zumindest im zentralen Kaiserstuhl seit Ende der 1980er Jahre ein funktionierendes Pflegemanagement auf den naturschutzfachlich hochwertigen Flächen, organisiert von der Bezirksstelle für Naturschutz bzw. später dem Referat 56 im Regierungs-präsidium Freiburg (ABL 2019); dieses umfasst die naturschutzfachlich begleitete Mahd und Beweidungsstrategien sowie sonstige spezielle Pflegeeingriffe.

Innerhalb der FFH-Gebietskulisse steht mehr oder weniger das gesamte Offenland im zent-ralen Kaiserstuhl sowie zahlreiche weitere Flächen im äußeren Kaiserstuhl (sowohl im Lkr.

Breisgau-Hochschwarzwald als auch im Lkr. Emmendingen) über die Naturschutzverwaltung unter Pflegevertrag, mit intensiver Begleitung/Betreuung durch das Pflegemanagement im Auftrag des Referats 56. Neben der großflächig durchgeführten Pflegemahd, die in Teilberei-chen auch mit einer Vorweide/Nachweide mit Schafen kombiniert wird, ist in kleineren Kop-peln in Steillagen eine Ziegenbeweidung installiert. Die Beweidung ist jeweils verbunden mit einem regelmäßigen Monitoring von Leitarten (Wildbienen, Laufkäfer, Tagfalter), um Auswir-kungen der Beweidung festzustellen und die Maßnahmen entsprechend anzupassen. Unter spezielle Pflegeeingriffe fallen z. B. Gehölzpflegemaßnahmen oder das gezielte Vorgehen gegen invasive Neophyten. Im Falle der Vielblättrigen Lupine (Lupinus polyphyllus) besteht dies v. a. aus dem gezielten Ausmähen per Freischneider, es wurden oder werden hier aber auch weitere Vorgehensweisen ausgetestet, wie eine Bekämpfung mit Feuer oder auch mit Heißwasser. Es ist ein regelmäßiges und umfangreiches Monitoring der zahlreichen Arten des Artenschutzprogramms (ASP) Baden-Württemberg (Gefäßpflanzen, Wildbienen, Heu-schrecken, Schmetterlinge, Vögel u. a) und weiterer Leitarten (z. B. Orchideen) installiert, dessen Ergebnisse bei der Pflege allgemein Berücksichtigung finden.

Das etablierte großflächige Pflegemanagement stellt eine gebietsspezifische Besonderheit dar und schafft als Grundlage für die empfohlenen Erhaltungs- und

Entwicklungsmaßnah-men im ManageEntwicklungsmaßnah-mentplan andere Voraussetzungen als in Gebieten, die durch eine aktive landwirtschaftliche Nutzung geprägt sind. Die in Kapitel 6.2 und 6.3 vorgeschlagenen Maß-nahmen sind daher teilweise restriktiver formuliert als es in den Managementplänen anderer FFH-Gebiete der Fall ist.

Die Pflege im Forstlichen Versuchsgelände Liliental wird von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) intern geplant und umgesetzt. Zum Einsatz kommen z. B. (Mulch-)Mahd und (Nach-)Beweidung mit Schafen.

Die Böschungsflächen spielen für die Erhaltung von Arten und die Vernetzung von Biotop-strukturen innerhalb der intensiv genutzten Rebflur eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grunde wurden in den vergangenen zwanzig Jahren verschiedene Initiativen zur Einführung einer systematischen, selektiven und zielorientierten Pflege der Böschungsvegetation gestar-tet: So wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts der kontrollierte Feuereinsatz erprobt und unter strengen Auflagen genehmigt. Sämtliche Böschungsflächen wurden kartiert und ein Böschungspflegekonzept erarbeitet, in dem verschiedene Böschungstypen definiert und die dafür angemessenen Pflegemethoden benannt werden. Dieses "Pflege- und Entwick-lungskonzept für die Kaiserstühler Rebböschungen" vom Herbst 2005 (L ANDSCHAFTSERHAL-TUNGSVERBAND EMMENDINGEN E. V. 2005) wurde als Biotopvernetzungskonzept anerkannt und bildet seitdem eine fachliche Gebietskulisse für Fördermittel aus der Landschaftspflege-Richtlinie des Landes Baden-Württemberg. An einem Runden Tisch Böschungspflege wer-den mit Vertretern der Winzerschaft, der Gemeinwer-den, der Behörwer-den (Naturschutz, Landwirt-schaft, Wasser und Boden) und des ehrenamtlichen Naturschutzes Fragen, Probleme und Konflikte rund um das Thema diskutiert und Empfehlungen für behördliche Entscheidungen ausgesprochen.

Im Zuge des Förderprogramms PLENUM Naturgarten Kaiserstuhl zur naturschutzorientierten Regionalentwicklung wurden zwischen 2003 und 2014 diverse Projekte zur Einführung und Förderung einer systematischen Böschungspflege unter Einbeziehung unterschiedlicher Pflegemethoden durchgeführt (s. HOLLERBACH 2012 und HOLLERBACH 2014). Schließlich wurden in einem groß angelegten PLENUM-Modellprojekt "Vielfalt statt Reblaus" von 2014–

2016 Verfahrensweisen einer Böschungspflege in Kombination mit einer Bekämpfung von verwilderten Reben als Reblauswirte erprobt (HOLLERBACH &BÖHRINGER 2017).

Derzeit koordinieren und betreuen die beiden Landschaftserhaltungsverbände (LEV) Em-mendingen und Breisgau-Hochschwarzwald die systematische und differenzierte Pflege von Rebböschungen und Hohlwegen und die Zurückdrängung der verwilderten Unterlagsrebe im gesamten Natura 2000-Gebiet. Die Kommunen sind mit hohem finanziellen wie personellen Einsatz an der praktischen Umsetzung der Böschungspflege beteiligt, ebenso wie viele Win-zerinnen und Winzer, die sich sowohl finanziell als auch durch aktive Pflegeinsätze hier en-gagieren.

Rebterrassen, die im Rahmen kleiner privater Planien und großer Rebflurneuordnungen neu modelliert werden, werden zwischenzeitlich größtenteils mit gebietsheimischem Druschgut begrünt, das auf artenreichen Halbtrockenrasen im Kaiserstuhl gewonnen wird (s. TREIBER

2015c).

Im Natura 2000-Gebiet werden im Rahmen der Eingriffsregelung auch Ausgleichsmaßnah-men geplant und umgesetzt, aktuell z. B. durch die Stadt Endingen für die Vorhabensfläche

"Radacker I", mit Ausgleichsflächen im nördlichen Bereich des Vogelschutzgebietes. Auf 33 ha Böschungsfläche in Oberbergen sind Ausgleichsmaßnahmen für den Bau des SC-Stadions in Freiburg vorgesehen. In Form von gebietsheimischer Übersaat, Mahd und selek-tiver Gehölzpflege befinden sich diese Maßnahmen aktuell in der Umsetzung.

Im Rahmen jüngerer und – im Gegensatz zu denen z. B. der 1970er Jahre – stärker natur-schutzfachlich begleiteter Flurneuordnungsverfahren wurden u. a. gezielt neue Löss-Steilwände für den Bienenfresser geschaffen, beispielsweise am Kirchberg bei Schelingen (2008/2009), am Kornenberg bei Endingen (2009) und am Scheibenbuck-Südhang bei Oberbergen (2010). Ein Erfolg der Maßnahmen (Annahme/Besiedlung durch den

Bienen-fresser) konnte jeweils bereits in der darauffolgenden Brutperiode dokumentiert werden (RUPP, SAUMER & FINKBEINER 2011). TREIBER (2016) konnte bei der Kontrolle von 90 von insgesamt 120 neu seit 2008 angelegten Lösswänden im Gebiet ebenfalls den auch dauer-haften Erfolg solcher Maßnahmen dokumentieren: In rund 66 % der Fälle hatte der Bienen-fresser neu angelegte Lösswände für Nistbauaktivitäten angenommen und Brutröhren ange-legt. Mittlerweile (Stand Ende 2019) wurden bereits 200 Löss-Steilwände in Flurbereinigun-gen und bei privaten UmgestaltunFlurbereinigun-gen von ReblaFlurbereinigun-gen neu angelegt (R. Treiber, schriftl.).

Die Population des Goldenen Scheckenfalters [1065] wird am Badberg seit 1999 über die Umsetzung des Schmetterlings-Artenschutzprogrammes betreut. Sämtliche Lebensstätten des Goldenen Scheckenfalters sowie sämtliche Entwicklungsflächen werden im Auftrag des Referats 56 im Regierungspräsidium Freiburg gepflegt. Die Pflegemahd erfolgt über diverse Direktaufträge auf jährlich rund 150 ha, jedoch unter Belassen von rund 10 % Altgrasstreifen sowie zusätzlichen rund 20 ha Bracheflächen – von diesen sind je nach Jahr 5-8 ha für den Goldenen Scheckenfalter von höherer Bedeutung. Eine Übersicht der Pflegeproblematik be-züglich des Goldenen Scheckenfalters im Kaiserstuhl geben unter anderem KARBIENER 2005 sowie KARBIENER &SEITZ 2013.

Auch weitere Arten des Artenschutzprogramms (ASP) Baden-Württemberg aus der Gruppe der Wildbienen, Heuschrecken, Schmetterlinge und Pflanzen werden durch gezielte Pflege-maßnahmen erhalten und gefördert.

Das Vorkommen von Waldlebensraumtypen und die Lebensstätten von Arten im Wald wur-den in der Vergangenheit durch folgende Maßnahmen in ihrer ökologischen Wertigkeit ge-schützt:

 Im öffentlichen Wald durch das Konzept Naturnahe Waldwirtschaft, mit dem Grundsatz, ökologisch und physikalisch stabile Wälder, die an standörtlichen Grundlagen ausgerich-tet sind, zu begründen und zu erhalten. Die Baumartenzusammensetzung orientiert sich an den natürlichen Waldgesellschaften. Die Verjüngung der Wälder erfolgt weitgehend natürlich. Das Konzept wird dem Privatwald im Rahmen der Beratung und Betreuung durch die Unteren Forstbehörden zur Anwendung empfohlen. Förderrichtlinien wie die Richtlinie "Nachhaltige Waldwirtschaft" und "Umweltzulage Wald" unterstützen dieses Konzept.

 Das waldbauliche Vorgehen in den Naturschutzgebieten wird mit der Höheren Natur-schutzbehörde im Rahmen der Aufstellung der periodischen Betriebspläne (Forsteinrich-tung) unter Berücksichtigung der Zielsetzungen der jeweiligen Schutzgebietsverordnun-gen abgestimmt.

 Die Waldbiotope nach § 30a LWaldG und § 30 BNatSchG / § 33 NatSchG werden im Vor-lauf der Forsteinrichtung durch die Waldbiotopkartierung wiederkehrend kartiert. Die Er-gebnisse der Waldbiotopkartierung gehen in die periodischen Betriebspläne für den öf-fentlichen Wald ein.

 2008 wurde begonnen, die Forsteinrichtung FFH-konform aufzubereiten. Seit 2014 ist die überarbeitete "Richtlinie Landesweiter Waldentwicklungstypen", die naturschutzrechtliche Vorgaben berücksichtigt und wesentliche Inhalte des Waldnaturschutzes zusammenführt, eine wesentliche Grundlage für eine rechtskonforme Bewirtschaftung von Biotopen und FFH-Lebensraumtypen im Wald sowie von Lebensstätten geschützter Natura 2000-Arten im Staats- und Kommunalwald. Für den Privatwald stellt die Richtlinie eine Handlungs-empfehlung dar.

 Seit 2010 wird im Staatswald das Alt- und Totholzkonzept (FORSTBW 2017a) verbindlich und im Kommunal- und im Privatwald freiwillig bzw. als Ökokonto-Maßnahme umgesetzt.

Mit der Umsetzung des Konzepts wird ein Verbund an Alt- und Totholzstrukturen geschaf-fen, der dem Fortbestand zahlreicher wertgebender Arten wie dem Hirschkäfer,

Fleder-mäusen und baumhöhlenbrütenden Waldvogelarten förderlich ist. Das Konzept wird dem Kommunalwald im Rahmen der Beratung und Betreuung zur Anwendung empfohlen.

 2015 hat ForstBW für den Staatswald die Gesamtkonzeption Waldnaturschutz, die auf der im Jahr 2013 verabschiedeten Naturschutzstrategie des Landes Baden-Württemberg auf-baut, etabliert (FORSTBW 2015a). Die Konzeption befindet sich in der Umsetzung. U. a.

wird ein Konzept für Arten lichter Wälder entwickelt.

Neben den Maßnahmen von behördlicher Seite sind im Natura 2000-Gebiet auch unter-schiedliche Naturschutzverbände tätig: Der Schwarzwaldverein führt jährlich seinen Pflege-tag im zentralen Kaiserstuhl durch und übernimmt Streifengänge als Naturschutzwarte, die NABU-Kreisgruppe Emmendingen unterstützt bei der Erfassung von Arten (Bienenfresser, Wiedehopf). Die Pflege naturschutzrelevanter Flächen u. a. am Lützelberg oder in Streu-obstwiesen zwischen Leiselheim und Sasbach oder bei Endingen erfolgt durch die BUND Bezirksgruppe Nördlicher Kaiserstuhl.