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Dieses Kapitel beschreibt ausschließlich Beeinträchtigungen, die das Natura 2000-Gebiet als Ganzes betreffen. Allgemeine lebensraum- und artspezifische Beeinträchtigungen sind be-reits in den Kapiteln 3.2 und 3.3 aufgeführt und werden hier nicht wiederholt.

Landwirtschaftliche Intensivkulturen

Der im Gebiet eine dominante Rolle spielende Weinbau sowie auch der Plantagen-Obstbau sind allgemein sehr intensive landwirtschaftliche Kulturen; dies kann neben dem Einsatz von (Mineral-)Düngemitteln auch den Einsatz von Pestiziden betreffen. Hiervon direkt betroffen sind v. a. natürlich die Rebflächen und die dazugehörigen Böschungsbereiche bzw. die Obstbauflächen, bei wenig zielgenauer Anwendung oder bei Wind können entsprechende Stoffe jedoch auch weiter verdriftet werden und damit auch umliegende Bereiche betreffen.

Den allgemein intensiven Charakter dieser Kulturen unterstreichen auch weitere Aspekte der Bewirtschaftung wie Bodenbearbeitung, Gehölzschnitt etc., durch die häufige Eingriffe bzw.

Störungen auf den Flächen erfolgen. Gegenüber traditionellen Streuobstwiesen weisen mo-derne Obstplantagen mit der Beschränkung auf eine geringere Zahl angebauter Obstarten und -sorten sowie anderer Anbauformen wie Spalier- und Niederstammobst (mit erheblich kürzerer "Umtriebszeit" bis zur Rodung und Neupflanzung) lediglich einen Bruchteil der (Klein-)Habitatvielfalt und -qualität und somit biologischen Wertigkeit auf. Ähnliches gilt für die Umwandlung kleinparzellierter Weinbergsbereiche in Großterrassen, die mit einer Ver-armung an Habitatstrukturen einhergehen kann.

Bekämpfung der Kirschessigfliege

Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) ist ein aus Südostasien stammendes Neozoon und gilt als Schädling im Obst- und Weinbau. Im Rahmen der Bekämpfung der erst in jüngerer Zeit (nach 2010) im Gebiet aufgetretenen Art kommt es in den Weinbergen u. U. auch im Sommer zur Beseitigung von (Böschungs-)Gehölzen, in denen Wildobst (Vogel-Kirsche, Brombeere u. v. m.) als potentielle Brut- und Vermehrungsstätten der Fliege identifiziert wer-den. Diese sind jedoch auch Teil der Lebensstätten zahlreicher Tierarten des FFH- und des Vogelschutzgebietes und unterliegen z. T. auch gesetzlichem Schutz nach § 33 NatSchG.

Aufgrund des Befalls der Früchte erst kurz vor der Reife und somit einem nur kurzen Zeit-raum bis zur Ernte kommt bei der Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln nur eine

einge-schränkte Anzahl an Mitteln infrage; die meisten dieser Mittel sind als bienengefährlich ein-gestuft oder haben weitere unerwünschte Wirkungen (z. B. raubmilbenschädigend).

Nutzungsaufgabe/Sukzession

Von einer Nutzungsaufgabe betroffen sind im Gebiet vorrangig Grenzertragslagen und schwierig zu bewirtschaftende, insbesondere schwierig oder nicht mit Maschinen andienbare Flächen. Dazu zählen z. B. Steilhänge sowie kleinparzellierte (s. historische Kleinterrassen im Weinbau) oder sonstige strukturell kleinteilige Landschaftsbereiche. Je nach Gründigkeit des Bodens unterliegen sie mehr oder weniger rasch der natürlichen Sukzession, bis hin zu geschlossenen Gehölzkomplexen. Davon betroffen sind auch Extremstandorte, die an der Grenze der Waldfähigkeit sind – hier kann das Sukzessionsgeschehen teilweise erst einge-leitet oder allgemein dann beschleunigt werden durch Polykormon-Sukzession, deren Aus-gangspflanzen in standörtlich besseren, weniger extremen (Rand-)Bereichen stocken und ihre weitlaufenden Schösslingssysteme von dort aus mitversorgen. Das trifft im Gebiet bei-spielsweise auf die Südhänge des Badbergs zu, wo die Ausbreitung von Sukzessionsgehöl-zen v. a. von den Hangmulden ausgehend zu beobachten ist. Insgesamt wird im Gebiet seit Mitte des 20. Jhds. im Zusammenhang mit der Nutzungsaufgabe (Sozialbrache) eine deutli-che Zunahme von Gehölzen/Vorwald auf Kosten der Offenlandflädeutli-che verzeichnet. Besagte Südhänge am Badberg zeigen sich auf alten Fotografien aus den 1940er Jahren noch größ-tenteils frei von geschlossenen, höherwüchsigen Gehölzen. Eine Mahd- oder Weidenutzung ist dort dann spätestens im nachfolgenden Jahrzehnt weggefallen. Erst wiederum einige Jahrzehnte später wurde vereinzelt eine Pflegemahd aufgenommen, dass heute im Gebiet noch bzw. wieder großflächig offene, grünlandbewachsene Steilhänge vorliegen ist nur einer mittlerweile systematischen, behördlich beauftragten Flächenpflege zu verdanken.

Eschentriebsterben im FFH-Gebiet

Nach derzeitiger Befallssituation können die Schäden durch das 2009 erstmals in Baden-Württemberg nachgewiesene Eschentriebsterben vor allem für die Lebensraumtypen [9130]

Waldmeister-Buchenwald, [*9180] Schlucht- und Hangmischwälder sowie [*91E0] Auenwäl-der mit Erle, Esche, Weide mit ihrer mit-kennzeichnenden Laubbaumart Gewöhnliche Esche (Fraxinus excelsior) bedrohlich werden, aber auch für Lebensstätten von Arten, in denen die Esche zu den führenden Baumarten in den entsprechenden Waldbeständen gehört. Der durch den Pilz Hymenoscyphus pseudoalbidus hervorgerufene vorzeitige Blattfall (Kronen-verlichtung) und Absterbeprozesse (Mortalität) treten in allen Altersklassen, besonders akut jedoch an jüngeren Eschen auf. Im Kulturstadium kann dies sogar bestandsbedrohend sein.

Im Zuge des Eschentriebsterbens kommt es immer häufiger zu Stammfußnekrosen, bei der die Rinde primär durch den Erreger des Triebsterbens abgetötet wird. Unter Beteiligung von Hallimasch (Armillaria gallica) werden die Nekrosen verstärkt und führen gänzlich zum Absterbeprozess. Die Stamm- und Wurzelfäule, hervorgerufen durch die Stockinfektion, füh-ren zur baldigen Destabilisierung der betroffenen Bäume und gefährden zunehmend die Ar-beits- und Verkehrssicherheit.

Bei einem vorzeitigen Einschlag von Eschen innerhalb der betroffenen FFH-Lebensraumtypen ist ein Wechsel zu lebensraumtypischen "Ersatz-Baumarten" möglich, vornehmlich sind – in Abhängigkeit des jeweiligen Standortes und Lebenraumtyps – Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus), Spitz-Berg-Ahorn (Acer platanoides), Berg-Ulme (Ulmus glabra), Schwarz-Erle (Alnus glutinosa), Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus), Silber-Weide (Salix alba), Bruch-Weide (Salix fragilis) und andere heimische, standortgerechte Baumarten zu empfehlen. Ebenso ist beim Einschlag erkrankter oder bereits abgestorbener Eschen auf die Erhaltung von Habitatbäumen und Totholz zu achten. Auf das Schreiben des MLR vom 26.01.2015 "Bewältigung von Schadereignissen in Natura 2000 Gebieten; Eschentriebster-ben" (Az: 52-8830.10) wird verwiesen.

Wildschäden

Langjährige Gebietskenner berichten von zunehmenden Schäden v. a. durch Wildschweine, die sich besonders im Offenland durch großflächige Umbrüche in den wertvollen Wiesen und Halbtrockenrasen im zentralen Kaiserstuhl bemerkbar machen. Neben der direkten flächigen

Zerstörung der Grünlandnarbe besteht auch die Gefahr des Eindringens unerwünschter, in-vasiver Arten. Andererseits können an solchen Störstellen durchaus auch lebensraumtypi-sche Arten von entstehenden geeigneten Keimbedingungen profitieren.

Erschließung von Bauland

Wie vielfach andernorts auch, so besteht auch im Gebiet prinzipiell ein erhöhter Baudruck besonders an den Ortsrändern (Einfamilienhäuser, Gewerbeflächen). Die verordneten und fachlich begründeten Grenzen der beiden Natura 2000-Gebiete – besonders beim großflä-chigeren Vogelschutzgebiet – reichen oftmals bis an die aktuell bestehende Bebauung, so dass hier ein zukünftiges Konflikt- und Beeinträchtigungspotential durch Bauplanungen liegt.

(Natur-)Tourismus

Das Gebiet ist zu vielen Zeiten des Jahres beliebtes Naherholungs- und Reiseziel. Besonde-re "Stoßzeiten" liegen z. B. zur Zeit der Küchenschellenblüte im März/April, zur Zeit der Orchideenblüte im Mai/Juni oder zur Zeit der Weinlese im Herbst. Beim Naturtourismus rei-zen neben der landschaftlichen Eigenheit des Gebietes auch die Besonderheiten der Flora und Fauna, so dass das Gebiet teils von an bestimmten Artengruppen interessierten Men-schen ganz gezielt bereist wird, so z. B. für die bereits erwähnten Orchideen oder aus orni-thologischer Sicht z. B. für den Bienenfresser. Die Störungen durch Betreten von Vegetati-onsbeständen oder im Bereich von Brutplätzen können ein erhebliches Ausmaß erreichen.

Insbesondere das übermäßige Fotografieren mit der Suche nach der bestmöglichen Auf-nahme kann durch plattreten oder -liegen der Vegetation oder langes Ansitzen an Brutplät-zen eine Beeinträchtigung darstellen. In den Naturschutzgebieten (NSG) gelten zwar Wege-gebote, doch werden diese oftmals nicht eingehalten. Störungen können auch durch das unerlaubte Befahren abseits von Wegen mit Mountainbikes, Motorrädern, Quads u. Ä. ent-stehen.

(Freizeit-)Veranstaltungen/Events

Auch die Zunahme von (Freizeit-)Veranstaltungen/Events wie z. B. Radrennen, Laufveran-staltungen, Wanderveranstaltungen (u. a. 24 h-Wanderungen) oder Lagern (u. U. auch ein-schließlich Lagerfeuer) führt zu einer Zunahme einer Beunruhigung zahlreicher Tierarten sowie anderweitiger Beeinträchtigungen wie etwa Müllablagerungen oder ggf. einer gestei-gerten Brandgefahr.

Klimawandel

Im Zuge des globalen Klimawandels ist in Baden-Württemberg nicht nur eine Zunahme der Jahresmitteltemperatur zu erwarten. Für die Lebensraumtypen und -Arten des FFH-Gebiets sind relevante Entwicklungen unter anderem ein früherer Vegetationsbeginn, die Zunahme von Sommer- und Tropentagen, eine Tendenz zur Zunahme von Häufigkeit und Länge von Trockenperioden bei gleichzeitiger Zunahme von Starkregenereignissen (LUBW 2013). An diese klimatischen Veränderungen müssen sich die FFH-Arten und Lebensraum-typen des Gebiets anpassen; nicht in jedem Fall muss dies eine Gefährdung bedeuten.

Auswirkungen im Offenland

Ein klimabedingter Wandel von Biozönosen hin zu wärmeliebenderen Gesellschaften ist im Kaiserstuhl im Vergleich zu anderen Regionen möglicherweise weniger auffällig, da eine Vielzahl dieser wärmeliebenden (floristischen wie faunistischen) Elemente bereits zur typi-schen Gebietsausstattung gehören.

Bei Wiesen- und Rasengesellschaften und den entsprechenden FFH-Lebensraumtypen ist ein längerfristiger Gesellschaftsumbau von Beständen beispielhaft in diese Richtung vor-stellbar: [6510] Magere Flachland-Mähwiesen > [6212] Submediterrane Halbtrockenrasen >

[6213] Trockenrasen. Bei den Mageren Flachland-Mähwiesen ist bereits heute ein Großteil eher dem trockeneren Flügel der Glatthaferwiesen zuzuordnen, darunter sind auch nicht we-nige Bestände bereits als Übergangsbestände zu Halbtrockenrasen anzusprechen. Die wei-tere Entwicklung bzw. überhaupt Fortbestand der feuchtegebundenen FFH-Lebensraumtypen im Teilgebiet Erletal südlich Endingen ist durch den schon jetzt

ange-spannten dortigen Wasserhaushalt und unter der Annahme zunehmender Trockenheit der-zeit nicht absehbar.

Neben solchen längerfristigen Prozessen können aber auch bereits einzelne Extremereig-nisse von hoher Relevanz sein, insbesondere für die Tierarten. Wiederholen sich solche Er-eignisse in kürzeren Abständen, kann dies eine Population stark beeinträchtigen oder gar zu lokalen Aussterbeereignissen führen. Wie in Kapitel 3.3.2 beschrieben räumt der Goldene Scheckenfalter [1065] zunehmend frühere Habitatflächen an Südhängen aufgrund von Dür-reereignissen – kann aber glücklicherweise im vorliegenden Habitatkomplex noch auf weite-re Flächen in andeweite-rer Exposition ausweichen. Vom künftigen Niederschlagsweite-regime mit Stark-regenereignissen vs. Trockenperioden stark beeinflusst werden dürfte auch die Population der Gelbbauchunke [1193] am Kirchberg bei Niederrotweil bzw. das Habitatpotential für die Art im FFH-Gebiet insgesamt.

Auswirkungen auf den Wald

Die aktuell zu beobachtenden Auswirkungen auf den Wald machen deutlich, dass der Wald in Baden-Württemberg auf großer Fläche nur eine eingeschränkte Anpassungsfähigkeit ge-genüber Klimaveränderungen aufweist. Es kann weiter davon ausgegangen werden, dass der Wald in seiner bestehenden Baumartenzusammensetzung nicht die Fähigkeit besitzt, sich ausreichend schnell an das Ausmaß und die Geschwindigkeit des beobachtbaren Kli-mawandels anzupassen. Die zu erwartenden klimatischen Veränderungen führen vermehrt zu Hitze- und Trockenschäden, Spätfrostschäden, einer Änderung der Konkurrenzverhältnis-se der Baumarten und zu Verschiebungen bei den Verbreitungsschwerpunkten aller Bau-marten.

Eine Klimaanpassung des Waldes erfordert eine gezielte Waldentwicklung und macht einen schnellen Umsetzungsbeginn von Maßnahmen erforderlich. Mit einem auf Resilienz und Kli-maanpassungsfähigkeit ausgerichteten Waldbau soll ein Wald entwickelt werden, der sich auf lange Sicht als klimarobust erweist. Im Verhältnis zu den Erhaltungszielen für die FFH-Lebensraumtypen und -Arten des Gebiets können sich aus Maßnahmen zur Anpassung des Waldes Synergien und Konflikte ergeben. So wird sich die Weiterentwicklung der Ziele des Naturnahen Waldbaus (Aufbau stabiler, standortgerechter, vielfältiger und regionaltypischer Mischbestände, Übernahme von Naturverjüngung, Pfleglichkeit der Waldarbeit, angepasste Wildbestände, Umsetzung vorsorgender Konzepte zum Alt- und Totholz (AuT), zu Lichtwald-arten und von Artenhilfskonzepten) unter den neuartigen Herausforderungen eines klimaan-gepassten Waldbaus auch in Zukunft positiv auf FFH-Lebensraumtypen und -Arten auswir-ken. Unterschiedliche Ansichten bestehen über die Baumartenzusammensetzung eines Waldes, der mit Hilfe des klimaangepassten Waldbaus entwickelt werden soll. Vom Anbau nichtlebensraumtypischer Baumarten wie Douglasie oder Rot-Eiche oder der natürlichen Ausbreitung der Douglasie in FFH-Lebensraumtypen auf bodensauren, basenarmen und trockenen Standorten kann auch eine Beeinträchtigung oder Gefährdung von FFH-Lebensraumtypen und -Arten ausgehen.

Den an der Umsetzung mitwirkenden Fachbehörden und den Waldbewirtschaftenden kann der vorliegende MaP keine Patentlösungen für einen widerspruchsfreien Umgang mit dem Erhaltungsmanagement für FFH-Lebensraumtypen und -Arten auf der einen und einem kli-maangepassten Waldumbau auf der anderen Seite anbieten. Zwischen den zuständigen Naturschutz- und Forstbehörden soll deshalb ein regelmäßiger Austausch stattfinden, bei dem Folgen des klimabedingten Waldzustands auf die Umsetzung des MaP erörtert, regional und ggfs. gebietsübergreifend beurteilt und abgestimmt werden.