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Bilanzierung der Armutspolitik im Land Bremen

Im Dokument Lebenslagen im Land Bremen - 2021 (Seite 21-24)

Infolge des 2. Armuts- und Reichtumsberichtes der Freien Hansestadt Bremen wurde auf Grundlage des Senatsbeschlusses vom 03.11.2015 das Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen (iaw) von der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport (SJFIS) mit der Bilanzierung bisheriger Aktivi-täten und Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage von benachteiligten Menschen bzw. Gruppen in Bremen beauftragt. An dieser Stelle seien wesentliche Befunde und Empfehlungen des Abschlussberichts (Armutspolitik in Bremen) kurz zusammengefasst58:

• Die Autorinnen und Autoren betonen, dass Armut nicht durch Politik beseitigt werden könne und unter den aktuellen Bedingungen auch die Sozialsysteme in Deutschland nicht in der Lage seien, Individuen beim Auftreten sozialer Risiken dauerhaft und wirksam vor dem Abrutschen in Armut zu schützen. Wesentliche Handlungsspielräume zur direkten Beeinflussung der Haushaltseinkommen und somit zur Senkung von Armutskennziffern lägen im Bereich der Lohn-, Steuer- und Grundsicherungspolitik – also auf der Bundes-ebene. Gleichwohl gebe es einen armutspolitischen Fachdiskurs, der auf die Schaffung von Teilhabe- und Verwirklichungschancen für Menschen in Armutslebenslagen in Anlehnung an den Armutsbegriff von Amartya Sen (2009) abziele. Hierfür seien die Bundesländer und Kommunen zentrale Akteure. Armuts-bekämpfung ließe sich in diesem Sinne in die drei Teildimensionen Armutsprävention (v. a. durch mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem), Auswege aus der Armut (v. a. durch Arbeitsmarktpolitik) sowie Abmilderung von Armutslagen und -folgen (v. a. durch soziale Stadtentwicklung) operationalisieren. Dabei müssten aber zwei Restriktionen beachtet werden. Einerseits seien konkrete Armutskennziffern nur sehr begrenzt durch Maßnahmen auf der lokalen Ebene beeinflussbar und bis heute gebe es kaum überzeu-gende Ansätze zur Messung von Teilhabe. Des Weiteren müssten neue Herausforderungen (z. B. Flücht-lingszuwanderung) und die finanziellen Restriktionen (z. B. durch eine Haushaltsnotlage, Haushaltssperre oder Haushaltsaufsicht) bei jedweder Armutsbilanzierung reflektiert werden.

52 Hövermann/Kohlrausch, 2020, S. 485 53 Barmer, 2021

54 Kohlrausch/Zucco, 2020, S. 10 55 Blom/Möhring, 2021, S. 481 56 Bonin et al., 2021, S. 9 57 Zinn et al., 2020 58 Böhme et al. 2018

• Als drei zentrale Felder bremischer Armutspolitik wurden im Bericht Arbeit, Bildung und Wohnen identifi-ziert. In der Bilanz der Arbeitsmarktpolitik seien Anstrengungen in den Bereichen Landesmindestlohn und die Wiederauflage von Landesbeschäftigungsprogrammen als wichtige Instrumente anerkannt worden.

Gleichwohl kritisieren die Autor:innen zum einen die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen in der Beschäftigungsförderung, zum anderen die teilweise widersprüchlichen Erwartungen und Zielset-zungen der beteiligten Akteure. Aus diesem Grund wurde eine gemeinsame und nachhaltige Strategie-entwicklung als zentrale Zukunftsaufgabe formuliert. Für die Bildungspolitik in Bremen wurde festge-stellt, dass Armutsprävention während der vergangenen Jahre einen größeren Stellenwert innerhalb der Bildungspolitik erhalten habe. Trotz einer ganzen Reihe von Anstrengungen hätten die seit Langem anhaltenden Probleme der sozialen Selektivität und Bildungsbenachteiligung aber bei Weitem nicht gelöst werden können. Im Gegenteil seien neue Herausforderungen schneller gewachsen als die entspre-chenden Bemühungen zugenommen hätten. Die Autor:innen regten an, den eingeschlagenen Weg einer Priorisierung, Verstetigung und konsequenten Umsetzung einer konsistenten politischen Strategie gegen Bildungsarmut bzw. Bildungsbenachteiligung fortzusetzen und dabei zu verstärken. Im Bereich der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik wurde konstatiert, dass mittlerweile einige wichtige Weichen-stellungen erfolgt seien, die deutlich machten, dass die große Bedeutung von Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung für eine wirksame Armutspolitik (wieder)erkannt worden sei. Die verschiedenen Interventionen trügen immerhin dazu bei, dass sich Wohnraummangel nicht weiter ausbreite; perspek-tivisch könne sogar eine leichte Entspannung der Situation erreicht werden. Als große Herausforderung wurde der Umgang mit dem wachsenden Phänomen der Segregation beurteilt. Dies betreffe sowohl die Wohnungspolitik sowie eine gezieltere Förderung der sozialen Teilhabe in den benachteiligten Quartieren als auch die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen und eine nicht nur symbolische Stärkung von Steue-rungs- und Handlungskapazitäten für die städtische Armutspolitik.

• Die Autor:innen empfahlen ferner, die Diskussion um die Armutspolitik in Bremen stärker auf der Programm- statt auf der Projektebene zu führen und Erstere stärker mit Fokus auf ihre Wirkung zu evalu-ieren. Infolge der bisherigen Armuts- und Reichtumsberichte sowie des Bürgerschaftsausschusses zur Bekämpfung und Prävention von Armut und sozialer Spaltung sei eine unübersehbare Anzahl an Einzel-projekten entstanden, die in Bezug auf konkrete Wirkungen nicht nachvollziehbar seien. Viele davon seien redundant, hätten nur indirekt mit Armut zu tun oder zu allgemein gehalten. Es sei zudem nicht immer ersichtlich, in welchem Stadium der Planung bzw. Umsetzung die Projekte sich befänden und ob es sich hier eher um Wünsche, Absichten und Vorschläge oder um konkrete Umsetzungs- und Handlungs-anweisungen bzw. Projekte handele. Zudem hätten die einzelnen Vorhaben recht unterschiedliche Reich-weiten, Adressaten und Zuschnitte. Zum Teil besäßen sie auch nur einen Modellcharakter und/oder seien so klein dimensioniert, dass kaum eine flächendeckende Wirkung vermutet werden könne. Daraus wird vom Autor:innenteam des iaw abgeleitet, dass die Prozessdimension, d. h. die Planung, Steuerung, Regulierung und Koordination von Maßnahmen der Armutsprävention in Bremen eine zentrale Heraus-forderung für die Zukunft darstellt.

Konkrete Handlungsempfehlungen aus der Bilanzierung betreffen zum einen die Prozessdimension. Methoden der gründlichen und verbindlichen Evaluation sollten sowohl bei Experimenten und Modellprojekten als auch zur Bewertung der alltäglichen Praxis systematisch eingesetzt und als transparente Diskussions- sowie Entscheidungsgrundlage der Armutspolitik genutzt werden. Die bisherige Armuts- und Reichtumsbericht-erstattung sollte daher durch Evaluationsergebnisse und „Input-Analysen“ (differenzierte Datengrundlage über die Umfänge und die Verteilung von Ressourcen auf verschiedene Zwecke und Ortsteile) ergänzt und ausdrücklich im Sinne strategischer Handlungsempfehlungen ausgebaut werden. Zum anderen werden im genannten Bericht zahlreiche Handlungsempfehlungen auf der Programmebene in den drei Politikfeldern Arbeit, Bildung und Wohnen/Stadtentwicklung formuliert, auf deren detaillierte Darstellung an dieser Stelle verzichtet wird.

BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG IM

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