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Beurteilung der Teilnahmebereitschaft an einer psychoonkologischen

Ist der psychoonkologische Betreuungsbedarf bei den Tumorpatienten ermittelt, und soll eine psychoonkologische Intervention erfolgen, so hängt diese von der Teilnahmebereitschaft der Betroffenen ab. Die Teilnahme an der Intervention ist ein Angebot an die Patienten, das angenommen oder ausgeschlagen werden kann.

Der Frage nach Gründen für eine Zustimmung oder Ablehnung sind verschiedene Untersuchungen nachgegangen.

In einer Studie an Brustkrebspatienten von Hübner (2012) an der Universitäts-frauenklinik Heidelberg sollte der Effekt einer Misteltherapie untersucht werden.

Von 1922 Frauen, die mit einer Brustkrebsdiagnose im Verlauf von 28 Monaten dort operiert wurden, konnten nur 29 (1,5 %) davon in die beabsichtigte randomi-sierte Studie eingeschlossen werden. Ablehnungsgrund für die Nichteinbeziehung in die Studie war neben Nichterfüllen der Einschlusskriterien (Ablehnung der Chemotherapie, fehlende histologische Befunde, organisatorische Gründe, Teil-nahme an anderen Studien) eine grundsätzliche Ablehnung einer Studienteilnah-me durch die Patientinnen. Bei den Ablehnungsgründen wurden objektive und subjektive Kriterien zusammengefasst. Obwohl komplementärmedizinischen Maßnahmen, wie die Misteltherapie, gerade bei Krebspatienten allgemein akzep-tiert werden, konnten nur vergleichsweise wenige Teilnehmer für diese Studie re-krutiert werden.

Im Brustzentrum der Universitätsklinik Tübingen wurden 2008 nach Auswertung der Befunde in den postoperativen Tumorkonferenzen 176 Patientinnen zur Teil-nahme an einer Therapiestudie angesprochen, von denen lediglich 66 rekrutiert werden konnten (37,5 %). Die Gründe für einen so großen Drop-Out aus der Studie werden in der Unzufriedenheit der Patientinnen mit ihrer gegenwärtigen Behand-lungssituation und in der mangelnden Aufklärung über das Studiendesign gesehen (Fugunt, Harasztosi, Fehm & Krauß, 2009).

In einer Untersuchung von Strong et al. (2008) zur psychoonkologischen Interven-tion bei Patienten mit einer depressiven Begleiterkrankung konnten von 334 nach den ausgewählten Einschlusskriterien selektierten Patienten nur 200 für die

ran-domisierte Studie gewonnen werden, d.h. 40 % der Befragten lehnten die Teilnah-me ab.

Ross et al. (2009) untersuchten 592 dänische postoperative Patienten mit kolorektalen Tumoren. In die psychoonkologische Interventionsstudie mit Kont-rollarm konnten nur 265 Patienten (44,8 %) eingeschlossen werden. 179 Patienten (30,2 %) brachen den Kontakt zum Studienzentrum ohne Angabe von Gründen sofort ab, 148 Patienten (25 %) verweigerten die Teilnahme an der Untersuchung.

Eine schwedische Population krebskranker Patienten wurde von Johansson et al.

(2008) in Form einer Intervention mit individuellem Support oder Gruppenthera-pie im Vergleich zur Standardbehandlung untersucht. Von den 687 erreichten Pati-enten lehnten 202 (29 %) die Teilnahme an der Studie ab. Die Ablehner waren meist ältere Patienten. 142 Patienten brachen die Studie ab (21 %), wobei 70 von ihnen die weitere Teilnahme verweigerten und 72 Patienten zwischenzeitlich ver-starben.

Given et al. (2004) führten eine randomisierte Studie an Patienten mit soliden Tu-moren, die sich einer Chemotherapie unterziehen mussten, durch, um den Effekt einer kognitiv-behavioralen Intervention auf die Reduzierung der Nebenwirkungen der Chemotherapie zu untersuchen. Für die Teilnahme an der Studie wurden 609 Patienten untersucht, an der aber nur 237 teilnahmen. Von den 372 Nichtteilneh-mern waren 155 (25,5 %) an der Studie nicht interessiert.

An einer psychoonkologischen Gruppenintervention bei männlichen Krebspatien-ten ab 60 Jahren mit Prostatakarzinom und gastrointestinalen Tumoren waren von 473 ausgesuchten Patienten nur 130 (27,5 %) zu einer Befragung über psychoon-kologische Angebote bereit. Von diesen entschieden sich 51 Teilnehmer (10,8 %) für eine Gruppentherapie, die die Lebensqualität der Patienten, ihre Angst- und Depressionswerte verbessern sollte. 292 Patienten (61,7 %) lehnten sowohl die Befragung als auch die Gruppentherapie ab. Trotz persönlicher Gespräche mit den betroffenen Karzinompatienten konnte keine höhere Zustimmung der älteren Tu-morpatienten erreicht werden. Zudem erbrachte die psychoonkologische Gruppen-intervention – obwohl von den Patienten positiv beurteilt – aufgrund des Krank-heitsverlaufs im Vergleich mit der Kontrollgruppe, die ein Treatment as usual

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(TAU) erhielt, katamnestisch beurteilt, eher eine Verschlechterung der Lebensqua-lität (erfasst anhand des EORTC QLQ-C30) (Schneider et al., 2016).

In einer Arbeit des Gesundheitsforums Leipzig wurden 78 Patienten zu ihrer Moti-vation bezüglich einer Studienteilnahme oder -ablehnung befragt. Von den Inter-viewten gaben 43 an, dass ihr Arzt am besten wisse, ob es sinnvoll sei, an der Stu-die teilzunehmen. Die ärztliche (Fremd-) Entscheidung über Stu-die StuStu-dienteilnahme besitzt einen hohen Stellenwert (Vertrauen). 48 Patienten nannten als Grund für die Studienteilnahme uneigennützige Beweggründe, z.B. durch die Studienergeb-nisse anderen Patienten mit der gleichen Erkrankung helfen zu wollen. Wie erwar-tet, argumentierten insbesondere Frauen mit höherer Bildung, besserer Complian-ce und guter sozialer Einbindung in die Familie in dieser Richtung. Zur Teilnahme an einer Studie mit offenem Design sind Patienten eher motiviert als an einer placebokontrollierten Studie. Ablehner einer Studie (Ablehnerquote 25 %) sind eher ältere als jüngere Patienten und eher Raucher als Nichtraucher (Schmidt, 2012).

Mögliche Barrieren, die Patienten von der Teilnahme an einer Studie abhalten und Maßnahmen, um diese zu reduzieren, sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1 Barrieren zur Teilnahme an einer Studie aus der Sicht des Patienten, modifiziert Hirth (Schmidt, 2012, S. 6)

Barrieren für eine Studienteilnahme aus Patientensicht

Maßnahmen für eine Studienteilnahme

Individueller Aufwand

Schweregrad der Erkrankung

Kein Wunsch nach Behandlungsände-rung

allgemeine Unzufriedenheit mit der Behandlung

Fehlende familiäre Unterstützung

Sorge über mögliche Nebenwirkungen

Geringes Verständnis der Studienin-halte

Unrealistische Erwartungen

Angst vor Randomisierung

Belastungen durch umfangreiche Vor-untersuchungen

Fragebogenvielfallt

Angebote, um z.B. logistische Proble-me zu verringern (z.B. Fahrkostener-stattung) (vgl. Anhang, 8.4.1 )

Altruismus als Motivation für Studien-teilnahme bestärken

motivierende Gesprächsführung vor Studienbeginn

Kompetente und verständliche Auf-klärung über die Studie, insbesondere im persönlichen Gespräch (z.B. Stan-dardtherapie bedeutet nicht Nichtthe-rapie) (vgl. Seite 68)

Beachtung der individuellen Bedürf-nisse des Patienten

Eine weitere Hilfe zur Entscheidungsfindung für die Teilnahme an einer Studie bei Krebspatienten bietet das Informationsblatt des Deutschen Krebsforschungszent-rums (Krebshilfe, 2013).

Auch in der bereits erwähnten Untersuchung von Berend (2005) wurden bei gast-rointestinalen Tumorpatienten die Items zur somatischen, psychischen und sozia-len Belastung der Tumorpatienten herausgefiltert, die eine Vorhersage des Patien-tenwunsches in Bezug auf die psychoonkologische Betreuung ermöglichten.

Demzufolge wurde dieser Fragebogen im Ergebnis der Studie modifiziert. Das Be-sondere der Untersuchung bestand darin, dass Patienten sich entscheiden konnten, ob sie aktuell eine psychoonkologische Unterstützung wünschten (nur bei 4,5 % der Patienten) oder eine solche zum gegenwärtigen Zeitpunkt ablehnten (65,2 % der Patienten). 30,3 % der Patienten ließen die Entscheidung über eine psychoon-kologische Unterstützung bei der Befragung aus Unentschlossenheit offen. Wurden dieselben Patienten in dieser Studie jedoch dahingehend befragt, ob sie sich zu einem späteren Zeitpunkt eine psychoonkologische Unterstützung vorstellen könn-ten, so gaben 48,5 % der Tumorpatienten an, dass dies der Fall sei. 31,8 % der Pa-tienten mit gastrointestinalen Tumoren waren auch gegenüber einer Inanspruch-nahme einer psychoonkologischen Unterstützung zu einem späteren Zeitpunkt unentschlossen. Nur 19,7 % der Kranken lehnten eine psychoonkologische

Betreu-58 ABLAUF UND BESONDERHEITEN DER PSYCHOONKOLOGISCHEN STUDIE

ung auch zu einem späteren Zeitpunkt ab.

Die Untersuchung ergab daher große Meinungsunterschiede der Tumorpatienten in Bezug auf die Teilnahme an einer psychoonkologischen Intervention. Viele von ihnen verhalten sich abwartend und nur eine Minderheit lehnt eine psychologische Unterstützung generell ab. Diese Patientengruppe gibt auch nach Auswertung der Fragebogenitems sowohl nach dem Schwellen- und als auch nach dem Summenkri-terium des HFK an, dass bei ihnen kein psychoonkologischer Betreuungsbedarf vorliegt. Diejenigen Patienten, die sich bezüglich einer Teilnahme an einer psycho-logischen Unterstützung zunächst abwartend verhielten, hatten zu diesem Zeit-punkt nach den Kriterien des HFK bereits einen Bedarf, so dass Unentschlossen-heit nicht als direkter Abweisungsgrund für eine psychoonkologische Behandlung gewertet werden kann.

Neben der Ablehnerquote gibt es in psychoonkologischen Studien auch die Zahl der Abbrecher infolge von Verschlechterung des Krankheitsbildes oder Tod des Patienten. Oft zwingen Nebenwirkungen der Chemotherapie zum Abbruch einer Behandlung. Es ist schwer, objektive Gründe, wie organisatorische Probleme oder den Krankheits- und Therapieverlauf von subjektiven Beweggründen der Patien-ten, die sich nicht mehr in der Lage zu fühlen mitzumachen, zu trennen.

Aus dem Literaturüberblick geht hervor, dass für eine psychoonkologische Inter-vention bei krebskranken Patienten die Beurteilung des Betreuungsbedarfs in Form der Bewertung ihrer unter Umständen subsyndromalen Symptomatik erfor-derlich ist. Nicht alle belasteten Tumorpatienten entscheiden sich jedoch für eine Intervention. Es muss festgestellt werden, ob und in welcher Weise die teilneh-menden Krebskranken unter der begleitenden medizinischen Behandlung von ei-ner solchen Intervention profitieren (Verminderung ihrer Angst- und Depressi-onswerte, Reduktion ihrer somatischen, psychischen und sozialen Belastung, Verbesserung ihrer Lebensqualität).

Daraus resultieren für unsere zweite Voruntersuchung folgende Fragestellungen:

Welche Patienten willigen in eine psychoonkologische Intervention ein? Sind es nur die Betreuungsbedürftigen oder auch Patienten bei denen der Betreuungsbe-darf bei ihrer Aufnahme in die Akutklinik noch nicht zum Ausdruck kommt? Was

motiviert die Patienten zu einer Teilnahme an einer psychoonkologischen Inter-vention? Was hält sie davon ab?

3.4 Fragestellungen zur Wirkung und zum Verlauf einer