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Aussagen zur Teilnahmebereitschaft an einer psychoonkologischen

7.2.1 Ergebnis

Die Teilnahmebereitschaft an einer psychoonkologischen Intervention während der Chemotherapie stimmt nicht mit dem fremdeingeschätzten psychoonkologi-schen Betreuungsbedarf dieser Patienten überein. 38 % der Untersuchten lehnen eine psychoonkologische Betreuung ab, darunter 40% der Patienten, die eigentlich ei-ner psychoonkologischen Intervention bedürften.

7.2.2 Diskussion

Von den Patienten, die die Voraussetzungen erfüllten, um in die Studie eingeschlos-sen zu werden, lehnten 38,0 % eine Teilnahme von vornherein ab. Von den verblei-benden 62,0 % der Patienten, die in die Studie aufgenommen wurden, brachen 30,8 % ihre Teilnahme später ab, so dass 31,2 % Teilnehmer verbleiben, die an Un-tersuchung bis zum Ende partizipiert haben. Diese Ergebnisse entsprechen der Teilnahmebereitschaft in anderen Untersuchungen (Ross, Boesen, S & C, 2002;

Johansson et al., 2008; Fugunt et al., 2009).

Neben der diagnostischen Beurteilung, ob ein psychoonkologischer Betreuungsbe-darf vorliegt oder nicht, beBetreuungsbe-darf es der Zustimmung des Patienten, ob er an einer psychoonkologischen Intervention teilnehmen möchte. Die Entscheidung des Pati-enten hängt dabei auch davon ab, welchen zusätzlichen Aufwand er für sich durch eine Teilnahme erwartet. So können fortgesetzte Kontrollen der Angst- und

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pressionswerte im Verlauf der Intervention erforderlich sein, was den Patienten Zeit und Mühe kostet (vgl. Seite 86 f.). Unter den Patienten, die die Teilnahme an einer psychoonkologischen Untersuchung und Intervention in der Studie abgelehnt haben, gaben die meisten von ihnen an, dass das Ausfüllen der Fragebögen bzw.

das Interview zur Erfassung ihrer Belastbarkeit zu zeitaufwendig und zu anstren-gend sei.

Das würde bedeuten, dass sich die Patienten durch die Diagnostik ihres psychoon-kologischen Betreuungsbedarfs zusätzlich belastet fühlen. Darüber hinaus nehmen die Patienten vermutlich an, dass die psychoonkologische Intervention in ihrem Verlauf ebenfalls für sie belastend sei.

Die Bereitschaft der Patienten an einer psychoonkologischen Intervention teilzu-nehmen, hängt also von ihren Erwartungen ab. Es ist anzuteilzu-nehmen, dass die meis-ten Patienmeis-ten keine klare Vorstellung vom Charakter einer psychotherapeutischen Betreuung haben und daher bei ihnen diesbezüglich keine konkreten Therapieziele vorliegen. Durch die Etablierung der psychoonkologischen Betreuung tumorkran-ker Patienten auf Evidenzbasis, könnte eine größere Akzeptanz dieser Betreuungs-form in Zukunft erwartet werden.

In einer Untersuchung von Teilnehmern einer offenen Studie waren viele Patienten fremdmotiviert („ihr Arzt wisse am besten was für sie gut sei“), so dass Eigenmoti-vation und aktive Teilnahme in den Hintergrund treten (Schmidt, 2012).

Ursachen für eine geringe Teilnahmebereitschaft könnten auch das Alter der Pati-enten oder ein eingeschränkter Funktionszustand sein. Ältere PatiPati-enten und sol-che, die in ihrer körperlichen Funktion eingeschränkt waren, gehörten in unserer Untersuchung zu den Ablehnern der Intervention (vgl. Abschnitt 5.4.4). Dies ent-spricht auch den Beobachtungen von Schneider et al. (2016) die trotz persönli-chem Gespräch keine Zustimmung von älteren Patienten erreichen konnten. Auch Johansson et al. (2008) berichtet von älteren Ablehnern der Studie.

Die Teilnahmebereitschaft der Patienten kann sich im Verlauf des Krankheitspro-zesses ändern. Dafür gibt es Hinweise in der Studie von Berend (2005), in der be-treuungsbedürftige Patienten gegenüber einer psychoonkologischen Intervention zunächst unentschlossen sind, und an einer solchen Intervention zu einem

späte-ren Zeitpunkt teilnehmen würden. Wähspäte-rend der harte Kern der Interventions-ablehner bei seiner Meinung bleibt und offenbar auch keinen psychoonkologischen Betreuungsbedarf besitzt, gibt es in unserer Studie Ablehner, die durchaus be-treuungsbedürftig sind, bei denen aber die Motivation zur Behandlung erst aufge-baut werden muss.

Teilnehmer der Intervention unterscheiden sich von den Ablehnern vor allem da-durch, dass bei ihnen höhere psychische Belastungen in der PO-Bado geltend ge-macht werden, d.h. dass bei ihnen vermutlich ein höherer Leidensdruck vorliegt (vgl. Abbildung 11). Hätten wir in unserer Studie nur die Patienten eingeschlossen, die initial einen psychoonkologischen Betreuungsbedarf aufwiesen, so wären viele Teilnehmer unbehandelt geblieben, bei denen sich ein solcher Interventionsbedarf im Verlauf der Chemotherapie eingestellt hat. Es kommt daher darauf an, nicht nur von der Erfassung der psychoonkologischen Belastung auszugehen, sondern auch die Patienten zu betreuen, die ihren psychoonkologischen Betreuungsbedarf mo-mentan nicht so hoch einschätzen.

Die Teilnahme an der psychoonkologischen Intervention ist in der Regel vom Wunsch des Patienten geprägt, sich unterstützen zu lassen. Professionelle Hilfe dazu wird patientenseitig in erster Linie von den Ärzten erwartet (Singer et al., 2007). Es kommt beim Psychoonkologen darauf an, möglichst frühzeitig ein gutes Patienten-Therapeuten-Verhältnis herzustellen, um die Interventionsmöglichkei-ten zu verbessern und den PatienInterventionsmöglichkei-ten mündig erscheinen zu lassen.

7.3 Veränderung des psychoonkologischen Betreuungsbedarfs im Verlauf der Intervention

7.3.1 Ergebnis

Der psychoonkologische Betreuungsbedarf verändert sich kurzfristig im Verlauf der Intervention. Sowohl Zunahme als auch Abnahme des Betreuungsbedarfs er-reichen in der Mitte der Intervention ihren Höhepunkt.

140 DISKUSSION

7.3.2 Diskussion

In den in S3-Leitlinie der Psychoonkologie untersuchten Studien zur psychoonko-logischen Intervention wurden überwiegend Querschnittuntersuchungen vorge-nommen, bei denen Stichproben behandelter Patienten mit einer Kontrollgruppe verglichen wurden. Diese Querschnittvergleiche wurden kurz- (unmittelbar nach der Intervention), mittel- (sechs Monate danach) und langfristig (über sechs Mona-te heraus) durch Nacherhebungen verfolgt. Die Kontrollgruppen erhielMona-ten die übli-che Versorgung oder eine unspezifische Aufmerksamkeitszuwendung (Leitlinienprogramm Onkologie, 2014a).

Die Bewertung der Belastung durch die Patienten ist nicht immer stabil, sondern kann sich relativ schnell ändern. In der Literatur wird darauf nicht direkt Bezug genommen, sondern nur festgestellt, dass es im Verlauf eines längeren Krankheits-prozesses Phasen mit unterschiedlichem psychoonkologischen Betreuungsbedarf gibt (vgl. Abschnitt 2.1.2). Der Betreuungsbedarf ist in der Diagnostikphase, wäh-rend der Rehabilitation, bei einem Rezidiv bzw. dem Auftreten einer Zweiterkran-kung sowie bei einer Verschlechterung der Prognose besonders hoch. Wir fanden aber Veränderungen des psychoonkologischen Betreuungsbedarfs bereits inner-halb der kurzen Chemotherapiephase (Behandlungsphase).

Solche Veränderungen werden in den folgenden Fallbeispielen dargestellt.

Eine 75-jährige Patientin der Gesprächsgruppe hat ein metastasierendes Pankre-askarzinom und einen begleitenden Hypertonus. Sie ist verheiratet und hat 2 Kin-der. Körperlich ist sie nicht deutlich eingeschränkt. Die Patientin zeigt eine hohe Betreuungsbedürftigkeit zum Zeitpunkt t1 (PO-Bado psychische Belastung: Cut-off-Kriterium 2x3). Sie ist in den somatischen und sozialen Items jedoch unauffäl-lig. Bis zum Interventionsbeginn zum Zeitpunkt t3 bleibt die Patientin betreuungs-bedürftig, wechselt jedoch bei der psychischen Belastung in ein Cut-off Kriterium:

1x4. Im weiteren Verlauf der Intervention ist die Patientin danach kontinuierlich nicht mehr betreuungsbedürftig.

Eine 76-jährige Patientin der Gesprächsgruppe leidet ebenfalls an einem metasta-sierten Pankreaskarzinom und ist in palliativer Behandlung. Sie ist alleinstehend ohne Kinder und klagt über Einschränkungen ihrer körperlichen

Leistungsfähig-keit. Zeitweise muss sie Bettruhe einhalten. Sie gibt bis zum Zeitpunkt t3 einen Betreuungsbedarf mit auffälligen somatischen und psychischen Belastungen an, die eher abklingen, wobei zum Zeitpunkt t3 auch ein Betreuungsbedarf aufgrund von sozialen Belastungen besteht. Im Verlauf zeigt sich, dass zu den Testzeitpunk-ten t6, t8, t10, t12 sowie katamnestisch kein Betreuungsbedarf laut PO-Bado be-steht. Zwischenzeitlich wird aufgrund somatischer Belastung zu den Testzeitpunk-ten t7, t9, t11 und t13 wieder ein Betreuungsbedarf ermittelt.

Ein 49-jähriger Patient der Entspannungsgruppe wird aufgrund eines metastasie-renden Rektumkarzinoms palliativ behandelt. Er ist verheiratet ohne Kinder und ohne funktionelle Einschränkung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit. Er wird kontinuierlich von der 1. bis zu 11. Sitzung aufgrund anhaltender somatischer Be-schwerden und Schlafprobleme als betreuungsbedürftig in der PO-Bado eingestuft.

Zum Abschluss der Intervention (Zeitpunkte t12, t13) wird bei ihm kein Be-treuungsbedarf festgestellt.

Eine 76-jährige Patientin der Entspannungsgruppe wird wegen eines Pankreas-karzinoms palliativ behandelt. Sie ist verwitwet und hat 5 erwachsene Kinder. Ihre körperliche Beweglichkeit ist eingeschränkt und sie muss zeitweilig Bettruhe ein-halten. Sie wirkt vom Zeitpunkt t2 bis t4 aufgrund somatischer und psychischer Belastungen betreuungsbedürftig. Nachdem sie zwischenzeitlich ihren Be-treuungsbedarf verliert, wird sie zu den Zeitpunkten t8, t9, t12 und t13 wegen größerer oder neu aufgetretener psychischer Probleme wieder betreuungsbedürf-tig.

Ein 77-jähriger Patient der Informationsgruppe wird wegen eines metastasierten Magenkarzinoms palliativ behandelt. Er ist verheiratet und hat 2 erwachsene Kin-der. Aktuell ist er in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit altersentsprechend nicht weiter eingeschränkt. Dieser Patient hat während seiner gesamten Chemo-therapie ohne direkte psychotherapeutische Intervention keinen kontinuierlichen psychoonkologischen Betreuungsbedarf.

Ein 81-jähriger Patient der Informationsgruppe bekam wegen eines metastasie-renden Gallenblasenkarzinoms eine palliative chemotherapeutische Behandlung.

Er ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. In seiner körperlichen

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tungsfähigkeit ist er altersentsprechend, aber nicht darüber hinaus eingeschränkt.

Zu Beginn der Intervention erscheint der Patient zu den Testzeitpunkten t1-t4 nicht betreuungsbedürftig. Im weiteren Verlauf der Intervention von t5 bis zum Ende der Behandlung wird er jedoch aufgrund somatischer und psychischer Belas-tungen betreuungsbedürftig.

Unsere Studie beruht auf einer Längsschnittuntersuchung gastrointestinaler Tu-morpatienten während ihrer Chemotherapie innerhalb eines kurzen Zeitraums (13-26 Wochen). Wir fanden bei unseren Patienten der Gesprächs- und Entspan-nungsgruppe durch die Intervention eine Abnahme ihres psychoonkologischen Betreuungsbedarfs im Vergleich zur Informationsgruppe. Verlaufsbezogen trat bei einigen Patienten erst während der Intervention ein Betreuungsbedarf ein, so dass über den richtigen Zeitpunkt eines Behandlungsbeginns diskutiert werden kann.

Ursache für die Zunahme des psychoonkologischen Betreuungsbedarfs im Verlauf kann entweder eine (objektive) Belastung sein (z.B. Nebenwirkungen der Chemo-therapie, Verschlechterung des Krankheitsbildes) oder der Patient verändert die Bewertung seiner Situation, was kurzfristig eher möglich ist. In der Informations-gruppe finden sich keine verlaufsbezogene Veränderungen des psychoonkologi-schen Betreuungsbedarfs. Das spricht eher dafür, dass durch die Intervention die Bewertung der belastenden Faktoren verändert wird.

Die Veränderung des psychoonkologischen Betreuungsbedarfs findet in unserer Untersuchung in der Mitte der Intervention statt. Das steht damit in Zusammen-hang, dass die Patienten unterschiedliche Vorstellungen über ihre Behandlung und den Therapieablauf haben. Einige Patienten korrigieren ihre bestehenden Befürch-tungen nach unten und verlieren somit ihre Betreuungsbedürftigkeit. Bei anderen Patienten nehmen die Ängste und Befürchtungen eher zu, so dass sie betreuungs-bedürftig werden. Offenbar sind für diese Bewertungsänderungen vier bis fünf Therapiesitzungen erforderlich, wobei durch den intervenierenden Einfluss der Gesprächstherapie diese Patienten schon früher zum Zeitpunkt t4 bis t5 (zwei The-rapiesitzungen) entlastet sind. Die Patienten der PMR-Gruppe verringern erst ge-gen Ende der Intervention zu den Zeitpunkten t9 bis t10 ihren Betreuungsbedarf, was offenbar vom erreichten Übungserfolg der Entspannungsmethode abhängt (vgl. Abbildung 15). Der relativ rasche Abfall des Betreuungsbedarfs in der

Ge-sprächsgruppe hängt vermutlich nicht mit dem Thema zusammen, das von den fünf vorgegeben randomisierten Schwerpunkten ausgewählt wurde, sondern ist Ausdruck der direkten Kontaktaufnahme des Patienten zum Therapeuten, welche für die Tumorpatienten entlastend wirkt.

7.4 Vergleich der psychoonkologischen Interventionsformen