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2.5. Methoden zur Immunprophylaxe und zur serologischen Kontrolle

2.5.1.1.1. Bestandsspezifische Vakzinen

Unter „bestandsspezifischen bzw. stallspezifischen Vakzinen“ versteht man Inaktivat-Impfstoffe, die „auf der Basis von aus einem Tier oder Tieren ein- und desselben Tierbestandes isolierten pathogenen Organismus und Antigenen hergestellt sind und nur für die Behandlung dieses Tieres oder dieses Tierbestandes am selben Ort benutzt werden“ dürfen (90/677/EWG, Art.1.3. [1]). Das Tierseuchengesetz regelt dies für die Bundesrepublik Deutschland in § 17c Abs.1 [2] und § 17d Abs. 2 (BALJER et al. 1993; WIELER u. SCHWARZ 2000).

Bedarf an dieser Art Vakzine besteht nach wie vor, da viele bakterielle Infektionskrankheiten (darunter die durch Pasteurella multocida ausgelöste Geflügelcholera) weltweit hohe wirtschaftliche Verluste verursachen und die kommerziellen Vakzinen häufig nicht den gewünschten Infektionsschutz bieten, aufgrund hoher Antigenvariabilität und geringer Kreuzimmunität zwischen den Stämmen (WIELER u. SCHWARZ 2000). Die industriellen Impfstoffhersteller orientiert sich an hohen Verkaufszahlen, daher fehlen für Erreger mit großer Serovarvielfalt oder denen, die nur selten auftreten, geeignete Impfstoffe, da die Nachfrage nicht gegeben ist (BALJER et al. 1993).

Stallspezifische Vakzinen bedürfen als Ausnahme von der Tierimpfstoffverordnung keiner Zulassung oder Chargenprüfung; auch ein Wirksamkeitsnachweis muss nicht geführt werden. Das Tierseuchengesetz schreibt die - von der Industrie geforderte - vollständige Inaktivierung der Erreger bisher nicht vor, jedoch dass sie nur in den Beständen verwendet werden dürfen, aus denen die Antigene stammen. Eine Herstellungserlaubnis erteilt die zuständige Landes-Veterinärbehörde, wenn der Beantragende die entsprechende Sachkunde, Zuverlässigkeit und technische Laborausstattung vorweisen kann. Über die Abgabe der Impfstoffe muss Buch geführt werden (Tierbesitzer, Tierart, Menge und Abgabedatum). Theoretisch kann auch der niedergelassene Tierarzt aufgrund seines Dispensierrechts bestandsspezifische Vakzinen herstellen; meistens reichen hier aber für eine behördliche Genehmigung Sachkunde und technische Ausstattung nicht aus. Somit werden diese Impfstoffe vor allem in Untersuchungsämtern, diagnostisch tätigen Universitätsinstituten und einigen spezialisierten Firmen hergestellt (BALJER et al.

1993; JUNGBÄCK 2000; WIELER u. SCHWARZ 2000).

Bei der Herstellung muss besonders darauf geachtet werden, dass der ätiologisch relevante Erreger isoliert und differenziert wird; danach muss sich der Entnahmezeitpunkt und die Art der Probe richten ebenso wie die Anzuchtmedien und –bedingungen. Grundsätzlich sollten die Proben von akut erkrankten Tieren stammen. Die Inaktivierung erfolgt durch Hitze oder Chemikalien, meist Formaldehyd; auch hier muss die Individualität des Keims beachtet werden. Im Endprodukt darf nach Europäischem Arzneibuch 0,05 % freies Formalin verbleiben (JUNGBÄCK 2000). Die Forderung nach vollständiger Abtötung führt oft zu Bakterienlysis und Proteindenaturierung, die sich wiederum nachteilig auf die Antigenität auswirken. In der Regel wird auf Bakteriendichten zwischen 108 und 1011 KBE/ml eingestellt und als Adjuvantien handelsübliche Präparate wie Aluminiumhydroxid oder Mineralöl zugesetzt. Der Herstellungsprozess wird mit einer Sterilitätsprüfung abgeschlossen und die Vakzinen sind zum umgehenden Verbrauch bestimmt (BALJER et al. 1993; JUNGBÄCK 2000; WIELER u. SCHWARZ 2000).

Parallel zur Herstellung werden die Stämme durch Gefriertrocknung konserviert und für Nachbestellungen in der Stammsammlung behalten (BALJER et al. 1993).

Typische Anwendungsgebiete stellen Darm-, Atemwegs- und Hauterkrankungen dar (BALJER et al. 1993). Die Applikation erfolgt meist entsprechend der Infektionsroute und je nachdem, ob ein systemischer oder ein lokaler Schutz gewünscht wird. Bei Massenimpfungen beim Geflügel bietet sich in einigen Fällen die Impfung über das Trinkwasser an, obwohl hier hohe Dosen und Mehrfachapplikation nötig ist und die Einzeltierdosis schwer eingeschätzt werden kann. Von den parenteralen Verabreichungsmöglichkeiten ist die subkutane die praktikabelste; Vorteil hier sind länger anhaltender Impfschutz mit definierten Einzeldosen und der Aufbau einer humoralen Immunität.

Eine Erfolgskontrolle ist sehr schwierig, da in der Situation des Einsatzes stallspezifischer Vakzinen meist mehrere Bekämpfungsstrategien gleichzeitig angewendet werden und man die Impfwirkung nicht genau differenzieren kann.

Zudem sind die Bedingungen meist alles andere als gleichwertig. Eine Erfolgskontrolle kann durch Messung der Morbidität und Mortaliät klinisch, durch Ausscheidungsraten und Organbesiedelung bakteriologisch und durch Messung der Antikörper, Zytokine oder T-Zellen immunologisch vorgenommen werden (WIELER u. SCHWARZ 2000).

Beispiele für erfolgreiche Anwendung bestandspezifischer Impfstoffe sind E. coli bei Kälbern als Schluckimpfung, wenn an einem Durchfallgeschehen keine Keime mit K99-Antigen beteiligt sind, bei Schweinen als Schluckvakzine gegen den Metritis-Mastitis-Agalaktie (MMA)- Komplex und bei Hunden und Katzen bei rezidivierenden Durchfällen mit hämolysierenden Keimen. Auch Salmonellen-Vakzinen werden bestandsspezifisch bei Kälbern und Brieftauben angewandt sowie Staphylokokken bei Schweinen, Hunden und Pferden und Pasteurellen bei Kälbern (BALJER et al.

1993).

Die Vorteile stallspezifischer Vakzinen liegen darin, dass stets der für das Krankheitsgeschehen verantwortliche Erreger für die Vakzine verwendet wird, der Impfstoff innerhalb von zwei Wochen (evtl. zuzüglich der Zeit für die Erregerisolierung) verfügbar ist, da die umfangreichen staatlichen Prüfungen entfallen. Auf individuelle Erfordernisse kann flexibel eingegangen werden, zum Beispiel können Änderungen im Erregerspektrum schnell berücksichtigt werden.

Nachteilig ist, dass nur einfache Rezepturen, meist bakterielle Ganzzellvakzinen, und nur begrenzt Kombinationen verschiedener Serovare möglich sind. Stallspezifische Vakzinen sind oft teurer als industrielle; die maximal zu impfende Tierzahl liegt also nicht sehr hoch. Für Wiederholungsimpfungen muss der Impfstoff neu hergestellt werden, da eine Vorratshaltung nur begrenzt möglich ist. Über die Risiken muss stets aufgeklärt werden und die Vakzinierung unter tierärztlicher Kontrolle erfolgen, da keine Verträglichkeits- und Wirksamkeitsnachweise geführt werden müssen.

Insgesamt gesehen verspricht die bestandsspezifische Impfung bei richtiger Indikation einen großen Erfolg und schafft ein Vertrauenspolster bei den Tierbesitzern. Sie bietet einen Einstieg in weitere gesundheitsverbessernde Maßnahmen im Betrieb und ist heute wieder stärker gefragt (BALJER et al. 1993).