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2.1.1 Prävalenz

Die Prävalenz ist eine Kennzahl der deskriptiven Epidemiologie. Sie gibt die Anzahl der erkrankten Individuen zu einem definierten Zeitpunkt an. Meist wird sie als Prävalenzrate dargestellt, also als Quotient der Anzahl der erkrankten Individuen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu der Zahl der Individuen des ausgewerteten Kollek-tivs. Die Prävalenz wird meist in Prozent angegeben (HABERMEHL 1986; HARMS 2012; HENSE et al. 2012; BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE 2006 a).

2.1.2 Inzidenz

Die Inzidenz als weitere epidemiologische Kennzahl gibt die Anzahl der Neuerkran-kungen in einem definierten Zeitraum innerhalb einer Population an. Die Inzidenz repräsentiert den prozentualen Anteil der Tiere, der innerhalb einer definierten Zeit-spanne neu erkrankt (HABERMEHL 1986; HENSE et al. 2012; BROCKHAUS EN-ZYKLOPÄDIE 2006 b).

Die Inzidenz und Prävalenz sind über die Erkrankungsdauer und -häufigkeit mitei-nander korreliert. Kommt eine Erkrankung oft vor, ist aber nur von kurzer Dauer, so ist die Inzidenz hoch und die Prävalenz relativ niedrig: Die Inzidenz ist hoch, da die Wahrscheinlichkeit für Neuerkrankungen durch das häufige Auftreten der Krankheit ansteigt. Allerdings ist dabei die Wahrscheinlichkeit, zu einem beliebig gewählten Zeitpunkt eine große Anzahl an kranken Tieren zu detektieren, aufgrund der kurzen Krankheitsdauer gering. Umgekehrt ist die Prävalenz umso höher, je länger eine Krankheit andauert (Kreienbrock u. Ruddat 2011).

2.1.3 Positiver und negativer prädiktiver Wert

Der positive prädiktive Wert wird auch als positiver Vorhersagewert bezeichnet. Die-ser gibt den Anteil der korrekt mittels Test als positiv erkannten Individuen an den insgesamt als positiv eingestuften Individuen an. Der Wert sagt in dem Fall dieser Studie aus, wie viele Tiere, die als lahm erkannt wurden, tatsächlich lahmten. Der negative prädiktive Wert gibt umgekehrt an, wie viele der mittels Test als negativ ein-gestuften Individuen tatsächlich negativ sind. In dieser Studie ist dies der prozentuale Anteil der als lahmheitsfrei beurteilten Tiere, die tatsächlich gesund waren (KREIENBROCK u. RUDDAT 2011).

2.1.4 Klauenkrankheiten

Eine Krankheit wird als eine Beeinträchtigung der normalen Lebensabläufe beschrie-ben, hervorgerufen z. B. durch eine mangelhafte Organfunktion (BROCKHAUS EN-ZYKLOPÄDIE 2006 c). Durch eine variable Anzahl von Befunden (siehe 2.1.6.) kann auf ein Krankheitsbild geschlossen werden (DER VOLKSBROCKHAUS 1964;

BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE 2006 d).

Klauenkrankheiten lassen sich in infektiöse und nicht infektiöse Erkrankungen eintei-len. Zu den infektiösen Klauenkrankheiten zählen alle Erkrankungen, bei denen als Auslöser Infektionserreger beteiligt sind, wie z. B. die Ballenhorn- und Klauenfäule, die Dermatitis digitalis (Mortellaro`sche Krankheit) und die Zwischenzehenphlegmo-ne. Die nicht infektiösen Klauenkrankheiten entstehen durch Fütterungsfehler, Über-belastung oder mechanische Reizungen, z. B. eine mangelhafte Stallbeschaffenheit.

Zu dieser Gruppe gehören die Klauenrehe, die Sohlengeschwüre, Sohlenwandge-schwüre (Weiße Linie Defekte) und Tylome (KÜMPER 2000; FIEDLER und MAIERL 2004; GASTEINER 2005; AID-INFODIENST 2011).

2.1.5 Lahmheit

Die Lahmheit stellt einen Befund dar, d. h. Lahmheit ist ein nach einer Untersuchung festgestellter Zustand (DUDEN ONLINE 2014; BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE 2006 d). Eine Lahmheit ist der sichtbare Ausdruck einer Krankheit (MÜLLER 2011). Dabei wurde eine Lahmheit von einigen Autoren allgemein als eine Abweichung oder eine Störung des normalen Gangbildes oder auch als Gangabnormalität beschrieben (GROEHN et al. 1992; BEUSKER 2007; BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE 2006 e).

Andere Quellen beschrieben eine Lahmheit drastischer, nämlich als hemmenden Zustand oder auch als Behinderung, so dass die Bewegung, insbesondere das Lau-fen, erschwert oder unmöglich gemacht wurde (O`CALLAGHAN 2002; MERRIAM WEBSTER 2014; OXFORD LEARNER`S DICTIONARY 2014). Dabei belasteten Tie-re die betroffene Gliedmaße möglichst wenig (O`CALLAGHAN 2002; NEVEUX et al.

2006). Dies zeigt, dass die Lahmheit kein eindeutig definierter Zustand ist, sondern in ihrer Intensität und Schwere variiert. Daher ist eine Abgrenzung zu dem häufig syno-nym genutzten Begriff der Bewegungsstörung nicht eindeutig zu treffen.

Auf Grundlage der Literatur wird in dieser Arbeit Lahmheit definiert, als ein Zustand, der das Tier offensichtlich in seiner Bewegung derart einschränkt, dass es sich sicht-bar erschwert fortbewegt oder ihm eine Bewegung unmöglich wird. Dabei ist deutlich, dass das Tier bestrebt ist, weniger oder gar kein Gewicht auf die betroffene(n) Gliedmaße(n) zu bringen.

Die Bewegungsstörung wird in Abgrenzung zur Lahmheit als eine Unregelmäßigkeit im Bewegungsablauf definiert. Dabei ist der Gang nicht offensichtlich eingeschränkt und erschwert, wie es bei der Lahmheit der Fall ist - es ist lediglich eine nicht exakt definierbare Abweichung von dem normalen Bewegungsablauf erkennbar.

2.1.6 Schmerz

Der Schmerz wird als „ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tat-sächlicher oder potenzieller Gewebsschädigung einhergeht“ beschrieben (INTER-NATIONAL ASSOCIATION FOR THE STUDY OF PAIN 2014). Schmerz ist eine subjektive, in seiner Intensität variable Wahrnehmung und wird von jedem Individu-um in jungen Jahren durch eigene Schmerzerfahrungen erlernt (INTERNATIONAL ASSOCIATION FOR THE STUDY OF PAIN 2014; BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE 2006 f). Diese Definition gilt auch für Tiere. Der akute Schmerz fungiert als ein Alarmsignal, so dass Tiere ihr Verhalten verändern, um diesen Schmerzen zu entge-hen und den Auslöser vermeiden zu können (SANN 2000).

2.1.7 Tierschutz und Wohlbefinden

Der Begriff des Tierschutzes ist gesetzlich verankert. Der Mensch hat laut Tier-schutzgesetz „aus der Verantwortung […] für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“(§1 TIERSCHUTZGESETZ 2014). Zu dieser Verantwortung gehört, dass ein Tier artgerecht gehalten und versorgt werden muss. Zudem darf einem Tier keine Leistung abverlangt werden, die es nicht bewäl-tigen kann.

Der Begriff des Wohlbefindens wird im Englischen als „welfare“ (u. a. DUNCAN 2005; BOTREAU et al. 2007) bezeichnet. Es gibt zwei verschiedene Ansätze, um das Wohlbefinden eines Tieres zu definieren. Zum einen kann sich die Definition al-lein auf den körperlichen Zustand beziehen. So wird das Wohlbefinden eines Tieres als gut eingestuft, wenn es adäquat gefüttert und mit Wasser versorgt wird, in guten Haltungsbedingungen lebt, gesund ist und ein artgemäßes Verhalten hat (BOTREAU et al. 2007). Diese These wurde so zusammengefasst, dass ein Tier, das gut mit sei-ner Umwelt harmoniert, ein ungestörtes Wohlbefinden aufweist (BROOM 1991). Die-se Umwelt wird dann als tiergerecht bezeichnet (BARTUSSEK 1996). Eine zweite Möglichkeit, Wohlbefinden zu definieren, setzt den Schwerpunkt auf die individuellen

Gefühle der Tiere. So weist ein Tier, das negative Gefühle empfindet, auch ein ge-störtes Wohlbefinden auf (DUNCAN 2005). Überwiegen andererseits positive Gefüh-le, dann steigert sich das Wohlbefinden. Verknüpft man diese beiden Ansätze, so spielt sowohl das biologische Funktionieren als auch der emotionale Zustand eines Tieres eine Rolle für dessen Wohlbefinden (BRACKE et al. 1999). Diese These kann im Hinblick auf drei Aspekte, die die Lebensqualität der Tiere beeinflussen, spezifi-ziert werden. Demnach muss es für Tiere möglich sein, ein möglichst artspezifisches, natürliches Leben zu führen. Auch sollten sie in einer Umgebung gehalten werden, die ihrer physischen Gesundheit zuträglich ist und somit das biologische Funktionie-ren des Tieres sicherstellt. Tiere sollten darüber hinaus auch frei sein von Angst oder anderen negativen Empfindungen (FRASER et al. 1997, FRASER 2003, FRASER 2009).

2.1.8 Zusammenhang von Klauenerkrankung, Schmerz und Lahm-heit

Klauenerkrankungen verschiedener Genese und Stärke führen zu leichten bis schweren Schmerzen für das Tier und zu Verschlechterungen des Gangbildes (O`CALLAGHAN et al. 2003; FLOWER et al. 2005; FLOWER und WEARY 2006).

Der Schmerz löst bei dem Tier ein Vermeidungsverhalten aus (SCOTT 1989; GA-LINDO und BROOM 2002; WHAY 2002): Es versucht den Schmerzreiz zu umgehen, indem es die betroffene Gliedmaße weniger stark belastet. Dies nimmt der Beobach-ter als Lahmheit wahr, wobei die Ausprägung abhängig von der Schmerzstärke ist (SCOTT 1989; O`CALLAGHAN 2002; FLOWER et al. 2005; DYER et al. 2007). So wird Lahmheit als ein Ausdruck von Schmerz gewertet (WINCKLER und WILLEN 2001; O`CALLAGHAN 2002; BEUSKER 2007; MERRIAM WEBSTER 2014). Sie lässt aber keinen Rückschluss auf die ursächliche Erkrankung zu (WINCKLER und WILLEN 2001).

Es lässt sich zusammenfassen, dass Klauenerkrankungen durch verschiedene Fak-toren ausgelöst werden. Je nach Stärke und Art der Krankheit entstehen Schmerzen

unterschiedlichen Grades. Der Schmerzreiz löst ein Vermeidungsverhalten aus, so dass das Tier die betroffene Gliedmaße schont. Für den Betrachter ist dies als Lahmheit erkennbar, die Schwere der Lahmheit steigt dabei mit der Schmerzhaftig-keit an (siehe 2.2.3.).

Etwa 90 % der Lahmheiten werden durch eine Klauenerkrankung verursacht (O`CALLAGHAN 2002). Auch weitere Studien bestätigen einen deutlichen Zusam-menhang zwischen Lahmheit und Klauenerkrankungen (MANSON und LEAVER 1988; WINKLER und WILLEN 2001; ARCHER et al. 2010O`CALLAGHAN et al.

2003; BARKER et al. 2007; HERNANDEZ-MENDO et al. 2007a; MOHAMMADNIA et al. 2008; BELL et al. 2009).

2.1.9 Lahmheitsformen

Aufgrund der unterschiedlichen Lokalisation von Schmerz auslösenden Ursachen können Lahmheiten in verschiedener Form auftreten. So sind Hangbeinlahmheiten Ausdruck von Erkrankungen der proximalen Gliedmaße. Dies äußert sich durch Schmerzhaftigkeit in der Vorführphase der Gliedmaße. Dadurch wird das Bein weni-ger weit als normal vorgeschwungen. Davon zu unterscheiden ist die Stützbeinlahm-heit. Hierbei ist die Dauer des Auffußens verkürzt, und es wird weniger Gewicht auf die betroffene Gliedmaße aufgebracht. Die Ursache für diese Art der Lahmheit ist in den distalen Gliedmaßenabschnitten zu finden (EDWARDS et al. 1980, EDDY und SCOTT 1980; STEINER 2005). Da diese Form die häufigste bei Rindern ist, wurde in der Lahmheitsdefinition für die vorliegende Studie nur diese Form berücksichtigt (STEINER 2005).

Klauenbad Laufflächengestaltung

Klauenpflege Liegeboxgestaltung Fütterung und Tränke Fressplatzgestaltung

Mängel führen zu

Klauenerkrankungen

Schmerz

Lahmheit

Konsequenzen

reduzierte Futteraufnahme

beeinträchtigtes Wohlbefinden wirtschaftliche Verluste Abb. 1: Schematische Übersicht über die Ursachen und

Konsequen-zen von Lahmheiten bei Milchkühen