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6. S UCHT

6.1. Begriffsbestimmung, Eingrenzung und Abgrenzung

Der Ursprung des Wortes Sucht findet sich im Lateinischen. Der englische Begriff für Sucht lässt sich auf das lateinische Wort „addicere“ zurückführen und ist insbesondere im englischen Begriff für Sucht „addiction“ gut sichtbar. Es bedeutet so viel wie Schuld, aber auch Knechtschaft (vgl. Musalek 2004: 3). Schon hier wird deutlich, dass diese Bezeichnung etwas schwer Ertragbares und Veränderbares darstellt sowie mit Schuld besetzt ist. Im Allgemeinen gibt es eine große Bandbreite an Definitionen und Definitionsversuchen für den Begriff Sucht. Worin sich aber alle einig sind, ist, „daß [sic!]

Sucht ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand ist.“ (Renn 2002: 10). Hier handelt es sich zwar um eine sehr breitgehaltene Definition des Begriffes, wobei dies dem Umstand geschuldet ist, dass sich Sucht in allen Lebenslagen und Lebenssituationen zeigen kann. Des Weiteren kann auch eine Unterscheidung zwischen stoffgebunden und nichtstoffgebundenen Süchten gezogen werden (vgl. Renn 2002.: 10).

Diese Unterteilung ist deshalb wichtig, da eine Sucht einerseits auf eine Substanz, beispielsweise Heroin, Haschisch, etc., oder andererseits auf eine Handlung oder einen Gegenstand, wie Sexsucht oder Spielsucht, bezogen sein kann.

Um den Suchtbegriff etwas einzugrenzen und jenes Suchtverhalten bezeichnen zu können, das für diese Arbeit auch relevant ist, soll von Drogensucht und Substanzabhängigkeit gesprochen werden. Beide Begriffe sprechen von Stoffen, die eingenommen werden, um etwas nicht Vorhandenes zu erzeugen. Diese Stoffe machen in den meisten Fällen psychisch und physisch abhängig (ebd.: 10) und veranlassen so den Konsumenten/die Konsumentin dazu, sie immer wieder zu nehmen, da sie/er jenen Zustand, den sie/er durch das Nehmen der Substanz erlangen, immer wieder erleben wollen. Aus diesem Grund hat Sucht etwas Dauerhaftes (vgl. Dollinger 2005: 7), aus dem

Zu der oben angeführten Definition von Sucht, die sehr allgemein gehalten wurde, soll hier noch eine zweite herangezogen werden. Diese ist spezieller auf die Drogensucht bzw. Substanzabhängigkeit bezogen, wobei hier von „psychoaktiven Substanzen“

gesprochen wird.

„Psychoaktive Substanzen (z.B. Alkohol, Tabak, Beruhigungs- und Schlafmittel, Cannabis, Heroin, Kokain usw.) sind Stoffe, die aufgrund ihrer chemischen Natur Strukturen oder Funktionen im (menschlichen) Organismus verändern, insbesondere in der Wahrnehmung, in der Stimmungslage, in den kognitiven Funktionen, im Bewusstsein oder im Verhalten.“ (Vogt 2004: 10).

Es handelt sich hierbei also um Substanzen, die kognitiv sowie psychisch auf den Menschen einwirken und sein Verhalten, aber auch seine Ansichten, seine Gefühle verändern, ohne, dass es für ihn steuerbar ist. Es sind also die Substanz, aber auch der körperliche sowie psychische Zustand einer Person, die bestimmen, welche Symptome auftreten.

Bei Suchtmitteln handelt es sich nicht immer nur um Stoffe, die illegal sind. Hierzu zählen ebenfalls Tabak und Alkohol, die zwei am häufigsten in unserer Gesellschaft konsumierten Drogen. In den meisten Fällen wird allerdings zwischen illegal und legal unterschieden, vor allem, wenn es um die Gefährlichkeit einer stoffgebundenen Sucht geht. Allerdings wird hier meist außer Acht gelassen, dass vor allem Alkohol und Tabak frei zugänglich sind und dadurch mehr Schaden anrichten können als schwer erreichbare Substanzen wie Heroin. Trotzdem werden Substanzen wie Heroin immer noch als viel gefährlicher eingestuft (vgl. Vogt 2004: 13).

In der Literatur wird auch von Sucht als Prozess gesprochen, da eine Suchterkrankung Handlungen sowie Muster voraussetzt, die immer wieder prozesshaft wiederholt werden.

Um eine Sucht besser nachvollziehen zu können, müssen die Geschichten sowie der Verlauf hinter dieser Krankheit erkennbar sowie fassbar gemacht werden (vgl. Dollinger 2005: 7). Bernd Dollinger (2005) versucht diese komplexen Vorgänge in seinem Buch nachvollziehbar zu machen. Er spricht von einem „Dauerhaften“ der Sucht, da das Einnehmen sowie Beschaffen von Suchtmitteln eine Routine mit sich bringt. Es benötigt ein Netzwerk, somit auch Wissen über den Erwerb, um an die Mittel zu gelangen. Hier werden also immer wieder Handlungen gesetzt, um den Drang nach einer Substanz zu befriedigen. Auch der Konsum an und für sich setzt eine Wiederholung von Handlungen voraus, die allerdings nicht wie der Erwerb vom Individuum selbst implementiert, sondern von der Sucht gesteuert werden (ebd.: 8).

Somit kann hier laut Dollinger von einer Abhängigkeit gesprochen werden, in der sich ein Mensch befindet, da er nicht von sich aus handelt, sondern in einer gewissen Art und Weise zum Handeln „gezwungen“ wird (ebd.: 9). Das Prozesshafte liegt also darin, dass es eine Dynamik zwischen den sozialen Gegebenheiten und dem physischen sowie psychischen Zustand einer Person gibt, die die Suchterkrankung bedingen (ebd.: 15f).

Ob es sich bei einer Sucht um eine Krankheit handelt oder doch um einen Zustand, der selbst verschuldet ist, wird im Bereich der Suchthilfe immer wieder zu einem Thema gemacht. Bis heute erkennen viele nicht an, dass sich die Sichtweise auf dieses Thema in den letzten Jahren verändert hat (vgl. Musalek 2004: 9). Spätestens durch die Ergänzung des Kapitels „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (vgl. ICD-10 2014: 206) in den ICD-10 wurde auf Sucht als Erkrankung aufmerksam gemacht, insbesondere auf die Auswirkungen von Sucht auf die körperliche sowie psychische Gesundheit. Natürlich setzt eine Person für sich selbst den Entschluss den Konsum zu starten bzw. wird dazu verleitet, was in gewisser Weise als Eigenverantwortung gesehen werden kann, allerdings wird es ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr allein zur eigenen Entscheidung, ob eine Droge konsumiert wird oder nicht.

All die bisher besprochenen Seiten einer Sucht gehen vor allem mit gesellschaftlichen Bedingungen einher, die immer berücksichtigt werden müssen. Suchtmittel sind in allen Gesellschaften unterschiedlich gut zugänglich und auch vorhanden. Dies hängt vor allem von der Nachfrage, ebenso wie von dem gesellschaftlichen Stellenwert der Substanz, ab.

Allerdings sind diese Bedingungen nicht einzig und alleine dafür verantwortlich, ob Suchtpotenzial bei einer Person vorliegt oder nicht. Auch die soziale Lage, in der sich ein Mensch befindet, kann dafür sorgen, dass ein höheres Potenzial, ein Suchtmittel zu konsumieren, vorhanden ist (vgl. Renn 2002: 11). Weiters trägt auch die Sozialisation in einer Gesellschaft zu einer Suchtentwicklung bei. Jeder Mensch wird in schon fertige Strukturen hineingeboren, in welchen er seine Handlungen erlernt. Verändern sich aber festgesetzte Muster, Routinen oder die gewohnte Umgebung, entwickelt jedes Individuum unterschiedliche Strategien, um mit dieser Veränderung zurechtzukommen. Dies hängt vor allem von der „personalen Disposition“, also von der momentanen Lebenssituation, dem psychischen und physischen Zustand, ab (ebd.: 24).

Wie zu erkennen ist, gibt es viele Faktoren, die zu berücksichtigen sind, wenn es um die Entstehung einer Suchterkrankung bzw. -abhängigkeit, spezieller um eine stoffgebundene Sucht, geht. Aus diesem Grund spricht Irmgard Vogt auch von einem Multifaktoriellen Modell von Substanzabhängigkeit, das auf drei wesentlichen Ebenen basiert (vgl. Vogt 2004: 14): „Gesellschaft – Person Mann/Frau – Psychoaktive Substanz.“ (Vogt 2004:14)

Es entsteht also eine Wechselwirkung zwischen der Gesellschaft, genauer gesagt den kulturellen Gegebenheiten sowie der Verfügbarkeit eines Suchtmittels, dem Menschen, also seiner Lebenssituation, seinen Ressourcen, seiner Geschichte als Mann und Frau, und der Suchtentwicklung. Mit diesem Modell wird auch auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass für den Konsum von Drogen das Geschlecht ebenso wie Lebenslage oder -situation von Bedeutung ist. Denn vor allem bei der Arbeit mit suchterkrankten Personen spielt der geschlechtsspezifische Aspekt in der Begegnung sowie der Bearbeitung des Problems eine wichtige Rolle (ebd.: 15).

Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass einerseits der Begriff Sucht mehrdeutig ist und dass andererseits die Entstehung einer Suchterkrankung auf mehrere Ebenen im Leben zurückzuführen ist, sich aber auch auf diese auswirkt. Nun muss noch eine für diese Arbeit passende Eingrenzung geschaffen werden, da sich diese Arbeit zwar ausschließlich auf stoffgebundene Substanzen bezieht, allerdings nicht auf alle, die laut der oben getroffenen Definitionen in diese Gruppe fallen.

In der Untersuchung geht es ausschließlich um den Konsum von illegalen Drogen wie beispielsweise Heroin, Kokain, LSD, etc. und der daraus resultierenden Abhängigkeit.

Ausgeschlossen wird hier Haschisch, da es sich hierbei um eine mittlerweile „alltägliche“

Droge handelt, deren Abhängigkeit sich nicht in diesem Ausmaß auf das gesellschaftliche Leben auswirkt, wie es bei den anderen Substanzen meistens der Fall ist. Alkohol sowie Tabak sind ebenfalls nicht miteinbezogen, da es sich hierbei um legale Suchtmittel handelt und insbesondere Alkoholabhängigkeit ein großes Thema für sich darstellt.