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Bakterien sind in der Lage, Plasmide sowohl zwischen grampositiven und gramnegativen Bakterien (CHARPENTIER et al., 1999; TRIEU-CUOT et al., 1993) als auch zwischen Bakterien und Hefen auszutauschen (HEINEMANN u. SPRAGUE, 1989). In der Erzeugung rekombinanter Pflanzen wird der Bakterien-vermittelte Gentransfer seit mehr als zehn Jahren kommerziell genutzt (LESSL u. LANKA, 1994). Da invasive Bakterien offenbar auch in der Lage sind, eukaryotische Expressionsplasmide in Wirbeltierzellen einzuschleusen (DIETRICH et al., 1998;

SIZEMORE et al., 1995), war der direkte in vivo- und in vitro-Transfer von Plasmid-DNA in Wirtszellen nur ein weiterer Schritt dieser Entwicklung.

Der ursprüngliche Gedanke zu Bakterien-vermitteltem Plasmid-Gentransfer war, dass bakterielle Vektoren in die Zielzellen eindringen, weil diese entweder phagozytotisch sind oder Phagozytose durch die Bakterien induziert wird (WEISS u.

KRUSCH, 2001). In den Zielzellen werden die Bakterien aus dem Phagosom freigesetzt, was entweder durch bakterieneigene oder rekombinante Virulenzfaktoren, die von anderen Erregern in die Bakterien eingeschleust wurden, vermittelt wird. Schließlich kommt es im Zytosol der Zielzellen zur Lyse. Diese wird beispielsweise dadurch ausgelöst, dass auxotrophe Mutanten verwendet werden, die metabolisch attenuiert sind, d.h. sie benötigen Substanzen, die nicht von der Wirtszelle substituiert werden. Alternativ können ein autolytischer Prozess induziert oder geeignete Antibiotika verwendet werden (WEISS, 2003; WEISS u. KRUSCH, 2001). Durch die Lyse des bakteriellen Trägers wird das Expressionsplasmid freigesetzt, in den Zellkern transferiert und exprimiert.

Als gezeigt wurde, dass Salmonella typhimurium, ein Erreger, der im phagozytotischen Vesikel verbleibt, dennoch in der Lage ist, in vitro Expressionsplasmide in Makrophagen zu transferieren (DARJI et al., 1997), musste diese Grundidee überdacht werden.

Prinzipiell bestehen nach WEISS und KRUSCH (2001) zwei Einsatzmöglichkeiten für den Bakterien-vermittelten Gentransfer: DNA-Vakzinierung oder Gentherapie. Ziel der DNA-Vakzinierung ist es, ein Expressionsplasmid in die Zelle einzuschleusen,

welches entweder für das Antigen eines Krankheitserregers oder eines Tumorantigens kodiert (WEISS, 2003). Durch die Synthese des Antigens wird im Wirt eine Immunantwort gegen Pathogene oder Tumoren induziert. So sollen durch die Bakterien-vermittelte DNA-Vakzinierung auch Pathogene bekämpft werden können, für die derzeit keine herkömmlichen Impfstoffe existieren, wie Mycobacterium tuberculosis, Plasmodium malariae und das humane Immundefizienzvirus (GURUNATHAN et al., 2000a; SEDER u. GURUNATHAN, 1999). Eine erfolgreiche DNA-Vakzinierung soll eine langfristige, sowohl zellvermittelte als auch humorale Immunität vermitteln. ANGELAKOPOULOS et al. (2002) führten eine Pilotstudie mit adulten Probanden durch, denen attenuierte Listerien oral verabreicht wurden.

Partiell konnten dabei, ohne dass gravierende Krankheitserscheinungen durch die bakterielle Infektion auftraten, sowohl eine zellvermittelte als auch eine humorale Immunantwort beobachtet werden, die den Einsatz attenuierter Listerien als DNA-Vektoren sinnvoll erscheinen ließen.

Ein weiteres Ziel ist es, die mukosale als die einfachste Art der Verabreichung, d.h.

entweder die orale oder nasale Applikation der Vakzine, zu ermöglichen (WEISS, 2003). DIETRICH et al. (2000) und WEISS und KRUSCH (2001) sehen zusätzliche Vorteile, die bakterielle Genvektoren für die DNA-Vakzinierung erbringen könnten:

• Bakterien dringen im Allgemeinen über die Schleimhautpforte in den Organismus ein, was eine mukosale Verabreichung der Vakzine erleichtert.

• Viele Bakterien infizieren Zellen des Immunsystems, das antigene Transgen würde entsprechend dort exprimiert, wo die Immunreaktion induziert werden soll.

• Teile der bakteriellen Zellwand oder nicht-methylierte bakterielle DNA sind immunstimulierend und könnten wie Adjuvanzien wirken (s. Kap. 2.3.4).

• Der bakterielle Vektor und das Antigen tragende Expressionsplasmid stellen voneinander getrennte Einheiten dar, die entsprechend getrennt voneinander modifiziert werden können.

• Bakterien können günstig vermehrt, einfach gehandhabt und durch Antibiose gut kontrolliert werden. Außerdem ist die Trägerkapazität ihrer

Expressionsplasmide praktisch unbegrenzt, so dass auch Mehrfachimpfstoffe technisch möglich wären.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Bakterien, die durch eigene oder rekombinante Virulenzfaktoren aus einem Phagosom in das Zytosol der Wirtszelle freigesetzt werden (S. flexneri, L. monocytogenes, E. coli) und solchen, die im Phagosom abgetötet werden und deren Expressionsplasmide auf noch ungeklärtem Wege ins Zytosol gelangen (DIETRICH et al., 2000; WEISS u. KRUSCH, 2001).

Aufgrund ihrer Eigenschaften schlagen WEISS und KRUSCH (2001) Bakterien auch als Vektoren für die Gentherapie vor:

• Gute Kontrolle durch Antibiotika.

• Die Zellspezifität mancher Bakterien kann zum gezielten Gentransfer in bestimmten Geweben beitragen und der Eintritt der Erreger über die Schleimhautbarriere erleichtert ihre Verabreichung.

• Einige Bakterien sind in der Lage, sich interzellulär auszubreiten, was u.U.

auch zur Transfektion von Zellen führt, die für nicht-replizierende Vektoren unerreichbar bleiben.

• Die große Trägerkapazität bakterieller Plasmide erlaubt auch große Transgene und entsprechende regulatorische Sequenzen zu transfizieren.

• Eine vektorspezifische Immunreaktion kann durch frühes Abtöten der Erreger unterdrückt werden.

Im Folgenden werden einige Beispiele Bakterien-vermittelten Gentransfers dargestellt.

2.4.1 Salmonella typhimurium

Bei S. typhimurium handelt es sich um einen für die Maus pathogenen Serovar, der durch Untersuchungen attenuierter Stämme im natürlichen Wirt zum Modellorganismus des Bakterien-vermittelten Gentransfers wurde (WEISS, 2003).

Zuerst konnte in der Maus nach einmaliger, oraler Applikation von attenuierten S. typhimurium (rekombinant verändert mit einem Plasmid, das für die Gene hly und

actA, zwei Virulenzfaktoren von L. monocytogenes, codiert) sowohl eine humorale, wie eine zellvermittelte Immunantwort gegen diese Antigene induziert werden (DARJI et al., 1997). Mit Transformanten, die das Listeriolysin-Gen hly trugen, konnte den Mäusen sogar eine protektive Immunität gegen eine letale Infektion mit L. monocytogenes vermittelt werden (DARJI et al., 1997; DARJI et al., 2000). XIANG et al. (2000) beobachteten in Mäusen mit murinen Melanomen Wachstumshemmung und Abstoßung der Tumoren, nachdem diese mit attenuierten Salmonellen, die ein Expressionsplasmid mit Tumorepitopen trugen, transfiziert wurden. Offensichtlich konnte die Toleranz des Immunsystems gegen Tumorantigene durch den Gentransfer aufgehoben werden. MEI et al. (2002) wiesen allerdings auf die Bedeutung einer optimalen therapeutischen Dosis für derlei Erfolge hin.

Beim Vergleich der Immunantworten nach nasaler und oraler Applikation von DNA-Vakzinen auf der Basis von S. typhimurium, war eine wiederholte nasale Applikation notwendig, um in der Milz eine T-Zell-Antwort zu induzieren, die bereits nach einmaliger oraler Applikation erfolgte (DARJI et al., 2000). Auch das Auftreten von Antikörpern war von dem Ort der Applikation beeinflusst. Die langfristige Antigenpräsentation nach einmaliger oraler Applikation war Ursache für die wirksame Induktion einer T-zellvermittelten Immunantwort (DARJI et al., 2000; WEISS u.

KRUSCH, 2001).

Für den Mechanismus des S. typhimurium-vermittelten Gentransfers existiert die Vorstellung, dass die Bakterien nach oraler Applikation die Darmschranke über M-Zellen passieren, um dann phagozytierende M-Zellen der Peyerschen Platten, wie Makrophagen und dendritische Zellen, zu infizieren (WEISS u. KRUSCH, 2001).

Nach der Lyse der Bakterien wird das Transgen direkt von diesen Zellen exprimiert (Antigenpräsentation durch MHC I-Moleküle). Gleichzeitig können die Salmonellen in Makrophagen Apoptose induzieren, was zu einer starken Antigenpräsentation durch dendritische Zellen führt, die apoptotische Makrophagen phagozytiert haben (Antigenpräsentation durch MHC II-Moleküle).

Mittlerweile existieren Modelle zum S. typhimurium-vermittelten Gentransfer für Infektionsmodelle (WOO et al., 2001) ebenso wie für Tumormodelle (JAIN, 2001;

MEI et al. 2002; XIANG et al., 2000). Neben der DNA-Vakzinierung wurden

Salmonellen auch gentherapeutisch bei Interferon (IFN) γ-defizienten Mäusen eingesetzt (PAGLIA et al., 2000). Knockout-Mäuse mit diesem monogenetischen Defekt sterben normalerweise an einer Infektion mit attenuierten S. typhimurium, die rekombinanten Bakterien trugen jedoch ein Expressionsplasmid mit dem Gen des murinen INF γ. Der Transfer des Gens führte zur Reparatur des Defekts in den murinen Makrophagen, so dass die Mäuse die Infektion überlebten. Um die Effizienz des Salmonellen-vermittelten Gentransfers zu erhöhen, wurde in attenuierte Stämme von S. typhimurium das hly-Gen von L. monocytogenes eingeschleust, das für den Virulenzfaktor LLO kodiert, welcher die Zerstörung der phagosomalen Wand vermittelt (GENTSCHEV et al., 1995). So konnte in primären Makrophagen die Antigenexpression nach Ko-Infektion mit LLO-sezernierenden Salmonellen und Salmonellen, die ein für Ovalbumin codierendes Plasmid trugen, erhöht werden (CATIC et al., 1999). Eine ähnliche Verbesserung in der Expression von GFP als Reportergen wurde bei Mäusen gefunden, denen oral S. typhimurium appliziert wurde, welche neben dem GFP-Expressionsplasmid auch LLO exprimierten (GENTSCHEV et al., 2001). Die generierte Fähigkeit der Salmonellen, dem Phagosom zu entweichen, stellt demnach einen Vorteil für den Bakterien-vermittelten Gentransfer dar (WEISS u. KRUSCH, 2001).

2.4.2 Salmonella typhi

Durch die Entwicklung von Impfstoffen gegen den Erreger des Typhus beim Menschen stehen attenuierte Stämme von S. typhi zur Verfügung (GERMANIER u.

FUER, 1975). S. typhi ist nicht pathogen in der Maus, weshalb für dieses Tiermodell nur die nasale oder intraperitoneale Applikation in Frage kommt (WEISS u.

KRUSCH, 2001). Attenuierte Salmonellen wurden zur Immunisierung von Mäusen gegen das Masernvirus, das humane Immundefizienzvirus und gegen Tetanustoxin verwendet (FENNELLY et al., 1999; SHATA et al., 2000), wobei die Tiere eine durch zytotoxische T-Zellen charakterisierte Immunantwort zeigten bzw. mit der Produktion spezifischer Antikörper reagierten. Bei der Immunisierung mit Tetanustoxin konnte gezeigt werden, dass mehr Antikörper produziert wurden, wenn das Antigen unter

der Kontrolle eines eukaryotischen Promotors stand als unter der eines prokaryotischen. Dies spricht für die Effizienz des Bakterien-vermittelten Gentransfers bei der Verwendung eukaryotischer, regulatorischer Sequenzen.

2.4.3 Shigella flexneri

Shigellen sind die Erreger akuter Darminfektionen des Menschen (ROLLE u. MAYR, 1993, S. 625), und S. flexneri gehört zu den ersten Bakterien, für die Bakterien-vermittelter Gentransfer untersucht wurde (COURVALIN et al., 1995; SIZEMORE et al., 1995). Die verwendeten Stämme besitzen entweder Defekte in der Zellwandsynthese oder sind auxotroph für die Synthese bestimmter Aminosäuren.

Da Mäuse und Meerschweinchen für S. typhi und S. flexneri nicht suszeptibel sind, wurde eine nasale oder konjunktivale Applikation gewählt, um das Potential von S. flexneri für den Bakterien-vermittelten Gentransfer zu überprüfen (FENNELLY et al., 1999; NORIEGA, et al. 1996). Nach Immunisierung, z.B. mit dem Reportergen für β-Galaktosidase oder Antigenen des Masernvirus, wurde sowohl zellvermittelte Immunität als auch eine mäßige Antikörperproduktion beobachtet (SIZEMORE et al., 1997). Im Gegensatz zu S. typhi zeigte S. flexneri nach nasaler Applikation jedoch von der Lunge ausgehend kein Disseminationsverhalten.

2.4.4 Escherichia coli

Colibakterien gehören natürlicherweise nicht zu den invasiven mikrobiellen Pathogenen. Durch Einschleusen eines S. flexneri-eigenen Virulenzplasmids erhielt der Laborstamm E. coli K 12 jedoch nicht nur die Fähigkeit, in Wirtszellen einzudringen, sondern zusätzlich dem Phagosom der Wirtszelle zu entkommen (COURVALIN et al., 1995). In einer Folgestudie wurde eine E. coli K 12-Mutante mit dem Invasin von Yersinia pseudotuberculosis erzeugt. Obwohl die Bakterien im Phagosom verblieben, konnte der Transfer des Plasmids durch das Reporterprotein

GFP nachgewiesen werden (GRILLOT-COURVALIN et al., 1998). Außerdem wurden Colibakterien generiert, die neben dem Invasin der Yersinien auch das Gen hly für das Listeriolysin von L. monocytogenes trugen. Die Erwartung, dass diese Bakterien das Phagosom verlassen und deshalb eine höhere Effizienz des Gentransfers aufweisen würden, wurde jedoch nicht erfüllt. E. coli K 12 ist demnach offenbar in der Lage, seine Expressionsplasmide aus dem Phagosom auszuschleusen, so dass sie für einen Transport in den Zellkern zur Verfügung stehen (WEISS u. KRUSCH, 2001).

2.5 Listeria

Zur Gattung Listeria zählen gegenwärtig sechs Arten: L. monocytogenes, L. ivanovii, L. seeligeri, L. innocua, L. welshmeri und L. grayi. Nur L. monocytogenes hat eine Bedeutung als Krankheitserreger, obwohl auch L. ivanovii potentiell pathogen ist.

Zum ersten Mal wurden die Erreger 1924 beschrieben, als L. monocytogenes bei einer septikämischen Erkrankung von Kaninchen und Meerschweinchen in Cambridge isoliert wurde (MURRAY et al., 1926).

Listerien sind grampositive, fakultativ anaerobe Stäbchen, die 0,4 µm breit und zwischen 1,0 und 1,5 µm lang sind. Sie formen keine Sporen und besitzen keine Kapsel (ROCOURT, 1999). Die Keime sind an einen weiten Temperaturbereich adaptiert, ihre obere Wachstumsgrenze liegt bei 42 – 44°C (ROLLE u. MAYR, 1993;

S. 719). Auch gegen kalte Temperaturen zeigen sie sich relativ widerstandsfähig, so dass Wachstum noch bei 1,7°C beobachtet werden kann (JUNTTILA et al., 1988).

Zwischen 20 – 25°C bilden Listerien eine peritriche Begeißelung aus, ab 37°C ist ihre Motilität jedoch deutlich reduziert (PEEL et al., 1988). Listerien können im Boden, Abwasser, in zahlreichen Lebensmitteln und Fäzes von Mensch und Tieren nachgewiesen werden. Als natürliches Habitat der Keime wird verrottendes Pflanzenmaterial angesehen, wo sie saprophytär leben (WEIS u. SEELIGER, 1975).

Vermutlich spielen Hauswiederkäuer eine Schlüsselrolle bei der immer wiederkehrenden oralen Infektion des Menschen durch tierische Lebensmittel

(FENLON, 1999). Listerien sind in der Lage, den Menschen und ein breites Spektrum von Wirbeltieren zu infizieren, einschließlich Vögel und Säugetiere.

L. monocytogenes verursacht sowohl lokale als auch generalisierte Infektionen, die als Listeriose bezeichnet werden. Da die Keime in der Umwelt weit verbreitet sind, kontaminieren sie häufig Rohstoffe zur industriellen Erzeugung von Lebensmitteln (GRAVANI, 1999). Ihre Toleranz niedriger pH-Werte, hoher Salzkonzentrationen und ihre Fähigkeit, sich auch bei Kühlschranktemperaturen noch zu vermehren, machen Listerien dabei zu einer ernsten Bedrohung für die Lebensmittelsicherheit (LOU u.

YOUSEF, 1999).

Aus immunologischer Sicht wurde L. monocytogenes bereits in den frühen sechziger Jahren interessant, da sich in Labornagern - und hier primär in der Maus - eine der menschlichen Listeriose sehr ähnliche Krankheit erzeugen ließ. Die Eigenschaft in Makrophagen zu überleben und sich zu vermehren (MACKANESS, 1962), machten das Bakterium zum Prototypen eines intrazellulären Erregers (COSSART u.

MENGAUD, 1989), und das Modell der murinen Listeriose trug viel zum Verständnis der zellulären Immunität bei (SHEN et al., 1998).

2.5.1 Infektionszyklus und Virulenzfaktoren von L. monocytogenes

Listerien sind nicht nur in der Lage, in professionell phagozytierenden Zellen wie Makrophagen, Monozyten (MACKANESS, 1962) und dendritischen Zellen (GUZMAN et al., 1995) zu überleben und sich dort zu vermehren, sondern können die eigene Aufnahme auch in normalerweise nicht-phagozytierende Zellen induzieren (COSSART u. LECUIT, 1998). Dies konnte für Epithelzellen (PORTNOY et al., 1988), Fibroblasten (KUHN et al., 1988; SUN et al., 1990), Hepatozyten (DRAMSI et al., 1995), Endothelzellen (PARIDA et al., 1998) und Nervenzellen (DRAMSI et al., 1998) gezeigt werden. In allen diesen Zellen entwickelt das Bakterium einen Lebenszyklus mit den gleichen charakteristischen Merkmalen. Der Zyklus beginnt mit der Anheftung an die Oberfläche und wird gefolgt von dem Eindringen des Bakteriums in die eukaryotische Wirtszelle (Abb. 3). Obwohl der Mechanismus der

Aufnahme noch nicht vollständig aufgeklärt ist, scheinen verschiedene eukaryotische Rezeptoren beteiligt zu sein. Die Komplementrezeptoren C3bi und C1q sollen bei der Internalisierung von L. monocytogenes in professionell phagozytierende Zellen eine Rolle spielen (DREVETS u. CAMPBELL, 1991; DREVETS et al., 1993). Der Scavenger-Rezeptor von Makrophagen bindet die Lipotheichonsäure der Listerien und soll daher in die Interaktion zwischen Bakterium und Makrophagen involviert sein (DUNNE et al., 1994).

Die Aufnahme in nicht-phagozytierende Zellen wird von Oberflächenproteinen von L. monocytogenes induziert, den sogenannten Internalinen (Inl) (DREVETS et al., 1995). Mittlerweile wurde eine große Gruppe dieser Invasine identifiziert, deren Gemeinsamkeit in einer Leucin-reichen Tandem Repeat Domäne besteht (DRAMSI et al., 1997). Am besten charakterisiert sind die zuerst gefundenen Inl A und Inl B (codiert von inlA und inlB, GAILLARD et al., 1991). Der Wirtszellrezeptor für Inl A ist E-Cadherin, ein interzelluläres Adhäsionsprotein auf der Oberfläche epithelialer Zellen, wie Enterozyten (MENGAUD et al., 1996). E-Cadherin kommt auch auf der Oberfläche von Hepatozyten, dendritischen Zellen, mikrovaskulären Endothelzellen des Gehirns und den Endothelzellen des Choroidplexus und der plazentären Chorionvilli vor. Alle diese Zellen sind potentielle Zielzellen einer Listerieninfektion.

Auch für Inl B wurden zwei Rezeptoren identifiziert, der Tyrosinkinase-Rezeptor cMet und ein zellulärer Ligand des C1q-Komplementrezeptors (SHEN et al., 2000). Es ist jedoch noch unklar, ob diese beiden Rezeptoren gemeinsam oder unabhängig voneinander die Aufnahme von L. monocytogenes bewirken. Tatsächlich besitzen Inl A und Inl B unterschiedliche Aufgaben bei der Aufnahme von L. monocytogenes in Wirtszellen. So ist nur Inl A essentiell für die Invasion humaner Enterozyten, während nur Inl B die Aufnahme in murine Hepatozyten zu vermitteln vermag. Beide Internaline sind dagegen zur Internalisierung von L. monocytogenes in humane Hepatozyten notwendig (DRAMSI et al., 1995). Inl A vermittelt außerdem mindestens 50% der Serum-unabhängigen Phagozytose durch murine Makrophagen (SAWYER et al., 1996). Die Funktion des Inl A für die Aufnahme in eine Wirtszelle ist aus gegenwärtiger Sicht auf E-Cadherin-exprimierende Zellen beschränkt, während Inl B den Eintritt in verschiedene Zelltypen verschiedener Spezies vermittelt, so in Hep-2-,

HeLa-, CHO-Zellen und in Hepatozyten und Endothelzellen (DRAMSI et al., 1997;

MENGAUD et al., 1996; PARIDA et al., 1998).

Ein Durchbruch im Verständnis der Inl A-Funktion gelang LECUIT et al. (1999) mit dem Nachweis, dass die Aminosäure Prolin an Position 16 in der ersten extrazellulären Domäne des E-Cadherin entscheidend für die Anheftung von L. monocytogenes an die Wirtszelle ist. So sind Enterozyten von Mensch und Meerschweinchen empfänglich für eine Inl A-vermittelte Listerieninvasion, nicht jedoch die Enterozyten von Maus und Ratte, deren E-Cadherin an Position 16 die Aminosäure Glutaminsäure trägt. SCHUBERT et al. (2002) stellten die unterschiedlichen räumlichen Strukturen des humanen und des murinen E-Cadherins dar.

Während der Invasion wird L. monocytogenes in eine phagozytische Vakuole eingeschlossen (GAILLARD et al., 1987; TILNEY u. PORTNOY, 1989). Dieses Phagosom wird durch Verschmelzen mit Lysosomen zum angesäuerten Phagolysosom, durch dessen Milieu etwa 90% der internalisierten Listerien abgetötet werden (DE CHASTELLIER u. BERCHE, 1994). Durch den niedrigen pH-Wert wird jedoch auch das von den Bakterien sezernierte Hämolysin LLO aktiviert, welches ein pH-Optimum von 5,5 besitzt (GEOFFROY et al., 1987). LLO ist das Produkt des hly-Gens, welches als erstes Virulenzgen von L. monocytogenes identifiziert wurde und eine Schlüsselfunktion in der Pathogenese der Listerieninfektion innehat. Das LLO ist dem Streptolysin O von Streptococcus pyogenes (SLO) verwandt (GEOFFROY et al., 1987; JENKINS et al., 1964) und gehört zur Familie der Cholesterin-abhängigen, porenformenden Toxine (GEOFFROY et al., 1987). Es handelt sich um ein Polypeptid, bestehend aus 529 Aminosäuren, welches nur der Spezies L. monocytogenes eigen ist (MENGAUD et al., 1988). In Zellkulturstudien wurde nachgewiesen, dass LLO essentiell für das Überleben und die Vermehrung von L. monocytogenes in Makrophagen und nicht-phagozytierenden Zellen ist (PORTNOY et al., 1988). LLO bewirkt die Zerstörung der phagolysosomalen Membran und ermöglicht dem Bakterium, etwa 30 min nach seiner Aufnahme, ins Zytosol der Wirtszelle zu gelangen. Neben LLO sind weitere Virulenzfaktoren, wie eine Phosphatidylinositol-spezifische Phospholipase C (Plc A, codiert von plcA), die

unspezifische Phospholipase C (Lecithinase oder PIc B, codiert von plcB) an der Freisetzung ins Zytosol beteiligt (CAMILLI et al., 1993; LEIMEISTER-WÄCHTER et al., 1991). PIc B wird dabei durch eine Metalloprotease aktiviert (POYART et al., 1993). Es wird vermutet, dass die Poren oder Membranläsionen, die LLO erzeugt, den Phospholipasen Zutritt zu ihren Substraten verschaffen, wodurch es zur Zerstörung der physikalischen Barriere und somit zur Auflösung des Phagosoms kommt (VAZQUEZ-BOLAND et al., 2001).

Nach dem Entweichen aus der Vakuole beginnen die Bakterien sich im Zytosol zu vermehren und werden gleichzeitig von Aktinfilamenten der Wirtszelle umgeben.

Innerhalb von 2 h führt diese zunächst unsymmetrische Polymerisierung des Aktins zur Ausbildung einer Art „Kometenschweif“, mit dessen Hilfe sich die Bakterien mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 0,3 µm/s durch das Zytosol fortbewegen können (TILNEY u. PORTNOY, 1989). Die Polymerisierung des Aktins ist histologisch nachweisbar (COSSART u. LECUIT, 1998; DOMANN et al., 1993;

MARQUIS et al., 1995). Ein weiterer Virulenzfaktor der Listerien, das Act A, ein 90 kDa membranständiges Protein, initiiert dabei die Polymerisierung der freien Aktinfilamente an dem Aktinschweif (DARJI et al., 1998; KOCKS et al., 1992). Act A-Deletionsmutanten sind intrazellulär nicht mobil und zeigen in vivo keine Virulenz.

Die Aktin-vermittelte, nicht zielgerichtete Bewegung lässt einige Listerien mit der Plasmamembran ihrer Wirtszelle in Kontakt gelangen, die daraufhin fingerförmige - als Protrusionen bezeichnete - Ausstülpungen bildet (PORTNOY et al., 1992). Diese Protrusionen dringen in die benachbarte Zelle ein bzw. werden von dieser phagozytiert, worauf ein Bakterium in einem jetzt doppelwandigen Phagosom in der neuen Wirtszelle vorliegt. Innerhalb weniger Minuten tritt die Listerie, vermittelt durch LLO, Plc A und Plc B, aus diesem zweiten Phagosom aus (VAZQUEZ-BOLAND et al., 1992) und gelangt ins Zytosol, worauf der Infektionszyklus geschlossen ist und erneut beginnen kann. Durch den beschriebenen Mechanismus des interzellulären Spreadings vermag L. monocytogenes den Angriff von Effektormolekülen des humoralen Immunsystems, wie Antikörper und Komplementfaktoren, zu umgehen.

Für humane Endothelzellen wurden sowohl die direkte Inl-vermittelte Invasion als auch ein Spreading über adhäsive, Listerien-infizierte Makrophagen beschrieben

(DREVETS et al., 1995). Auf diese Art und Weise scheinen Listerien auch Bluthirn- und Plazentarschranke überwinden zu können (GREIFFENBERG et al., 1998;

PARIDA et al., 1998).

Abb. 3: Infektionszyklus von L. monocytogenes (nach TILNEY und PORTNOY, 1989).

Entgegen des Uhrzeigersinns: Eintritt des Bakteriums in die Wirtszelle, Einschluss im Phagosom, Freisetzung aus dem Phagosom, zytosolische Aktinpolymerisation und Replikation, Bewegung mittels Aktinschweif, Ausbildung von Protrusionen, Internalisierung der Ausstülpung durch die Nachbarzelle, Einschluss in ein doppelwandiges Phagosom, Freisetzung aus dem zweiten Phagosom, Neubeginn des Infektionszyklus.

2.5.2 Listeriose

Davon ausgehend, dass Listerien ubiquitär verbreitet sind und mit großer Häufigkeit Nahrungsmittelrohstoffe und industriell erzeugte Nahrungsmittel kontaminieren (FARBER u. PETERKIN, 1991), ist die Aufnahme der Erreger mit der Nahrung vermutlich ein alltägliches Geschehen (VAZQUEZ-BOLAND et al., 2001). Die Inzidenz humaner Listeriose-Fälle ist jedoch mit 2 - 8 Fällen pro eine Million Menschen in Europa und den USA als sehr gering einzustufen (FARBER u.

PETERKIN, 1991; TAPPERO et al., 1995). Kommt es dagegen zu epidemischen Verläufen in Zielpopulationen, steigt die Inzidenz dramatisch (bis Faktor 10) an (ADAK et al., 2002; TAPPERO et al., 1995). Dies weist zum einen auf die Bedeutung der Wirtssuszeptibilität, zum anderen darauf hin, dass Listerien offensichtlich eine

PETERKIN, 1991; TAPPERO et al., 1995). Kommt es dagegen zu epidemischen Verläufen in Zielpopulationen, steigt die Inzidenz dramatisch (bis Faktor 10) an (ADAK et al., 2002; TAPPERO et al., 1995). Dies weist zum einen auf die Bedeutung der Wirtssuszeptibilität, zum anderen darauf hin, dass Listerien offensichtlich eine