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Auswahl der Datengrundlage zur Trinkwasserversorgungsstruktur

2 Lage und Auswahl des Untersuchungsgebietes

4.5 Die Konzeption einer GIS-gestützten Surveillance auf lokaler Ebene

4.5.3 Auswahl der Datengrundlage zur Trinkwasserversorgungsstruktur

In DIN 4046 (September 1983, Wasserversorgung, Begriffe-Technische Regeln des DVGW) sind die wesentlichen Fachbegriffe und Bestandteile der Wasserversorgung festgelegt. Die Wasserversorgung besteht aus der öffentlichen und Eigenwasser-versorgung. Unter zentraler Wasserversorgung versteht man die Versorgung vieler Endverbraucher durch ein Rohrleitungsnetz. Die Hauptbestandteile einer öffentlichen Wasserversorgung umfassen:

ƒ Wassergewinnung (Herkunft, Wasserfassung wie z. B. Quellfassung, Brunnen, Entnahmebauwerke für Talsperrenwasser)

ƒ Wasseraufbereitung (physikalische, biologische, chemische Verfahren)

ƒ Förderanlagen (Druckerhöhungsanlagen, Pumpwerke)

ƒ Speicherung (Hochbehälter: Erdbehälter oder Wasserturm)

ƒ Wassertransport und -verteilungsystem (z. B. Rohwasserleitung, Zubringerleitung, Hauptleitung, Anschlussleitungen)

ƒ Hausinstallation: Verbrauchsleitungssysteme nach der Übergabestelle, meistens ab Wasserzähler)

Jeder der o. g. Bestandteile stellt unterschiedliche Anforderungen für die Bereitstellung hygienisch-einwandfreien Trinkwassers.

Je nach Herkunft und Gewinnungsanlage ist das Rohwasser unterschiedlich stark belastet mit Inhaltsstoffen, die nach der Trinkwasserverordnung nicht im Trinkwasser vorhanden sein dürfen und deshalb durch geeignete Maßnahmen entfernt werden müssen. Unter Rohwasser wird Wasser verstanden, das einem Gewässer für die

öffentliche Trinkwasserversorgung entnommen wird, unabhängig davon, ob es vor der Abgabe einer Aufbereitung oder Desinfektion unterzogen wird.

Ziel der Aufbereitungstechniken ist es, aus dem Rohwasser Wasser für den menschlichen Gebrauch herzustellen. Für Grundwasser und Oberflächenwasser werden verschiedene Aufbereitungstechniken angewendet. Zu den Hauptverfahren der Trinkwasseraufbereitung gehören Belüftung, Sedimentation, Membranverfahren, Fällung, Flockung, Enteisenung, Filtration und Denitrifikation. Zur Erreichung des Aufbereitungs-ziels werden häufig Verfahrenskombinationen eingesetzt (DAMRATH & CORD-LANDWEHR, 1998).

Pumpwerke, Rohrleitungen und Speichersysteme sind wirtschaftlich und technisch eng miteinander verknüpft. Die Bemessungen und Materialien für Rohre und Speicherwerke sind auf die Erhaltung der Trinkwasserqualität ausgelegt. In den Technischen Regeln und Mitteilungen des DWGW sind in verschiedenen Arbeitsblättern die baulichen Anforderungen u. a. in W 311, W 312, W 318 und W 341 aufgeführt.

Von den Hochbehältern aus wird das aufbereitete Trinkwasser durch das Versorgungsnetz im Versorgungsgebiet verteilt. Der Rohrnetzbetrieb kann in seiner Funktionstüchtigkeit durch starken Straßenverkehr, Bodenversatz, Korrosion und Frost stark beeinträchtigt werden. Undichtigkeiten und Brüche führen nicht nur zu erheblichen Wasserverlusten, sondern auch zu Beeinträchtigungen der Trinkwasserqualität (DAMRATH

& CORD-LANDWEHR, 1998).

Insgesamt ist die Trinkwasserinfrastruktur geprägt durch hohe Kosten und einen hohen Fixkostenanteil. Das Leitungsnetz kann i. d. R. mehr als 50 Jahre genutzt werden.

Die Nutzung und Planung eines solchen Systems unterliegt demnach langen Planungs- und Nutzungszeiträumen, so dass das System nur langsam an wechselnde äußere Bedingungen angepasst werden kann (LEIST & MAGOULAS, 2000).

4.5.3.2 Das HACCP-Konzept in der Trinkwasserproduktion

Der methodische Hintergrund der Datenerhebung zur Trinkwasserversorgungs-struktur im Rheinisch-Bergischen Kreis beruht auf dem „Hazard Analysis Critical Control Points“ (HACCP) Konzept. Es wurde in den 1960er Jahren in den USA für die sichere Lebensmittelproduktion in der Raumfahrt entwickelt. In den 1970er und 1980er Jahren wurde es zunehmend in der Lebensmittelindustrie eingesetzt und hat mittlerweile Eingang in das Europäische Recht gefunden (UNTERMANN, 1996).

Im Regelwerk des FAO/WHO Codex Alimentarius ist eine international verbindliche Version des HACCP-Konzeptes aufgenommen worden (FAO/WHO Codex Alimentarius: www.codexalimentarius.net).

Die Funktionsweise des Konzeptes lässt sich aus der Definition der einzelnen Begriffe herleiten. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) liefert eine offizielle Übersetzung des HACCP-Konzeptes.

Unter „Hazard“ wird die Gefahr verstanden, die durch „Ein Agens oder ein(en) Faktor von biologischer, chemischer oder physikalischer Natur mit der Eigenschaft, eine Gesundheitsschädigung hervorrufen zu können“ ausgelöst werden kann (BGVV, 1998, 5).

Als Hazard Analysis wird die Gefahrenanalyse verstanden, welche „... den Vorgang des Sammelns, Aus- und Bewertens von Informationen über Gefahren und Situationen, die diese hervorrufen können (beschreibt), um zu entscheiden, welche bedeutend für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und daher in den HACCP-Plan einzubeziehen sind.“

Aufbau des GIS-STI 99 (BGVV, 1998, 5). Ein Critical Control Point (CCP) meint „eine Stufe, auf der es möglich und von entscheidender Bedeutung ist, eine gesundheitliche Gefahr durch Lebensmittel zu vermeiden, zu beseitigen oder auf ein annehmbares Maß zu reduzieren“ (BGVV, 1998, 5).

Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Konzept auch für die Trinkwasserproduktion entdeckt. Im Prozess der Trinkwassergewinnung, -aufbereitung und -verbreitung können Situationen auftreten, die wie in den einzelnen Stufen der Lebensmittelproduktion zu einer Gesundheitsgefährdung der versorgten Bevölkerung führen können. Das Hazard Analysis Critical Control Point-Konzept wurde wesentlich durch HAVELAAR (1994) in die Trinkwasserproduktion eingeführt. Das Ziel dieser Entwicklung war, durch ein kontinuierliches Monitoring die kritischen Stellen im Trinkwasserproduktions-System ausfindig zu machen, sie zu kontrollieren und, wenn möglich, zu beheben (HAVELAAR, 1994).

Die Überwachung im Prozess der Trinkwasserproduktion beginnt bei der Herkunft und Speicherung des Rohwassers, umfasst verschiedene Techniken und Stufen der Trinkwasseraufbereitung sowie das Verteilungsnetz bis zu den Endverbrauchern. Als besonders kritische Situationen im Produktionsprozess identifizierte HAVELAAR (1994) folgende Stufen:

- Nutzungskonflikte in Einzugsgebieten von Wasserressourcen

- Rohwasserentnahmesysteme

- Trinkwasseraufbereitungstechniken

- Stufen der Desinfektion

- Speicherung des aufbereiteten Trinkwassers

- Verteilungsnetz (Rekontaminierung)

- Trinkwasserkonsumgewohnheiten der Bevölkerung

Die Erhebung der Trinkwasserversorgungsstrukturen im Rheinisch-Bergischen Kreis, basierend auf dem HACCP-Konzept, wurde als Vorstudie bereits in einer Diplomarbeit durchgeführt (HERBST, 1999). Die Ergebnisse der Studie wurden teilweise publiziert (KISTEMANN et al., 2001). Aufbauend auf diese Arbeiten konnten, ergänzt durch eigene Erhebungen, die für die Surveillance relevanten Datenbasen erhoben und auf ihre Tauglichkeit für ihre Verwendung in einer GIS gestützten STI geprüft werden.

In Anlehnung an die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit eine effiziente Datenbasis für räumliche Analysen zu Gesundheitsrisiken zu schaffen, wird hinsichtlich des HACCP-Konzepts nicht im Detail auf die einzelnen Schritte in der Trinkwasser-aufbereitungsanlage eingegangen, sondern besonders die Herkunft und Qualität des Roh- und Trinkwassers sowie die Verteilung im Versorgungsgebiet untersucht.

Mit Hinblick auf eine schnelle und kostengünstige Entwicklung einer GIS-Struktur für trinkwasserbezogene Daten ist es sinnvoll, bereits bestehende Datensätze aus der amtlichen Überwachung des Trinkwassers im Rheinisch-Bergischen Kreis zu nutzen.

4.5.3.3 Die gesetzliche Überwachung des Roh- und Trinkwassers auf lokaler Ebene In Kapitel 3.1 wurde bereits die gesetzliche Trinkwasserüberwachung in Deutschland betrachtet. Die zugrunde liegende Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) dient dem Zweck, dass das dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Wasser keine potentielle, gesundheitliche Gefährdung darstellt. Eingebettet in die allgemeinen Regelungen ist die Überwachung des Roh- und Trinkwassers auf lokaler Ebene. In der TrinkwV (2001) sind die Pflichten der Wasserversorgungsunternehmen und der verantwortlichen Gesundheitsbehörden in den §§ 13 bis 21 genau geregelt.

Die Inhaber von Wasserversorgungsanlagen sind zum einen verpflichtet, mikrobiologische und chemische Untersuchungen des Roh- und Trinkwassers in definierten Zeiträumen durchzuführen und zum anderen wahrnehmbare Veränderungen des Wassers sowie außergewöhnliche Vorkommnisse in der engeren und weiteren Umgebung des Wasservorkommens jederzeit an das zuständige Gesundheitsamt weiterzuleiten (§ 16 TrinkwV 2001).

Umfang und Häufigkeit der Wasseruntersuchungen sind abhängig von der pro Tag abgegebenen Trinkwassermenge des Wasserversorgungsunternehmen (WVU). Bei einer Menge von >3 m³ bis <=1000 m³ pro Tag in einem Versorgungsgebiet produzierten oder abgegebenen Wassers müssen jährlich 4 routinemäßige Proben durchgeführt werden.

Bei einer abgegebenen Menge von >6667 m³ bis <=10.000 m³ pro Tag sind es 36 Proben pro Jahr (Anlage 4, II TrinkwV 2001). Auch die Probenahmestellen, an denen die Grenzwerte eingehalten werden sollen, sind gesetzlich vorgeschrieben (§ 8 TrinkwV 2001). Für die chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Nachweismethoden sind diejenigen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik anzuwenden. Nur akkreditierte Untersuchungsstellen sind dafür zugelassen. Eine von den Untersuchungsstellen unabhängige Institution, die von der zuständigen Obersten Landesbehörde bestimmt wird, überprüft regelmäßig die Qualität der Labors.

Die Wasserversorgungsunternehmen müssen die Ergebnisse jeder Untersuchung schriftlich oder auf Datenträgern festhalten. Es müssen folgende Angaben protokolliert werden: Ort der Probenahme nach Gemeinde, Straße, Hausnummer und Entnahmestelle, die Zeitpunkte der Entnahme und Untersuchung der Wasserprobe sowie die angewendeten Untersuchungsmethoden. Die zuständige Oberste Landesbehörde kann bestimmen, ob für die Protokollierung der Daten vorgefertigte Formulare oder EDV-Erfassung zu verwenden ist. Bis spätestens zwei Wochen nach der Wasserprobe sind die Unternehmer der Wasserversorgungsanlagen verpflichtet, eine Kopie des Protokolls an das zuständige Gesundheitsamt zu senden (§ 15 TrinkwV 2001).

Die Umsetzung der Trinkwasserverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen erfolgt durch das Ministerium für Frauen, Jugend, Gesundheit und Soziales (MFJGS). Zur Verbesserung der Informations- und Entscheidungsgrundlagen sowie zur größeren Verfügbarkeit von Daten zur Trinkwasserversorgung in Nordrhein-Westfalen entschloss sich das MFJGS eine zentrale Trinkwasserdatenbank (TWDB) aufzubauen. Im Rahmen der Entwicklung der TWDB wurde für die 54 Unteren Gesundheitsbehörden der Kreise und kreisfreien Städte NRW’s ein lokales Trinkwasserdatenerfassungs- und Informations-system (TEIS) entwickelt, dessen Ein- und Durchführung auf Länderebene durch das Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (LÖGD) verantwortlich geleitet wird.

Die Software-Pakete wurden seit 1994 durch das Rheinisch-Westfälische Institut für

Aufbau des GIS-STI 101 Wasserchemie und Wassertechnologie (IWW) entwickelt und stehen seit 1996 allen Unteren Gesundheitsbehörden zur Verfügung (IWW, 1996a; IWW, 1996b).

Auf Basis der TrinkwV vom Stand 1990 wurden TEIS und TWDB entwickelt. Die Informationssysteme werden nach und nach der neuen TrinkwV angepasst, die ab 1.

Januar 2003 gesetzlich in Kraft tritt. Bei den Daten des TEIS bzw. TWDB handelt es sich um Angaben zu administrativen Einheiten, WVU, Abgabemengen, angeschlossener Bevölkerung, Aufbereitungsmethoden, Einspeisungspunkten, Probenahmestellen, mikrobiologischen und chemischen Analyseergebnissen.

Die Erhebung der Trinkwasserversorgungsstrukturen im Rheinisch-Bergischen Kreis beruhte im Wesentlichen auf den Informationen aus der TEIS-Datenbank und umfasst den Zeitraum 1996 bis 1999, so dass hier als gesetzliche Grundlage die Trinkwasserverordnung vom Stand 1990 gilt. Der Unterschied zwischen den TrinkwV-Versionen liegt zum einen in der unterschiedlichen Bezeichnung von Trinkwasser (alte Fassung „Trinkwasser und Wasser für Lebensmittelbetriebe“, neue Fassung: „Wasser für den menschlichen Gebrauch“) und zum anderen in der Erweiterung der Pflichten der WVU und insbesondere der Gesundheitsämter.

Die Überwachung des Rohwassers wird insofern über die Trinkwasserverordnung geregelt, als in § 14 (TrinkwV 2001) festgelegt ist, dass die WVU verpflichtet sind Untersuchungen des Rohwassers vorzunehmen. Über das Landeswassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG NW) wird die Rohwasserüberwachung auf Länderebene umgesetzt. Im Landeswassergesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995) ist im sechsten Abschnitt II im § 50 geregelt, dass „die Unternehmen der öffentlichen Trinkwasserversorgung (...) verpflichtet (sind), auf ihre Kosten die Beschaffenheit des Rohwasser durch eine geeignete Stelle untersuchen zu lassen“.

Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) ist ermächtigt, die Häufigkeit, Art, Ort und Umfang der Probeentnahmen zu bestimmen (§ 50 LWG). Die Untersuchungsergebnisse sind jährlich der zuständigen Wasserbehörde vorzulegen. Laut Erlass des MUNLV erließ der Regierungspräsident Köln 1982 eine Richtlinie zur Vereinheitlichung der Rohwasserüberwachung. Zuständig für die staatliche Überwachung nach LWG (§§ 30, 50, 116 LWG) sind bei WVU, die mehr als 600.000m³ an Rohwasser fördern, bei Oberflächenwasser in jedem Fall, die Bezirks-regierungen, in den übrigen Fällen die unteren Wasserbehörden (Kreise und kreisfreie Städte).

Rohwasserentnahmestellen stellen grundsätzlich Probenahmepunkte dar, für die die Untersuchungshäufigkeit, zu messende Parameter und sonstige Angaben in einem

„Stammdaten-Protokoll“ festgehalten werden. Die Stammdaten werden von den WVU ausgefüllt und an das verantwortliche Staatliche Umweltamt (StUA) weitergeleitet. Zur Vervollständigung der eingehenden Daten ergänzt das StUA weitere Informationen zu hydrologischen und klimatischen Bedingungen sowie zu geographischen und administrativen Räumen. Zur übersichtlichen Verwaltung der Daten wurde durch das Landesamt für Umweltschutz (LUA) des Landes Nordrhein-Westfalen ein wasserwirtschaftliches Grundlagen-Datenbanksystem entwickelt, das HYGRIS (Hydrologisches Grundlagen-Informationssystem), welches die unveränderlichen Angaben zu den Messstellen als auch die hygienischen Testergebnisse der Rohwasser-messstellen enthält (KAIMER & PUPHAL, 1993).