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Austausch in der Bildenden Kunst

Von Nikolaus Back

gesetzt werden könne. Diese Ausstel-lung stieß auch auf Resonanz weit über die Filder hinaus.

Gartenhallenbad Bernhausen Kurze Zeit darauf begann Wladi-mir Kolesnikov mit der Ausmalung des Gartenhallenbads Bernhausen.

Zunächst hatte er der Stadt Filder-stadt angeboten, ein Gemälde zu schenken, sofern er in Filderstadt freie Kost und Logis sowie ein Ateli-er Ateli-erhalte. Dank des großen

Engage-ments von Waldemar Beck (Künstler der Filder) und Margrit Kurz-Böge (Deutsch-Sowjetische Gesellschaft) als Quartiergeber sowie der Stadt Filderstadt konnte dies gelingen.

Zusätzlich veranstaltete Kolesnikov eine Verkaufsausstellung mit Bil-dern, die während seiner Zeit in Fil-derstadt entstanden waren.

Im Zeitraum zwischen Septem-ber 1989 und Januar 1990 arbeite-te Wladimir Kolesnikov auf einem großen Baugerüst an der Ausmalung

Wladimir Kolesnikov bei der Einweihung der Wandgemälde im Gartenhallenbad am 18. März 1990, links Margrit Kurz-Böge als Übersetzerin.

des Hallenbads, ohne dass das Hal-lenbad geschlossen werden muss-te. Was aber zunächst nur als ein kleines Mosaik oder Bild angedacht war, entwickelte immer größere Di-mension: Statt einer Wand wurden schließlich drei Wände ausgemalt.

Die feierliche Einweihung erfolgte am 18. März 1990 in Anwesenheit von Nikolai Tsys, dem Vorsitzen-den der ukrainischen Künstlerver-einigung. Damit hatte ein Künstler aus Poltawa ein deutlich sichtbares Zeichen der Partnerschaft zwischen Poltawa und den Filder-Städten ge-schaffen.

Ausstellung im Künstlerkombinat Poltawa

Im Sommer 1990 erhielt der Ver-ein „Künstler der Filder“ (Küfi s) die Einladung zu einer Ausstellung in den Räumen des Künstlerkombinats von Poltawa. Allerdings warf der Transport von 120 Bildern und ei-ner Steinskulptur erhebliche Proble-me auf. Die Speditionskosten hätten tausende von Mark gekostet. Statt-dessen erklärten sich zwei junge

„Küfi s“, Ralph Baiker und Stephanie Bollinger sowie Stadtrat Jochen Al-ber, bereit, den Transport der Kunst-werke über die 2.400 Kilometer lan-ge Strecke in einem VW-Bus selbst durchzuführen.

Als Vertreter der „Künstler der Fil-der“ reisten Waldemar Beck und

Axel Zimmermann per Flugzeug nach Poltawa. Mit von der Partie war auch Christian Bayer aus Bon-landen. Er war über zehn Jahre lang in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen und hatte dabei perfekt Russisch gelernt, ihm war dieser Bei-trag zur Aussöhnung zwischen Deut-schen und Ukrainern ein großes An-liegen.

Die Ausstellung konnte im Juni 1990 im Künstlerkombinat eröffnet wer-den. Gezeigt wurden Werke von ins-gesamt 16 Künstlerinnen und Künst-lern von den Fildern. Die gezeigten Werke verblieben als Geschenk bei der Stadt Poltawa. Im Gegenzug er-hielten die „Künstler der Filder“ eine

Datscha in der Nähe von Poltawa, ein so genanntes „Bauernhäusle“ zur Verfügung, welches als Stützpunkt der Begegnung dienen sollte.

Für die Künstler-Delegation wur-de ein vielfältiges Besichtigungspro-gramm organisiert. Dazu zählte auch ein Besuch von Kiew, wo gerade zu jenem Zeitpunkt ein Staatsbesuch von Margret Thatcher bei Michail Gorbatschow stattfand. Für einen kurzen Moment gelang es tatsäch-lich, einen Blick auf die beiden in ihren Limousinen zu erhaschen. Als Fazit äußerten Axel Zimmermann und Waldemar Beck in der Filder-Zeitung: „Wir haben dort eine spon-tane und sehr herzliche

Gastfreund-Wandgemälde von Wladimir Kolesnikov im Gartenhallenbad Bernhausen

schaft erfahren, wir haben viele in-teressante Menschen kennen gelernt und zahlreiche positive Eindrücke mitgebracht.“

Bereits in den Anfängen der Part-nerschaft wurden in Poltawa

Schät-ze aus dem deutschen Spielkarten-museum Leinfelden-Echterdingen präsentiert. Sie fand im Landes-museum im Winter 1990/91 statt.

Die Ausstellung verzauberte über 10.000 Besucher.

Im folgenden Jahr 1991 folgte eine vierwöchige Ausstellung zeitgenössi-scher Kunst aus Poltawa in der Städ-tischen Galerie Leinfelden-Echter-dingen in der Filderhalle. Ausgestellt wurden die Werke der vier Künst-ler Volodimir Bezuglov, Nikolaj Bol-juch, Marina Gerascenko und Viktor Volod’ko. Dazu erschien ein 60 Sei-ten umfassender, farbiger Katalog, verfasst durch die Tübinger Kunst-historikerin Maria Christina Zopf.

Waldemar Beck und Axel Zimmermann als Vertreter der Küfi s in Poltwa, 1990.

In den folgenden Jahren gab es hin-gegen nur noch vereinzelte künst-lerische Begegnungen, hierzu zählte beispielsweise die beiden Ausstellun-gen mit Werken von Nikolaj Be-lous im Jahr 1995 in der Städtischen Galerie in Ruit sowie im Dezember 2006 in der Galerie Altes Rathaus Musberg, organisiert durch die Stadt Leinfelden-Echterdingen. Die Aus-stellung in Musberg hatte das Thema

„Dialog“, der Künstler strebte in sei-nen Arbeiten den Dialog der Gegen-stände und Bilder an.

Nicolai Boljuch (geb. 1955 in Poltawa): „Ich sage ja …“, ausgestellt 1991 in Leinfelden-Echterdingen.

Einweihung der Ausstellung der „Künstler der Filder“ in Poltawa im Juni 1990.

Im Jahr 1998 begann auf Initiati-ve der Stadt Ostfi ldern eine lang-jährige Partnerschaftsaktivität, die

„Expertenaustausch“ genannt wird:

Fachleute auf verschiedenen Gebie-ten bieGebie-ten in Poltawa Vorlesungen oder Gespräche an, um praxisnahes Know-how von den Fildern in die Ukraine zu transferieren.

Den Anfang machten Baubürger-meister Jürgen Fahrlaender, der an der Technischen Universität über Stadtplanung und Stadtentwicklung referierte, und Dr. Wolfgang Väth mit Vorlesungen über verschiede-ne chirurgische Fragestellungen an der Medizinischen Universität. Das Interesse der Studenten war enorm.

Es fand sich kein Platz mehr in den Hörsälen, und es kamen auch viele Ärzte, die die Vorlesungen als Fort-bildung nutzten.

Aufgrund zahlreicher Nachfragen aus Poltawa wurde dieses Programm jährlich fortgesetzt. Die Vorlesungen erreichten schon in den Anfangsjah-ren rund 1.500 bis 2.000 Studenten, die sich höchst interessiert an den angebotenen Themen zeigten. Später konnten die Vorlesungen auch durch workshops ergänzt werden. Sozia-le Themen wie die Aids-Hilfe sind ebenso gefragt wie Wirtschaftsthe-men oder „Deutsch als

Fremdspra-Expertenaustausch

Von Jochen Bender

che“. Mittlerweile haben weit über 20 Vorlesungszyklen mit mehr als ei-nem Dutzend Experten stattgefun-den. Die ehrenamtlichen Experten bereiten sich mit großem Aufwand vor und investieren viel Zeit und Energie in ihre Partnerschaftsakti-vitäten. Zum Erfolg trägt auch das Dolmetschen der in Deutsch gehalte-nen Vorträge bei, das seit vielen Jah-ren in den bewährten Händen von Oleg Kaplonski aus Ostfi ldern liegt.

Der Expertenaustausch ist bislang noch eine Einbahnstraße geblieben.

Für die Zukunft bleibt zu hoffen,

dass die Partnerstädte auf den Fil-dern auch von Experten aus Poltawa profi tieren können. Ein Anfang ist gemacht: Inzwischen halten die Pro-fessoren Jurij Golik und Oleg Gorb Vorlesungen für Doktoranden an der Universität Hohenheim.

Vorlesung an der Technischen Universität Poltawa im Rahmen des Expertenaustauschs, 2010.

Günter Stoll aus Stetten erzählt Geschäftsführer der NEWO Nellinger Wohnbau

Seit 2005 bin ich nach der Anfra-ge von Erstem BürAnfra-germeister Rai-ner LechRai-ner aus Ostfi ldern fast jedes Jahr in Poltawa gewesen, um an der Technischen Universität Vorlesun-gen zu halten. Durch meine frühe-re Tätigkeit als Banker und jetzt als Immobilienfachmann in Ostfi ldern kann ich viel über Themen wie bei-spielsweise Allgemeine Wirtschafts-themen, Bankensystem, Kreditwe-sen, Wertpapiere oder Baufi nan-zierung sagen. Am Anfang hieß es ziemlich unkonkret: „Erzählen Sie mal etwas über Finanzierungen“, aber mit der Zeit wurden die The-men immer mehr ausgebaut. Für jeden Tag der Reisewoche habe ich eine Vorlesung entwickelt. 2005 fand das noch in einem antiquierten Hörsaal statt, mittlerweile ist dort modernster Standard anzutreffen.

Auch an anderen Hochschulen sind meine Vorlesungen gefragt.

Ich bin in Poltawa sehr gastfreund-lich und liebenswürdig empfangen worden. Poltawa ist eine zentrale Universitätsstadt für die ganze Uk-raine und besonders für die Oblast (Region) Poltawa und hat eine große Bildungstradition. Die Studenten in-teressieren sich sehr für diese Wirt-schaftsthemen, weil sie eindeutig nach dem Westen streben. Die jun-gen Leute nehmen das begierig auf.

Das dortige Universitätssystem ist sehr verschult, der Professor genießt Autorität. Anfangs wurden wenige Fragen gestellt, aber nach und nach wurden die Studenten aufgeschlos-sener. Ich habe schon den Eindruck, dass sie sich damit beschäftigen und dass sie sich in weiteren Vorlesun-gen damit auseinandersetzen. Aber die Wirtschaftsthemen stehen noch am Anfang.

Meine Vorlesungen werden dort von der Öffentlichkeit wahrgenommen.

Es kamen lange Berichte im regi-onalen Fernsehen. Als Zeichen der Anerkennung wurde mir der Titel eines Professors (ehrenhalber) ver-liehen.

Vor etwa 20 Jahren war ein Stu-dent aus Poltawa auf den Fildern, dem ich bei der Volksbank ein Prak-tikum verschafft habe. Ich besu-che ihn immer, wenn ich in Poltawa bin, er arbeitet dort bei einer Bank.

Wir reden viel über das ukrainische Bankensystem und die Entwicklung der Ukraine. Mittlerweile tummeln sich in Poltawa große internatio-nale Filialbanken. Viele Leute tun sich schwer damit, den Verlockun-gen eines schnellen Kleinkredits zu widerstehen, und manche haben am Schluss mehr Schulden als vorher.

Ich habe immer versucht, die Si-tuation der Ukraine vor dem Hin-tergrund ihrer wechselvollen schichte zu verstehen. Um die Ge-genwart zu begreifen, muss man auch die Strukturen analysieren.

Deshalb ist mir das Rahmenpro-gramm während meiner Poltawa-reisen besonders wichtig: Besich-tigungen von Wirtschaftsbetrieben und Krankenhäusern, von Kirchen-gemeinden und Dörfern. Man muss sich mit der dortigen Kultur ausei-nandersetzen. In der Stadt sind an vielen einzelnen Stellen positive Entwicklungen festzustellen. Es gibt aber immer noch enorme soziale Unterschiede. Demokratisches Den-ken ist ein langer Prozess. Wichtig ist, dass die Leute sehen, wie man mit Eigeninitiative weiterkommt.

Wir leben hier in einer wohlstands-gesättigten Region. Es wäre gut, wenn sich bei uns noch mehr Men-schen für die Situation in Poltawa interessieren würden. Die Spenden-aktion der Bürgerstiftung Ostfi ldern zum Jahresende 2012 war ein voller Erfolg in dieser Richtung.

Günter Stoll (links) bei der Verleihung der Ehrenprofessorwürde durch Jurij Golik von der Technischen Universität Poltawa, 2010.

Die Stadt Filderstadt hat innerhalb der drei Städte den Schwerpunkt bei der Zusammenarbeit im Umwelt-schutz – insbesondere in den Berei-chen ökologische Landwirtschaft, Gewässerschutz und Abfallwirtschaft – übernommen.

Ein sehr wichtiger Partner auf den Fildern war und ist das 1995 ge-gründete Osteuropazentrum in Ho-henheim, dessen Leiter, Dr. Jochem Gieraths, gleichzeitig ein Bürger von Leinfelden-Echterdingen, die Part-nerschaft mit großem Engagement begleitet. In der Anfangsphase des Instituts unterstützten die drei Städte das Institut mit Zuschüssen für Ta-gungen, so dass Wissenschaftler aus Poltawa regelmäßig nach Hohen-heim kommen konnten. Auf diesem Weg entstand der Kontakt zu Oleg Gorb, Professor an der Agrarakade-mie von Poltawa und engagierter Verfechter für Ökologie in der Ukra-ine. Bald darauf lernte man mit Jurij Golik, Professor an der Technischen Universität Poltawa, einen weite-ren Wissenschaftler kennen, der die Chancen der Partnerschaft erkannte, um ökologische Themen in Poltawa voranzubringen.

Tatsächlich hat die Städtepartner-schaft dazu beigetragen, dass Polta-wa unter den 22 Agarhochschulen