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Die Kürzungen der Bundesregierung bei den »Leistungen zur Einglie-derung in Arbeit« betrugen von 2010 (etwa 6,6 Mrd.) zu 2015 (etwa 4 Mrd.) ca. 2,6 Mrd. Euro. Hinzu kommt, dass alle Jobcenter einen beträchtlichen Teil dieser Mittel in den Verwaltungsetat verschieben, um eine geordnete Betreuung und Bezahlung ihrer »Kunden« zu gewährleis-ten. Die aktuelle Regierung hat hieran praktisch nichts geändert. Das neue Nahles-Programm soll etwa 40.000 Menschen aus der Langzeit-Arbeitslosigkeit verhelfen – ein Tropfen auf den heißen Stein. Die für diese Zielgruppe besonders wichtige öffentlich geförderte Beschäftigung ist mit etwa 150.000 Beschäftigten auf einem Tiefststand angelangt. 1999 wurden noch um die 700.000 Menschen gefördert (Abbildung 2).

Diese Entwicklung lässt den Jobcentern kaum noch Spielräume, sich dem Personenkreis der psychisch beeinträchtigten Menschen in beson-derer Weise zu widmen. Die Jobcenter haben aber weiterhin sowohl im Einzelfall als auch in Bezug auf die Zielgruppe als Ganzes gewisse

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Möglichkeiten. Unter den fünf »Modellregionen« der IAB-Untersuchung waren zwei, in denen besondere Strukturen für psychisch beeinträchtigte Menschen geschaffen wurden. (IAB-Studie S. 46 ff.) In der großstäd-tischen Region D wurde bereits mit Einführung des SGB II 2005 ein

»Spezifisches Fallmanagement für SGB-II-Beziehende mit gesundheit-lichen Problemen« eingeführt. Und in Region E »ist unter Beteiligung des Landesministeriums ein Projekt initiiert worden, das die Vernetzung des Jobcenters mit den Akteuren des Hilfesystems zum Ziel hat«. Hinzu kam die enge Zusammenarbeit der psychosozialen Anbieter im Rahmen eines Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV).

In beiden Regionen konnte eine deutlich intensivere Zusammenarbeit, mehr Zufriedenheit bei den Kooperationspartnern und vermutlich des-halb eine bessere Betreuung der Zielgruppe erreicht werden. Dies sind aber leider bundesweit singuläre Ausnahmen. In der Regel muss der Impuls von außerhalb der Jobcenter kommen, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Das psychosoziale Hilfssystem kann auf diese Situation im Wesentlichen nur proaktiv reagieren, wenn es Verbesserungen für psy-chisch beeinträchtigte Menschen im Langzeit-Hartz IV-Bezug erreichen möchte. Hierzu kann man sowohl auf der individuellen als auch auf der institutionellen Ebene ansetzen.

ABBILDUNG 2 Entwicklung der öffentlich geförderten Beschäftigung seit 19915

Auf der individuellen Ebene der einzelnen betroffenen Menschen bietet das SGB II im Prinzip eine Fülle von Möglichkeiten, personenbezogene Lösungen zu realisieren. Eine persönliche Begleitung und Unterstützung durch Fachkräfte hilft in der Regel dabei, mit dem Jobcenter gemeinsam Lösungen zu finden. Fachärztliche Empfehlungen, die mit Blick auf die realisierbaren Möglichkeiten erstellt wurden, können ebenfalls weiter helfen. Leider fehlt es auch auf der Seite der Unterstützer (z. B. im ambu-lant betreuten Wohnen oder bei einer rechtlichen Betreuung) oft an den notwendigen Ressourcen. Früher konnte der Integrationsfachdienst in vielen Fällen Menschen mit psychischer Behinderung in Arbeit vermitteln und dann weiter begleiten. Auch dies hat in der letzten Legislaturperiode die gelbe Bundesregierung abgeschafft und die aktuelle schwarz-rote nicht wieder geändert.

Institutionell kann eine Zusammenarbeit angeboten werden, die nach Bedarf von den Jobcentern genutzt wird bzw. zu deren Nutzung sich die Jobcenter auch verpflichten können. Dabei sollte man auf die positiven Erfahrungen der IAB-Untersuchung hinweisen. Die Kommune trägt im SGB II die Kosten der Unterkunft und sollte deshalb an der Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit besonders interessiert sein. Deshalb kann sie auch die kommunale Verantwortung für psychosoziale Hilfen im Rahmen des § 16 a SGB II selbst so ausgestalten, dass Hilfen durch das Jobcenter qualifizierter erbracht werden.

Der Sozialpsychiatrische Dienst z. B. kann Schulungen für Jobcenter-Vermittler oder ausgewählte Gruppen von Jobcenter-Vermittlern anbieten. Er könnte auch fachliche Beurteilungen abgeben zur beruflichen Perspektive von Hartz IV-Empfängern mit psychischen Beeinträchtigungen. Oder er könnte darüber hinaus sogar ein Netzwerk zur Zusammenarbeit von Jobcenter und psychosozialer Versorgung entwickeln. Die Anbieter psychosozialer Hilfen, von Kliniken über Wohn-Anbieter bis zu Bera-tungsstellen und Integrationsfirmen, könnten ebenso versuchen, mit dem Jobcenter gemeinsam ein Netzwerk für den Personenkreis aufzubauen.

Auch das ließe sich von der Kommune über Mittel nach § 16 a SGB II finanzieren.

Dies alles ist aber abhängig von Entscheidungen der kommunalen Politik und Verwaltung. Es gibt keine Richtlinien, wie die »psychosozialen Hil-fen« gem. 16 a SGB II auszusehen haben. So kann jede Kommune selbst entscheiden. Die GPV haben hier sicher eine größere Chance, auf die Politik einzuwirken, als einzelne Träger oder Dienste. Darüber hinaus

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sollten sich alle Akteure der psychosozialen Versorgung auch darum bemühen, der Politik deutlich zu machen, dass viele Menschen durch Mängel im System und falsches Sparen daran gehindert werden noch produktiv tätig zu sein. Individuell und volkswirtschaftlich ist das eine Verschwendung von Ressourcen. Auch wenn es kurzfristig Kosten spart, ist der langfristige Schaden ungleich höher. Hier müssen insbesondere Bundestagsabgeordnete angesprochen werden, denn das SGB II ist ein Bundesgesetz.

Anmerkungen

1 Obermeier T, Sell S, Tiedemann B (2014): Es werden mehr. Ak-tualisierte Abschätzung der Zielgruppe für eine öffentlich geförderte Beschäftigung aus der sich verfestigenden Langzeitarbeitslosigkeit.

Remagener Beiträge zur Sozialpolitik. http://www.stefan-sell.com/

Sozialpolitik2014-15.pdf

2 Quelle: www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_

Politikfelder/Arbeitsmarkt/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIV43.

pdf [8.1.2016]

3 Sell S (2014): Mündliche Äußerung, zitiert nach:

http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/o-ton-news/es-werden-mehr-480-000-menschen-nahezu-chancenlos-am-arbeitsmarkt

4 Schubert M et al. (2013): Menschen mit psychischen Störungen im SGB II, IAB Forschungsbericht 12/2013

www.iab.de/185/section.aspx/Publikation/k131029j04 5 Quelle: www.o-ton-arbeitsmarkt.de/o-ton-news/oeffentlich-

gefoerderte-beschaeftigungentwicklung-seit-der-wiedervereinigung [8.1.2016]

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