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8. Selbstverständnis/

3.1 Zu Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktpolitik in Deutschland

3.1.1 Zur Arbeitslosigkeit – Eine terminologische und grundlagentheore- grundlagentheore-tische Einordnung grundlagentheore-tische Einordnung

3.1.1.1 Arbeit – Definition und Funktion

Um eine Definition von Arbeitslosigkeit geben zu können, ist es zunächst sinnvoll, den Begriff Arbeit zu definieren. Das Zitat „Arbeit ist die Grundlage aller menschlicher Zivili-sation“606 verdeutlicht die Relevanz und den Stellenwert, der der Arbeit als fundamenta-lem Bestandteil des menschlichen Lebens zugemessen wird. Auch wenn sich Verständ-nis und Bedeutung des Begriffes über die Zeit verändert haben, ist Arbeit noch immer zentraler Bestandteil unseres täglichen Lebens und unserer Existenz.607 Der Begriff

604 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2016c).

605 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2014b, S. 22 ff.).

606 Rifkin (2004, S. 55).

607 Vgl. hierzu bspw. Frambach (2002, S. 226 ff.).

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beit stammt vom mittelhochdeutschen Wort ‚arebeit’, was so viel wie Not, Mühsal bedeu-tet.608 Umgangssprachlich wird Arbeit oft als das Gegenteil von Freizeit und Spiel ver-standen: Beschäftigungen, die dem Zeitvertreib und Spaß dienen, werden unter Freizeit zusammengefasst, während Tätigkeiten, die zielgerichtet auf die Erfüllung bestimmter Verpflichtungen ausgerichtet sind, unter dem Arbeitsbegriff subsumiert werden. Die Bun-deszentrale für politische Bildung definiert Arbeit als „eine spezifisch menschliche sowohl körperliche als auch geistige Tätigkeit, die vor allem dazu dient, die zur Existenzsiche-rung notwendigen Mittel zu beschaffen.“609 Das Nachschlagewerk ‚Der Brockhaus‘ defi-niert Arbeit als „bewusstes, zielgerichtetes Handeln des Menschen zum Zweck der Exis-tenzsicherung wie der Befriedigung von Einzelbedürfnissen, zugleich wesentlicher Moment der Daseinserfüllung.“610 In unserer Gesellschaft wird der Begriff Arbeit fast aus-schließlich in seiner ökonomischen Dimension als Erwerbsarbeit benutzt. Einem ent-sprechenden Verständnis folgend gelten in Deutschland nach dem Sozialgesetzbuch III (SGB III) Personen als arbeitslos, wenn sie keine Erwerbstätigkeit ausüben.611

Die obigen Definitionen verdeutlichen die Relevanz und Funktion von Arbeit für die fi-nanzielle Existenzsicherung und ebenso als existential-anthropologische Grundkatego-rie.612 Obwohl Arbeit oft als mühevoll und anstrengend beschrieben wird, ist es für die meisten Menschen trotzdem unerlässlich, Arbeit zu haben. Ein Zitat des deutschen Schriftstellers Thomas Mann hierzu konstatiert treffend: „Arbeit ist schwer, ist oft genug ein freudloses und mühseliges Stochern; aber nicht arbeiten, das ist die Hölle.“ Doch was macht die Funktion und Bedeutung von Arbeit aus, dass sich ihr Verlust so schwer-wiegend auswirkt? Zweifellos ist die materielle Komponente der Existenzsicherung die offensichtlichste Funktion von Arbeit, doch daneben ist nicht zu vernachlässigen, dass Arbeit vielschichtige psychosoziale Funktionen erfüllt.

Die folgende Auflistung zeigt die sechs Hauptfunktionen von Erwerbsarbeit nach Gid-dens:613

x Geld: Lohn bzw. Gehalt ist die Haupteinkunftsquelle der meisten Menschen, um ihre täglichen Bedürfnisse zu befriedigen. Beim Fehlen eines Einkommens ent-stehen Ängste, diese Bedürfnisse nicht mehr ausreichend erfüllen zu können.

608 Vgl. Dorsch (2013, S. 173).

609 Bundeszentrale für politische Bildung (2016).

610 Brockhaus (2005, S. 239).

611 Die Legaldefinitionen der BA, wer als arbeitslos gilt, finden sich in § 16 und § 119 des SGB III, siehe hierzu auch Kapitel 3.1.2 Definition von Arbeitslosigkeit.

612 Vgl. Frambach (2002, S. 226).

613 Vgl. im Folgenden Giddens (2013, S. 286).

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Nur wenige Menschen verfügen über ausreichende Mittel, den eigenen Lebens-unterhalt langfristig ohne Arbeit zu sichern.

x Aktivität: Die Beschäftigung liefert oft die Grundlage für den Erwerb und die Aus-übung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie eine kollektive Sinn- und Zweckstruktur. Sie bietet eine strukturierte Umgebung, in der die Energien der Personen aufgehen können. Bei Verlust der Arbeit können die Gelegenheiten, solche Fähigkeiten ausüben zu können, eingeschränkt sein.

x Abwechslung: Durch ihre Arbeit erleben Menschen Situationen, die sich von ih-rer häuslichen Umgebung unterscheiden. Hieraus kann – selbst wenn die Arbeit wenig abwechslungsreich ist – eine gewisse Befriedigung gezogen werden.

x Zeitstruktur: Arbeit läuft i.d.R. innerhalb einer vorgegebenen Zeitstruktur ab und dient dadurch als Orientierungsfaktor für eine dauerhafte zeitliche Strukturierung des Alltags. Bei den meisten erwerbstätigen Personen wird der Tagesablauf im Allgemeinen an den Rhythmus der Arbeit angepasst.

x Soziale Kontakte: Der Arbeitsplatz schafft vielfach die Grundlage für Freund-schaften und stellt Gelegenheiten zur Verfügung, über das enge soziale Umfeld von Familie und Freunden hinaus soziale Kontakte zu knüpfen, andere Men-schen kennenzulernen und Dinge gemeinsam mit anderen zu tun.

x Persönliche Identität/Status: Beschäftigung weist einem Menschen einen so-zialen, anerkannten Status zu, der von wesentlicher Bedeutung für die persönli-che Identität ist. Insbesondere bei Männern ist die eigene Selbstachtung eng ver-bunden mit ihrer Rolle als Versorger der Familie.

Die Befriedigung elementarer menschlicher Bedürfnisse ist somit entscheidend an Er-werbsarbeit gebunden. Da die Organisation der Arbeit die gesamten Lebensverhältnisse einer Gesellschaft prägt, sind nicht nur die einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft auf Arbeit angewiesen, auch die Gesellschaft selbst, die durch die feingliedrige Arbeitstei-lung ihren kulturellen Stand bewahren und verbessern kann, benötigt den Beitrag der Arbeit ihrer Mitglieder. Arbeitslosigkeit ist in unserer heutigen Gesellschaft ein Massen-problem, bei dem viele Menschen vom Arbeitsmarkt und somit von gesellschaftlich an-erkannter Erwerbsarbeit und subjektiv-sinnstiftender Bedeutung ausgeschlossen sind.614

614 Vgl. Breig/Leuther (2007, S. 20).

148 3.1.1.2 Zur Definition von Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit kann makroökonomisch definiert werden als „Ungleichgewicht am Ar-beitsmarkt, bei dem die angebotene Art und Menge von Arbeitsleistungen die nachge-fragte Art und Menge übersteigt, so dass ein Teil der arbeitswilligen und der arbeitsfähi-gen Erwerbspersonen zeitweise keine Beschäftigung hat. Bei Arbeitslosigkeit spricht man auch von einer Unterauslastung des Produktionsfaktors Arbeit im Sinne von Unter-beschäftigung, d.h., das verfügbare Angebot an Arbeitskräften (Arbeitskräftepotenzial) wird nicht im vollen Umfang zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen herange-zogen.“615

Die Legaldefinitionen der Bundesagentur für Arbeit, wer in Deutschland als arbeitslos gilt, finden sich in § 16 und § 119 des SGB III. Den Wortlaut des § 119 SGB III zeigt die folgende Abbildung.

615 Bundeszentrale für politische Bildung (2016a).

149 Abbildung 48: § 119 SGB III616

Ist eine Person länger als ein Jahr arbeitslos, so gilt sie nach § 18 SGB III als langzeit-arbeitslos. Die Begriffe Arbeitslosigkeit und Erwerbslosigkeit werden i.d.R. synonym ver-wendet, so auch in der vorliegenden Arbeit.

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