Verfahren zur Prioritätenbildung
C) Nahverkehrsplan als Grundlage für die Vergabe der Verkehrsleistungen
6.3.18 Anforderungen an das Qualitätsmanagement
Das Qualitätsmanagement im ÖPNV umfasst alle organisatorischen Maßnahmen, die der Sicherung der Angebots- und Servicequalität dienen. Die nachfolgend im Nahverkehrsplan beschriebenen Verfahren beinhalten dabei ausschließlich das Verhältnis zwischen Aufga-benträger und Genehmigungsinhaber.
Das Qualitätsmanagement umfasst
die Qualitätsfestlegung,
die Qualitätskontrolle und -messung,
das Qualitätsberichtswesen sowie
die Qualitätssicherung.
Die Qualitätsfestlegung erfolgt durch den Aufgabenträger als „ausreichende Verkehrsbedie-nung“ im Anforderungsprofil des Nahverkehrsplans. Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträ-gen (Direktvergabe oder wettbewerbliche Vergabe) werden die AnforderunDienstleistungsaufträ-gen in der Vor-abbekanntmachung oder ggf. in den Vergabeunterlagen präzisiert. Diese Anforderungen sind dann verbindlich für die gesamte Laufzeit. Bei eigenwirtschaftlichen Verkehren (Genehmi-gungswettbewerb) ist entscheidend, welche Qualitäten der siegreiche Antragssteller mit seinem Antrag als „verbindliche Zusicherung“ fixiert hat bzw. welche Anforderungen im Genehmigungsbescheid enthalten sind (siehe § 12, Absatz 1a PBefG). Die zugesicherten Qua-litäten des siegreichen Antrages können dabei nur unter den Anforderungen des Nahver-kehrsplans bzw. der Vorabbekanntmachung bleiben, wenn der Aufgabenträger mangels besserer Anträge sein Einvernehmen erteilt (siehe § 13, Absatz 2a Satz 2 PBefG). Von diesen zugesagten Qualitäten darf während der Genehmigungslaufzeit nicht abgewichen werden.
Sie werden als Auflage Bestandteil der Genehmigung (siehe § 15, Absatz 3 PBefG). Die Nichterfüllung wird als Ordnungswidrigkeit, z. B. mit Bußgeldern, sanktioniert (siehe § 61, Absatz 1 Nr. 1 PBefG).
Mit der Festlegung von Qualitätsanforderungen in seinem Nahverkehrsplan gibt der Aufga-benträger den potenziellen Antragstellern wesentliche Hinweise, welche Qualitäten für einen siegreichen Antrag von Bedeutung sein können. Vor diesem Hintergrund beschreibt der Aufgabenträger in der Vorabbekanntmachung, welche Leistungen des Genehmigungsin-habers er im Qualitätsmanagement „erwartet“.
Während bei Direktvergaben und bei wettbewerblichen Vergaben der Aufgabenträger „Herr des Verfahrens“ ist, liegt bei Genehmigungswettbewerben die Entscheidung bei der Bezirks-regierung.
Als vertragsgleiche Absicherung der „Qualitätszusicherung“ mit hoher Verbindlichkeit strebt der Kreis bei eigenwirtschaftlichen Verkehren eine „Qualitätsvereinbarung“ an. Gegenstand der Qualitätsvereinbarung ist die Sicherstellung der ausreichenden Verkehrsbedienung:
Absicherung der Mindeststandards der Vorabbekanntmachung sowie der verbindli-chen Zusicherung des Antragstellers.
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Der Aufgabenträger hat das Recht, die Mindeststandards entsprechend Vorinformation bzw. die verbindlichen Zusicherungen zu kontrollieren.
Das Verkehrsunternehmen erstellt turnusmäßige Qualitätsberichte und übermittelt diese fristgerecht dem Aufgabenträger und der Genehmigungsbehörde.
Bei Feststellung negativer Abweichungen von den Mindeststandards, kann der Aufga-benträger weiterführende Erläuterungen, Berichte oder Daten des Verkehrsunter-nehmens verlangen. Er kann weiterhin die Erarbeitung von Maßnahmen zur Quali-tätssicherung einfordern (z. B. gemeinsame Arbeitsgruppe unter Einbindung der Ge-nehmigungsbehörde).
Bereitstellung von Daten an den Aufgabenträger:
- Fahrplandaten (Soll-Daten) sind in einem mit dem Aufgabenträger abgestimmten, verwertbaren Format bereitzustellen, sodass eine Verwendung für die elektronische Fahrplanauskunft ermöglicht wird. Für die rechtzeitige Integration in den ÖV-Datenpool NRW beträgt die Mindestvorlaufzeit vier Wochen;
- geplante einzusetzende Fahrzeuge
- ggf. RBL-Daten zum Betriebsablauf (Echtzeitdaten), soweit RBL gefordert - ggf. Pünktlichkeitsstatistiken
- ggf. Beschwerdemanagement
Recht des Aufgabenträgers zur Durchführung von eigenen Verkehrserhebungen.
Gegenseitiges Recht zur Abstimmung bzw. zu Verhandlungen über Leistungsänderun-gen.
Bei der Qualitätskontrolle ist hinsichtlich der Ausrichtung ebenfalls zwischen eigenwirt-schaftlichen Verkehren und öffentlichen Dienstleistungsaufträgen (ÖDA) zu differenzieren (siehe Tabelle 28). Bei den eigenwirtschaftlichen Verkehren kann (von der Genehmigungs-behörde und/ oder dem Aufgabenträger) nur die Erfüllung der Qualitäten kontrolliert wer-den, welche das Verkehrsunternehmen mit seinem Genehmigungsantrag zugesichert hat bzw. die im Genehmigungsbescheid aufgeführt sind. Der Aufgabenträger kann auf seinen Wunsch in die Kontrolle der Qualitätserfüllung eingebunden werden (siehe § 15, Absatz 3 PBefG). Die Genehmigungsbehörde muss dies jedoch mit entsprechenden Auflagen in der Genehmigung absichern.
Bei einem ÖDA kann die Qualitätskontrolle neben der Erfassung der grundsätzlichen Leis-tungserfüllung (Nichtleistung) auch die Erfassung einer minderwertigen Leistungserbrin-gung (Schlechtleistung) bzw. das Erreichen von festgelegten Qualitätszielwerten umfassen.
Die betrifft folgende Qualitäten:
technische Qualitäten (z. B. Fahrzeugstandards),
objektive Qualität (z. B. Zielwerte Pünktlichkeit),
kundenseitig empfundene subjektive Qualitäten (z. B. Freundlichkeit des Fahrperso-nals).
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3. Nahverkehrsplan für den Kreis SteinfurtAnstelle eigener Kontrollen bzw. Messungen durch den Aufgabenträger kann die Qualitäts-kontrolle für den ÖDA vollständig oder teilweise als Qualitätsnachweis durch das Verkehrs-unternehmen erfolgen.
Die vom Verkehrsunternehmen zu erstellenden Qualitätsberichte sind das Instrument zur Dokumentation der Qualitätserfüllung gegenüber dem Aufgabenträger. Bei eigenwirtschaft-lichen Verkehren kommt ein solcher Qualitätsbericht nur zum Tragen, wenn dieser verbind-lich vom Unternehmen mit dem Antrag zugesichert wurde. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass der Aufgabenträger im Nahverkehrsplan seine Anforderungen an die Quali-tätskontrolle und -nachweise formuliert. Dadurch erhält der Antragsteller die Botschaft, dass aus Sicht des Aufgabenträgers zu einem zustimmungsfähigen Antrag auch die Kontrolle und der Nachweis der Qualitätserfüllung gehören.
Die Qualitätssicherung beinhaltet
Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität und
Sanktionen bei (wiederholter bzw. permanenter) Nichterfüllung der Anforderungen (bei eigenwirtschaftlichen Verkehren Sanktionen ausschließlich durch Genehmi-gungsbehörde).
Der Schwerpunkt der Maßnahmen zur Qualitätssicherung liegt auf der Einhaltung der ver-einbarten bzw. zugesicherten Qualität.
Hierzu zählen:
turnusmäßiger Arbeitskreis „Qualitätsmanagement“ (i. d. R. im zeitlichen Kontext mit dem Qualitätsbericht),
anlassbezogene Arbeitsgespräche mit Fixierung von Maßnahmen und Fristen,
bei permanenter Nichterfüllung Erstellung eines Maßnahmenplans durch das Ver-kehrsunternehmen, aus dem ersichtlich wird, mit welchen Maßnahmen bis wann eine messbare Qualitätsverbesserung bzw. der Zielwert erreicht wird.
Bei nach Ausschreibung vergebenen Verkehrsleistungen (Verkehrsvertrag) werden zur Sanktionierung von den Aufgabenträgern schwerpunktmäßig Vertragsstrafen und Maluszah-lungen vorgesehen. Bei eigenwirtschaftlichen Verkehren erfolgt die Sanktionierung durch die Genehmigungsbehörde. Hierzu ist insbesondere eine regelmäßige Information durch den Aufgabenträger über seine Kontrollergebnisse zielführend.
Zusammenfassend ist zur Wirksamkeit der Qualitätsmanagement-Instrumente einzuschät-zen, dass der Aufgabenträger bei nach öffentlichen Ausschreibungen erfolgten Auftrags-vergaben bzw. bei DirektAuftrags-vergaben die Qualität in seiner Hoheit umfassend steuern kann. Bei eigenwirtschaftlichen Verkehren sind die Möglichkeiten der direkten Steuerung wesentlich geringer. Hier ist, soweit es nicht zu einer verbindlichen „Qualitätsvereinbarung“ kommt, die Genehmigungsbehörde unmittelbar zuständig.
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Tabelle 28: Bausteine und Inhalte des Qualitätsmanagements eigenwirtschaftliche Verkehre
(Genehmigungswettbewerb)
öffentliche Dienstleistungsaufträge (Direktvergaben bzw.
nach Ausschreibung erfolgte Vergaben) Qualitätsfestlegung
Auflage der verbindlich zu erfüllende Leistun-gen und Qualitäten im Genehmigungsbescheid auf Basis des Antrages des siegreichen Ver-kehrsunternehmens (Hinweis: Nahverkehrs-plan und/ oder Vorabbekanntmachung sind von der Genehmigungsbehörde zu berücksichtigen (§ 8, Absatz 3a PBefG)).
Aufgabenträger erwartet Abschluss einer Quali-tätsvereinbarung mit dem Genehmigungsinha-ber.
(Zielsetzung des AT: Qualitätsvereinbarung als verbindlicher Bestandteil des Antrages)
verbindliche Festlegung der Leistungen und Qualitäten in den Vergabeunterlagen (Vertrag zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunter-nehmen)
Qualitätskontrolle
Aufgabenträger prüft Erfüllung der zugesicher-ten und verbindlich zu erfüllende Leistungen und Qualitäten laut Genehmigungsbescheid bzw. laut Qualitätszusage des Genehmigungs-inhabers.
Genehmigungsinhaber prüft die Qualität und legt die Ergebnisse dem Aufgabenträger offen, wenn dies im Genehmigungsantrag zugesichert wurde.
Direktvergabe:
Aufgabenträger überwacht und dokumentiert kontinuierlich mit verschiedenen Instrumenten (siehe Tabelle 29) die Qualität der Leistungser-bringung im Hinblick auf
Schlecht- und Minderleistungen
Nichtleistungen
Erreichen von festgelegten Zielwerten nach Ausschreibung erfolgte Vergabe:
Mix aus Kontrollen des Aufgabenträgers und Nachweis der Qualitätserfüllung durch Ver-kehrsunternehmen
Qualitätsberichte
Qualitätsbericht, wenn dieser laut Qualitätszu-sage des Genehmigungsinhabers vorgesehen ist
monatliche, quartalsweise oder jährliche Quali-tätsberichte des Verkehrsunternehmens ent-sprechend der Vorgaben des ÖDA
Qualitätssicherung
regelmäßige (ggf. wiederholende) Information der Genehmigungsbehörde (Bezirksregierung) über Schlecht- bzw. Nichterfüllung der verbind-lich zugesicherten Qualitäten
Gespräche mit dem Verkehrsunternehmen bzgl.
Qualitätserfüllung
in den Vergabeunterlagen fixierte Verfahren zur Beseitigung der festgestellten Mängel bzw.
zur Erfüllung der Zielwerte (z. B. Gespräche mit Verkehrsunternehmen, gemeinsam festgelegte Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung);
bei ÖDA nach Ausschreibung mit Verkehrsver-trag VerVerkehrsver-tragsstrafen und Maluszahlungen bei Schlecht- und Minderleistungen bzw. Nichtleis-tungen
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3. Nahverkehrsplan für den Kreis Steinfurt Tabelle 29: Instrumente der Qualitätskontrolle Was?
Auswertung der Daten aus kontinuierli-chen Erfassungen des Verkehrsunter-nehmens (RBL, Zählsysteme) und Ab-gleich der Zielerfüllung anhand festge-legter Zielwerte:
Pünktlichkeit
Fahrtausfälle
Anschlusssicherheit (Pünktlichkeit an festgelegten Anschlussknoten)
Überlastung
Inanspruchnahme der „Mobilitäts-garantie NRW“
Anteil Niederflurfahrzeuge an den durchgeführten Fahrten
Aufgabenträger unmittelbare Kontrolle der Leis-tungserfüllung durch vom Aufga-benträger autorisierte Personen
Das Verkehrsunternehmen wird kurzfristig mit Kontrollergebnis
objektive Messmethode
Fixierung von Zielwerten in den Vergabeunterlagen bzw. im Ge-nehmigungsantrag
verdeckte Kontrolle der Leistungs-erfüllung durch (dem Verkehrsun-ternehmen) unbekannte Personen
Durchführung
Wahrnehmung der Dienstleis-tungs- und Servicequalität durch die Fahrgäste
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Was?
Instrument
Wer?
Zuständigkeit
Wie?
Methode
Wann?
Zeitpunkte Erfassung und Nachweise
Dokumentation in den jährlichen Qualitätsberichten
Kunden-hinweise
Verkehrsunter-nehmen/ Ge- nehmigungsin-haber
Kundenhinweise und Beschwerden sind keine objektiven Messgrößen, da sie nicht repräsentativ sind. Sie liefern jedoch wichtige Hinweise über Schwer-punkte der Nichterfüllung von Qualitä-ten.
Kundenhinweise werden Bestandteil des Qualitätsmanagements, wenn diese vom Verkehrsunternehmen gegenüber dem Aufgabenträger offengelegt werden (z. B. überblickartige Darstellung im Qualitätsbericht)
Permanente Er-fassung
Monatlicher Nachweis über Statusbericht (Auswertung in Kategorien)