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Weitere Analysen zum Einfluss von Meis2 auf das Zellschicksal im anterioren Neuralrohr

3. ERGEBNISSE

3.3 Funktion von Meis2 bei der Entwicklung des Tectum opticums

3.3.7 Weitere Analysen zum Einfluss von Meis2 auf das Zellschicksal im anterioren Neuralrohr

Meis2 ist also in der Lage, im Dienzephalon tektales Schicksal festzulegen und die Entwicklung eines ektopischen Tektums zu induzieren. Ein erster Hinweis auf eine Meis2-bedingte Schicksalsänderung war bereits 24 h nach Fehlexpression von Meis2HA durch die Induktion von ephrinB1 zu beobachten. Die Festlegung eines Zell- oder Gewebeschicksals geht jedoch auch einher mit der Unterdrückung eines anderen Schicksals, also der Unterdrückung von Markergenen der entsprechenden Regionen. Eine Unterdrückung dien-zephalischer Identität wurde hier zuvor an Embryos 6 Tage nach Fehlexpression von Meis2HA durch den Verlust von Pax6 im ektopischen Gewebe im Dienzephalon beschrieben. Dies brachte jedoch die Frage auf, in welchem Zeitrahmen Meis2 eine Schicksalsänderung des transfizierten Gewebes bewirkt.

Um dies zu untersuchen, wurde Meis2HA erneut im Dienzephalon fehlexprimiert. Die Embryos wurden 24 h nach Elektroporation geerntet und mittels in situ Hybridisierung wurde anschließend die Expression von Pax6 untersucht. Pax6 wird im anterioren Neuralrohr exprimiert und seine Expression im Dienzephalon grenzt posterior scharf an das Mittelhirn. Somit kennzeichnet Pax6 dienzephalisches, jedoch nicht mesenzephalisches Gewebe. Überdies ist Pax6 ein wichtiger Faktor bei der Festlegung dienzephalischen Schicksals (Araki und Nakamura, 1999; Schwarz et al., 1999; Matsunaga et al., 2000;

Kimura et al., 2005). Die Fehlexpression von Meis2HA führte bereits 24 h nach Elektro-poration zu einer Unterdrückung von Pax6-Expression im Dienzephalon (Abb. 21A – C; n

= 5). Folglich bewirkt Meis2-Expression innerhalb von 24 h nach Elektroporation eine Repression des dienzephalischen Charakters.

Da Meis2 im Dienzephalon tektales Zellschicksal festlegen kann, besteht umgekehrt die Möglichkeit, dass die Unterdrückung der Meis2-Funktion im Mittelhirn zu einem Verlust des mesenzephalischen Zellschicksals führt. Dies könnte zur Folge haben, dass die Zellen des Mittelhirns ein anderes Schicksal, beispielsweise das Schicksal eines benachbarten

Gewebes annehmen. Um dies zu untersuchen, wurde Meis2Enr erneut im Mittelhirn fehl-exprimiert und zunächst die Expression des dienzephalischen Markers Pax6 überprüft. Im Mittelhirn war 24 h nach Fehlexpression von Meis2EnR, wie auch in der wildtypischen Kontrolle, keine Pax6-Expression zu sehen (Abb. 21A, D – F; n = 12). Eine Doppel-in situ Hybridisierung mit einem zusätzlichen Nachweis für GFP-Transkripte bestätigte das Vorhandensein der entsprechenden Konstrukte im Mittelhirn (Abb. 21E). Die Unter-drückung der Meis2-Funktion hatte demnach keine Induktion von Pax6-Expression im Mittelhirn zur Folge. Meis2 kann also zwar innerhalb von 24 h dienzephalisches Zell-schicksal unterdrücken und tektale Differenzierung hervorrufen. Der Funktionsverlust von Meis2 im Mittelhirn führte jedoch, zumindest im gleichen Zeitrahmen, nicht zu einer mes- zu dienzephalischer Transformation.

Abbildung 21: Fehlexpression von Meis2 im Dienzephalon unterdrückt Pax6, die Fehlexpression von Meis2EnR im Mittelhirn führt nicht zu einer Induktion von Pax6. In situ Hybridisierungen an ganzen Embryos mit einer Sonde gegen Pax6 im wildtypischen Embryo (A), 24 h nach Fehlexpression von Meis2HA im Dienzephalon (B – C) und 24 h nach Überexpression von Meis2EnR im Mittelhirn (D – F). (C, E) Doppel-in situ Hybridisierung von GFP zum Nachweis der elektroporierten Bereiche. (B’) Vergrößerter Ausschnitt des in B gekennzeichneten Bereiches. (F) Aufsicht auf einen Embryo nach Überexpression von Meis2EnR im Mittelhirn. Mes: Mesenzephalon; Di: Dienzephalon; WT: Wildtyp. Maßstab: A, B, D – F: 200 µm.

Um die Möglichkeit zu testen, dass die Unterdrückung der Meis2-Funktion zu einer Transformation des mesenzephalischen Gewebes in metenzephalisches Gewebe führt, wurden nach Überexpression von Meis2EnR im Mittelhirn in situ Hybridisierungen mit

zwei frühen Markergenen des Metenzephalons, cAth1 und Irx2 durchgeführt (Ben Arie et al., 1997; Matsumoto et al., 2004). Meis2EnR führte 24 h nach Elektroporation weder zu einer Induktion von cAth1 (Abb. 22A – B’’; n = 4) noch zu einer Induktion von Irx2 (Abb.

22C – D’’; n = 5) im Mittelhirn. In situ Hybridisierungen mit einer GFP-Sonde zeigten jedoch das Vorhandensein der elektroporierten Konstrukte im Mittelhirn (Abb. 22B’, D’).

Somit scheint die Unterdrückung der Meis2-Funktion, zumindest innerhalb von 24 h, nicht dazu zu führen, dass mesenzephalisches Gewebe ein metenzephalisches Zellschicksal an-nimmt.

Abbildung 22: Die Unterdrückung von Meis2-Funktion im Mittelhirn führt nicht zur Induktion von cAth1 oder Irx2. In situ Hybridisierungen an ganzen Embryos mit RNA-Sonden zum Nachweis der meten-zephalischen Markergene cAth1 (A – B’’) und Irx2 (C – D’’) in wildtypischen Embryos (A, A’, C, C’) und 24 h nach Fehlexpression von Meis2EnR im Mittelhirn (B – B’’, D – D’’). (B’, D’) Doppel-in situ Hybridisierung der entsprechenden, in B und D gezeigten Embryos mit einer GFP-Sonde zum Nachweis der elektroporierten Bereiche. (A’, B’’, C’, D’’) Rückansicht der entsprechenden in A, C und der in B, D gezeigten Embryos. Maßstab: A – B’, C – D’: 200 µm; A’, B’’, C’, D’’: 200 µm.

Meis2 wird im Mittelhirn von Beginn an vorwiegend in den dorsalen Alarplatten des mesenzephalischen Vesikels exprimiert. Um zu überprüfen, ob Meis2 einen Einfluss auf die Genexpression der ventralen Basalplatten, dem zukünftigen Tegmentum, hat wurde Meis2HA in diesem Bereich fehlexprimiert. Anschließend wurden in situ Hybridisierungen mit einer spezifischen Sonde gegen Nkx6.1, einem ventralen Markergen, durchgeführt (Qiu et al., 1998). 24 h nach Fehlexpression von Meis2HA im ventralen Mittelhirn war keine Veränderung der Nkx6.1-Expression zu erkennen (Abb. 23; n = 6).

Die Anwesenheit der elektroporierten Konstrukte im ventralen Mittelhirn wurde in jedem Fall durch einen Nachweis von GFP-Transkripten sichtbar gemacht (Abb. 23A’). Wie anhand eines flach präparierten Mittelhirns genauer zu sehen war, unterschied sich die

Expression von Nkx6.1 auf der GFP-positiven elektroporierten Seite nicht von der linken nicht elektroporierten Seite des Mittelhirns (Abb. 23B). Die Fehlexpression von Meis2HA führte also innerhalb von 24 h nicht zu einer Unterdrückung der Nkx6.1-Expression. Daher kann also davon ausgegangen werden, dass die Meis2-Expression nicht ausreicht, um, zumindest im untersuchten Zeitrahmen, tegmentales Schicksals zu verändern.

Abbildung 23: Die Fehlexpression von Meis2 im ventralen Mittelhirn verändert nicht die Nkx6.1-Expression. (A – B) In situ Hybridisierungen an ganzen Embryos 24 h nach Fehlexpression von Meis2HA im ventralen Mittelhirn mit einer Sonde zum Nachweis des ventralen Mittelhirnmarkers Nkx6.1. (A’) Doppel-in situ Hybridisierung mit einer GFP-Sonde zeigt den Bereich des elektroporierten Gewebes im gleichen Embryo. (B) Flachpräpariertes Mittelhirn zeigt auch in elektroporierten Bereichen keine Verän-derungen in der Expression von Nkx6.1. vML: ventrale Mittellinie. Maßstab: A, A’: 200 µm; B: 200 µm.

Zusammenfassend zeigten diese Versuche, dass die Festlegung tektalen Schicksals durch Meis2 im Dienzephalon innerhalb von 24 h stattfindet. Also kommt es, einhergehend mit der Induktion des tektalen Markers ephrinB1 (Kapitel 3.3.3), zu einer Unterdrückung des dienzephalischen Markers Pax6. Im Gegensatz dazu konnte Meis2HA-Transfektion weder im ventralen Mesenzephalon noch wie zuvor in Kapitel 3.3.3 bereits beschrieben, im Metenzephalon Veränderungen der Genexpression bewirken, die auf eine Induktion tektaler Charakteristika hinweisen würden. Diese Versuche sprechen also weiterhin für die Vermutung, dass allein das dorsale Neuralrohr anterior der Mittel-Hinterhirn Grenze permissiv für die Funktion von Meis2 ist. Des Weiteren führte die Unterdrückung der Meis2-Funktion im Mesenzephalon weder zu einer Induktion dienzephalischer noch zu einer Induktion metenzephalischer Charakteristika. Die strukturellen Veränderungen nach Meis2EnR-Transfektion, wie sie beispielsweise in Abbildung 12 darstellt sind, spiegeln damit zwar vermutlich einen Verlust tektaler Merkmale wider. Dies geht jedoch vermutlich nicht mit einer Transformation des Gewebes in andere Hirnstrukturen einher.

3.3.8 Die Induktion tektaler Strukturen durch Meis2 erfolgt unabhängig von der