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Abschluss eines Forschungs– und Entwicklungsvertrags

41.1 (1) Die Flughafen Wien AG beabsichtigte, unter wissenschaftlicher Begleitung Entwicklungsmöglichkeiten energieeffizienter Lösungen bei Neubau– und Sanie­

rungsprojekten der Flughafeninfrastruktur zu erarbeiten. Dabei sollte das Gesamt­

system Flughafen hinsichtlich Energieverbrauch und –infrastruktur (elektrische Energie, Kälte) untersucht werden. Weiters sollten die Terminalentwicklungspro ­ jekte in der Planungs– und Errichtungsphase und für die erste Zeit der Betriebsfüh­

rung begleitet werden.

Dafür schloss die Flughafen Wien AG mit der Technischen Universität Wien (in der Folge: TU Wien) sowie zwei weiteren Projektpartnern im Februar 2017 einen Forschungs– und Entwicklungsvertrag unter dem Titel „Virtuelle Stadt Flughafen“

ab. Ziel war es, Energieversorgungskosten von jährlich mehr als 3 Mio. EUR einzu­

sparen und langfristig einen treibhausgasemissionsfreien Betrieb der Flughafen­

infrastruktur zu ermöglichen. Aus der übergeordneten Strategie sollten Vorgaben für jeden Neu–, Zu– oder Umbau abgeleitet werden. Als Projekt–Entgelt waren in Summe 2,60 Mio. EUR vereinbart, wobei auf die Süderweiterung des Terminals 3 rd. 837.000 EUR entfielen (exklusive einer allfällig zu entrichtenden Umsatzsteuer).

(2) Gemäß BVergG 200698 waren Forschungs– und Entwicklungsdienstleistungen vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen, „außer deren Ergebnisse [waren] ausschließlich Eigentum des Sektorenauftraggebers für seinen Gebrauch bei

98 § 175 Z 11 BVergG 2006 i.d.g.F.

der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit und die Dienstleistungen [wurden] vollstän­

dig durch den Sektorenauftraggeber vergütet“.

Zweck der Ausnahmebestimmungen war es, den Geltungsbereich des BVergG 2006 auf die sogenannte „Auftragsforschung“ zu begrenzen.99 Als solche galten nur Forschungs– und Entwicklungsaufträge, die der Auftraggeber zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigte, die er vollständig bezahlte und deren Ergebnisse sein ausschließliches (geistiges) Eigentum wurden. Nicht vom BVergG 2006 erfasst werden sollen demgegenüber Forschungs– und Entwicklungsaufträge, die aus

„allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen erfolgen und daher nicht konkret auftragsbezogen sind“, wie die Grundlagenforschung und die Forschungsförderung.100

Gemäß der Literatur hatte das Vorliegen einer Ausnahme vom BVergG 2006 nicht in jedem Fall zur Folge, dass die betroffenen Leistungen (form–)frei vergeben werden durften. Auftragsvergaben, die nicht oder nur teilweise der EU–Vergaberichtlinie101 bzw. dem BVergG 2006 unterlagen, seien nämlich im Allgemeinen an die Grundsätze des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gebunden.

Mindestinhalt dieser Grundsätze war, dass auch an frei geschaffenen Verfahren mehrere Unternehmen teilnehmen können.102

(3) Laut dem Antrag an den Vorstand zur Einleitung eines Vergabeverfahrens sah die Flughafen Wien AG in dem beabsichtigten Auftrag eine „Forschungsförderung“, weil auch die TU Wien die Forschungsergebnisse nutzen durfte, weshalb der gegen­

ständliche Vertrag vom Anwendungsbereich des BVergG 2006 ausgenommen sei.

Die Flughafen Wien AG führte aufgrund der fachlichen Expertise und Referenzpro­

jekte der TU Wien keine Verhandlungen zu einem Forschungsauftrag mit alternati­

ven Dienstleistern.

Im Forschungs– und Entwicklungsvertrag vom Februar 2017 war vorgesehen, dass die Projektpartner mit Übergabe des Endberichts die für alle Anwendungsbereiche erforderlichen exklusiven, örtlich und zeitlich unbeschränkten, übertragbaren und sublizenzierbaren Nutzungs– und Verwertungsrechte an den Projektergebnissen, insbesondere auch das Recht zur Bearbeitung, an den Auftraggeber übertrugen. Für Projekt–Erfindungen wurde dem Auftraggeber das Recht zugesprochen, die Übertra­

gung exklusiver Rechte an der Erfindung zu verlangen. Die vorbestehende Software der TU Wien und Weiterentwicklungen dieser Software zählten vereinbarungsgemäß nicht zu den Projektergebnissen. Die Projektpartner waren berechtigt, sämtliche

99 Heid/Mensdorff–Pouilly in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht4 (2015), Rz 707 ff.

100 siehe auch EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 32

101 Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, ABl. L 2014/94, 243

102 Steindl in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht4 (2015), Rz 604

Projektergebnisse in allen Anwendungsbereichen unter Berücksichtigung der Geheimhaltungspflichten nach diesem Vertrag für eigene Zwecke in Forschung und Lehre zu nutzen.

Veröffentlichungen der TU Wien, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Projekt standen und die Projektergebnisse und geheimzuhaltende Informationen des Auftraggebers enthielten, waren während der Laufzeit des Projekts und bis drei Jahre nach Projektende an die Zustimmung der Flughafen Wien AG gebunden. Diese würde ihre Zustimmung zur Veröffentlichung nicht ohne wichtigen Grund verwei­

gern.

Zum Entgelt war vereinbart, dass Gegenstand des Vertrags universitäre Forschungs­

tätigkeit sei, die grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit sei. Für den Fall, dass sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die Leistung oder Teile der Leistung der TU Wien doch umsatzsteuerpflichtig sind, war eine Nachverrechnung der Umsatz­

steuer vereinbart.

(4) Im Jänner 2016 beschloss der Ministerrat die Umsetzung der „Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen in Österreich. Diese inklu­

dierte als Ziel 9.1, dass „eine hochwertige, verlässliche, nachhaltige und wider­

standsfähige Infrastruktur aufgebaut werden soll […], um die wirtschaftliche En t­

wicklung und das menschliche Wohlergehen zu unterstützen […]“ und als Ziel 9.5, dass „die wissenschaftliche Forschung verbessert und die technologischen Kapazitä­

ten der Industriesektoren in allen Ländern […] ausgebaut und zu diesem Zweck bis 2030 u.a. Innovationen gefördert werden sollen […]“.

41.2 Der RH würdigte die Bestrebungen der Flughafen Wien AG positiv, energieeffiziente Lösungen bei Neubau– und Sanierungsprojekten zu entwickeln. Dies unterstützte nach Ansicht des RH auch die Umsetzung der Ziele der „Agenda 2030 für eine nach­

haltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen zum Aufbau einer „hochwertigen, verlässlichen, nachhaltigen und widerstandsfähigen Infrastruktur“ sowie zur Verbes­

serung der wissenschaftlichen Forschung und der Förderung von Innovationen.

Der RH hielt fest, dass die Nutzungsrechte laut dem Forschungs– und Entwicklungs­

vertrag nicht ausschließlich bei der Flughafen Wien AG lagen, z.B. hinsichtlich Weiterentwicklung der Software der TU Wien und Veröffentlichungen, und sich die Flughafen Wien AG daher auf eine Ausnahmebestimmung des BVergG 2006 berief.

Die Regelung über Nutzungsrechte an den Projektergebnissen und über Erfindun­

gen verschafften jedoch dem Auftraggeber eine quasi–exklusive Stellung. Damit überwogen nach Ansicht des RH die Elemente einer Auftragsforschung gegenüber jenen eines Forschungsförderungsverhältnisses. Dies wurde durch die Bestimmung untermauert, dass nachträglich eine Umsatzsteuer eingefordert werden konnte, falls das Rechtsgeschäft als umsatzsteuerpflichtig eingestuft wurde.

Der RH wies kritisch darauf hin, dass die Flughafen Wien AG nur mit einem Auftrag­

nehmer Verhandlungen führte und damit die Entscheidungsgrundlagen einengte.

Die Berücksichtigung einer breiteren Entscheidungsgrundlage – im Sinne einer Marktbeobachtung und der auf Angebotsvergleichen beruhenden Auswahl – konnte jedoch auch außerhalb des Geltungsbereichs des Vergaberechts durch die Grund­

sätze des AEUV geboten sein, wenngleich der Formzwang des Vergaberechts wegfiel.

Selbst bei Anerkennung der Intention des Auftraggebers, einen Forschungsförde­

rungsauftrag zu vergeben, wie er das in seiner internen Willensbildung zum Ausdruck brachte, war nach Ansicht des RH das Sachlichkeitsgebot bei der Fördervergabe zu beachten. Demnach sollte bei Förderungen ein Wettbewerb mehrerer geeigneter Interessenten stattfinden, bevor sich der Fördergeber für den aus seiner Sicht best­

geeigneten Förderwerber entscheidet. Es wäre nach Ansicht des RH deshalb zweck­

mäßig, wenn die Flughafen Wien AG Vergabeentscheidungen auch dann auf breite Entscheidungsgrundlagen stellt, wenn das geltende Bundesvergabegesetz nicht anzuwenden ist (z.B. bei Vergabe einer Forschungsförderung), um mögliche Wettbe­

werbsvorteile nutzen zu können.