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4 Stand der Forschung

4.4 Umgang mit Reklamationen

4.4.2 Ablauf 8D-Methode

Die Ziele der 8D-Methode sind eine sofortige Abstellung des Fehlers sowie eine Beseitigung der Fehlerursache, um ein weiteres Auftreten des Fehlers auszuschließen.

Diese Methode wird häufig in der Automobilindustrie angewendet, um Fehler zwischen Kunden und Lieferanten (sowohl intern als auch extern) zu beseitigen. Die 8D-Methode

Lieferant OEM

(Hersteller) Kunde

(Verbraucher) B2B B2C

umfasst acht Disziplinen, die im Folgenden kurz erläutert werden. Als Vorlage dient dabei der VDA-Band 4: 8D-Methode, Langversion.

In diesem Abschnitt wird die 8D-Methode als das Kernelement des standardisierten Reklamationsprozesses sowie des Fehleranalyseprozesses zwischen OEM und Lieferanten in der Automobilindustrie veranschaulicht. Zu diesem Zweck werden wiederum zunächst der Hintergrund und die Bedeutung der Vorgehensweise verdeutlicht, ehe eine schrittweise Prozessdarstellung vorgenommen wird.

Der Ausdruck 8D bezeichnet dreierlei Dinge: zum ersten die Problemlösung gemäß einer Standardmethode; an zweiter Stelle ist der eng damit verbundene Problemlösungsprozess zu nennen; den dritten Aspekt bildet der 8D-Report als Berichtsform der Methode bzw. des Prozesses.[85] Unter 8D sind dabei die acht verschiedenen Disziplinen im Vorgehensmodell zu verstehen, die den Anwender in strukturierter Weise durch den Problemlösungsprozess leiten.[86]

Innerhalb des beschriebenen Reklamationsprozesses nimmt das 8D-Verfahren die Rolle des Problemlösungswerkzeugs ein.[85] Damit stellt es einen festen Bestandteil des Gesamtablaufs dar.[87] In der Automobilindustrie hat es sich als Standard etabliert.1[86]

Die Grundvoraussetzung für den Einsatz des Verfahrens besteht im Vorhandensein einer Problemstellung mit unbekannter Ursache.[85] Neben der nachhaltigen Problemlösung ist die Anwendung von Sofortmaßnahmen erforderlich.[86] Zusätzlich sollten eine umfassende und verständliche Faktensammlung über die festgestellte Abweichung vorliegen und die Lösung des Problems die Fähigkeiten eines interdisziplinären Teams benötigen. Aufgrund dieser Einschränkungen ist der Einsatz der 8D-Methodik erst ab komplexeren Problemen zielführend.[85]

Abbildung 4.15: Prozessdarstellung 8D [85]

Die folgenden Ausführungen zu den einzelnen Disziplinen sollen mit den Abbildungen im Anhang 7 lediglich ein Grundverständnis über die Methodik vermitteln und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.[85]

In der ersten Disziplin (D1: Problemlösungsteam) wird das interdisziplinäre Team zusammengestellt. Neben den Teammitgliedern (Anzahl und Zusammensetzung problemspezifisch) wird ein Sponsor (Verantwortung für benötigte Ressourcen) sowie ein Teamleiter (Methodenkompetenz) bestimmt. Neue Erkenntnisse während des nachfolgenden Prozesses können in diesem Zusammenhang einen direkten Einfluss auf die Zusammensetzung der Gruppe nehmen. Von entscheidender Bedeutung für diesen Schritt ist, dass das Team zum Zugriff auf sämtliche benötigte Informationen berechtigt wird und die Kommunikationswege klar definiert sind.

Im anschließenden Schritt (D2: Problembeschreibung) erfolgt das Verständnis über den Gesamtzusammenhang des vorliegenden Problems. Es wird eine simple, aber gleichzeitig möglichst genaue und nachvollziehbare Aussage über die Abweichung angestrebt, ohne bereits über die Ursachen zu mutmaßen. Dabei hat sich die Anfertigung von Soll-Ist-Vergleichen auf Basis von vereinbarten Spezifikationen (Zeichnungen, Stücklisten etc.) bewährt. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass alle benötigten Informationen, z. B. über die Art und Anzahl betroffener Bauteile, vorliegen und aufbereitet sind. Zusätzlich ist eine Untersuchung potenzieller Auswirkungen auf vergleichbare Produkte oder Prozesse zu prüfen. Da die Ergebnisse dieses Schrittes den Input für die nachfolgenden darstellen, ist eine gewissenhafte Durchführung unabdingbar. So würde eine unvollständige Beschreibung unter Umständen zu einer fehlerhaften Ursachenanalyse und/oder unwirksamen Maßnahmen führen.

Während der dritten Disziplin (D3: Sofortmaßnahmen) wird auf die Beseitigung des auf-getretenen Problems beim Kunden abgezielt. Bei Software-Problemen kann beispielsweise auf ein Backup oder die Vorgängerversion zurückgegriffen werden, wohingegen bei Hardware-Problemen eine Liefersperre und ein sofortiges Aussortieren der fehlerhaften Bauteile angestrebt werden kann. Die getroffenen Maßnahmen müssen in ihrer Wirksamkeit bestätigt werden und bleiben danach bis zum Abschluss der sechsten Disziplin bestehen. Während dieses Schrittes wird noch keine nachhaltige Behebung des Fehlers, sondern lediglich eine kurzfristige Symptombeseitigung angestrebt. Es ist dabei von Bedeutung, dass die gesamte Lieferkette betrachtet und bei Bedarf informiert wird. Neben der Beseitigung beschädigter Elemente ist die Sicherstellung der Lieferfähigkeit während dieses Schrittes von hoher Relevanz. Häufig resultiert dies für den Hersteller (von Hardware-Komponenten) in einer 100%-Prüfung, Zusatzschichten und damit deutlich erhöhten Herstellungskosten. In der Automobilindustrie wird die dritte Disziplin in den meisten Fällen in enger Abstimmung mit dem Kunden durchlaufen. Unter Umständen muss dieser die im Zuge der Sofortmaßnahmen geänderten Prozesse freigeben. Letztlich wird das Ziel verfolgt, dass der Kunde am Ende von D3 nicht länger von den Auswirkungen des Problems betroffen ist.

Im vierten Schritt (D4: Ursachenanalyse) werden die Hintergründe des beschriebenen Problems ermittelt. Unterschieden wird dabei zwischen der Ursache des Auftretens und der Nichtentdeckung des Problems. Eine bewährte Methode der Ursachenforschung besteht im Ishikawa-Diagramm. An dessen Ende steht eine Sammlung von möglichen

Begründungen, von denen die wahrscheinlichsten näher, z. B. mittels der 5-Why-Methode, untersucht werden sollten. Die ermittelten Ursachen müssen in der Folge durch Tests bzw. Versuche als die tatsächlichen Grundursachen bestätigt werden. In diesem Schritt ist die richtige und vor allem vollständige Ermittlung der Problemhintergründe von höchster Bedeutung.

Im fünften Schritt (D5: Auswahl und Verifizierung der Abstellmaßnahmen) erfolgt die Erarbeitung von Lösungen für die in D4 ermittelten und verifizierten Grundursachen (Auf-treten und Nichtentdeckung). Am Ende dieser Disziplin steht ein mit Terminen, Ressourcen und Zuständigkeiten hinterlegter Aktionsplan. Die Umsetzung bzw. die Einführung der Maßnahmen findet in diesem Schritt noch nicht statt. Unter Umständen ist an dieser Stelle die Berücksichtigung von zurückliegenden und ähnlichen Fehlerursachen hilfreich. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass für diese bereits Maßnahmen implementiert und in ihrer Wirksamkeit bestätigt wurden. Weiterhin sind im Zuge einer Risikobewertung mögliche Wechselwirkungen mit bestehenden Prozessen zu berücksichtigen. Die erdachten Abstellmaßnahmen müssen in ihrer Effektivität durch Versuche bestätigt werden und sollten mit vertretbarem wirtschaftlichem Aufwand umsetzbar sein (Berücksichtigung der Effizienz). Am Ende der fünften Disziplin muss das Team von der nachhaltigen Problembeseitigung überzeugt sein, sobald die erdachten Maßnahmen umgesetzt wurden.

Die sechste Disziplin (D6: Realisierung und Validierung der Abstellmaßnahmen) beinhaltet die Umsetzung des in D5 entwickelten Aktionsplans. Auch in diesem Schritt findet eine Wirksamkeitsuntersuchung in Form einer Langzeitbeobachtung statt.

Während dieser können beispielsweise Fehlersammelkarten angefertigt oder Prozessfähigkeitsuntersuchungen durchgeführt werden. Nach der Bestätigung der Wirksamkeit sind die in D3 implementierten Sofortmaßnahmen aufzuheben. Weiterhin müssen die eingeführten Veränderungen in der Organisation verankert werden. Dazu ist es z. B. nötig, Dokumente wie Arbeitspläne, Zeichnungen oder Verfahrensbeschreibungen anzupassen und die Belegschaft entsprechend zu schulen.

In der Automobilindustrie ist der Kunde spätestens an dieser Stelle in den 8D-Prozess einzubeziehen, denn dessen Zustimmung ist häufig für Prozessänderungen nötig.

Weiterhin ist es möglich, dass der OEM auf der vorläufigen Beibehaltung ausgewählter Sofortmaßnahmen (z. B. 100%-Prüfung) besteht.

Der anschließende siebente Schritt (D7: Fehlerwiederholung verhindern) transferiert die gewonnenen Erkenntnisse auf vergleichbare Produkte oder Prozesse, um den aufgetretenen Fehler nachhaltig aus der Organisation zu entfernen. Es wird ein Lessons-Learned-Prozess angestoßen, von dem auch Unternehmensbestandteile profitieren, die mit der ursprünglichen Problemstellung nicht konfrontiert waren. Beispielsweise können die gewonnenen Erfahrungen in die Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA) eines künftigen und ähnlichen Produktes einfließen.

Die letzte Disziplin (D8: Abschluss und Würdigung des Teamerfolgs) sieht die Beendigung des Prozesses vor. Der Abschluss der 8D-Methodik kann erst angestoßen

werden, sobald alle vorangegangenen Schritte erfolgreich durchlaufen wurden. Das Fazit des Problemlösungsprozesses wird durch ein Gespräch mit möglichst allen beteiligten Personen gezogen. In diesem werden Raum für Verbesserungsvorschläge sowie die Würdigung der Teamleistung geboten. Der Sponsor sowie der Teamleiter beenden die 8D-Methodik mittels einer dokumentierten Freigabe.

Während des kompletten Problemlösungsprozesses wird über den parallel zu erstellen-den 8D-Bericht die Kommunikation zwischen Kunerstellen-den und Lieferanten in einer transparenten Form sichergestellt. Er enthält die umfassende Dokumentation der gewonnenen Erkenntnisse. Der VDA bietet entsprechende Vorlagen an.

Fazit zur 8D-Methode

Bei der Betrachtung der vielfältigen Prozessschritte der 8D-Methode mit ihren häufigen Wirksamkeitsnachweisen stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Dauer des Verfahrens. Der VDA bescheinigt einzelnen Elementen einen mitunter erhöhten Zeitaufwand, ohne dabei jedoch konkrete Zahlen zu nennen. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass „eine angemessene, nachhaltige Problemlösung nicht in Konflikt mit Zeitvorgaben“ kommen darf.[85] Diese Aussage ist in erster Linie richtig; dennoch sollte die Zeit als zentraler Kostentreiber während einer Reklamation berücksichtigt werden.

Zusätzlich gilt diese Aussage zusammen mit der regelmäßigen und verständlichen Informationsweitergabe an den Kunden als Basisanforderung.[88]

In der Literatur lassen sich einige konkrete Beispiele für die erwarteten Bearbeitungszeiten der einzelnen Disziplinen finden. Diese werden jedoch individuell durch die Unternehmen festgelegt. Im Folgenden werden drei Beispiele dafür angeführt.

Im ersten Beispiel eines Zulieferers der Automobilindustrie für Multimedia-Systeme wird der Abschluss von D1 nach einem und die Beendigung von D2 und D3 nach einem weiteren Tag angestrebt. Nach 14 Tagen sollen die Disziplinen vier und fünf durchlaufen sein. Das Ende des kompletten Prozesses ist nach spätestens 60 Tagen vorgesehen.[88]

Im Zuge einer Dissertation wurden verschiedene Unternehmen u. a. zu der vorgesehenen Bearbeitungszeit der Disziplinen der 8D-Methode befragt. Auch in dieser Untersuchung sprach sich die Mehrheit (78,9 %) für eine Bearbeitungszeit von zwei Tagen für die Schritte D1 bis D3 aus. Knapp 70 % der Unternehmen erwarteten den Abschluss des vollständigen Prozesses jedoch bereits innerhalb eines Zeitraums von 14 Tagen.[89] In der Automobilindustrie besteht zudem die häufige Forderung, dass die Schritte eins bis drei bereits nach 24 Stunden durchlaufen sein müssen.[86] Dies bestätigt der VDA im Band des standardisierten Reklamationsprozesses. Demnach fordern Kunden Ergebnisse zu Sofortmaßnahmen in der Regel nach 24 bis 48 Stunden ein.[85]

Es wird deutlich, dass hinsichtlich der Disziplinen eins bis drei ein relativ großer Konsens bezogen auf die Bearbeitungszeit besteht (24 bis 48 Stunden). Lediglich der zeitliche Horizont für das Durchlaufen der verbleibenden fünf Schritte scheint unterschiedlich gewählt zu werden.

Neben dem zeitlichen Aspekt lassen sich einige weitere Schwachstellen der 8D-Systematik ausmachen: Zum einen setzt sie methodische Kenntnisse vieler weiterer

Verfahren (z. B. des Ishikawa-Diagramms) voraus.[87] Weiterhin scheitert die Ursachenanalyse häufig bei komplexeren Wertschöpfungsketten, in denen die Fehler erst firmenübergreifend entstehen.[89] Außerdem erscheint es durch die steigende Anzahl und die zunehmenden Umfänge der 8D-Reporte häufig notwendig, eine automatische Bewertung der Inhalte vorzunehmen.[90] Für die beiden letztgenannten Punkte wurden im Rahmen der zitierten Veröffentlichungen bereits erste Lösungsansätze erarbeitet.