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A BBAU ORGANISCHER S UBSTANZEN

4. MIKROBIOLOGIE

4.1 A BBAU ORGANISCHER S UBSTANZEN

Bei Kontaminationen von Boden und Grundwasser können die eingetragenen organischen Stoffe in gleicher Weise wie die natürlich vorhandenen organischen Substanzen als Nährstoffe dienen oder kaum bzw. nicht abbaubar sein. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind gleich. Daher wird in diesem Kapitel auch auf einige Grundlagen eingegangen, die für das Verständnis der Prozesse, Abbaugeschwindigkeiten und Produkte von Bedeutung sind.

Abb. 4.1-1: Geschwindigkeit des Abbaus von Kontaminanten: Steuerung durch Temperatur, pH-Wert und Sauerstoff.

Der mikrobielle Abbau organischer Substanzen besteht aus drei Stufen:

• Der Umwandlung bei der Reduktion der organischen Substanzen freiwerdenden Ener-gie in Adenosintriphosphat (ATP) als universelle ''EnerEner-giegewährung''.

• Der Bildung von organischen Säuren mit ATP aus Kohlenstoff. Diese Säuren werden in einem permanenten Kreislauf gebildet und gleichzeitig für die Synthese von be-nötigten Zellbausteinen, Enzymen oder Speicherstoffen entnommen (Citrat = Zitro-nensäure-Zyklus).

• Der Ausscheidung von Stoffwechselprodukten und von zur Entgiftung synthetisierten Abfallstoffen wie z.B. Huminstoffbausteine (Melanine): Aerob sind CO2 und nicht weiter abbaubare Zwischenprodukte die Endstufen. Anaerob sind Säuren und Alko-hole häufig die Endprodukte.

Für die Sanierungspraxis ist die Geschwindigkeit des Abbaus die entscheidende Größe. Die Geschwindigkeit wird auf zwei Wegen reguliert, über die Stoffwechselrate - d.h. die Ge-schwindigkeit, mit der die beschriebenen Prozesse ablaufen und über den Energiegewinn, d.h.

die Zahl der ATP Moleküle, die beim Abbau von einem Molekül organischer Substanz ge-wonnen werden können. Beide wirken sich je nach den Milieubedingungen positiv oder nega-tiv auf die Wachstumsraten der Mikroorganismen aus. Abb. 4.1-1 gibt eine Übersicht über die Beziehung zwischen Abbau, Vermehrung und Steuerung. Auf die Einzelheiten wird in den beiden nächsten Kapiteln eingegangen.

4.1.1 Temperatur und pH-Wert

Die Geschwindigkeiten, mit denen Stoffwechselprozesse ablaufen, und infolgedessen der Ab-bau von organischen Substanzen und das Wachstum von Mikroorganismen sind tempera-turabhängig. Man unterscheidet drei Temperaturbereiche.

• Minimumbereich: ein unterer Bereich, in dem alle Prozesse langsam ablaufen und Wachstum gerade noch möglich ist.

• Optimum-Bereich: ein mittlerer Bereich, in dem die Stoffwechselprozesse mit größtmöglicher Geschwindigkeit ablaufen.

• Maximum-Bereich: ein oberer Bereich, den die Mikroorganismen gerade noch tole-rieren können, bevor sie durch eine zu hohe Temperatur inaktiviert werden.

Die Temperaturwerte für diese Bereiche sind für verschiedene Gruppen von Mikroorganismen unterschiedlich. Für Fäkalbakterien und andere hygienisch wichtige Bewohner des Menschen, die an die Körpertemperatur angepaßt sind, liegen die Bereiche höher, als für die Grundwas-serbakterien, die in einer konstant kalten Umgebung leben.

Abb. 4.1-2. zeigt die Zeit, die verschiedene Arten einer Gattung von Grundwasserbakterien, Hyphomicrobium, bei verschiedenen Temperaturen benötigen, um die maximale Zelldichte zu erreichen. Die Stämme bauen Dichlormethan (DCM) ab und wurden z.T. aus Schadensfällen isoliert. Die Bereiche, in denen sie am schnellsten wachsen, bewegen sich zwischen +20° und +30°C, obwohl die Bakterien eng verwandt sind. Die obere Temperaturgrenze für das Wachstum liegt dagegen ziemlich einheitlich im Bereich von +37°C. Bei einer Temperatur von +17°C wachsen diese Grundwasserbakterien ebenso schnell wie im Bereich von etwa 28°-35°C.

Wie die Temperatur steuert auch der pH-Wert die Geschwindigkeit des Stoffwechsels, und es gibt ebenfalls drei Bereiche. Als Beispiel ist in Abb. 4.1-3 die Beziehung zwischen pH-Wert und DCM-Abbau durch die vier oben genannten Hyphomicrobium-Stämme gezeigt. Am schnellsten wird DCM im neutralen bis schwach alkalischen Bereich bei pH 7-7,5 abgebaut, und ein alkalischer pH-Wert wirkt sich nicht so schnell nachteilig auf die Abbaugeschwindig-keit aus wie ein Absinken des pH-Wertes. Der Abbau kommt mit einer Ausnahme zwischen pH 5,5 und 5 zum Erliegen.

Abb. 4.1-2: Beziehung zwischen Temperatur und Wachstumsgeschwindigkeit bei 4 Bakteri-enstämmen der Gattung Hyphomicrobium. Die Bakterien bauen Dichlormethan ab und wurden z.T. aus kontaminiertem Grundwasser isoliert. Die Punkte geben die Zeit (Tage) an, die die Stämme bei der jeweiligen Temperatur zum Erreichen der höchsten Zelldichte benötigen. Das Wachstum wurde bei 17, 20, 25, 30 und 37°C gemessen; Meßwerte aus KÄSTNER (1989).

Stämme: HDM 3 o, HDM 4 o, HDM 5 x, DSM; kein Wachstum

Abb. 4.1 -3: Beziehung zwischen pH-Wert und Dichlormethan-Abbau. Stämme wie in Abb. 4.1-2, pH-Optimum, Verschlechterung der Abbauleistung.

4.1.2 Sauerstoff: aerober und anaerober Abbau

Der aerobe und der anaerobe Abbau unterscheiden sich stark im Nutzen für die Mikroorga-nismen, wie die Energieerträge zeigen, die bei vollständigem Abbau erhalten werden (Tab.

4.1-1). Zur Veranschaulichung sind hier die Werte auf den aeroben Abbau bezogen, dessen kJ-Wert für Glucose gleich 100% gesetzt wurde.

Aerob werden organische Substanzen bei vollständigem Abbau zu CO2 oxidiert (Mineralisie-rung). Der freiwerdende Wasserstoff (H+, Elektronen) wird auf den Sauerstoff übertragen, der zu Wasser reduziert wird (Tab. 4.1-1).

Anaerob mit Nitrat können die organischen Substanzen ebenfalls zu CO2 oxidiert werden.

Dabei wird der Wasserstoff auf Nitrat übertragen, das zu Wasser und Stickstoff reduziert wird. Der Energiegewinn ist mit 94% etwas niedriger.

Anaerob mit Sulfat verläuft der Abbau analog zu CO2 als Endprodukt, aber der Energiege-winn ist bedeutend niedriger.

Anaerob werden organische Substanzen durch obligate Anaerobier fermentativ abgebaut.

D.h. sie werden zu Alkoholen und Säuren als Endprodukte oxidiert. Der freiwerdende Was-serstoff wird meist auf andere organische Substanzen übertragen, die so reduziert werden. Der Energiegewinn ist mit 7% dementsprechend niedrig, und die Mikroorganismen wachsen nur

sehr langsam. Durch eine Kette von Mikroorganismen, in der jeweils eine Art die Endpro-dukte des Vorgängers zu ihrem Endprodukt abbaut, entstehen aus organischen Substanzen schließlich Ameisensäure (Formiat), Essigsäure (Acetat) oder Methanol. Bei Redoxpotentia-len unter 300 mV können heterotrophe strikte Anaerobier diese drei kurzkettigen Produkte methanogen - unter Bildung von Methan - weiter verwerten.

Tab. 4.1-1: Aerober und anaerober Abbau organischer Substanzen; Endprodukte und Energie-ausbeuten (Werte bezogen auf ∆∆G°', Glucose aerob = 100%). Corg. = organische Substanzen

Anaerobe Mikroorganismen sind in der Praxis wichtig bei der Dechlorierung von hochchlo-rierten CKW. Freiwerdender Wasserstoff wird auf die CKW übertragen und Chlor unter Bil-dung von Salzsäure abgespalten. Dabei werden die Substrate zu CO2 oxidiert. Gleichzeitig dient CO2 meist als Elektronen (H+) Akzeptor und wird zu Wasser und Methan reduziert.

Strikte Anaerobier sind häufig autotroph und gewinnen ihre Energie durch Oxidation von Wasserstoff; C-Quellen sind CO und CO2.

4.1.3 Boden und Grundwasser als Lebensräume

Die biologischen Verfahren zur Sanierung von Boden und Grundwasser stützen sich auf das Abbaupotential von Mikroorganismen. Zur Beschleunigung der Dekontamination werden ver-schiedene Maßnahmen getroffen, die die mikrobielle Abbauleistung steigern sollen. Für ein Verständnis der biologischen Verfahren sind gewisse Grundkenntnisse der Ökologie der Mi-kroorganismen erforderlich, die sich aus den physiologischen Fähigkeiten und Bedürfnissen ergeben. Obwohl die Grundkenntnisse nicht immer in einem sofort erkennbaren Zusammen-hang mit den Sanierungsmaßnahmen stehen, werden sie benötigt, um Maß nahmen und ihre Erfolgsaussichten besser einschätzen zu können.

In Boden und Grundwasser leben standorteigene (autochthone) Mikroorganismengemein-schaften, die an das Milieu angepaßt sind. Daneben können die Standorte auch von Mikroor-ganismen besiedelt sein, die durch Transport (Wind, Regen, Auswaschung und Bodenpassa-ge) verfrachtet wurden (standortfremde = allochthone Mikroorganismen). Diese Mikroor-ganismen müssen in ihren Bedürfnissen anpassungsfähig sein, um erfolgreich mit den stand-orteigenen Gemeinschaften konkurrieren zu können. Die Mikroorganismen in Boden und Grundwasser sind überwiegend an niedrige organische Nährstoffkonzentrationen angepaßt (oligotrophe = sich von wenig ernährende Mikroorganismen) und können bei relativ nied-rigen Temperaturen leben.

Die Merkmale der Standorte Boden und Grundwasser sind in Tab. 4.1-2 gegenübergestellt.

Die Tabelle zeigt, daß die tieferen Bodenschichten und das Grundwasser in vielem ähnliche Merkmale aufweisen. Der wesentliche Unterschied liegt im Wassergehalt. Die Stoffwechsel-tätigkeit von Mikroorganismen ist an das Vorhandensein von Wasser gebunden, d.h. die Mi-kroorganismen benötigen einen mit ausreichend Wasser gefüllten Raum, um darin leben zu können; bei Bakterien reicht aufgrund ihrer Größe (Abb. 4.-1) ein kleines Volumen. Boden-feuchten zwischen 50-80% der Wasserhaltekapazität (Wassersättigung) werden als optimal angesehen.

Der Lebensraum im Boden ist das Haftwasser um und zwischen den Partikeln. Das Haftwas-ser muß ausreichend organische Nährstoffe und Mineralsalze enthalten, um eine Stoffwech-seltätigkeit zu ermöglichen. Der damit verbundene Gasaustausch, Abgabe von CO2 und Auf-nahme von O2, erfolgt über die Grenzflächen zwischen wässriger und Gasphase in den Poren-räumen. Wenn der Sauerstoffeintrag durch einen Mineralölschaden unterbunden wird, kommt der Abbau der Kohlenwasserstoffe zum Erliegen.

Tab. 4.1-2: Merkmale der Lebensräume Boden und Grundwasser. Eine Kontamination wirkt sich als erstes auf den Nährstoffgehalt* aus. Bei Abbau wird Sauerstoff** gezehrt, und das Mi-lieu wird in der Folge anaerob und reduzierend.

Boden oberflächen-nah

Boden tiefere Schich-ten

Grundwasser und GW-Leiter

Milieu

Temperatur Tag/Nacht und jah-reszeitlich wechselnd

konstant kühl, ca. 10°C konstant um 10°C organische

Nähr-stoffe *

variabel, abhängig von Nutzung, mehr als tiefer

nährstoffarm mit nähr-stoffreichen Kleinräu-men (abgestorbene Organismen und Wur-zeln) Mikrostandorte bzw. Zonen

nährstoffarm mit nährstoffreichen Kleinräumen (abge-storbene Organismen

= Mikrostandorte) Sauerstoff ** variabel, bei

Über-flutung anaerob

aerob mit anaeroben Mikrostandorten bei Zehrung

aerob mit anaeroben Mikrostandorten b.

Zehrung Wassergehalt Witterungsabhängig:

Austrocknung bis Überflutung

abhängig von Witte-rung und Bodentyp (Transport)

konstant, wenn Grundwasserspiegel konstant

Folgen

Lebensbedingun-gen

stark wechselnd relativ konstant, relativ schlecht bis auf Mi-krostandorte

relativ konstant, rela-tiv schlecht bis auf Mikrostandorte Abbauprozesse Geschwindigkeit

wechselnd

relativ langsam relativ langsam

Besiedlung

Bakterien: häufig gram pos. und Spo-renbildner

Pilze: häufiger

Bakterien: mehr gram neg., weniger Spo-renbildner

Pilze: seltener