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Überlebens- und Entwicklungsraten von in vivo gewonnenen und in vitro produzierten Rinderembryonen

Zeit (Min)RelativesVolumen Schrittweise Glycerin-Entfernung

2.4. Überlebens- und Entwicklungsraten von in vivo gewonnenen und in vitro produzierten Rinderembryonen

1982 wurde das erste Kalb aus in vitro-Fertilisation (BRACKETT et al. 1982) und 1987 das erste Kalb aus einer tiefgefrorenen, in vitro produzierten Rinderblastozyste geboren (FUKUDA et al. 1990). Doch die Trächtigkeitsraten von in vitro produzierten Embryonen nach Kryokonservierung sind weiterhin niedriger als die von in vivo gewonnenen Embryonen nach Kryokonservierung. Es stellte sich heraus, daß die Tiefgefrierverfahren, die für in vivo gewonnene Embryonen entwickelt wurden, nicht auf in vitro produzierte Embryonen übertragen werden können. In vitro produzierte Embryonen, besonders kompakte Morulae, zeigen eine extreme Empfindlichkeit gegenüber langsamem Kühlen (MAHMOUDZADEH et al. 1994). Daher müssen die Verfahren den Anforderungen der in vitro produzierten Embryonen angepaßt werden, um die Überlebensraten nach dem Auftauen zu erhöhen. Die Gründe für die größere Gefriersensibilität werden in erheblichen Unterschieden zwischen in vitro produzierten und in vivo gewonnenen Embryonen bei morphologischen und biochemischen Eigenschaften vermutet (LEIBO u. LOSKUTOFF 1993; MASSIP et al.

1995a).

Die Zell-zu-Zell-Kontakte der ICM-Zellen (ICM = inner cell mass) von Embryonen nach in vivo-Fertilisation sind fester als bei solchen aus in vitro-Fertilisation. Auch die Anzahl der ICM-Zellen beim Schlüpfen der Blastozysten nach in vivo-Fertilisation ist größer als nach in Kultur. Beides könnte die niedrigeren Trächtigkeitsraten von Embryonen nach in vitro-Fertilisation erklären (IWASAKI et al. 1990; WRIGHT u. ELLINGTON 1995). DINNYES et al. (1996) ermittelten bei in vitro produzierten Embryonen weniger und kürzere Verbindungskomplexe zwischen den Zellen als bei in vivo gewonnenen Embryonen. Gleichfalls zeigten die von ihnen untersuchten in vitro produzierten Embryonen meist mehr Vakuolen und eine deutlich geringere Kompaktheit als die untersuchten in vivo gewonnenen Embryonen.

Bei in vitro produzierten 8-Zellembryonen vom Rind erschienen die Blastomeren bei Untersuchung von MASSIP et al. (1995a) unregelmäßig, und auch die Morulae waren weniger kompakt als die in vivo gewonnenen Morulae. Die in vitro produzierten Blastozysten hatten

ein dunkles Erscheinungsbild mit unregelmäßigen Formen, während die in vivo gewonnenen Blastozysten eine gut definierte innere Zellmasse zeigten.

OHBOSHI et al. (1995) konnten mit Ausnahme beim rauhen endoplasmatischen Retikulum (rER) keine großen Unterschiede in der Ultrastruktur zytoplasmatischer Organellen von in vivo gewonnenen und in vitro produzierten Blastozysten entdecken. Das rER war im Vergleich zu den in vivo gewonnenen Embryonen bei den in vitro produzierten Embryonen nicht ausreichend entwickelt. Dies kann von Nachteil für die Entwicklung sein, denn das rER ist an der Proteinsynthese der Zellen beteiligt.

Nach POLLARD u. LEIBO (1993) sinken in vivo gewonnene Morulae, wenn sie in einer 2,35 M Sucrose-Lösung suspendiert sind, auf den Boden der Kulturschale ab. Ihre Dichte liegt über 1,30. Im Gegensatz dazu schwimmen in vitro produzierte Morulae auch in Sucrose-Lösung von 1,6 M und mehr. Ihre Dichte liegt bei nur 1,14. Eine mögliche Erklärung dafür ist, daß das Lipid-Protein-Verhältnis bei in vitro produzierten Embryonen größer ist. LEIBO et al.

(1995) halten einen erhöhten Anteil intrazellulärer Lipide zumindest teilweise verantwortlich für die größere Kühl- und Tiefgefriersensibilität, die für in vitro produzierte Embryonen im Morulastadium charakteristisch ist. DIEZ et al. (1996) und USHIJIMA et al. (1996) entfernten intrazelluläre Lipide aus Zygoten und konnten keinen abträglichen Effekt auf die in vitro- und in vivo-Überlebensraten von Rinderembryonen feststellen. Jedoch verbesserte sich die Gefriertoleranz der in vitro produzierten Embryonen.

Ein weiteres biochemisches Merkmal, in dem sich in vivo gewonnene und in vitro produzierte Embryonen unterscheiden, ist die Zeitdauer bis zur enzymatischen Auflösung der Zona pellucida durch Pronase. Dieser Vorgang dauert bei in vivo gewonnenen Embryonen länger als 320 sec, bei in vitro produzierten Embryonen hingegen nur ca. 130 sec (POLLARD u. LEIBO 1993). MASSIP et al. (1995a) vermuteten einen Einfluß auf die Permeabilität der Zona gegenüber Wasser und Kryoprotektiva durch diese Eigenschaft.

Der Metabolismus von in vitro produzierten und in vivo gewonnenen Rinderembryonen ist ähnlich, jedoch zeigen in vitro produzierte Embryonen höhere metabolische Aktivität und im Gegensatz zu in vivo gewonnenen Embryonen eine Produktion von Lactat. Die höhere metabolische Aktivität der Embryonen im in vitro-Produktionssystem deuten LUCAS-HAHN u. ECKERT (1996) als eine Streßantwort, die jedoch keine irreversiblen Schäden hinterläßt.

Nicht nur die Verhältnisse in den Zellen sondern auch Faktoren in der Umgebung der Embryonen können einen Einfluß auf die Überlebensfähigkeit haben. Einige dieser Faktoren sind vergleichend in Tabelle 16 aufgeführt.

Tab.16: Vergleich der Umgebung von präimplantatorischen Embryonalstadien in vivo und in vitro (zitiert nach MASSIP et al. (1995a), modifiziert nach RIEGER u.

BETTERIDGE (1989))

in vivo in vitro

keine Temperaturschwankungen thermischer Schock keine Lichteinwirkung Exposition im Tages- oder

mikroskopischen Licht kontrollierte 02und CO2-Spannung direkte Exposition in

atmosphärischem Gas physiologisches Volumen der

umgebenden Genitalsekrete

großes Volumen an umgebender Flüssigkeit

permanenter, dynamischer Austausch zwischen Embryo und Mutter

statische Kulturbedingungen mit Mangel an Metaboliten

Bei der Embryonalentwicklung bis Tag 6 in vivo in der Kuh oder in vitro mit Eileiter-Zellkultur konnten keine Unterschiede in der Anzahl der Zellen oder in der Anzahl als transfertauglich klassifizierter Embryonen festgestellt werden (WRIGHT u. ELLINGTON 1995). Trotzdem waren die Trächtigkeitsraten nach Transfer von Embryonen ohne Tiefgefrierung für in vivo gewonnene Embryonen höher (79%) als für in vitro produzierte Embryonen (37%). Die embryonale oder fetale Mortalität war für in vivo gewonnene Embryonen Klasse 1 und 2 und in vitro produzierte Embryonen der Klasse 1 ähnlich. Bei in vitro produzierten Embryonen der Klasse 2 war sie deutlich erhöht (FARIN u. FARIN 1995).

POLLARD u. LEIBO (1993; 1994) stellten fest, daß fast alle in vivo gewonnenen Morulae sich nach langsamem Kühlen bis 0°C zu Blastozysten entwickelten, hingegen keine der in vitro produzierten Morulae die Kühlung unter 15°C überlebten. Bei den in vitro produzierten

Blastozysten überlebten 60% eine langsame Kühlung bis auf 0°C. In vivo gewonnene Morulae sind widerstandsfähiger gegenüber Kühlung als in vitro produzierte Morulae. BRACKETT u.

ZUELKE (1993) erzielten bessere Ergebnisse beim Transfer, wenn sie die in vitro produzierten Morulae nach dem Tiefgefrieren für mindestens 4 h kultivierten.

Bei der Analyse eines kommerziellen IVF-Programms über 2,5 Jahre erhielten HASLER et al.

(1995) beim konventionellen Tiefgefrieren von Rinderembryonen mit 10% Glycerin, ausverdünnt in vier Schritten Trächtigkeitsraten von 76% bei frischen und von 67% bei tiefgefrorenen in vivo gewonnenen Embryonen. Bei frischen Tag 7- bzw. Tag 8-in vitro produzierten Embryonen lagen die Trächtigkeitsraten bei 59 bzw. 48%. Am niedrigsten war die Trächtigkeitsrate bei tiefgefrorenen Tag 7-in vitro produzierten Embryonen (42%).

PAVASUTHIPAISIT et al. (1993) froren in vitro produzierte Embryonen langsam in 1,5 M Glycerin ein und verdünnten sie nach dem Auftauen in 0,5 M Sucrose aus. Mit Trächtigkeitsraten von 64% bei frühen Blastozysten, 45% bei kompakten Morulae und 33%

bei Blastozysten hielten sie diese Kryokonservierungsmethode ähnlich wie bei in vivo gewonnenen Embryonen auch für in vitro produzierte Embryonen geeignet.

LEIBO u. LOSKUTOFF (1993) beobachteten bei in vivo gewonnenen Embryonen eine maximale Trächtigkeitsrate, wenn Donor und Empfänger synchron waren. Hingegen waren die Trächtigkeitsraten bei in vitro produzierten Embryonen am höchsten, wenn das Embryonenalter dem Zyklusstand des Empfängers ca. einen Tag voraus war.

Nach konventionellem Tiefgefrieren und in vitro-Kultur erhielten LEIBO u. LOSKUTOFF (1993) eine Schlupfrate von 80% bei in vivo gewonnenen aber nur 20% bei in vitro produzierten Embryonen. Nach der Vitrifikation hingegen schlüpften 80% der in vitro produzierten Embryonen. Unabhängig vom Vitrifikationsmedium zeigten in vitro produzierte Embryonen im Gegensatz zu in vivo gewonnenen Embryonen eine bessere Ultrastruktur nach der Vitrifikation.

Da in vitro produzierte Embryonen andere morphologische und biochemische Eigenschaften besitzen als in vivo gewonnene Embryonen, schlußfolgerten MASSIP et al. (1995a), daß es

notwendig sei, die weitgehend standardisierten Kryokonservierungsmethoden für in vivo gewonnene Embryonen den Anforderungen von in vitro produzierten Embryonen anzupassen.

Dies kann durch eine Erhöhung der Zahl der Equilibrierungsschritte und eine Anpassung von Zeit und Temperatur der Equilibrierung erfolgen und die Überlebensraten von in vitro produzierten Embryonen nach dem Auftauen erhöhen.

THONON et al. (1995) verglichen die Überlebensraten von in vitro produzierten Embryonen beim konventionellen Tiefgefrieren, in dem sie zum einen die Embryonen in einem Schritt in 10% Glycerin equilibrierten und in einem Schritt mit 0,25 M Sucrose ausverdünnten, zum anderen 4 Schritte für die Equilibrierung und für das Ausverdünnen (ohne Sucrose) gebrauchten. Nach schrittweisem Hinzufügen und Ausverdünnen des Glycerins wurde eine deutliche Steigerung der in vitro-Überlebensraten der in vitro produzierten Embryonen erzielt.

VAJTA et al. (1996) wendeten bei der Vitrifikation in vitro produzierter Embryonen eine modifizierte 2-stufige Methode an. Zunächst wurden die Embryonen bei 20-22°C für 60 sec in einer 50% Vitrifikationslösung (12,5% Ethylenglykol und 12,5% DMSO) equilibriert.

Anschließend wurden sie bei nur 4°C der 100% Vitrifikationslösung (25% Ethylenglykol und 25% DMSO) für 20 sec ausgesetzt. Aus den guten Ergebnissen (63-69% Schlupfraten) schlußfolgerten sie, daß eine Inkubation von in vitro produzierten Embryonen in Ethylenglykol / DMSO bei niedrigen Temperaturen (4°C) notwendig ist. Bei in vivo gewonnenen Embryonen hielten sie dies für nicht notwendig.

Die OPS (open pulled straw) -Methode ist ein weiterer Schritt, die höhere Kühlsensibilität von in vitro produzierten Embryonen zu überwinden. Die Kühlschäden werden durch sehr hohe Kühlraten verringert und toxische Effekte durch nur kurze Exposition der Embryonen in Vitrifikationslösungen minimiert. Die Schlupfraten von in vitro produzierten Rinderembryonen (d6 und d7) lagen nach 48 bzw. 72h in vitro-Kultur bei 94 bzw. 70%. Nach Transfer von Rinderblastozysten, die im Oozyten- und Blastozystenstadium mit der OPS-Methode vitrifiziert wurden, waren 3 von 14 Empfängern tragend (VAJTA et al. 1998). LEWIS et al. (1999) vitrifizierten in vitro produzierte Rinderembryonen sehr guter Qualität mit der OPS-Methode.

Nach Ausverdünnen in der Paillette und Transfer von zwei Embryonen pro Empfänger erzielten sie eine Trächtigkeitsrate von 64%.