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3 Die Reformverläufe in Polen und Tschechien

3.1. Die Ausgangslage Polens und Tschechiens vor den Beitrittsverhandlungen In diesem Abschnitt soll auf die Ausgangslage der beiden Länder Polen und Tschechien

3.1.4 Ökonomische Lage in Polen und Tschechien

In diesem Abschnitt soll die wirtschaftliche Situation der beiden Länder Polen und Tsche-chien in aller Kürze aufgezeigt werden. Dies ist deshalb wichtig, weil mit der

112 vgl. Lippert, Barbara: From Pre-Accession to EU-Membership, S. 33.

111 das Scheitern von Václav Klaus ist nach Ansicht von Christian Schmidt-Häuer ein Lehrbeispiel dafür, auf welch schmalem Grat alle postkommunistischen Länder noch wandern. Es zeige, wie schnell ein Spitzenreiter von gestern - die Tschechische Republik - fast ans hintere Ende gerate. Vgl. Schmidt-Häuer, Christian: „Eßt - aber schmatzt nicht so”. Regierungssturz in Prag: Ministerpräsident Václav Klaus hinterläßt einen Scherbenhaufen, in: DIE ZEIT, Nr. 50, 05.12.1997, o.S..

110 vgl. Lippert, Barbara: From Pre-Accession to EU-Membership, S. 32. Siehe auch den Abschnitt über die Konsolidierung des Parteiensystems ab S. 59.

109 vgl. Lippert, Barbara: From Pre-Accession to EU-Membership, S. 30.

108 vgl. Bedarff, / Schürmann: NATO und EU aus der Perspektive Ostmitteleuropas, S. 25.

ökonomischen Bedeutung auch das politische Gewicht in einer erweiterten EU einhergeht.

Aus diesem Grund spielt die wirtschaftliche Lage in den Beitrittsverhandlungen eine beträchtliche Rolle und in der Magisterarbeit wird immer wieder auf die Wirtschaftskraft der beiden Länder eingegangen werden.

3.1.4.1. Ökonomischer Hintergrund Polens

Die Republik Polen hat eine Gesamtbevölkerung von ca. 38,6 Mio. Menschen bei einer Gesamtfläche von 312’683 km2.

Polen gehe auf die Mitgliedschaft in der EU zu als ein Land mit einem fast sechsprozentig-en Wirtschaftswachstum (z.Z. 5,6%), einer sich weiterhin stabilisiersechsprozentig-endsechsprozentig-en Währung, einem sich dynamisch entwickelnden privaten Sektor und vor allem einem außergewöhnlichen Potenzial sozialer Dynamik, betonte Ministerpräsident Jerzy Buzek in einem Vortrag über die Zukunft Polens.113

Anhand nachfolgender Tabelle mit den wichtigsten ökonomischen Grunddaten wird tatsächlich der große Fortschritt deutlich, den Polen seit dem Zusammenbruch des Kommunismus erzielen konnte:

Tabelle III: Polen - Indikatoren von 1989 bis 1998114

BIP pro Kopf, nominal

Wohlstand --Arbeitslosenquote in %

Polen - Indikatoren von 1989 bis 1998

Gab es 1990 eine Inflation von über 585 %, so konnte diese inzwischen in die Nähe der zehn Prozentmarke gedrückt werden und wenn die Tendenz anhält, ist mittelfristig mit einem stabilen Złoty zu rechnen. Anhand der Angaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP)

114 vgl. Stankovsky, Jan / Plasser, Fritz / Ulram, Peter A.: On the Eve of EU Enlargement. Economic Developments and Democratic Attitudes in East Central Europe, Wien 1998, Tabelle A 3, S. 208 und Internetseite des polnischen Statistikamtes: http://www.stat.gov.pl/stale/wskazniki_rocz.htm.

113 vgl. Buzek, Jerzy: Poland´s Future in a United Europe, Zentrum für Europäische Integrationsfor-schung, Bonn 1998, S. 4.

erkennt man die wirtschaftliche Stabilisierung im Jahre 1992 und das seitherige kräftige Wirtschaftswachstum, mit dem Polen bei den Verhandlungen zum Beitritt in die EU wirbt.

Auch die Arbeitslosigkeit ist inzwischen auf einem Niveau, das mit dem Deutschlands zu vergleichen ist, wobei deutlich erkennbar ist, dass nach einem gewissen Anstieg eine Konsolidierungsphase eingeläutet wurde und das kräftige Wirtschaftswachstum inzwischen dazu beiträgt, die Arbeitslosenquote niedriger zu halten. Unter den Motoren des polni-schen Wirtschaftswachstums spielen die ausländipolni-schen Direktinvestitionen vor allem aus Deutschland eine herausragende Rolle, welche stetig angestiegen sind und inzwischen schon über 5 Milliarden Dollar im Jahr betragen (siehe auch Tabelle XXII auf S. 142)II Ökonomische Grunddaten im VergleichIm Gegensatz zur Tschechischen Republik war die Handelsbilanz von Polen gegenüber Deutschland im Jahre 1997 sogar positiv. Das heißt, die polnischen Unternehmen verkauften mehr nach Deutschland als sie von dort einkauften.115

Der Erfolg Polens in seiner Wirtschaftspolitik führte dazu, dass Polen im Jahre 1997 als erstes Land des ehemaligen COMECON mit seinem Bruttoinlandsprodukt wieder das Niveau von 1989 erreichte. Dies schaffte Polen durch ein Wirtschaftswachstum von knapp 7 Prozent, was die Republik Polen in jenem Jahr zum „Europameister im Wirtschafts-wachstum” machte.116

Die Implementierung der Reformprogramme im Jahre 1990 - siehe unten - wirkte sich auf die Anzahl der Arbeitsplätze sowohl kontraktiv als auch expansiv aus, wobei die Beschäf-tigungszuwächse die Verluste deutlich überkompensieren. Durch die kleine Privatisierung gab es vor allem Erfolge im Handel, Gastgewerbe und auch in der Telekommunikation.117 Der wirtschaftliche Aufschwung in Polen wurde dabei erleichtert durch die Reduzierung der Auslandsschulden bei öffentlichen Schuldnern (Pariser Club) um 50 Prozent 1991 und einem ähnlichen Übereinkommen mit privaten Schuldnern (Londoner Club) 1995.118

Seit dem Umbruch hat Polen also insgesamt gesehen einen erfolgreichen Transformations-prozess zurückgelegt, auf dem die Fundamente für einen Rechtsstaat und die Marktwirt-schaft geschaffen wurde.119 Dennoch entspricht Polens Entwicklungsstand nur dem von 30 Prozent des EU-Durchschnitts.

119 vgl. Tomala, Karin: Die politische Landschaft ist tief gespalten, Polen vor den Präsidentschaftswah-len, in: Das Parlament, Nr. 40, 29. September 2000, S. 12.

118 vgl. Stankovsky, Jan / Plasser, Fritz / Ulram, Peter A.: On the Eve of EU Enlargement, S. 172.

117 vgl. Schulte, Eckhard: Staatliche Arbeitsmarktpolitik im Transformationsprozeß ausgewählter Staaten Osteuropas (Polen, Ungarn, Tschechien), Mainz 1996, S. 74.

116 vgl. Polen: Wirtschaftsmotor Direktinvestitionen, in: EUmagazin 1-2/1997, S. 45.

115 vgl. Polen: Wirtschaftsmotor Direktinvestitionen, in: EUmagazin 1-2/1997, S. 45.

Die aktuelle wirtschaftliche Situation sieht so aus, dass das Wachstum, das sich in erster Linie durch die Russlandkrise 1998 abgeschwächt hatte, Mitte letzten Jahres wieder anzog.

Dank einer Erholung der Auslandsnachfrage und eines rascheren Anstiegs der Binnennach-frage verzeichnet die polnische Wirtschaft nunmehr wieder hohe Produktionszuwächse.

Dennoch sind inzwischen eine Reihe makroökonomischer Ungleichgewichte aufgetreten.

Die Arbeitslosenquote ist immer noch hoch - Tendenz wieder steigend - und die Inflation hat seit der zweiten Jahreshälfte 1999 wieder beträchtlich zugenommen.120

Ein besonderer Problembereich Polens stellt weiterhin die Landwirtschaft dar.121 Hier ist die Situation, wie Karin Tomala schreibt: „prekär”122. Mit gut einem Viertel der insgesamt Beschäftigten war auch schon vor 1999 ein vergleichsweise großer Teil im landwirtschaft-lichen Sektor tätig, wenngleich die Entwicklung rückläufig ist, wie anhand der Tabelle ersichtlich ist:

Tabelle IV: Die Beschäftigungsstruktur in Polen 1989-1994123

43,7 32,1

1994 24,1

36,6 34,9

1993 28,5

34,1 37,5

1992 28,4

32,8 38,5

1991 28,6

31,2 40,0

1990 28,6

30,2 40,8

1989 28,9

Tertiärer Sektor Sekundärer Sektor

Primärer Sektor

Dennoch ist der Anteil der Landwirtschaft viel zu hoch. Ein auffälliges Merkmal der polni-schen Landwirtschaft ist auch, dass der Großteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten privat beschäftigt war. So wurden lediglich 17 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Staatsbetrieben bewirtschaftet, die anderen von privaten Betrieben, die in der Hauptsa-che für den Eigenbedarf produzieren.124 Die privaten Betriebe zeichnen sich dabei durch einen geringen Mechanisierungsgrad und Inputeinsatz aus und darüber hinaus ist ihre Produktionsweise „naturnah, ökologisch schonend und pestizidarm”125 oder anders ausge-drückt: rückständig.

125 Schulte, Eckhard: Staatliche Arbeitsmarktpolitik, S. 75.

124 vgl. Schulte, Eckhard: Staatliche Arbeitsmarktpolitik, S. 75.

123 Quelle: Schulte, Eckhard: Staatliche Arbeitsmarktpolitik, S. 77. Angaben in Prozent der Beschäftigten.

1999 betrug der Anteil nur noch 18,1%, siehe: Regelmäßiger Bericht. Polen, S. 27.

122 vgl. Tomala, Karin: Die politische Landschaft ist tief gespalten, S. 12.

121 Ullrich Schur schreibt hierzu: „Ein besonders schwieriger Brocken ist der Agrarbereich.” Vgl. Schur, Ullrich: EU Osterweiterung. Vage Konturen, in: EUmagazin 1-2 1996, S. 8-13, S. 9. Melanie Piepen-schneider stellt die Landwirtschaft gänzlich in Frage: „Brauchen wir in der EU noch Landwirtschaft?”

Vgl. Piepenschneider, Melanie / Steppacher, Burkard: Agenda 2000 und EU-Osterweiterung, in:

EUmagazin 1-2/1998, S. 8-17, S. 12.

120 vgl. Regelmäßiger Bericht der Kommission über die Fortschritte. Polen auf dem Weg zum Beitritt, 8. November 2000, Internetseite der Europäischen Kommission: http://europa.eu.int/comm/enlarge-ment/pl.pdf, S. 25. Die Inflation hatte 1999 nur noch 7,3 % betragen. Vgl. Internetseite des polnischen Statistikamtes: http://www.stat.gov.pl/stale/wskazniki_rocz.htm.

3.1.4.2. Ökonomischer Hintergrund Tschechiens

Die Tschechische Republik umfasst 78’870 km2 und hat ca. 10,3 Mio. Einwohner.126

Im Jahre 1994 übernahm Tschechien eindeutig die Führung im einstigen Warschauer Pakt und war bis auf das Wirtschaftswachstum in allen Gebieten Klassenprimus.127

Die tschechische Wirtschaft erlebte dann jedoch eine Strukturkrise. Nach der Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs setzte 1997 ein wirtschaftlicher Abwärtstrend ein, was unschwer anhand des schwachen Wachstums des Bruttoinlandsprodukts zu erkennen ist:128 Tabelle V: Tschechische Republik - Indikatoren von 1989 bis 1998129

BIP pro Kopf, nominal

Wohlstand --Arbeitslosenquote in %

Tschechische Republik - Indikatoren von 1989 bis 1998

Auch die Arbeitslosenquote, die zunächst rekordverdächtig niedrig war, stieg ab 1997 stark an und die Inflation konnte nicht weiter gestoppt werden, sondern verzeichnete einen Zuwachs 1998 von 12,5 %.

Die gesamtwirtschaftliche Lage der Tschechischen Republik hat sich allerdings in diesem Jahr wieder verbessert. Die dreijährige Rezession ging im zweiten Quartal 1999 zu Ende, als sich das BIP-Wachstum wieder fortsetzte. Im ersten Halbjahr 2000 verstärkte sich das reale BIP-Wachstum um 3,1 %. Diese Erholung ging von der Auslandsnachfrage sowie vom privaten Verbrauch aus. Die Arbeitslosenquote, die während der Rezession angestie-gen war und Ende 1999 9,4 % erreicht hatte, sank auf 9 % im August 2000.

Die ausländischen Direktinvestitionen haben die Schaffung neuer Arbeitsplätze begünstigt, so dass die umstrukturierungsbedingten Arbeitsplatzverluste zum Teil aufgefangen

129 Quelle: Stankovsky, Jan: On the Eve of EU Enlargement, Tabelle A 2, S.206 und Internetseite des tschechischen Statistikamtes: http://www.czso.cz/ger/13.htm.

128 vgl. Jílková, Jiřina: Osterweiterung der EU und die Rolle der Strukturfonds. Beispiel Tschechische Republik, in: WSI Mitteilungen 6/1999, 52. Jahrgang, S. 390-396, S. 391.

127 Tschechien: Enges Netz, in: Der Spiegel 30 / 1994, S. 127-131, S.127.

126 vgl. Internetseite der französischen Ratspräsidentschaft: http://www.presidence-europe.fr/pfue/page-dossier3.htm?dossier=00847&nav=3&lang=3&page=1&rubrique=00832.

wurden. Das Leistungsbilanzdefizit verringerte sich von 2,4% des BIP im Jahr 1998 auf 2% im Jahr 1999. Infolge einer umsichtigen Geldpolitik sank die Inflation auf eine durch-schnittliche Rate von nur 2,1% im Jahr 1999, doch ist sie vor allem wegen des Anstiegs der internationalen Rohstoffpreise in jüngster Zeit wieder gestiegen.130

Die tschechische Landwirtschaft war vor Beginn der Transformation durch die Dominanz von staatlichen Produktionsbetrieben und -genossenschaften gekennzeichnet, während Privatbetriebe - im Gegensatz zu Polen - lediglich eine untergeordnete Rolle spielten. Der Anteil kleiner privater Betriebe ist seitdem deutlich angestiegen und mittlerweile wird fast 50 % der gesamten Anbaufläche von solchen Betrieben bewirtschaftet.131

Tabelle VI: Die Beschäftigungsstruktur in der Tschechischen Republik 1990-1994132

50,5 42,8

6,7 1994

48,6 44,6

6,8 1993

46,6 44,8

8,6 1992

43,4 46,5

10,1 1991

42,8 45,4

11,8 1990

Tertiärer Sektor Sekundärer Sektor

Primärer Sektor

Dennoch spielt die Landwirtschaft in Tschechien keine große Rolle. Erkennbar wird dies schon daran, dass der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten nicht nur deutlich geringer ist als in Polen, er nahm auch seit der Wende weiter kontinuierlich ab und näherte sich immer mehr dem Niveau anderer Industriestaaten an, wie anhand obiger Tabelle ersichtlich ist.