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Polen und Tschechien auf dem Weg in die EU : Die Beitrittsverhandlungen im Rahmen des Zwei-Ebenen-Ansatzes

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Academic year: 2022

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R -, - S FACHBEREICH POLITIK- UND VERWALTUNGSWISSENSCHAFT

MAGISTERARBEIT:

Polen und Tschechien auf dem Weg

in die Europäische Union

* * *

Die Beitrittsverhandlungen im Rahmen des Zwei-Ebenen-Ansatzes

Konstanz, im Dezember 2000

1. GUTACHTER: PROF. DR. GERALD SCHNEIDER

2. GUTACHTER: PROF. DR. THOMAS KÖNIG

VERFASSER: CHRISTIAN BAUDE

ADRESSE: J.-BURCKHARDT-STR. 35 / 366

78464 KONSTANZ

TELEFON: 07531 / 5813 - 153

MATRIKELNUMMER: 01 / 34 52 84

E-MAIL: CHRISTIAN.BAUDE@GMX.DE

(2)

Inhaltsverzeichnis

- Seite 50 -

4.3. DIE HERANFÜHRUNGSSTRATEGIEDER EUROPÄISCHEN UNION . . . .

- Seite 49 -

4.2. PROBLEMEDER ERWEITERUNG . . . .

- Seite 48 -

4.1. GRÜNDEFÜREINE OSTERWEITERUNGDER EU . . . .

- Seite 47 -

4 CHANCEN UND RISIKEN DER EU-OSTERWEITERUNG

. . . .

- Seite 43 -

3.2.2 Tschechien . . . .

- Seite 42 -

3.2.1 Polen . . . .

- Seite 42 -

3.2. REFORMVERLÄUFEUNDUNTERSCHIEDLICHE REFORMKONZEPTE . . . .

- Seite 41 -

3.1.4.2. Ökonomischer Hintergrund Tschechiens . . . .

- Seite 38 -

3.1.4.1. Ökonomischer Hintergrund Polens . . . .

- Seite 37 -

3.1.4 Ökonomische Lage in Polen und Tschechien . . . .

- Seite 35 -

3.1.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . .

- Seite 34 -

3.1.2 Historische Entwicklung in Tschechien . . . .

- Seite 33 -

3.1.1 Historische Entwicklung in Polen . . . .

- Seite 32 -

3.1. DIE AUSGANGSLAGE POLENSUND TSCHECHIENS VORDEN

BEITRITTSVERHANDLUNGEN . . . .

- Seite 32 -

3 DIE REFORMVERLÄUFE IN POLEN UND TSCHECHIEN

. . . .

- Seite 31 -

2.5. ZUSAMMENFASSUNGDER PRÄMISSENUND THESEN . . . .

- Seite 27 -

2.4. DIE ROLLEVON UNSICHERHEITUND GLAUBWÜRDIGKEIT . . . .

- Seite 25 -

2.3.2 Die Rolle der Veto-Macht . . . .

- Seite 20 -

2.3.1 Der Zwei-Ebenen-Ansatz von Jongryn Mo . . . .

- Seite 20 -

2.3. ERWEITERUNGENDES ZWEI-EBENEN-ANSATZES . . . .

- Seite 18 -

2.2. DER EINFLUSSINNENPOLITISCHER RESTRIKTIONEN

AUF DIE VERHANDLUNGEN . . . .

- Seite 16 -

2.1.3 Die Einflussmöglichkeiten auf die innenpolitischen Restriktionen . . . .

- Seite 14 -

2.1.2 Die Rolle des Chefverhandlers und Staatsführers . . . .

- Seite 8 -

2.1.1 Die Rolle des Win-Set . . . .

- Seite 6 -

2.1. DER ZWEI-EBENEN-ANSATZ . . . .

- Seite 6 -

2 THEORIE DER VERHANDLUNGEN - DER ZWEI-EBENEN-ANSATZ

. . . .

- Seite 4 -

1.3. AUFBAUDER MAGISTERARBEIT . . . .

- Seite 3 -

1.2. FRAGESTELLUNG . . . .

- Seite 2 -

1.1. EINFÜHRUNGINDAS THEMA . . . .

- Seite 2 -

1 EINLEITUNG

. . . .

- Seite 1 -

ERKLÄRUNG

. . . .

(3)

- Seite 126 -

7 RESÜMEE UND AUSBLICK

. . . .

- Seite 123 -

6.8. AKTUELLER STANDUND ERGEBNISSE DERBISHERIGEN

VERHANDLUNGSRUNDEN . . . .

- Seite 116 -

6.7. DIE VERHANDLUNGSPOSITIONENINDENWICHTIGSTENNOCHOFFENEN

KAPITELN . . . .

- Seite 102 -

6.6. DIE VERHANDLUNGSPOSITIONENUND -STRATEGIENIMDIREKTEN VERGLEICH

- Seite 100 -

6.5. DER VERHANDLUNGSPROZESS . . . .

- Seite 98 -

6.4. DIE METHODIKDER BEITRITTSVERHANDLUNGEN . . . .

- Seite 95 -

6.3. DIE VERHANDLUNGSFÜHRER . . . .

- Seite 93 -

6.2. DAS SCREENING . . . .

- Seite 91 -

6.1. DIE PRINZIPIENDER BEITRITTSVERHANDLUNGEN . . . .

- Seite 89 -

6 DIE AUSSENPOLITISCHE EBENE:

DIE BEITRITTSVERHANDLUNGEN MIT DER EUROPÄISCHEN UNION

. . . .

- Seite 85 -

5.3.2 Tschechien . . . .

- Seite 82 -

5.3.1 Polen . . . .

- Seite 82 -

5.3. DIE INSTITUTIONENZUR UMSETZUNGDES ACQUIS COMMUNAUTAIRE . . . .

- Seite 78 -

5.2. ÖFFENTLICHE MEINUNGIN POLENUND TSCHECHIEN . . . .

- Seite 77 - 5.1.2.2.7 Die Republikaner (SPR-RSČ) . . . .

- Seite 76 - 5.1.2.2.6 Die Kommunistische Partei (KSČM) . . . .

- Seite 75 - 5.1.2.2.5 Die Christdemokraten (KDU-ČSL) . . . .

- Seite 74 - 5.1.2.2.4 Die Freiheitsunion (US) . . . .

- Seite 74 - 5.1.2.2.3 Die Bürgerlich-Demokratische Allianz (ODA) . . . .

- Seite 73 - 5.1.2.2.2 Die Bürgerlich-Demokratische Partei (ODS) . . . .

- Seite 72 - 5.1.2.2.1 Die Sozialdemokraten (ČSSD) . . . .

- Seite 71 -

5.1.2.2. Die Parteien und ihre außenpolitische Position . . . .

- Seite 68 -

5.1.2.1. Die Konsolidierung des Parteiensystems . . . .

- Seite 68 -

5.1.2 Tschechien . . . .

- Seite 67 - 5.1.1.2.6 Die Katholische Kirche . . . .

- Seite 66 - 5.1.1.2.5 Andere Parteien . . . .

- Seite 65 - 5.1.1.2.4 Die Bauernpartei (PSL) . . . .

- Seite 64 - 5.1.1.2.3 Die Freiheitsunion (UW) . . . .

- Seite 63 - 5.1.1.2.2 Das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) . . . .

- Seite 62 - 5.1.1.2.1 Die Wahlaktion Solidarität (AWS) . . . .

- Seite 62 -

5.1.1.2. Die Parteien und ihre außenpolitische Position . . . .

- Seite 59 -

5.1.1.1. Die Konsolidierung des Parteiensystems . . . .

- Seite 59 -

5.1.1 Polen . . . .

- Seite 58 -

5.1. DIE PARTEIENUNDIHRE EINSTELLUNGZUR AUSSENPOLITIK . . . .

- Seite 58 -

5 DIE INNENPOLITISCHE EBENE:

DIE SITUATION IN POLEN UND TSCHECHIEN

. . . .

(4)

- Seite 140 -

9.3. ANDERE TABELLEN . . . .

- Seite 140 -

9.2. DIE KOPENHAGENER BEITRITTSKRITERIEN . . . .

- Seite 138 -

9.1. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS . . . .

- Seite 138 -

9 ANHANG

. . . .

- Seite 137 -

8.3. INTERNETSEITEN . . . .

- Seite 134 -

8.2.4 Polen . . . .

- Seite 132 -

8.2.3 Tschechien . . . .

- Seite 131 -

8.2.2 Übergreifende Aufsätze . . . .

- Seite 130 -

8.2.1 Theoretische Aufsätze . . . .

- Seite 130 -

8.2. ZEITSCHRIFTENAUFSÄTZEUND ARTIKELIN AUFSATZSAMMLUNGEN . . . .

- Seite 129 -

8.1.3 Polen . . . .

- Seite 129 -

8.1.2 Tschechien . . . .

- Seite 128 -

8.1.1 Übergreifende Literatur . . . .

- Seite 128 -

8.1. MONOGRAPHIEN . . . .

- Seite 128 -

8 LITERATURVERZEICHNIS

. . . .

(5)

Verzeichnis der Tabellen und Grafiken

- Seite 144 -

Grafik V: Die Größe der Wirtschaft von EU und den MOEL . . . .

- Seite 143 -

Tabelle XXVIII: Die Entwicklung des Außenhandels . . . .

- Seite 143 -

Tabelle XXVII: Landwirtschaft in den Beitrittskandidaten 1995 . . . .

- Seite 143 -

Tabelle XXVI: Renten und Beschäftigte in Polen und Tschechien . . . .

- Seite 142 -

Tabelle XXV: Wählerschaft polnischer Parteien nach Berufskategorien . . . .

- Seite 142 -

Tabelle XXIV: Typische Wähler der tschechischen Parlamentsparteien . . . .

- Seite 141 -

Tabelle XXIII: Übersicht über die wirtschaftlichen Reformprioritäten gemäß den Beitrittspartnerschaften . . . .

- Seite 141 -

Tabelle XXII: Ökonomische Grunddaten im Vergleich . . . .

- Seite 140 -

Tabelle XXI: Die 31 Verhandlungskapitel . . . .

- Seite 125 -

Tabelle XX: Die Forderungen nach Übergangsregelungen im Überblick . . . .

- Seite 123 -

Tabelle XIX: Übersicht über die vorläufig geschlossenen Verhandlungskapitel . . . .

- Seite 86 -

Tabelle XVIII: Institutioneller Rahmen der Implementation . . . .

- Seite 81 -

Tabelle XVII: Referendum für den EU-Beitritt . . . .

- Seite 80 -

Tabelle XVI: Stimmentscheidung bei einem eventuellem EU-Referendum in Polen

- Seite 79 -

Tabelle XV: Regimewechsel - Erwartungen und Wirklichkeit . . . .

- Seite 71 -

Tabelle XIV: Ergebnisse der Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus vom 19.06. / 20.06.1998 . . . .

- Seite 70 -

Tabelle XIII: Entwicklung der Mandatsverteilung im tschechischen Abgeordne- tenhaus während der zweiten Legislaturperiode (1996-1998) . . . .

- Seite 69 -

Tabelle XII: Entwicklung der Mandatsverteilung im tschechischen Abgeordne- tenhaus während der ersten Legislaturperiode (1992/93-1996) . . . .

- Seite 62 -

Tabelle XI: Ergebnisse der polnischen Parlamentswahlen vom 21.9.1997 . . . .

- Seite 60 -

Tabelle X: Entwicklung der Mandatsverteilung im polnischen Sejm während der zweiten Legislaturperiode (1993-1997) . . . .

- Seite 59 -

Tabelle IX: Entwicklung der Mandatsverteilung im polnischen Sejm während der ersten Legislaturperiode (1991-1993) . . . .

- Seite 52 -

Grafik IV: Die Struktur der Europaabkommen . . . .

- Seite 51 -

Tabelle VIII: Meilensteine der EU-Osterweiterung . . . .

- Seite 47 -

Tabelle VII: Wartezeiten auf die EU-Mitgliedschaft . . . .

- Seite 42 -

Tabelle VI: Die Beschäftigungsstruktur in der Tschechischen Republik

1990-1994 . . . .

- Seite 41 -

Tabelle V: Tschechische Republik - Indikatoren von 1989 bis 1998 . . . .

- Seite 40 -

Tabelle IV: Die Beschäftigungsstruktur in Polen 1989-1994 . . . .

- Seite 38 -

Tabelle III: Polen - Indikatoren von 1989 bis 1998 . . . .

- Seite 34 -

Tabelle II: Historische Ereignisse und Art der Änderung in Tschechien . . . .

- Seite 28 -

Tabelle I: Einfluss von Unsicherheit auf das Verhandlungsergebnis . . . .

- Seite 23 -

Grafik III: Das Modell von Jongryn Mo . . . .

- Seite 21 -

Grafik II: Gemeinsame und entgegengesetzte Interessen von Verhandler und seinen innenpolitischen Akteuren . . . .

- Seite 19 -

Grafik I: Diagramm der alternativen Zwei-Ebenen-Strategien . . . .

(6)

E R K L Ä R U N G

1. Ich versichere hiermit, dass ich die anliegende Arbeit mit dem Thema:

Polen und Tschechien auf dem Weg in die Europäische Union.

Die Beitrittsverhandlungen im Rahmen des Zwei-Ebenen- Ansatzes

selbständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen benutzt habe.

Die Stellen, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen Falle durch Angaben der Quelle, auch der benutz- ten Sekundärliteratur, als Entlehnung kenntlich gemacht.

2. Diese Arbeit wird nach Abschluss des Prüfungsverfahrens der Universitätsbibliothek Konstanz übergeben und ist durch Einsicht und Ausleihe somit der Öffentlichkeit zugänglich. Als Urheber der anliegenden Arbeit stimme ich diesem Verfahren zu / nicht zu*).

Konstanz, ... ...

Unterschrift

*) Nichtzutreffendes bitte streichen

(7)

1 Einleitung

1.1. Einführung in das Thema

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und der Überwindung der Teilung in Ost und West klopfen die ehemals kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas an die Türe der Europäischen Union und bitten um Einlass. Der Traum von Robert Schuman nach einem geeinten und friedlichen Europa scheint Wirklichkeit werden zu können. Im März 1998 eröffnete die Europäische Union offiziell die Beitrittsverhandlungen mit sechs Bewerberstaaten gleichzeitig, und weitere sechs Länder bereiten sich darauf vor.

In der vorliegenden Magisterabeit werden zwei Kandidaten aus der ersten Erweiterungs- runde - die Republik Polen und die Tschechische Republik - dahingehend miteinander verglichen, wie sie sich auf ihre zukünftige Rolle in der Europäischen Union vorbereiten und welche Strategien sie in den Verhandlungen für einen Beitritt verfolgen.

Die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union werden dabei im Rahmen des Zwei-Ebenen-Ansatzes von Robert D. Putnam untersucht und die bisherigen Verhand- lungsergebnisse hinsichtlich des Einflusses innenpolitischer Restriktionen analysiert.

Es gibt zwischen den beiden Ländern Polen und Tschechien viele Gemeinsamkeiten, aber auch sehr große Unterschiede, sowohl in kultureller, geschichtlicher und ökonomischer als auch in politischer Sicht.

Gehörte Tschechien als Teil des Habsburgerreiches über Jahrhunderte hinweg zum westli- chen Kulturkreis, musste Polen in seiner Geschichte ständig um seine Identität fürchten und sah sich von Feinden umgeben. Tschechien sieht somit die Episode des Kommunis- mus als eine Art Ausrutscher und möchte wie selbstverständlich seinen - angestammten - Platz in der EU einnehmen. Für Polen geht es in den Beitrittsverhandlungen um nichts weniger als die Rückkehr nach Europa und die engültige Absicherung seiner Identität.

Beide Länder machten nach der Wende eine schwierige Phase der Konsolidierung durch.

Direkt nach der Wende gab es im ersten freigewählten polnischen Sejm derart viele Parteien und Splittergruppen - als eine der schillerndsten kann wohl die Partei der Bierfreunde (PPPP) gelten, deren Mandate von anderen Parteien aufgekauft wurden -, dass es ständig zu Parteineugründungen und -auflösungen kam und die Regierungskoalitionen ständig wechselten. Auch in Tschechien gilt die Übergangsphase von dem kommunisti- schen Einparteiensystem zu einer pluralistischen Demokratie als chaotisch und es kam zu

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vielen Parteineugründungen, wenngleich die Regierungskoalitionen hier relativ stabil blieben.

Weiterhin gibt es zwischen den beiden Ländern große Unterschiede in der Durchführung und im Erfolg der (Wirtschafts-) Reformen, die in beiden Ländern durchgeführt werden, um die Beitrittskriterien der Europäischen Union erfüllen zu können.

Ein wichtiger Unterschied stellt schließlich auch die territoriale Größe und damit verbun- den auch die wirtschaftliche Macht dar. Mit einer Bevölkerung von 40 Millionen hat Polen viermal mehr Menschen als Tschechien und stellt die EU somit vor ganz andere Probleme.

Alle diese Faktoren spielen bei den Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union eine Rolle; manche offen, andere unterschwellig.

In der Magisterarbeit werden die Einflüsse der verschiedenen Faktoren auf die Beitrittsver- handlungen untersucht und die Verhandlungsstrategien beider Länder hinsichtlich ihrer Erfolge bzw. Erfolgsaussichten diskutiert.

1.2. Fragestellung

Die unterschiedlichen Beitrittsstrategien Polens und Tschechiens und die damit verbunde- nen Verhandlungsstrategien sind Ausdruck verschiedener politischer Konzepte und Ideen.

Diese werden herausgefiltert und vergleichend diskutiert, um herauszufinden, welche Strategie die erfolgreichere ist bzw. sein wird. Wo liegen die Vor- und Nachteile der unter- schiedlichen Ansätze und was bedeutet dies für die Verhandlungen mit der Europäischen Union?

Jedes Land musste zu Beginn der Beitrittsverhandlungen seine Verhandlungsposition für das betreffende Verhandlungskapitel vorlegen und darlegen, in welchen Bereichen Probleme zu erwarten sind. Anhand dieser Verhandlungspositionen können die Einflüsse der innenpolitischen Akteure und deren Interessen bzw. Positionen abgelesen werden.

Als politische Akteure können in erster Linie die politischen Parteien angenommen werden, deren Positionen zum Beitritt zur EU mithilfe der Partei- und Wahlprogramme bestimmt werden. Damit wird dann der Frage nachgegangen, inwieweit sie die Verhand- lungen mit der EU beeinflussen (können), inwieweit also innenpolitische Faktoren bei den Beitrittsverhandlungen eine Rolle spielen.

Als innenpolitischer Faktor gilt auch die Zustimmung oder Ablehnung der Bevölkerung, denn die europäische Integration kann nicht ohne Zustimmung der Bevölkerung in den

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beiden Kandidatenländern gelingen. Es ist somit zu fragen, welche Rolle die Öffentlichkeit bei den Beitrittsverhandlungen spielt. Welche gesellschaftlichen Schichten und Gruppen wollen die Mitgliedschaft in der EU und welchen Einfluss haben diese Gruppen auf die konkreten Verhandlungen?

Die Verhandlungen mit der EU und der bisherige Verlauf bzw. die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen seit März 1998 werden innerhalb dieser Magisterarbeit dargestellt und in diesem Zusammenhang ist es wichtig, darzustellen, welche Ideen und Absichten hinter den Verhandlungen stehen. Wo liegen die Probleme und Chancen und welches Drohpoten- zial bzw. welchen Verhandlungsspielraum besitzen die beiden Kandidaten Polen und Tschechien? Wie unterscheiden sich die Verhandlungsstrategien von Polen und Tschechien und wie effektiv und erfolgreich sind endlich diese Strategien?

1.3. Aufbau der Magisterarbeit

Nach dieser Einleitung soll zunächst der theoretische Hintergrund auf der diese Magisterar- beit basiert, dargestellt werden. Es handelt sich dabei um den sogenannten Zwei-Ebenen- Ansatz von Robert D. Putnam und dessen verschiedene Erweiterungen. Dieser Ansatz behandelt im theoretischen Rahmen internationale Verhandlungen und es wird sich im Laufe dieser Magisterarbeit zeigen, inwiefern der Zwei-Ebenen-Ansatz geeignet ist, die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union theoretisch erklären zu können.

Im Anschluss daran soll zunächst einmal die ökonomische Situation in Polen und Tsche- chien geklärt werden. Bei beiden Ländern gibt es historische und ökonomische Gemein- samkeiten, die in den entsprechenden Abschnitten zur Sprache kommen, um die beiden Länder vorzustellen und auf ihre jeweilige Lage und bisherigen Reformanstrengungen vor den Beitrittsverhandlungen hinzuweisen.

Die Gründe für und gegen eine Osterweiterung sollen dann in einem eigenen Kapitel erläu- tert werden, da darin die Motive und Interessen aller Verhandlungspartner abzulesen sind und es bereits Hinweise auf die Strategien in den Beitrittsverhandlungen gibt. Hier befindet sich auch ein eigener Abschnitt über die Heranführungstrategien der EU, da die Beitritts- verhandlungen nur in ihrem Gesamtkontext gesehen werden können.

Um die innenpolitische Ebene des Zwei-Ebenen-Ansatzes geht es im fünften Kapitel dieser Magisterarbeit. Hier geht es vor allem darum, die verschiedenen innenpolitischen Akteure -

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d.i. die Parteien, die öffentliche Meinung und die Implementierungsinstitutionen - und ihren möglichen Einfluss auf die Verhandlungen zu identifizieren bzw. aufzuzeigen.

Nach der innenpolitischen Ebene wird die außenpolitische Ebene, die die zweite Ebene des Zwei-Ebenen-Ansatzes darstellt, behandelt. Auf dieser Ebene finden die Beitrittsverhand- lungen der Europäischen Union statt, deren Methodik und Prinzipien zunächst erläutert werden.

Schließlich wird in diesem Kapitel auf die konkreten Beitrittsverhandlungen eingegangen, indem die Verhandlungspositionen beider Länder miteinander verglichen werden und somit die damit verbundenen Strategien herausgelesen werden können.

Dabei werden die verschiedenen Kapitel, in denen es bereits zu Ergebnissen kam, heraus- gegriffen und die beiden Verhandlungspositionen mit dem jeweiligen Ergebnis gegenüber gestellt. Hierdurch wird schließlich im Endeffekt die Effektivität der Verhandlungsstrate- gien bestimmt und die Frage beantwortet, welches Land erfolgreicher verhandelt bzw.

welches besser für den Beitritt gewappnet ist und welche Verbindung es zwischen diesen Punkten gibt.

Nach der Zusammenfassung der Ergebnisse der Magisterarbeit in einem eigenen Schluss- kapitel befinden sich am Ende dieser Magisterarbeit ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie im Anhang ein ausführliches Verzeichnis aller in dieser Arbeit verwendeten Abkür- zungen sowie verschiedene Tabellen, auf die im Verlauf der Arbeit immer wieder hinge- wiesen wird.

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2 Theorie der Verhandlungen - Der Zwei-Ebenen-Ansatz

In diesem Kapitel wird der theoretische Rahmen vorgestellt, mit dessen Hilfe Verhand- lungsverlauf und -ergebnis der Beitrittsverhandlungen der beiden mittel- und osteuropäi- schen Länder (MOEL) - die Republik Polen und die Tschechische Republik - mit der Europäischen Union untersucht werden sollen.

Zu diesem Zweck werden Theorien internationaler Beziehungen herangezogen, die auf dem sogenannten Zwei-Ebenen-Ansatz und der Analyse internationaler Verhandlungen beruhen, da diese sowohl die internationale als auch die nationale Ebene betrachten.

Dies ist insofern wichtig, da neben dem Aushandeln des reinen Abkommens auch die Implementierung der beschlossenen Dinge wichtig ist und in den Verhandlung bereits eine Rolle spielt. Bevor die Staaten ein Abkommen implementieren können, müssen sie darüber verhandeln, welches der vielen möglichen Abkommen sie implementieren sollen. Das heißt, schon vor und während der Verhandlungen machen sie sich über die spätere Umset- zung Gedanken. Je mehr also ein Staat Wert legt auf zukünftige Gewinne, desto größeres Augenmerk legt er auch auf den Abschluss eines guten Abkommens.1

Nur wenige Abkommen sind selbstimplementierend, deshalb braucht es in der Mehrheit der Fälle komplexe, eigene Strukturen, um das Abkommen umzusetzen. In diesem Sinne wird Verhandeln als Koordination mit konfligierenden Interessen betrachtet,2 wobei das Ergebnis der Verhandlungen von den Strukturen der Verhandlungssituation abhängt, wie Harrison Wagner schreibt.3

2.1. Der Zwei-Ebenen-Ansatz

Eine der wichtigsten Theorien zur Untersuchung von internationalen Verhandlungen ist der Zwei-Ebenen-Ansatz von Robert D. Putnam, erstmals 1988 in dem Artikel „Diplomacy and Domestic Politics: the Logic of Two-Level Games” ausführlich dargestellt. Putnam verfolgte das Ziel, eine Theorie über die simultane Interaktion von innenpolitischen und internationalen Faktoren zu entwickeln.

Der Ansatz von Robert D. Putnam geht zunächst einmal von der Prämisse aus, die Peter J.

Katzenstein bereits feststellte, dass nationale Politik und internationale Beziehungen

3 vgl. Wagner, R. Harrison: Economic interdependence, bargaining power, and political influence, in:

International Organization, Band 42, Nr. 3, Sommer 1988, S. 461-483, S. 466.

2 vgl. Fearon, James D.: Bargaining, Enforcement, and International Cooperation, S. 275.

1 vgl. Fearon, James D.: Bargaining, Enforcement, and International Cooperation, in: International Organization, Band 52, Nr. 2, Frühjahr 1998, S. 269-305, S. 296.

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miteinander verbunden sind: „The main purpose of all strategies of foreign economic policy is to make domestic policies compatible with the international political economy.”4 Die politischen Hauptentscheidungsträger5 (decision maker) müssen also gleichzeitig mit innenpolitischem und internationalem Druck fertig werden und Robert D. Putnam versucht in seinem theoretischen Konzept, diese Wechselwirkung aufzuzeigen.

Die innenpolitischen Determinanten der Außenpolitik und der internationalen Beziehungen sind dabei gemäß Putnam: Parteien, soziale Klassen, Interessengruppen, Gesetzgeber und öffentliche Meinung sowie Wahlen; nicht nur einfach vollziehende Beamte oder die insti- tutionelle Ordnung.6

Putnam betrachtet die Verhandlungen allgemein als ein Zwei-Ebenen-Spiel (Two-Level- Game) mit den beiden Ebenen: national und international. Auf der internationalen Ebene finden die (Beitritts-)Verhandlungen statt und auf der nationalen Ebene (der Mitgliedstaa- ten und der Beitrittskandidaten) werden die ausgehandelten Ergebnisse schließlich ratifiziert.

Auf der nationalen Ebene versuchen innenpolitische Gruppen ihre Interessen gegenüber der Regierung durchzusetzen und die Regierung unter Druck zu setzen, damit diese eine ihnen genehme Politik betreibt. Die Regierung ist am Erhalt oder Ausbau ihrer Macht und ihrer Souveränität interessiert und versucht deshalb, innerhalb dieser Gruppen Koalitionen zu ihrer Unterstützung zu schmieden.

Auf der internationalen Ebene versuchen die nationalen Regierungen ihre eigene Fähigkeit, den nationalen, internen Druck zu befriedigen bzw. zu widerstehen möglichst zu maximie- ren, wobei sie die Konsequenzen internationaler Entwicklungen zu minimieren suchen.

Keine der beiden Ebenen kann von den Hauptentscheidungsfindern ignoriert werden, solange ihre Länder souverän und unabhängig bleiben. Jeder nationale politische Führer (political leader) erscheint auf beiden (Spiel-)Ebenen und stellt somit die Verbindung zwischen den beiden Ebenen her.7

7 im Original schreibt Putnam: „At the national level, domestic groups pursue their interests by pressu- ring the government to adopt favorable policies, and politicians seek power by constructing coalitions among those groups. At the international level, national governments seek to maximize their own ability to satisfy domestic pressures, while minimizing the adverse consequences for foreign develop- ments. Neither of the two games can be ignooree by central decision-makers, so long as their countries remain interdependent, yet souvereign. Each national leader appears at both game boards.”

Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 434.

6 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 432.

5 sämtliche Begriffe, die Personen bezeichnen, sind selbstverständlich geschlechtsneutral zu verstehen.

4 Katzenstein, Peter J.: Between Power and Plenty: Foreign Economic Policies of Advanced Industrial States, Madison 1978, S. 4, zitiert bei Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics: the logic of two-level games, in: International Organization, Band 42, Nr. 3, Sommer 1988, S. 427-460, S. 431.

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Der gesamte Verhandlungsprozess lässt sich somit in drei Phasen aufteilen: die innenpoliti- schen (Vor-) Verhandlungen, die anschließenden zwischenstaatlichen Verhandlungen und letztlich die Ratifikation der Verhandlungsergebnisse wiederum auf nationaler Ebene.

Gemäß der Idee Putnams wird jede Verhandlungspartei durch einen Chefverhandler bzw.

Verhandlungsführer (chief negotiator) vertreten, der - zunächst einmal - keine unabhängi- gen Politikpräferenzen besitzt, sondern einfach ein Übereinkommen erreichen will, dass die Zustimmung zu Hause findet. Analytisch betrachtet, besteht der Verhandlungsprozess also aus zwei Ebenen:

Ebene I: Hier - an diesem Spieltisch - finden die Verhandlungen zwischen den Verhand- lungsführern (auf internationaler Ebene) statt, wobei jeder bemüht ist, eine Überein- kunft zu erreichen.

Ebene II: Nachdem ein Abkommen auf Ebene I getroffen wurde, finden auf der (nationalen) Ebene II separate Diskussionen über die Ratifizierung der Übereinkunft statt.8

! Es gibt also eine Verhandlungsphase und eine Ratifizierungsphase, die sich gegenseitig beeinflussen.

Auf der Ebene II, der nationalen Ebene, kann nur noch mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Dies bedeutet, dass mögliche Drohungen der heimischen Interessengruppen oder Wähler schon auf der Ebene I eine Rolle spielen, wie weiter unten genauer erläutert wird.

Die innenpolitische Ebene II schreibt den Verhandlungsführern auf der außenpolitischen Ebene I somit genau vor, welche Vorschläge sie der Gegenseite unterbreiten und welche Kompromisse sie mit ihr eingehen dürfen. Die Menge der dabei potenziell möglichen Ergebnisse bzw. Abkommen, der sogenannte Win-Set oder Verhandlungsrahmen, wird prinzipiell bereits von den innenpolitischen Akteuren bestimmt, d.h. auf der eigentlich zeitlich später kommenden Ebene II wird der Verhandlungsrahmen der ersten Ebene bestimmt.9

2.1.1 Die Rolle des Win-Set

Bei dem von Robert Putnam verwendeten Begriff Win-Set handelt es sich um den Verhand- lungsspielraum oder Verhandlungsrahmen derjenigen Verhandlungsergebnisse auf interna- tionaler Ebene, die innenpolitisch durchsetzbar sind und somit Aussicht auf Ratifikation genießen. Putnam definiert den Begriff des Win-Set folgendermaßen:

„we may define the ‘win-set’ for a given Level II constituency as the set of all possible Level I agreements that would ‘win’ - that is, gain the necessary majority among the constituents - when simply voted up or down.”10

10 Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 437.

9 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 437.

8 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 436.

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Je größer der Win-Set ist, desto geringer ist der innenpolitische Druck und desto wahrscheinlicher wird eine Übereinkunft auf der internationalen Ebene I. Jedes erfolgrei- che Abkommen von Ebene I muss zwingend innerhalb des Win-Sets von Ebene II sein, weil es sonst von den innenpolitischen Akteuren nicht ratifiziert werden würde.11

Problematisch sind demzufolge internationale Verhandlungen mit einem kleinen Win-Set, vor allem, wenn sich die Win-Sets beider Seiten nur wenig überlappen, denn dann wird das Risiko des Scheiterns der Verhandlungen umso größer. Als Hypothese formuliert bedeutet dies:

! Je kleiner der Win-Set, desto größer ist das Risiko eines Scheiterns der Verhandlungen.12 Putnam unterscheidet beim Scheitern der Verhandlungen zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Scheitern (voluntary vs. involuntary defection). Wenn also eine Verhand- lungsseite kein absolutes Interesse am Erfolg hat, sondern mit dem Status Quo leben kann, oder ihn gar bevorzugt, dann kann sie die Verhandlungen freiwillig scheitern lassen.

Ein unfreiwilliges Scheitern ist insofern schlecht, als die Glaubwürdigkeit des Unterhänd- lers darunter leidet, wenn der Verhandler die Ratifizierung zu Hause nicht durchsetzen und somit sein Versprechen nicht einhalten kann. Gemeint ist also ein Scheitern auf der heimi- schen Ebene durch die nichterfolgende Ratifikation des erzielten Abkommens.

Für die Verhandler ist es somit essenziell, dass nicht mehr versprochen wird als auch gehalten werden kann. Dieses gilt erst Recht, wenn es sich nicht um einmalige Verhand- lungen handelt, sondern in naher oder ferner Zukunft damit zu rechnen ist, dass sich die Verhandlungspartner erneut am Verhandlungstisch wiederfinden.13

Die Größe des Win-Set bestimmt darüber hinaus die Verteilung der Gewinne aus den inter- nationalen Verhandlungen. Ein großer Win-Set kann sich z.B. insofern negativ auswirken, dass der Verhandlungsführer von seinem Gegenüber herumgestoßen wird („pushed around”) und somit nicht energisch genug verhandeln kann. Bei kleinem Win-Set kann der Verhandler auf Vorschläge seines Gegenübers jedoch mit dem Argument antworten, ihm seien die Hände gebunden: „I’d like to accept your proposal, but I could never get it accep- ted at home.”14 Als Hypothese formuliert ergibt dies:

! Ein kleiner Win-Set kann einen Verhandlungsvorteil darstellen.15

15 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 440.

14 Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 440.

13 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 439.

12 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 438.

11 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 437.

(15)

Dieses Argument ist eng verbunden mit Thomas C. Schellings „Paradox der Schwäche”, welches besagt, dass die Selbstbindung eines Verhandlers seine Verhandlungsmacht entscheidend beeinflussen kann, dass eine Schwäche oft eine Stärke darstellen kann und dass Freiheit, die Freiheit zur Kapitulation sein kann:

„They rest on the paradox that the power to constrain an adversary may depend on the power to bind oneself; that, in bargaining weakness is often strength, freedom is often strength, freedom may be freedom to capitulate, and to burn bridges behind one may suffice to undo.”16

So deuten nach Thomas C. Schelling die Worte Verhandlungsmacht, Verhandlungsstärke, Verhandlungsfähigkeit usw. darauf hin, dass der Stärkere / Mächtigere immer einen Vorteil hat. Dies stimmt nur dann, wenn die Verhandlungen definiert werden, dass sie gewonnen werden von dem, der gewinnt. Aber wenn der Terminus impliziert, dass es einen Vorteil darstellt, intelligenter, verhandlungssicherer, finanziell stärker, militärisch mächtiger oder widerstandsfähiger zu sein, dann leistet er einen schlechten Dienst. Denn diese Qualitäten sind auf keinen Fall universelle Vorteile in den Verhandlungssituationen; sie haben, so Thomas C. Schelling in seinem Buch „The Strategy of Conflict”, sogar oft einen entgegen- gesetzten Wert.17

Thomas C. Schelling untersuchte jedoch das reine Verhandeln, in welchem jede Seite geführt wird von dem, was nach ihren Erwartungen, die andere Seite akzeptieren wird und zwar solange, bis eine Seite, eine letzte ausreichende Konzession macht. Der Grund, warum eine Seite schließlich einlenkt und sozusagen klein bei gibt, ist der, weil sie davon ausgeht bzw. davon ausgehen muss, dass der Gegenüber dies auf keinen Fall tun wird und für sie eine jegliche Übereinkunft besser ist als gar keine.18

Die Frage jedoch, ob tatsächlich jede Übereinkunft besser ist als der Status Quo hängt natürlich auch mit der Größe des Win-Sets zusammen. Die Größe des Win-Set wiederum ist von verschiedenen Faktoren determiniert:

1. Ebene II: Die Größe des Win-Set hängt von der Macht- und Präferenzenverteilung ab sowie von den möglichen Koalitionen zwischen den innenpolitischen Akteuren auf Ebene II.19

Die Interessenlage auf der nationalen Ebene determiniert somit die Strategie des Verhand- lungsführers. Dabei gilt allgemein, dass je niedriger die Kosten einer Nicht-Übereinkunft sind, desto kleiner ist der Win-Set. Eine Nicht-Übereinkunft repräsentiert oft den Status

19 „The size of the win-set depends on the distribution of power, preferences, and possible coalitions among Level II constituents.” Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 442.

18 vgl. Schelling, Thomas C.:The Strategy of Conflict, S. 22.

17 vgl. Schelling, Thomas C.:The Strategy of Conflict, S. 22.

16 Schelling, Thomas C.: The Strategy of Conflict, Cambridge 1960 / 1980, S. 22.

(16)

Quo. In diesem Zusammenhang sei nochmal betont, dass auf Ebene II nicht zwischen Alternativen entschieden werden kann, sondern nur mit Ja oder Nein über das Abkommen abgestimmt werden kann. Je heterogener die gesellschaftlichen Präferenzen sind, desto größer ist die Verhandlungsmacht der Exekutive, da die Ratifizierung unsicher ist und dies als Argument wirksam auf der Ebene 1 angeführt werden kann - wie oben erwähnt.

Umgekehrt können homogene Präferenzen die Ratifizierung erleichtern, jedoch die Verhandlungsmacht schwächen.20

In Verhandlungen mit mehreren Themenkomplexen haben die unterschiedlichen innenpoli- tischen Akteure auch unterschiedliche Präferenzen in den Politikfeldern. Bei den Verhand- lungen ist der Chefverhandler deshalb auch um Ausgleich zwischen den Interessengruppen bzw. innenpolitischen Akteuren bemüht, indem er Verbindungen zwischen den einzelnen Feldern herstellt (sogenanntes „Issue-linkage”) und sozusagen Konzessionen hier und Vorteile da sucht bzw. erteilt.21 Um die Bedeutung des Issue-linkage zu verdeutlichen, führt Putnam folgendes Beispiel für ein transnationales Issue-linkage an:

„Suppose that a majority of constituents at Level II oppose a given policy (say, oil price decontrol), but that some members of that majority would be willing to switch their vote on that issue in return for more jobs (say, in export industries). If bargaining is limited to Level 1, that tradeoff is not technically feasible, but if the chief negotiator can broker an international deal that delivers more jobs (say, via faster growth abroad), he can, in effect, overturn the initial outcome at the domestic table.”22

Wichtig ist also Issue-linkage als ein Mittel, die Chancen der Politik auf Ebene II zu erhöhen und eine Ratifizierung des Abkommens zu erleichtern.

2. Ebene II: Die Größe des Win-Set hängt von den politischen Institutionen auf Ebene II ab.23 Die Ratifizierungsprozeduren haben einen Einfluss auf den Win-Set. Ist z.B. eine 2/3 Mehrheit verlangt, so ist der Win-Set kleiner als bei einer einfachen Mehrheit, da eine größere Anzahl an innenpolitischen Akteuren für eine Zustimmung zur Ratifizierung gewonnen werden muss. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass es eine Vetomacht einer kleineren Gruppe gibt.24

Nicht jede signifikante Ratifizierungspraxis ist formalisiert und auch in der jeweiligen Struktur des Parteiensystems ist ein wichtig Einflußfaktor zu sehen. So vergrößert eine starke Parteiendisziplin und Koalitionsloyalität den Win-set der Ebene II, da anzunehmen

24 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 449.

23 „The size of the win-set depends on the Level II political institutions.” Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 448.

22 Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 446f.

21 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 446.

20 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 442.

(17)

ist, dass von einer gefestigten Regierungskoalition ein hohes Kontrollpotential über die eigene innerstaatliche Politik ausgeübt werden kann und somit dem Chefverhandler ein größerer Handlungsspielraum zur Verfügung steht, womit wiederum die Chancen für eine potenzielle zwischenstaatliche Kooperation steigen.25

Hier spielt auch die Diskussion über die Stärke und Autonomie des Staates eine Rolle, denn neben der Art der Ratifikation ist die Autonomie der Entscheidungsträger entschei- dend. So stellt Putnam die Hypothese auf:

! Je größer die Autonomie des zentralen Entscheidungsträgers gegenüber den relevanten Akteuren auf der innenpolitischen Ebene II ist, desto größer ist der Verhandlungsspiel- raum bzw. der Win-Set und damit die Wahrscheinlichkeit einer Übereinkunft auf der inter- nationalen Ebene I.26

Umgekehrt ist somit die Verhandlungsmacht bzw. der Einfluss der innenpolitischen Akteure auf die außenpolitische Ebene I umso schwächer, je größer die Autonomie der jeweiligen Regierungsvertreter bzw. Chefverhandler ist. Jedoch kann die Autonomie nach Schellings „Paradox der Schwäche” auch die Verhandlungsposition des Chefunterhändlers abschwächen.27

Besonders kompliziert wird es, wenn es mehrere Ratifikationsebenen gibt, denn dann sind auf jeder Stufe „cleavage patterns, issue linkage, ratification procedures, side-payments, negotiator strategies, and so on”28 zu berücksichtigen. Dies bringt jedoch von theoretischer Seite außer einer Verkomplizierung wenig, da es völlig ausreichend ist, im theoretischen Konzept auf die Ratifizierung auf der innenpolitischen Ebene II hinzuweisen und es dabei unerheblich ist, wie diese im Einzelnen vonstatten geht; auch wenn sie in der Praxis sehr wohl eine Rolle spielt.

Bei den Beitrittsverhandlungen sieht es dergestalt aus, dass es in Polen zur Ratifizierung des Beitrittsabkommen höchstwahrscheinlich ein Referendum geben wird, während dieses in Tschechien zwar erwogen, jedoch aller Voraussicht nach nicht stattfinden wird.

3.Ebene I: Die Größe des Win-Set hängt von den Strategien des Chefverhandlers auf Ebene I ab.29 Dem Verhandlungsführer kommt als einziger formaler Verbindung beider Ebenen eine besondere Rolle zu. Jeder Verhandler hat ein ausgesprochenes Interesse an der Maximie- rung des Win-Sets des anderen, da dann seine eigene Verhandlungsposition im Vergleich relativ stärker wird.

29 „The size of the win-set depends on the strategies of the Level I negotiators.” Putnam, Robert D.:

Diplomacy and domestic politics, S. 450.

28 Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 449f.

27 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 449.

26 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 449.

25 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 449.

(18)

Unter Berücksichtigung seines eigenen Win-sets sind seine Motive dagegen gemischter Art. Als mögliche Motive nennt Putnam hier die Verbesserung der eigenen innenpoliti- schen Position, die innenpolitische Machtverschiebung zu seinen Gunsten und die Verfol- gung eigener Interessen, womit die anfängliche Annahme, der Verhandler verfüge nicht über eigene Interessen aufgegeben wird. Je größer sein eigener Win-Set ist, desto leichter kann der Verhandlunger in ein Abkommen einwilligen, aber desto schwächer ist seine Verhandlungsposition, was oft ein taktisches Dilemma verursacht.30

Um den Win-Set zu vergrößern, wird einmal guter Wille vorausgesetzt und zum zweiten versucht, durch Side-Payments, die Unterstützung kleinerer Gruppen zu erhalten. Dabei kann es durchaus sein, dass der Chefverhandler diese Side-Payments nicht nur den Akteu- ren seines eigenen Landes anbietet, sondern den innerstaatlichen Akteuren seines Verhand- lungspartners. Denn damit kann er dessen Win-Set vergrößern und ein Abkommen erreichen, ohne selbst seine Verhandlungsposition ändern bzw. eine Konzession eingehen zu müssen. Der Wert dieser Side-Payments sollte dabei nach Putnam in Relation zu ihrem Beitrag zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Ratifikation gemessen werden und nicht in Relation zu dem Gesamtwert, den er für die Empfänger(nation) darstellt. Was also auf der Ebene II zählt, sind nicht die gesamten nationalen Kosten und Gewinne, sondern ihr Auftreten in Relation zu bestehenden und neu-gewonnen Koalitionen.31

Ein erfahrener Verhandler sollte also in der Lage sein, die Kosteneffektivität der Konzes- sionen, die gemacht werden müssen, zu maximieren, um die Ratifizierung sicherzustellen, genauso wie auch die Kosteneffektivität seiner eigenen Forderungen und Drohungen.32

Ein großes Problem bei den Verhandlungen stellt die Unsicherheit dar. So sind die Verhandler aus Ebene I oftmals nicht darüber informiert, wie die Politik auf Ebene II abläuft, vor allem bei der gegenüberliegenden Seite. Diese Unsicherheit über den Win-Set des Gegenüber erhöht natürlich das Risiko eines unfreiwilligen Scheiterns.

Darüber hinaus wird auch ein mögliches Abkommen teurer als es sein müsste, wie Putnam anhand eines fiktiven Beispiels erläutert: Die Unsicherheit über die Ratifikation des Abkommens durch Partei A reduziert den erwarteten Wert des Abkommens für Partei B und deshalb wird Partei B ein generöseres Side-Payment von Partei A fordern als es unter den Bedingungen der Sicherheit der Fall wäre.33

33 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 453.

32 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 451.

31 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 450.

30 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 450.

(19)

Ein nutzenmaximierender Verhandler muss versuchen, sein Gegenüber davon zu überzeu- gen, dass der vorgeschlagene Deal genau richtig ist, um sicher ratifiziert zu werden, dass aber ein leicht davon abweichendes Abkommen - was für den anderen besser wäre - höchstwahrscheinlich nicht ratifiziert werden würde.34

In diesem Punkt klingt bereits an, dass verschiedene Strategien bei den Verhandlungen einen großen Einfluss auf das Ergebnis haben, weshalb im Folgenden die verschiedenen Akteure und ihre Motive / Strategien näher behandelt werden sollen.

2.1.2 Die Rolle des Chefverhandlers und Staatsführers

In Putnams Zwei-Ebenen-Ansatz hat der Chefunterhändler zunächst einmal keine eigenen Interessen, was aber ziemlich unrealistisch ist, weshalb diese Annahme später auch von ihm selbst aufgehoben wird. So liegt es im Interesse des Chefverhandlers, seinen politi- schen Einfluss zu erhöhen oder seinen möglichen Verlust zu minimieren.35

Denn ein Scheitern der Verhandlungen schädigt auch seine eigene Reputation gerade in Hinsicht auf zukünftige Verhandlungen, weshalb er bei schwierigen Verhandlungen bereits im Vorfeld die Erwartungen dämpfen muss, um den Reputationsverlust zu minimieren oder in den Verhandlungen darauf aus sein muss, sein Gesicht zu wahren, damit das Schei- tern nicht ihm anzulasten ist. Auf der anderen Seite steht der Chefverhandler bei erfolgrei- chem Abschluss glänzend da und kann die Meriten einstreichen. Die Einflussmöglichkeiten des Chefverhandlers auf das Verhandlungsergebnis sind so groß, dass er quasi über ein Vetorecht über verschiedene mögliche Abkommen verfügt.36

Gerade eine asymmetrische Abhängigkeit ist eine Machtquelle, die zu einem größeren politischen Einfluss führen kann. Jedoch bedeutet eine asymmetrische wirtschaftliche Interdependenz zwischen den Verhandlungsstaaten nicht, dass ein Verhandlungsführer politischen Einfluss über sein Gegenüber ausüben kann.37

Die Unsicherheit über den Wert, den der Verhandlungspartner einem Abkommen zuweist, bewirkt oftmals ineffiziente Verzögerungen in den Verhandlungen,38 weshalb Harrison Wagner die These aufstellt, dass wenn ein Verhandler den Handelsgewinn höher betrachtet als der andere, er ihm gegenüber in einer schwächeren Handelsposition ist.39

39 vgl. Wagner, R. Harrison: Economic interdependence, S. 462.

38 vgl. Fearon, James D.: Bargaining, Enforcement, and International Cooperation, S. 282.

37 vgl. Wagner, R. Harrison: Economic interdependence, S. 462.

36 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 457.

35 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 457.

34 vgl. Putnam, Robert D.: Diplomacy and domestic politics, S. 453.

(20)

Hinzu kommt nach Keisuke Iida, dass eine asymmetrische Informationsverteilung über die innenpolitischen Restriktionen den Druck auf die Verhandlungspartner erhöht und das Verhandlungsergebnis beeinflussen kann - siehe auch I auf S. 28.40

Der jeweilige Verhandlungsführer, den Andrew Moravcsik auch Chief of Government (COG) nennt,41 weil er im Rahmen des Zwei-Ebenen-Ansatzes seinen Staat vertritt und gleichzeitig auch den politischen Führer darstellen kann, steht unter dem Druck des anderen Verhandlungsführers und den Restriktionen der eigenen innenpolitischen Situation. Dabei ist er gezwungen, die Balance zwischen innenpolitischen und internatio- nalen Anliegen zu halten.

Im Rahmen des Zwei-Ebenen-Ansatzes gehen die Verhandlungen auf beiden Ebenen simultan vonstatten und beeinflussen sich gegenseitig. Der Verhandlungsführer agiert als eine Art Politikagent, der nur den Zwängen des Win-Set unterliegt: „The statesman acts as the agent for the polity, but is constrained only by the win-sets - that is, by the nature of the agreements that the domestic polity would ratify.”42

Ein rationaler Staatsführer wird nur dann eine zweischneidige Strategie (double-edged strategy) wählen, wenn sie ihm für seine Zwecke nützt. Die möglichen Abkommen, die von dem Chefverhandler gegenüber dem Status Quo vorgezogen werden, liegen in seinem Acceptability-Set oder Akzeptanzrahmen.43

Andrew Moravcsik nennt drei wesentliche Präferenzen des Verhandlungsführers:

1. Das Interesse des Staatsführers zur Erhöhung seiner innenpolitischen Stellung;

2. Der Versuch, eine optimale Antwort auf internationale Zwänge zu finden, ohne Hinsicht auf innenpolitische Faktoren;

3. Individuelle Politikpräferenzen über das verhandelte Thema.44

Eine Einigung über ein bestimmtes Abkommen ist nur dann möglich, wenn sich sowohl die jeweiligen persönlichen Akzeptanzrahmen (Acceptability-Sets) als auch die innenpoliti- schen Win-Sets überschneiden. Die Möglichkeiten, die dabei bei der Relation des Accepta- bility-Set zum innenpolitischen Win-Set auftreten, fasst Moravcsik in drei Kategorien zusammen:

1. Der Chefverhandler als agent (Agent): der Acceptability-Set spiegelt die Interessen der innenpolitischen Median-Gruppe wider und liegt innerhalb des heimischen Win-Set. Es

44 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 30.

43 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 23.

42 Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 23.

41 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International and Domestic Theories of Internatio- nal Bargaining, in: Evans, Peter B. / Jacobson, Harold K. / Putnam, Robert D.: Double-Edged Diplo- macy. International Bargaining and Domestic Poltitics, Berkeley 1993, S. 3-42, S. 23.

40 vgl. Iida, Keisuke: When and How Do Domestic Constraints Matter? Two-Level Games with Uncer- tainty, in: Journal of Conflict Resolution, Band 37, Nr. 3, September 1993, S.403-426, S. 416f.

(21)

gibt also keinen Konflikt zwischen ihm und der Gesellschaft, weshalb er auch nur ein geringes Interesse an der Ausweitung des Win-Set, sondern eher ein Interesse an einer Einengung desselben hat, um eine stärkere internationale Verhandlungsposition zu erhalten („...to gain an international negotiating edge”).

2. Der Chefverhandler als dove (Taube): in diesem Fall liegt der Acceptability-Set zumin- dest teilweise außerhalb des innenpolitischen Win-Set und näher zum Win-Set des Verhandlungspartners auf der anderen Seite.

3. Der Chefverhandler als hawk (Falke): dies bedeutet, dass der Acceptability-Set zumin- dest teilweise außerhalb des innenpolitischen Win-Set liegt und gleichzeitig weiter vom Win-Set des Verhandlungspartners auf der anderen Seite entfernt ist als zu den mögli- chen ratifizierbaren Abkommen zu Hause.45

In den beiden letzten Fällen bestehen schwache bzw. starke Anreize dazu, den innenpoliti- schen Win-Set auszudehnen.

Vor allem, wenn der Staatsführer als dove auftritt, ist er bereit, ungünstigere Verhandlungs- bedingungen in Kauf zu nehmen, da er dann oftmals auf einen außenpolitischen Erfolg angewiesen ist, um innenpolitisch zu punkten. Seine Verhandlungsposition ist deshalb schwächer, da ein Nichtabschluss ihm mehr schadet als irgendein Abkommen. Allerdings sind, so eine Hypothese Moravcsiks, in diesem Fall mögliche Drohungen glaubwürdiger als in dem Fall eines Staatsführers als hawk. Letzterer tritt schärfer auf und läuft Gefahr, dass seine Drohungen auf internationaler Ebene seitens der Innenpolitik keine Rücken- deckung finden.46

Abschließend sei zu den Präferenzen des Verhandlungsführers noch erwähnt, dass es natur- gemäß in seinem Interesse liegt, wiedergewählt zu werden, wenn er gleichzeitig Verhand- lungsführer und demokratisch legitimierter COG ist.

2.1.3 Die Einflussmöglichkeiten auf die innenpolitischen Restriktionen

Im Rahmen des Zwei-Ebenen-Ansatzes bildet die Größe des Win-Set die Hauptrestriktion (constraint) des Verhandlungsführers, die wiederum von zahlreichen innenpolitischen Faktoren abhängt. Darunter sind auch die Verteilung der Koalitionen, die Art der vertreten- den Institutionen (z.B. Mehr-Kammern-Parlament ...) und die innenpolitische Strategie des COG. Weiter wird angenommen, dass sich die Koalitionen auf der innenpolitischen Ebene II auf Basis der Einschätzung der relativen Kosten und Gewinne der verhandelten Alternativen zum Status Quo bilden und dass die Grundlage dieser Einschätzungen während der Analyse konstant bleibt. Dabei hängen die Restriktionen oder Zwänge des

46 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 31.

45 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 31.

(22)

Verhandlers nicht nur von den kalkulierten Interessen der Gruppen ab, sondern auch von dem politischen Einfluss, den die Interessengruppen innehaben.47

Im Rahmen des Zwei-Ebenen-Ansatzes kann der Staatsführer auf verschiedene Art und Weise Einfluss gewinnen.

Am wichtigsten ist die Freiheit, innerhalb des Win-Sets autonom zu agieren. Der Einfluss der sozialen Gruppen hängt stark von ihrer Rolle im Ratifizierungsprozess ab. Solange der Chefverhandler innerhalb des Win-Set bleibt, kann er die exakten Bestimmungen ds Abkommens so festlegen, wie es seinen persönlichen Präferenzen entspricht, weshalb er umgekehrt, wie oben erwähnt, über ein stillschweigendes Veto (tacit veto) verfügt.

Schließlich kann er ein mögliches Abkommen einfach dadurch verhindern, dass er sich weigert, bestimmte Dinge zu verhandeln oder vorzuschlagen, weil nur er die alleinige Macht zum (Ver-) Handeln besitzt.48

Der Chefverhandler kann auch die Ratifikation eines Abkommens erreichen, das etwas außerhalb des Win-Set liegt, wenn er die entsprechenden Passagen mit populäreren Dingen verknüpft (synergistic issue linkage). So kann darunter z.B. auch verstanden sein, dass eine wichtige innenpolitische Maßnahme mit einem attraktiven internationalen Abkommen verbunden wird, die ursprünglich nichts miteinander gemein haben.49 Ein Beispiel hierfür wäre Präsident Michail Gorbatschows Verknüpfung des inneren Umbaus, die Perestroika, mit den internationalen Verhandlungen um den sowjetischen Rückzug aus Osteuropa und westliche finanzielle Unterstützung hierfür.

Während die Präferenzen der innenpolitischen Akteure als relativ konstant angesehen werden, so kann der Win-Set durch die verschiedensten Möglichkeiten verändert werden.

Im Allgemeinen kann man dabei sagen, dass

! je größer die Kontrolle des Staatsführers über die Instrumente zur Veränderung des Win-Set ist und je geringer die Kosten dieser Kontrolle sind, desto größer ist seine Fähigkeit, das letztend- liche Abkommen zu gestalten.50

Auch hier spielt letztendlich die Unsicherheit eine große Rolle. So kann die Unsicherheit, im Sinne von fehlenden Informationen über ein Abkommen, die Fähigkeit des Chefver- handlers erhöhen, die öffentliche Wahrnehmung zu manipulieren, indem er nur ausge- wählte Informationen preisgibt: „Uncertainty about the content of an agreement may

50 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 25.

49 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 25.

48 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 24. (Wenn man will, könnte man sagen, er verfügt über die „Lizenz zum Verhandeln”).

47 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 24.

(23)

increase the ability of a stateman to manipulate public perceptions by selectively releasing information.”51

2.2. Der Einfluss innenpolitischer Restriktionen auf die Verhandlungen

Putnam geht von der Annahme aus, dass das Ergebnis der internationalen Verhandlungen die Größe des innenpolitischen Win-Set widerspiegelt. Dabei gilt, wie oben erwähnt, dass ein größerer Win-Set die Anzahl möglicher Abkommen erhöht und die Wahrscheinlichkeit möglicher Verluste durch ein Abkommen mindert.

Die zweite Annahme Putnams ist, dass die relative Größe des Win-Set auch die Verteilung der Gewinne beeinflusst. Wenn man davon ausgeht, dass beide Seiten ein Interesse an einem Abkommen haben, verschieben sich die Kosten und Gewinne zu Gunsten des Spielers mit dem kleineren Win-Set. Um also die innenpolitischen Restriktionen so zu beeinflussen, wie es seiner bevorzugten Politik entspricht, kann der Staatsführer entweder versuchen, den Win-Set zu vergrößern oder zu verkleinern.

Hierfür stehen ihm verschiedene Strategien zur Verfügung. So kann er sagen, ihm seien die Hände gebunden - Strategie der „Tying Hands” -, um zu versuchen, den innenpolitischen Win-Set zu verkleinern. Indem er diese Strategie anwendet, versucht er, den Verhandlungs- partner zu einem Kompromiss zu bewegen, der näher an seinen eigenen Präferenzen liegt.

Verhandlungsführer, die die Strategie des „Cutting Slack” - soviel wie: „Freiräume schaf- fen” - gebrauchen, möchten den innenpolitischen Win-Set vergrößern, um ein Abkommen zu ermöglichen, das ansonsten abgelehnt werden würde.52

Auch hier spielt wiederum die Informationsverteilung eine wichtige Rolle, da einer der Verhandler dem Gegenüber vorgaukeln könnte, dass die heimischen Interessengruppen völlig unbeweglich seien, was dann nicht ginge, wenn jeder Verhandlungsschef auch über die Lage beim jeweiligen Gegenüber exakt informiert ist.53

Dies bedeutet, dass dem Staatsführer auch verschiedene Möglichkeiten zur Beeinflussung der innenpolitischen Akteure und deren Win-Set bei seinem Verhandlungspartner zur Verfügung stehen. Er hat natürlich im Allgemeinen keinen direkten Einfluss, aber trotzdem kann er versuchen, die Wahrscheinlichkeit eines Abkommens - und dabei eines für ihn vorteilhafteren - zu erreichen, indem er z.B. die Kosten eines Nicht-Abkommens für

53 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 28.

52 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 28.

51 Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 27.

(24)

bestimmte wichtige Gruppen (key constituents) erhöht und somit auch ein schlechteres Abkommen relativ gesehen attraktiv wird.

Andrew Moravcsik nennt die Strategie, die sich mit Side-Payments und anderen Mitteln direkt an bestimmte einflussreiche innenpolitische Gruppen im Ausland richtet,

„Targeting” und die zweite Strategie zur Beeinflussung der ausländischen Akteure „Rever- beration”. Letztere Taktik tritt auf, wenn Aktionen eines Landes die Erwartungen innenpo- litischer Gruppen im Ausland über ein Abkommen verändern. Sie kann einmal aus Überzeugungsversuchen resultieren oder das unbeabsichtigte Ergebnis der Öffentlichkeit über den Verlauf der bisherigen Verhandlungen darstellen. Dabei stellt Moravcsik die Hypothese auf, dass in Verhandlungen über öffentliche Güter eher Strategien basierend auf Reverberation ihre Anwendung finden, während in internationalen Verhandlungen über private Güter eher die direkten Strategien wie Targeting und Side-Payments zum Tragen kommen.54

Zusammengefasst ergibt sich nach Andrew Moravcsik folgendes Diagramm, in welchem sämtliche alternativen Strategien sowohl des Staatsführers als auch der innenpolitischen Akteure dargestellt sind:

Grafik I: Diagramm der alternativen Zwei-Ebenen-Strategien55

Domestic Constituency B Domestic

Constituency A

Statesman B Statesman A

International Constraint

COG Collusion

Domestic Constraint

Transnational Alliance Strategies to

Alter Domestic Constraints:

a) Tying Hands b) Cutting Slack

Actions Directed at a

Foreign Government Strategies to Alter Domest

ic Const raints Abr

oad: a) Ta

rgeting b) Rev

erbera tion

55 Grafik nach: Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 32.

54 vgl. Moravcsik, Andrew: Introduction: Integrating International, S. 29. Der Begriff Reverberation heißt soviel wie Widerhall. Zur genaueren Rolle dieser Strategie vergleiche auch: Putnam, Robert D.:

Diplomacy and domestic politics, S. 454f..

(25)

Es gibt, wie man anhand des Diagramms erkennen kann, vier Kategorien von Strategien die alle eine Verbindung zwischen den beiden Ebenen herstellen:

1.) die Strategien zur Beeinflussung des eigenen innenpolitischen Win-Set und damit der innenpolitischen Restriktionen (im Schaubild: domestic constraint), d.i. Tying Hands und Cutting Slack;

2.) die Strategien zur Beeinflussung des ausländischen innenpolitischen Win-Set, d.i.

Targeting und Reverberation,

3.) die Schmiedung transnationaler Allianzen zwischen den innenpolitischen Akteuren beider Verhandlungsstaaten und schließlich

4.) die Aktionen innenpolitischer Akteure zur Beeinflussung des ausländischen Verhandlungsführers.

Welche Strategien in der Realität ihre Anwendung finden, hängt nicht zuletzt von den persönlichen Einstellungen der Verhandlungsführer ab.

2.3. Erweiterungen des Zwei-Ebenen-Ansatzes

Der in den vorigen Abschnitten vorgestellte Zwei-Ebenen-Ansatz von Robert D. Putnam wurde zum Ausgangspunkt zahlreicher weiterer Untersuchungen, die die Gültigkeit anhand von Fallstudien empirisch prüften und theoretisch weiterentwickelten.

2.3.1 Der Zwei-Ebenen-Ansatz von Jongryn Mo

Eine wichtige Weiterentwicklung stammt von Jongryn Mo und geht von endogenen innen- politischen Koalitionen aus; übersichtlich dargestellt in dem Aufsatz „The Logic of Two-Level Games with Endogenous Domestic Coalitions” aus dem Jahre 1994.

Jongryn Mo stellt zunächst einmal fest, dass in den meisten internationalen Konfliktsitua- tionen die Verhandler versuchen, ein Abkommen zu finden, das nicht nur für das ausländi- sche Verhandlungsland, sondern auch für eine Mehrheit der Inneninteressen akzeptabel ist.

Die Verhandler finden sich somit oft gleichzeitig in internationalen und nationalen Verhandlungen wieder, wie es auch in Putnams Zwei-Ebenen-Ansatz der Fall ist.56

Anders als in Putnams Zwei-Ebenen-Ansatz erlaubt die Weiterentwicklung von Jongryn Mo in der Form, wie sie weiter unten dargestellt wird, jedoch, dass sich die Interessen von Verhandler und innenpolitischen Akteuren in einem Konflikt zueinander befinden.

56 vgl. Mo, Jongryn: The Logic of Two-Level Games with Endogenous Domestic Coalitions, in: Journal of Conflict Resolution, Band 38, Nr. 3, 3. September 1994, S. 402-422, S. 402.

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