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WX. Brown, Jr.
COLLECTION
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Sonderabdruck
ausdem
„Biologischen Centralblatt".Bd.
XXIX.
Nr. 11. 1. Juni 1909.W.L. Brown,
Jr,CX>LLECTION
Ober den Ursprung der dulotischen, parasitischen und myrmekophilen Ameisen.
Von
Prof. C.Emery
(Bologna)')•Wasmann''')
hat eine geistreiche Theorie ersonnen,um
zu erklaren, wie gewisse i'^'ormica-Weibchen anstatt einNest
eirizelnnach
iiblicherWeise
zu griinden, der Hilfe der Arbeiterinnen ge- wisser verschiedener.Arten bediirfen.Er
vermutet, dass dieim Wald
lebenden, zumeist in gewaltigen Kolonien aus einer Anzahlvon
inregem Verkehr
stehender Nesterzusammengesetzten
Formicae acervicolae einenRaum von
vielen hmidertQuadratmetern
in ihrerGewalt
batten; dass es infolgedessen schwierig wurde, fiir dieWeibchen nach dem
Paarungsfluge eine unbesetzte Stelle zu finden;
immer und immer
begegneten sie Arbeiterinnen des eigenen Volkes oder feindhcher Volkerim
Besitz desGrundes;
sie setzten sich nieder,wo
sie gtinstigen Ernpfang fandenund
grundeten mit Hilfe der Arbeiterinnen des eigenen Volkesneue
Ansiedelungenentweder
in Abhangigkeit
von
der Gesamtkolonie oder frei.1) Ubersetzung einer in derSitzung vom 17. Januar d. J.derAccad. d.Scienze di Bologna vorgelegten Abhandlung.
2) Die moderneBiologieund die Entwickelungstlieorie, 3.AufL, 1906, p.397ff.
—
Ursprung und Entwickelung der Sklaverei bei den Ameisen. Biol. Centralbl., Vol. 25, pp. 117—291, 1905.Emery, tjber den Ursprung der dulotischen, parasit. u.myrmekopli. Ameisen. 353
Nach
vielen Generationengewohnten
sich dieWeibchen
derartan
jenes Verhaltnis, dass sie dessen nicht entbehren konnten; dasie nicht uberall der Hilfe der Arbeiterinnen der eigenen Art ge- nieJaen konnten, so gingen sie aus
Not
zu einer anderen Art der- selben Gattung, namlich zur F. fusrxi heruber.Zuerst pflegten die
Weibchen
dieLarven und Puppen
{F. rufa, pratensis, sangumea),dann
liefien sie die Sorge fiir dieBrut
den Arbeiterinnen; anders gesagt, dieWeibchen wurden
zumehr
oder geringeremGrad
Schmarotzer derArbeiterinnen{F.truncicolau.s.w.).Diese phylogenetische Erklarung wird
von Wheeler^) im
all-gemeinen angenommen,
jedochnimmt
er eineAnderung
vor. SeineBeobachtungen
tiber F- sanguinea zeigen, dass dieWeibchen
dieser Art insfremde Nest
nicht als Adoptionsfreunde oder als Parasiten eindringen, sondernim
Gegenteil alsRauber, dieLarven und Puppen sammeln und
die Arbeiterinnen vertreiben oder toten.Wheeler nimmt
ein primitives Stadium, entsprechend der F. rufaund
pra- tensis an, welches sich in zweiRichtungen
verandert hat:—
einer- seits gab es dieAnderung gegen
den Parasitismus nachdem Typus
der F. truncicola, oder ctssocians;—
anderseits dieRaubanderung nach dem Typus
sanguinea. Diese fiihrte zur Dulosis, d. h.zum Raub
derPuppen, um
dieselben als sogen. Sklaven zu ziichten.In
weMier Weise Wheeler
dasi parasitareLeben
des Polyergus-Weibchen
voni rauberischen der F. sanguinea ableitet,habe
ich nichtgenau
verstanden.Viehmeyer*)
hat diese Schwierigkeit gefilhltund nimmt
an, dass es einevon Adoption
ableitbare Dulosis (Polyergus) gibt, die wiedervon Raubweibchen
abgeleitetwerden muss
{F. sanguinea).Im
grofienund
ganzennehmen
dieseAutoren
die TheorieWasmann's
an, welche die acervicolae desTypus
rufazum
Aus-gangspunkt
hat. In einer popularen Schrift schildertWasraann^),
wie alsAnpassung
an eine arktische Waldflora die F. rufa eut- standen sei;von
der rufastamme
die truncicola ab; als letztesStadium
alsAnpassung
an eine Steppenllora erscheine die F. san- guinea, welche dieGewohnheit
erwarb, die Nester der F. fusca zupliindern
und Puppen
als Sklaven zu erziehen.Die F. rw/a-Hypothese ist verftihrerisch, aber
nach meinem Ermessen unannehmbar.
Huber')
beschreibt das Verhalten derArbeiterinnen denWeib-
3) The oiigin of slavery among ants. Popular Science monthly. Vol. 71, p. 550—559, 1907.
4) Zur Koloniegriindung der parasitischen Ameisen. Biol. Centralbl., Vol.28, p. 18f{., 1908.
5) Zur Geschichte der Sklaverei beim Volke derAmeisen. Stimmen aus Maria Laach, Vol.70, p. 626fi, 1906.
6) Recherches sur les moeurs des Fourmis, p. 115.
354 Emery, IJber den Ursprung der dulotischen, parasit. u. myrmekopli. Ameisen.
chengegenilbernachderKopula: nacli obigerSchilderungergibtsich, obgleich der
Autor
die Art gewohnlich nicht erwahnt, welche er beobachtet hat, dass dieAdoption
eine habitueJle Erscheinung ist seitens des Ameisennestes, vondem
das befruchteteWeibchen
aus- gingund
keineswegs beschrankt ist auf dieGattung
Formica.Die.Ameisen
der rw/ff-Gruppe liaben alsonichtsNeues
erfunden,indem
dieWeibchen
sich adoptieren lassenvon
Arbeitern derselben Art, vielmehr desselben Nestes oder Volkes;denn
es ist keines-wegs
bewiesen, wieWasmann
vermutet, dassAmeisen
verschie- denerNester, alsofeindlich'gesinnter Bevolkerung,fremde Weibchen
willig
annehmen.
Dagegen
ist eine hochwichtigeNeuerung
dasZusamnienleben
desrw/a-Weibchens
mit /z^.sea-Arbeiterinnen. Ich glaube nicht, dass /i/sca-Arbeiterinnenkurzweg
als Stellvertreter derrw/a-Arbeiterinnen betrachtetwerden
konnen; derSprung ware
zu gewaltig groJs.Wasmann
rechnet zu viel mit weisellosen Nesternvon
fusca.Sind letztere so selir hauiig voi'handen?, so sehr geneigt, eine
fremde
Koniginund zwar
eine Koniginvon
einer verschiedenenArt zuempfangen?
Die Aufnahrae einer rw/a-Konigin
von ihrem
eigenen Volke ist meiner Ansicht ein wesentlich anderesDing
als dieAdoption
einesrw/a-Weibchens von
einer /Msca-Kolonie, sie sei weisellos oder nicht.Es
handelt sichim
ersteren Fallum
einenormale
Erschei-nung im Leben
vielerAmeisen
(d. h. derjenigen, diemehrere Weibchen im Nest
aufnehmen).Im
zweiten Fall hatten wir das Eindringen einesfremden Weibchens,
d. h. eines Feindes in ein fremdes Nest; gelingt esjenem Weibchen,
eineAufnahme
zu er- langen, so hat es entwederGewalt
brauchen miissen oder es hatals Parasit in irgendwelcher
Weise
sichannehmbar
gemacht.Dass
dieGrundung
der rM/a-Nester infolgevon Adoption
so seltenvorkommt,
wird dadurch erklart, dass die rw/a-Nesterund Nebennester
einenenormen
Umfang; erreichenund
dass die fusea- Nester selten in solchen Verhaltnissen sich vorfinden,um
die rufa-Weibchen aufzunehmen
; dass die gemischfen Nester inden An-
fangsstadien ihrerEntwickelung
sehr wahrscheinlich zerstortwerden
durch die groBeren Volker, ihre bevorzugten Rivalen. Also die Bildung derneuen
Nester der F. rufa findet fast ausschlieBlich durchSonderung von
Kolonien (im Sinne Forel's) statt, aber diesesist
m.
E. sekundares Verfahren; dieAdoption
durch F. fusca ist der primitive Griindungsprozess.So
stelle ich mir die Phylogenese der Bildung voriibergehenderund
bleibendergemischterNester inderGattung Formica
infolgenderWeise
vor:Emery, Uber den Ursprung der dulotischen, parasit. u. myrmekoph. Ameisen. 355
Der
primitive Zustand der Weibcheiimuss
rauberischund
nicht parasitischgewesen
sein; es ist fiirmich
undenkbar, dass ein rauberisches Tier auseinem
Parasiteii entstehe; ichkenne
keiri Beispiel davon;im
Gegenteil, Parasiten zahlen sehr hiiufigRaub-
tiere unter ihren
Ahnen
auf.Das
primitiveStadium
diirfte also der F. sanguinea sehr ahn- lichgewesen
sein. Ichkann
mir einnoch
primitiveres Anfangs- stadium vorstellen; ich darf voraussetzen, dass ein Vorfahr der F. sanguinea, seinem Instinkt entsprechend,den
unterirdischenBau
eines /Mscoi-Weibchens inBesitznahm. Nachdem
er die gesetz- miiBigen Eigentiimer desselben getotet oder in die Flucht getrieben hatte, fand er in derHohle
die Brut,Larven und Puppen, von welchen
er einige verzehrthaben mag,
ancJere geziichtet. Ichnenne
jeneshypothetischeStadium „Einmieterzustand"
deseindringendenWeibchens.
Wahrscheinlich ist diesesStadium von
kurzer Dauer.Vom
Einmieterzustandausgehend
leitenzweiStrafien der phylo- genetischen Entwickelung: die eine luhrt zur F. sanguinea,indem
die
Weibchen immer mehr
aufRaub
angewiesenwurden
; die andereleitet
langsam
fortschreitendzum
Parasitismus.Das
F.sanguinea-W
eihchen dringt in einNest
der F. fusca ein, totet oder treibt dasWeibchen und
die Arbeiterinnen ausund
raubt dieLarven und Puppen, um
dieselben aufzuziehen. Dieses Verhaltnis wollen wir„Raubzustand"
desWeibchens
nennen. Mit diesemStadium
verlassen wir das Feld derHypothese,um
bereitsden
festenGrund
der Tatsachen zu betreten.Das
Verhaltnis der F. rufaund
pratensis tritt entschieden in die Reihe derAdoption
einund
fuhrtzum
Parasitismus.Das Weibchen
ist nichtgezwungen
zueinem
todlichenKampf
mit F. fusca; es ist dazu tahig, von deren Arbeiterinnen einenEmpfang
zu erzwingen
nach mehr
oder weniger bitteren Streitenbeim
Ein-gang
in die neue Gesellschaft; aber es nimrat ein lebhaftes Interesse anden
/"z^sca-Puppen, die esum
sichsammelt und manch- mal
gegendie/"Msca-Arbeiterinnenverteidigt, ungefahr wie dieF. san- guineatut').Wir
bezeichnen diesesStadium
als„subparasitischer
Zustand" desWeibchens.
Dieses zeichnet den
Ubergang
z;ueinem mehr
ausgesprochenen Zustand des Parasitismus; den linden wir bei F. truncicola ver- wirklicht. DieWeibchen
scheinen nicht fiir dieLarven und Puppen
des
fremden
Nestes besonderseingenommen
zu sein*),deswegen
verdient esden Namen von „parasitischem
Zustand" derWeibchen.
7)
Wasmaun.
Weitere Beitrage zum sozialen Parasitismus und der Sklaverei bei den Ameisen. Biol. Oentralbl., Vol. 28, p. 364ff., 1908.8) Viehmeyer. loc, cit., p. 24.
356 Emery, tJber den Ursprung der dulotischen, parasit. u.myrmekoph. Ameisen.
Sehi' wahrscheinlich gehoren zur selben Serie der parasitischen
Weibchen
die F. consociansund
andere amerikanischeFormen
mit kleinenWeibchen,
sowie dieFormen
der exseete-Gruppe.Der
dulotische Charakter der F. sanguinea ist, nachmeinem
Erachten, gewohnlich schlecht verstandenworden und
dieErklarungDarwin's
istnoch
dieam
meistenbefriedigende. Die F. sanguineaist hauptsachlich eine
Raubameise
: sie pliindert die Nester der F. fuscaund
rufibarbis (sowie anderer Ameisenarten, z. B. der F. p)~atensis), dieLarven und Puppen
forttragend.—
Inschwachen
Nestern, sagtWasmann"),
wird der groiate Teil derPuppen
auf- gezogen,wahrend
in volkreicheren der grolate Teil derBeute
ver- zehrt wird.Im
Verhaltnis zur sanguinea-JieYQlkevung ist die Zahl der fusca veranderlich, indem
Sinn, dass verhaltnismaSig niehr Hilfsameisenineinem
kleinenNest
als ineinem
grofienund
bliihenden enthalten sind; es gibt sogar inEuropa
Nester, die alleinvon
san- guineaohne
Sklavenbewohnt werden und
inAmerika
existiert eine Varietat {aserva For.), die meistohne
solche lebt.Im
allge-meinen
darfman
sagen, dass die machtigeren Nester der F. san- guinea keine Sklaven halten,„weil
sieder fremden Arbeits-
krafte nicht mehr bedurfen"
^'').Es
versteht sichvon
selbsl, dass beiihrem Beginn
dieNester, welchenoch im
primar gemischtenStadium
sind (Stadium 3Was- mann)
in bestmoglichen Verhaltnissen sich befinden,um Puppen von
Hilfsameisen zu erziehen,wenn wahrend
diesemStadium
das sanguinea-Yoik einenRaubzug
auf fusca (oder ruf>,harhis) unter-nimmt. Das
dulotischeStadium ware
also nur eine Fortsetzung des primaren gemischtenVerhaltnisses,beruhend
auf dasVorhanden-
sein der F. fusca
im
gleichen Nest, Mit anderer Ausdrucksweise, die Erziehung der heimgebrachtenPuppen von
F. fuscaware
haupt- sachlichden
urspriinglichen Hilfsameisen des sanguinca-Yfe\\)chens zuzuschreiben'').9) Die zusammengesetzten Nester und gemischten Kolonien dor Ameisen.
Miinster 1891, p. 50.
10)
Waamann.
Die moderne Biologie etc., 1906, p. 401.11)
Wasmann
(Weitere Beitrage etc. 1908, p. 321; Kaclitrag p. 727) hat dagegen bewie.sen, dass die Nester von F. truncicola und exsecta nach dem Tode der letzten Hilfsameisen die Fahigkeit besitzen, fusca-Vuppea aufzuziehen, wenn dieselben nur in tJberzahl geliefert werden. Es ist vvahrscheinlich, dass dasselbe vonNestern derjF".sanguinea gelcistetwiirde selbst bei absolutem Mangel anHilfs- ameisen, wenn die/wsca-Puppen in genvigender Zahl auf natiirlichem oder kiinst- lichem Wege verschafft werden. Ein Ne.st von F. sanguinea, welches anscheinend derSklavender normalen Art entbehrte, istWasmann
gelungen, durch kunstliche Anhiiufung der rM/a-Puppen bis zur Siittigung, diese ArtHilfsaraeise einzupflanzen (Ursprung und Entvvickelung der Sklaverei etc. 1905, p. 210). Es ist also nichtEmery, Uber den Ursprung der dulotischen, parasit. u. myrmekoph. Ameisen. 357
Aber
F.sanguinea ist uicht auf der ersten Stufe auf derStrafie der Dulosis; sie ist auch nicht so vor-geschritten, dassman
nicht dieSpuren
seinesGanges
erkennen mochte.Es
erhellt zunachst, dass derVorgang
der Dulosis seinenUrsprung im
Raubinstinkt desWeibchens nimmt;
er wird fortgesetzt durchNeigung
der fusca- Arbeiterinnen, diedem Weibchen
bei derGrundung
des Nestes vergesellschaftetwaren und
der erstenvon
letzteren erzogenen Sklaven,zum
Ziichten derPuppen
derselben Art; die Dulosis er- lischt endlich,wenn
dasNest
in voller Bliite stelit.Die amerikanischen Arten F. dakotensis (mit subsp.
wasmanni) und
F. jyergandei scheinen, obschonwenig
bekannt, nicht so weit vorgeschritten zu sein als sanguinea aufdem Weg
der Dulosis.Der
Fallvon
Folyergus, phylogenetisch betrachtet, ist schwierig zu erklaren,denn
wirhaben
blofi das Endresultat,ohne
Mittel- stadien, dienotwendig
sind,um
uns zu benachrichtigen uber denWeg, dem
gefolgtwurde
mittelstmorphologischerund
ethologischerAnpassungen.
Die
Gattung
Folyergus istnach
meiner Ansicht ausFormica
abzuleiten; siemuss
zweifellos nordlicher oder amerikanischer Ab-staramung
sein, wie die Formica-Axten, die sie zu Sklaven erzieht.Dieses
angenommen, muss
die Stelle,wovon
die Stammlinievon
Folyergus abzweigt, sehr wahrscheinlich in derHohe
der F. san- guinea oder ihrer Vorfahren sich befinden.Die
Weibchen
desStammes
des Folyerguswaren
rauberisch;die Arbeiterinnen
waren zum
pliindern derFormica-^
ester geneigtund
batten in starkeremGrad
als F. sanguinea dulotische Gewolin- heiten. DieWeibchen
fingen an, allmahlich parasitisch zu werden, in starkerem Mafi als F. truncicola,indem
sie die Fahigkeit, sich zu ernahren, verloren. Die Arbeiterinnen verlerntenHand
inHand
beinahe samtliche
Gewohnheiten
des geselljgen Lebens, mit Aus-nahme
des kriegerischen Instinktes, die siezum
hochstenGrad
ti'ieben, die korrespondierenden morphologischen Eigenschaften ver-
vollkommnend.
Die
Gattung
Strongylognathus bietet in ihren zweiArten
oderFormengruppen
eine ganz besondereund
sehr wichtige Reihe.Von
der
Gattung
Tetramorium entstanden, wie dieAntennen
desMann-
chens (welche 10 Glieder zahlen) beweisen, hat Strongylognathus seine Evolutionim
dulotischen SinnevoUendet
mit merkwiirdigerstreng notwendig, dass der Di'ang zur Erziehung der Sklaven von dor F. fusca komme.
Wenn
die F. truncicola, exsecta und andere Eaubameisen gewohnt waren, die Puppen anderer Ameisen haufenweise heimzutragen, dann wiirden sie wie die F. sanguinea zur Dulosis gelangt sein.358 Emery, Uber den Drsprung der dulotischen, paiasit. u. niyrmekoph.Amelsen.
Ubereinstimniung inden morphologischen Charakteren mitPolyergus.
S. huheri
und
seine Unterarten (rehbinderi etc) sind invoUem
Sta-dium
der Dulosis; S. teMaceus ist parasitisch, lasst aberSpuren
friiherer kriegerischer Instinkte erkennen.
8. testaceus verbindet scheinbar die dulotischen
Ameisen
mit derimmer
zahlreicheren Gruppe, in welcher der Parasitisrauszum Schwund
der Arbeiterkaste leitete.Es
istnach
meiner Ansicht nicht die Dulosis, welche zu solchenextremen
Folgen fiihrte,sondern der Parasitismus der
Weibchen und
dieser allein. Die Dulosis in sichim
Gegenfeil leitet die Arbeiterinnen zu aktivem Leben. Die Degeneration des S. testaceus hat begonnen, seitdem dasZusammenleben
einesTetramorium-W
eihchens mit Sabelameisen moglich wurde.Das Tetramormm-W
eibchen erzeugte sogen.Sklaven zur Geniige, so dass es nichtnotwendig
wurde,Puppen
zu rauben;die Hilfsameisen sind allmahlich zu
Hauptameisen geworden und
die S.-Arbeiterinnen
wurden
nutzlos.Diesem
Verhaltnis, welches ich als eineAusnahme
betrachte, verdankt 8. testaceus seinen gegenwiirtigen Zustand.Es
ist keineAmeise
bekannt, die der Arbeiterinnenentbehrt, welche die legitime Konigin des Gastnestesam Leben
lasst. S. testaceus nahert sichden
Verhaltnissen dermyrmekophilen Ameisen
[Formicoxenus etc.;
videinfra). Infolge aller dieser
Umstande
betrachte ich 8. testaceus als einUnikum
unterden
parasitischen Ameisen.Ich betrachte das von
Wasmann
entdeckteVorhandensein
desTetramorium-W
exhchensim
Nestvon
8. testaceus als die uner- wartete Erklarung der beginnenden Atrophic der Arbeiterinnen desselben.Der
Grundsatz, dass die Dulosis alsUrsache
der Degeneration gelten muss, ist falsch: er gehort zu der anthropomorphistischen Vorstellung,wovon
die Ethologie der sozialen Insekten voll istund
die trotz dervon Wasmann
selbst betriebenenBekampfung noch
hieund
dazum
Vorscheirikommen.
Wasmann
istvon
derverhangnisvoUenEinwirkung
derDulosis derart suggestioniert, dass,wenn
er auf Anergates atratulus zu sprechenkommt,
er nicht einen Augenblick zweifelt,ihm
eine dulo- tische Vergangenheit zuzuschreiben, dui'ch Stadien tibergehend, die vergleichbar mit 8. testaceusund
Wheeleriella [Wheeleria] sind.Nehmen
wirnun
einmal an, eine auf der Entwickelungsstufe von 8. testaceus stehendeAmeisenart
sei vor alter Zeitnoch
weiternach Norden vorgedrungen und
seidann
durch die nordlichen Klimaverhaltnisse, welche eineHerabsetzung
der Beweglichkeitund
Lebensenergie bei der ausdem
Stidenstammenden Ameise
zur Folge batten,noch
weiter degeneriert. Die Abhangigkeit der ehe- maligenHerren von
ihren Sklaven wiirde dadurchimmer
groBergeworden
sein, bis schlieMich die eigene Arbeiterform der ersteren,Emery, tjber den Ursprung der dulotischei), parasit.u. myrmekoph. Ameisen. 359 die schon friiher fiir die Erhaltung der
Art
nutzlosgeworden
war, ganzlich ausstarb.Wir
hattendann
zwischen dieserAmeise und den
Rasenameisen, beidenen
sie sich einnistet, ein ahnlidies Ver- haltnis, wie es gegenwartig in Nordaf'rika zwischen Wheeleriaund Monomorium
besteht. DieMannchen und Weibchen
jener Schnia- rotzerameise wiirden dann, wie es bei Wheeleria der Fall ist,noch
dennormalen
gefliigeltenGeschlechtern andererAmeisen
entsprechen.Siinke
nun
aber dieseGattung
nocli weiter herab auf der ab- schussigenBahn
der parasitischen Degeneration, so wiirde sie schlieMich die Stufevon
Anergates erreichen^^)."Diese wirklich dichterische Seite ist wert,
im Text
aufgefiiiirt zu werden. PaterWasmann, wenn
dasDogma und
die katho- lische Traditionihm
dieSchwingen
nicht kiirzt, istmanchmal
ver-wegen
wiekaum
ein Schriftsteller der romantischen Periode desbeginnenden
Darwinismus.Ich glaube, dass
man
einen anderenWeg
einschlagen muss,um
erklaren zu konnen, wie gewisseAmeisen
Schmarotzergeworden
sindund
wie sie Arbeiterinnen zu erzeugen aufgehort haben. Die Dulosis hat nichttj mit der Sache zu schaffen; daran ist nur der Parasitismus derWeibchen
schuld, was, wie ich glaube, zur Er- klarung genugt.Es
ist notig, vorauszusetzen, dass derPolymorphismus im
weiblichen Geschlecht in einergegebenen
Art einzigund
allein auf Unterschieden derErnahrung und
aufbestimmten
Gesetzen der Entwickelung des Individuums beruht; dashabe
ich damals zu be- weisen versucht'^). Diesemeine Anschauungen werden
bestarkt durch die Biologievon Oraxema
viridisAshm. und
dieWirkungen
des Parasitismus jenes Insekts auf Pkeidole kingi instabilis.
Indem Wheeler'*)
jenen Fallvon
Parasitismusund
viele andere ahnliche beschreibt, lasst er kritischeErwagungen
uberPolymorphismus
folgen.
Im
allgemeinenist ergeneigt,meinen
Standpunkt, allerdings mit Yorbehalt,anzunehmen.
Es
ist vor allem festzustellen, in welchen Verhaltnissen jene parasitischenWeibchen
leben,wenn
sie sich einmal ineinem
gast- lichen Neste eingeburgert haben:12) Die moderne Biologie etc., 3. AufL, p. 415
—
416.13) Emery. Le polymorphisrae des FourmLs et la castration alimentaire.
Compte rendu 3. Congrfes internat. Zoologie, Leydc 1896, p. 395
—
410.—
Der-selbe, Studi sul poiimorfisrao et la metamorfosi nel gcnere Dorylus. Mem. Ace.
Bologna (5), Vol. 9, 1901, p.
415—
433.—
Dorselbe. Zur Kenntnis des Poly- morphismus der Ameisen. Zool. Jahrb., Festschr. Weismann 1904, p. 587—
610.14) Wheeler. The polymorphism of Ants with an account of some sin- gular abnormalities due to parasitism. Bull. Amer. Mus. Nat. Hist., "Vol. 23, p. 1—93, 1907.
360 Emery, Uber den Ursprung der dulotischen, parasit. u. myrmekoph.Ameisefl.
1. Die Konigin der Wirtsart lassen sie nicht
am
Leben; die Weise, wie dieTotung
erfolgt, istunbekannt
au.6er fur Wheeleriella:die Arbeiterinnen
von Monomorium
bringen die eigene Koniginum
iind adoptieren den Eindringling.
2. Sie leben als Schmarotzer, d. h. sie lassen sich
von
der Wirtsartfiittern(Wheeleriellaist
von
selbstzu essen unfahig)und
lassen ihre Brut von denselben aufziehen [Anergates, Wheeleriella;von
den iibrigen liegen keineBeobachtungen
vor).3. Sie sind viel kleiner als die
Weibchen
der Wirtsartund konimen
in derGroBe
den Arbeiterinnen des Wirtes zunachst.4. Sie iiben die Parasitenkunst
im
hochsten Grad: es gelingt ihnen, in volkreiche Gesellschaften sich hineinzuschieben, indenen im
Verhaltnis zur Zahl der Arbeiterinnen dieschmarotzenden Weib-
chen Schutzund Nahrung
fiir die eigeneBrut
geniefien.Jene Verhaltnisse vorausgesetzt, bei der geringen Zahl der Eier, die diese winzigen
Weibchen imstand
sind, zu legen ^•''), ist es wahrscheinlich, dass die Arbeiterinnen die Brut des Gastes eichlich nahrenwerden;
so reichlich, dass in bezug auf die geringen Anspriiche jenerLarven
dasQuantum,
das erforderlichist,
um
dieEntwickelung
zu. Arbeiterinnen zubestimmen,
fiber schritten wirdund
dieAusbildung
voUig fruchtbarerWeibchen
gestattet.
In dieser
Weise
ist derMangel
der Arbeiterinnen kompensiert durch reichlicheEntwickelung
fruchtbarerWeibchen;
dieses ist un- mittelbar bedingt durch die Arbeiterinnen der Wirtsart, welche, dasie keine eigenen
Larven
zu nahren haben,den fremden Larven
die
Nahrung im
Uberfluss reichen. Phylogenetisch hangt es zu-sainmen
mitdem
parasitischen Charakter desWeibchens,
dessen Grofie jenach
derVollkommenheit
derAnpassung
an dasSchma-
rotzerleben stufenweise geringer wird.Ich stelle mir
den Typus
jener priraitiven Gtesellschaftenvon
parasitischenAmeisen
folgendermalsenvor: einrauberisches, starkesund
lebhaftesWeibchen,
welches gewaltsara in dasNest
einerschwacheren verwandten Ameisenart
eindringt, vertreibt die Ar- beiterinnenund
dasbeziiglicheWeibchen,
bemachtigtsichderLarven und Puppen und
griindet derart sein eigenes Nest.Obiger
Typus
existiert:Harpagoxemis
[Tomognathus) sublevis entspricht fastgenau meinen
Voraussetzungen^").15) Das phyeogastre Weibchen von Anergates bildet eine Ausnahme.
16)
Wasmann
undWheeler
erwahnen/iflir|>o^oa;ereMsunterdendulotisclien Ameisen; die Beobachtungen von Adlerz lassen sich in diesem Sinne erklaren.Viehmeyer
erwiihnt die einzige Beobachtung eines allerdings etwas zweifelhaften Baubzuges von Harp, gegen ein Leptothorax acervorum-'Sest. Die Lebensvveise von Harp, ist also zum geringen Grad dulotisch verandert.Harpagoxenus ist offenbar aus einem Leptothorax von derGruppe des acer-
Emery, tjber den Ursprung der dulotischen, parasit.u. myrmekoph.. Ameisen. 361
Nach
der Darstellungvon Adlerz und Viehmeyer
griindet einWeibchen von Harpagoxenus
sublevis sein eigenes Nest,indem
es
gewaltsam
alsRanbameise
in einenBan
von Leptothorax acer- vo7'um eindringt, die Arbeiterinnenund
dasWeibchen
vertreibt oder totetund
dieBrut
erobert.Das Nest
ist kleinund
entspricht der niederen Stufe der Differenzierung der Wirtsart.Die
Raubweibchen
sindnach und
nach parasitischgeworden und
bei derAbnahme
desUmfanges
des Weibchenkorpers, der all-mahhch
sichdem
der Arbeiterin naherte, ist der Arbeiterstand ge-schwunden, um
der ausschUefilichen Ziichtung derWeibchen und Mannchen
Platz zu raachen.Daher
ist es keineswegs notwendig, dass die Arbeitei'innen dulotischeGewohnheiten annehmen.
Die Hypothese, welche ich versuche geltend zu
machen,
istmoghchst
einfach,und
aus jener Einfachheit entspringt ihr haupt- sachHcher Verdienst. Ich behaupte keineswegs, alles zu erklaren:um
so niehr, als unter den Arten der parasitischenAmeisen
es viele Arten gibt, deren Sitten ganzunbekannt
oderkaum
be- kannt sind.Wer
weiB, welcheVerhaltnisse aus derUntersuchung
solcher Arten auftauchenmogen,
welche derart sein konnen, dass sie nicht vereinbar sind init einerErklarung der bereits bekannten Tatsachen.Indessen ergibt sich aus
dem Studium
der parasitischen sowie der dulotischenAmeisen
eine alienArtengemeinsame
Regel, welchefiir die Phylogenie hochst bedeutend ist:
Die dulotischen und
dievorlibergehend wie
diedauernd parasitischen Ameisen stammen samtlich von nahe verwandten Formen
ab, dieihnen
alsSklave oder Wirtsart
dient.Es
gibtAusnahmen,
wenigstens scheinbare: es sind Ameisen, die.ichmochte
als„myrmekophile"
bezeichnen. 8iebauen
ihrNest
selbstandig inmitten desBaues
andererAmeisen;
es istwenigstens gewissfiirFormieoxenusnitiduhts
und
LeptothoraxemersoniWheeler.
Trotz denUntersuchungen von Adlerz und Wasmann
ist es nicht gelungen, zu entdecken,
wovon
Formicoxenus sichniihrt.Wheeler
hatmehr
Gliick gehabt in bezug auf Leptothorax emersoni:es ergibt sich aus seinen Beobachtungen, dass diese
Ameise
in Nesternvon Myrmica
brevinodis bettelndum
ihr Putter geht; be-nimmt
sich also als echtes Myrmekophil.varum (Subg. Mychothorax Kuzsky) entsprungen; die Mannchen gleichen den Mannchen von.i. acervorum zura verwechseln.
Harp, americanus Emery, der mit L. curvispinosus lebt nnd Myrmoxenus gordiagini Buzaky, der sich mit L. serviculus
Euzsky
gesellt, sind noch zu schlecht bekannt;um
sicheinen Begriff zu bildenvon denVerhaltnissen, in welchensie leben, sind weitere Untorsuchungen notig.
362 Emery, Uber den Ursprung der dulotischen, parasit. u.myrmekoph.Ameisen.
Die myrmekophilen Ameisen stammen nicht von ihrer Wirtsart verwandten Formen
ab,sondern aus anderen Gattungen, sogar aus anderer Subfamilie.
In dieser
Beziehung
sind sie mit Ameisen, die unterdem
Zu- stand der Parabioseund
der Kleptobiose leben, vergleichbar; diese Zustande sindzwar
ganz verschieden, aber sie sind derMyrme-
kophilie ahnlich,
indem
sie keine Verwandtschaft der beidensym-
biontenAmeisen
erheischen.Dulotische,parasitiseheoder myrmekophile Art oder
Gattung")
Gattung, wovon sie ab-
stammt
Wirtsart oder Sklave
Zeitweise parasit.
Ameisen
Dulotische oder para- sitisehe Ameisen
Arbeiter- innenlose Parasiten
Formica rufa, exsexta-
Gruppe etc Formica
Bothriomyrmex i Tapinoma . . , Aphaenogastertenneseensis ! -Aphaenogaster, Formica sanguinea, dako-
tensis etc Polyergus
Strongylognathus ....
Harpagoxenus sublevis .
„ americanus Myrmoxenus gordiagini
Sympheidole elecebra. .
Epipheidole inquilina . .
Wheeleriella santschii
.
.
Epixenus andrei ...
Epoecus pergandei . . .
? Myrmica myrmicoxena Anergates atratulus") .
jyr
cFormicoxenus nitidulus
.
ko^phito \ Symmyrmica chamberlini Ameisen |Leptothorax emersom
.
? Xenomyrmex stolli .
}Formica ....
Tetramorium. . iLeptothorax . .
}PheidoIe . . . .{
\Monomorium .<
? Monomorium Myrmica ....
9
i ? Leptothorax,
LeplBthorax . ,
Leptothorax . .
9
Formica fusca, palide- fulva u. Unterarten Tapinoma erraticum Aph. fulva
Formica fusca etc.
Tetramorium caespitum Leptothorax acervorum L. curvispinosus L. sei-viculus
Pheidole ceres Ph. pilifera
Monomorium salomonis M. venustum
M. minutum Myrmica lobicornis Tetramorium caespitum Form, rufa e pratensis
Myrmica mutica ,
M. brevinodis Camponotus abscissus
17) Die folgenden Arten und Gattungen konnten nicht in dieser "Ubersichts- tabelle begriffen werden, da die Nachricbten durchaus ungenugend sind, fiber die wir verfiigen. Von manchen wissen wir kaum die V\'irtsameise, mit der sie iebt (Pfi-acota noualhieri mit Monomorium salomonis, Formicoxenus ravouxi mit Leptothorax unifasciatus), oder wir ahnen etwa, dass die Art parasitisch leben miisse (Formicoxenus corsicus, Sifolinia laurae).
18) Die Abstammung von Anergates 1st dunkel. Beide Geschlechtet und namentlich das Mannchen sind derart degeneriert, dass eine njihere Verwandtschaft vorlaufig nicht erkannt werden kann.
K. b. Kof-und Univ.-Buchdmckei'eivon Jnnge& Sohn,ErlangtiH.