• Keine Ergebnisse gefunden

Biomasseanbau und räumliche Planung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Biomasseanbau und räumliche Planung"

Copied!
71
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

T U B ra u n sc h w ei g – I n st it u t fü r R ec h ts w is se n sc h af te n

Biomasseanbau

und räumliche Planung

RATUBS Nr. 2/2012

Thomas Gawron

(2)
(3)

RATUBS 2/2012

Thomas Gawron

Biomasseanbau und räumliche Planung

(4)

T U B ra u n sc h w ei g – I n st it u t fü r R ec h ts w is se n sc h af te n

Biomasseanbau

und räumliche Planung

RATUBS Nr. 2/2012

Thomas Gawron

(5)

1 Technische Universität Braunschweig

Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät Institut für Rechtswissenschaften

Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften

Bienroder Weg 87 38106 Braunschweig

ISSN 2190-5606

(Rechtswissenschaftliche Arbeitspapiere der TU Braunschweig - RATUBS Nr. 2/2012) [Printausgabe]

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Informationen sind im Internet über http://dnb.ddb.de/ abrufbar

(6)

1. Einleitung ... 1

2. Steuerung der Biomasseproduktion durch förmliche Planung ... 4

2.1 Festlegungen zur Freiraumstruktur in Regionalplänen ... 4

A. Anzustrebende Freiraumstruktur ... 4

B. Festlegung von Gebietstypen ... 5

2.2. Überörtliche Steuerung von Flächeninanspruchnahme durch Erfordernisse der ... Raumordnung ... 5

A. Unterschiedliche Bindungswirkung... 7

B. Ziele der Raumordnung ... 8

D. Mengenziele ... 16

E. Planungspraxis ... 17

3. Steuerung der Biomasseproduktion durch Instrumente und ökologische Mindeststandards der Landschaftsplanung ... 20

A. Instrumente der Landschaftsplanung ... 20

B. Ökologische Mindeststandards ... 22

C. Gute fachliche Praxis ... 25

4. Fachplanungen ... 27

A. Energierecht ... 28

B. Forstliche Rahmenplanung ... 30

C. Agrarstrukturelle Fachplanungen ... 30

D. Abfallentsorgungsplanung ... 31

E. Wasserhaushaltsplanung ... 33

F. Integriertes ländliches Entwicklungskonzept ... 35

G. Agrarstoffrecht ... 36

H. Umweltprüfungen ... 38

I. Cross Compliance ... 40

J. Raumplanung und Fachplanungen bei der Biomasseproduktion ... 42

5. Fazit ... 44

Literaturverzeichnis ... 48

(7)

1 1. Einleitung

Der verstärkte Gebrauch nachwachsender Rohstoffe zu Zwecken der Energieerzeugung wird zu neuen Konflikten um die Nutzung von Flächen im Freiraum, insbesondere um die landwirtschaftli- che Nutzung dieser Flächen führen. Damit sind Raum- und Freiraumplanung sowie Landschafts- planung ebenso wie raumrelevante landwirtschaftliche Fachplanung [Agrarstrukturelle Entwick- lungsplanung - AEP, Flurneuordnung und Forstliche Rahmenplanung sowie neuestens Integrierte Ländliche Entwicklungskonzepte – ILEK] aufgerufen, mit ihren Instrumentarien für Konfliktbear- beitung und –lösung ihren Beitrag zu liefern. Besondere Bedeutung kommt dabei der Raumord- nung zu, die als „überörtliche, überfachliche und zusammenfassende“ Planung1 für die Koordinati- on und die Erarbeitung von (möglichst) widerspruchsfreien Gesamtkonzepten zu sorgen hat. Insti- tutionell wird dieses in Form von Landesentwicklungsplänen und Regionalplänen geleistet. Als flankierend können die Fachbeiträge der Landschaftsplanung angesehen werden2.

Dabei erlangt die Regionale Ebene zentrale Bedeutung, da hier die konkreten Nutzungskonflikte zu vermitteln, zu koordinieren und auszugleichen sind. In regionaler Perspektive müssen ländliche Räume in der Nähe großer Ballungskerne und in peripheren (strukturschwachen) Gebieten unter- schieden werden. Bei ersten stehen Produktions- und Versorgungsfunktionen (z.B. Frischproduk- te), Freizeit– und Erholungsfunktionen und ökologische Speicher- und Regulationsfunktionen (z.B.

Luftqualität) im Vordergrund. Bei letzten dominieren Funktionen der Langzeiterholung, Speicher- und Regulationsfunktionen (z.B. Grundwasserneubildung, CO2-Absorption) sowie Biodiversivitätsfunktionen (z.B. Naturschutzgebiete, Biosphärenreservate) im Vordergrund, wäh- rend sie zu der wichtigen Wirtschaftskraftfunktion „meist nur in geringem Maße beitragen“3. Die sich abzeichnenden Veränderungen der Land- und Forstwirtschaft in Form intensivierter und/

oder erweiterter Flächeninanspruchnahme führen planerisch zu einer Neuordnung der verschiede- nen Nutzungsfunktionen ländlicher Räume, von der in besonderem Umfang ökologische Speicher- und Regenerationsfunktionen sowie Biodiversivitätsfunktionen betroffen sind. Zur Bewältigung der auftretenden Nutzungskonflikte stehen de lege lata raumplanerische Instrumente zur Verfü- gung, die zu einem planerischen Ausgleich zwischen Flächenkonkurrenz von Wohnen und Gewer- be, touristischen Nutzungen, Trinkwassergewinnung, und Naturschutz beitragen können. Insbeson- dere sind hier die Möglichkeiten der Ausweisung von Vorrang- (bzw. Vorsorge-), Vorbehalts- und Eignungsgebieten (siehe § 8 Abs. 7 ROG) zu nennen, mit deren Einsatz die für den Biomassenan- bau, die Produktionsstandorte und die Infrastruktureinrichtungen erforderlichen Flächen jedenfalls vom Grundsatz her planerisch gesichert werden können4.

1 BVERGE 3, 407 ff. – sog. Baurechtsgutachten.

2 Bei der überörtlichen Landschaftsplanung haben die Träger der Landschaftsplanung Ziele der Raum- ordnung i.S. § 3 Nr. 2 ROG zu beachten. Umgekehrt sind die sich aus der überörtlichen Landschafts- planung ergebenden raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen in die Raumordnungspläne zu integrieren (§ 10 Abs. 3 BNatSchG); siehe MITSCHANG in UPR 1994.

3 H. AHRENS/E. NEANDER: Stichwort Landwirtschaft, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) (Hg.) 2005, S. 599.

4 Siehe BRENKEN/KANNING 2003.

(8)

2

Die Landschaftsplanung bietet das grundlegende naturschutzfachliche Wissen, um die ökologi- schen Vor- und Nachteile von Landnutzungen zu erforschen sowie Kriterien und Anforderungen für naturverträgliche Nutzungsstrategien zu entwickeln5. Als Fachplanung des Naturschutzes sind gemäß §§ 8 ff. BNatSchG flächendeckend auf verschiedenen Planungsebenen Naturraumpotenziale und Landschaftsfunktionen für die verschiedenen anthropogenen Nutzungen zu ermitteln und Maßnahmekonzepte für die räumliche Umsetzung zu erarbeiten6. Dabei kommt der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien nach Vorstellung des Gesetzgebers besondere Bedeutung zu. (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG a.F.)7.

Der Deutsche Rat für Landespflege hat im Jahr 2006 eine Stellungnahme zur Auswirkung erneuer- barer Energien auf Natur und Landschaft vorgelegt8. Darin hat er mögliche Konsequenzen für die Veränderungen im (herkömmlichen) Bild der Landschaft beschrieben:

Biomassenproduktion, gleich ob auf dem Acker, auf Grünland oder als Energiewald, verändert das gewohnte Bild von Landschaften. Einige der Arten können enorme Höhen erreichen, so z.B. Mais 3 bis 4 m, Hanf und Chinaschilf bis 4 m. Neue Kulturpflanzen, veränderte Wuchshöhen und (zu- nächst) ungewohnte Farbaspekte hat es immer wieder gegeben; ihre Akzeptanz durch die Men- schen ergab sich im Lauf der Zeit. In einem analogen Sinne sollte im Zusammenhang mit der regi- onalen Leitbildentwicklung erforscht werden, welche Formen des Biomasseanbaus in vertraute Landschaftsbilder und soziale Praktiken integriert werden könnten. Ästhetik, Symbolik und Akzep- tanz verweisen hier aufeinander. Besonders günstig im Bereich der Biomasse wären in Hinsicht auf ästhetische und kulturelle Akzeptanz mit hoher Wahrscheinlichkeit Agroforstsysteme9. „Alley- Cropping“ scheint durchaus eine attraktive Option darzustellen10.

Ebenfalls auf emotionale Akzeptanz stoßen dürften Anbauverfahren, die als „Rückkehr“ zu frühe- ren Formen der Landnutzung (etwa Niederwälder) interpretiert werden können und die auch ästhe- tisch dem verbreiteten Landschaftsempfinden nicht zuwiderlaufen. Als ebenso unproblematisch sind Verfahren des arbeitsintensiven Abschöpfens von Biomasse in eher traditioneller Form sowie sogenannte „Low-input/Low-output“-Systeme11 anzusehen. Das Abschöpfen von Biomasse könnte auch den wünschenswerten Nebeneffekt der „De-Eutrophierung“ haben. Vorteilhaft ist auch die Verwertung der Biomasse, die bei der Landschaftspflege anfällt (etwa Landschaftspflegeholz und – heu)12. Hier geht es in technologischer Hinsicht vor allem darum, Formen der Beimischungen un-

5 Siehe VAN HAAREN 2004.

6 RODE/KANNING 2006, S. 105 f.

7 Die zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien ist nicht nur in Bezug auf eine Vermeidung von Beeinträchtigung des Klimas zu setzen, sondern auch in den Gesamtzusammenhang der Ziele und

weiterer Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu stellen (Siehe § 1 BNatSchG a.F. – Ziele – und insbesondere Grundsätze Nr. 1 bis 4, 8, 12 und 13 des § 2 Abs. 1BNatSchG a.F.).

8 DRL 2006.

9 Bei der Landnutzungsform Agroforstwirtschaft werden mehrjährige Holzpflanzen (Baume, Sträucher etc) mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen kombiniert angebaut und ggf. auch Tiere zur Beweidung gehalten. Die Pflanzenelemente können entweder in räumlicher Anordnung (z.B. Alley-Cropping) oder in zeitlicher Abfolge kombiniert werden.

10 GRÜNEWALD ET AL. 2005 in NuL.

11 WICHTMANN/SCHÄFER 2005 in NuL.

12 METTE 2005 in NuL; OECHSNER 2005 in NuL.

(9)

3

terschiedlicher Pflanzenstoffe zu entwickeln und die Kraftwerke auf solche unterschiedlichen Mi- schungen einzustellen.

Wesentlich problematischer dagegen sind in ästhetischer und heimat-/landschaftsbildbezogener Hinsicht vermutlich monotone Anbauflächen exotischer Pflanzen in intensiver Nutzung, die mit hohem technischen Aufwand und geringem Einsatz von Arbeitskraft erzeugt werden. Hier können auch Konflikte mit den Zielen des Tourismus auftreten. Bezieht man das Landschaftsbild, die kul- turelle Akzeptanz, die Auswirkungen auf Arbeitsplätze im ländlichen Raum, auf den Tourismus und auf Schutzgüter des Naturschutzes etc. in die Urteilsbildung ein, so könnten sich jedoch die oben genannten Anbauformen trotzdem als insgesamt „wirtschaftlicher“ erweisen. Ein neuer

„Produktivismus“ in der Land- und Forstwirtschaftlichen Landnutzung ist somit keinesfalls ein Sachzwang, der durch die Biomasseerzeugung gegeben ist13.

Es ist Aufgabe des Beitrags, die wichtigsten bestehenden Rechtsregeln auf ihre Tauglichkeit für den planerischen Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen (Biomasse) durchzumustern und zu prüfen, welches zusätzliche Entwicklungspotential die bisher eingesetzten raumplanerischen Instrumente bieten und welche Instrumente erforderlichen Falles „nachjustiert“ werden müssen.

Vorab eine notwendige Bemerkung:

Die meisten landesplanerischen Erfahrungen der Länder mit erneuerbaren Energien liegen im Bereich der Windenergie, deren Entwicklung sich seit 1980 sehr dynamisch vollzog. In der Ent- schließung der MKRO: „Mehr Planungssicherheit für Windenergieanlagen durch Darstellung von Eignungsgebieten in der Landes- und Regionalplanung“ vom 8. März 1995 wurde z.B. zur Frage des Umgangs mit der Windenergie im Abschnitt 5 festgehalten: „Landes- und Regionalplanung können die Nutzung der Windenergieanlagen dadurch fördern, dass sie dafür in geeigneten Gebie- ten Standorte mit Zielqualität zur Errichtung von Windparks und Windenergieanlagen ausweisen.

Sie geben damit den Gemeinden vor, dass in diesen Gebieten der Bau von Windenergieanlagen bauplanrechtliche zulässig gemacht werden soll“. Heute liegen in den Ländern vielfach Erlasse, Rundschreiben, Grundsätze, Richtlinien und Empfehlungen zum Umgang mit Windenergieanlagen in der Landes- und Regionalplanung vor (z.B. in Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen). Hier finden sich zahlreiche Hinweise und Stan- dards für den Umgang im Rahmen der Regionalplanung. Insbesondere ist die Frage ihrer Raum- wirksamkeit (Dimension/Höhe, Standort, Auswirkungen auf andere Raumfunktionen) und der da- mit verbundenen Problematik grundsätzlich geklärt. Es existieren umfangreiche Festlegungen ein- zuhaltender Abstände zu Siedlungen, zu Schutzgebieten, zur Freihaltung unzerschnittener Räume, zum Schutz und zur Entwicklung von Kulturlandschaften usw.

Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die planerischen Aspekte im Umgang mit nachwach- senden Rohstoffen (Biomasse). Nicht bzw. nur am Rande angesprochen werden die Fragen im Zusammenhang mit Biomasse verarbeitenden Anlagen, die z.T. genehmigungspflichtig sind. Die

13 Vorangegangene Ausführung nach DRL 2006, S. 24.

(10)

4

Vernachlässigung dieses Themenkreises ist ausschließlich der geschuldeten Schwerpunktsetzung des Themas auf die Facetten der Regionalplanung als überörtlicher, überfachlicher und koordinie- render Gesamtplanung in ihrer Relevanz für den Anbau von Biomasseprodukten geschuldet.

2. Steuerung der Biomasseproduktion durch förmliche Planung

Im Kanon der formellen Planungsinstrumente ist für die Steuerung des Biomasseanbaus aus der Sicht der Raumordnung, hier: der Landes- und Regionalplanung die planerische und planungsrecht- liche Instrumentierung der Freiraumstruktur von besonderer Bedeutung. Ihr zur Seite tritt die

„querschnittsorientierte Fachplanung“14 des Naturschutzrechts in Form der Landschaftsplanung.

Schließlich ist die Koordination dieser beiden Typen räumlicher Planung mit sektoralen Fachpla- nungen von Relevanz.

2.1 Festlegungen zur Freiraumstruktur in Regionalplänen

A. Anzustrebende Freiraumstruktur

Im Gegensatz zu den Hinweisen, die § 8 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 ROG in den Unterpunkten (a) bis (e) zur instrumentellen Ausgestaltung der anzustrebenden Siedlungsstruktur gibt, nennt

§ 8 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 ROG für die anzustrebende Freiraumstruktur im Unterpunkt (a) fast tautologisch „großräumige übergreifende Freiräume“ und „Freiraumschutz“ sowie in Un- terpunkt (b) die Gewährleistungen einiger Nutzungen im Freiraum. Damit wird allerdings nicht mehr als der Raumordnungsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 5 ROG abgebildet

15

. Als defizitär ist anzusehen, dass vor allem Angaben fehlen, mit welchen Instrumenten die anzustrebende Freiraumstruktur verwirklicht werden soll.

Der Vorschlag eines Forschungsprojektes Mitte der neunzehnhundert und neunziger Jahre zur Auswertung ausgewählter Pläne und Programme der Regionalplanung im Bundesgebiet16, den ent- sprechenden Normteil wie folgt zu fassen:

„Freiraumstrukturen

- Sicherung überörtlicher Freiräume, wie Regionale Grünzüge

- Sicherung und Schutz spezieller Freiraumfunktionen, bodennaher Rohstoffabbau...“17

wurden weder in den Regierungsentwurf übernommen noch im Verlauf der parlamentarischen Beratungen aufgegriffen. Zur Erklärung möglicher Inhalte und planerischer Instrumentierung kön- nen indess mehrere Entschließungen der MKRO herangezogen werden18. Sie enthalten umfangrei- che Kataloge möglicher planerischer Festlegungen zum Freiraum. Durch Bezugnahme auf diese

14 VAN HAAREN 2004, S. 49 f..

15 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 93 zu § 7 ROG a.F.

16 KISTENMACHER ET AL., 1966.

17 Siehe Hinweise bei BIELENBERG ET AL. 2003 ff., Kommentar, Materialien J 651, S. 11.

18 Entschließung vom 27.11.1992 Aufbau eines ökologischen Verbundsystems in der räumlichen Planung vom 08.03.1995 Integration des europäischen Netzes besonderer Schutzgebiete gemäß FFH-Richtlinie in die ökologischen Verbundsysteme der Länder und vom 29.03.1996 Raumordnerische Instrumente zum Schutz und zur Entwicklung von Freiraumfunktionen.

(11)

5

Entschließungen in der Gesetzesbegründung ist das Anliegen der MKRO bei der Interpretation der einschlägigen Vorschriften des ROG mit zu berücksichtigen. Danach kann davon ausgegangen werden, dass die Länder verpflichtet sind, neben dem Netz der Siedlungsstruktur ein Netz zur Frei- raumstruktur mit ökologischen Schwerpunkten samt deren Verbindung untereinander aufzubauen und in den Raumordnungsplänen als gleichwertig zu verankern19.

B. Festlegung von Gebietstypen

Zur regionalplanerischen Praxis hat die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) darauf hingewiesen, dass mit dem Ausbau der Fachverwaltung Naturschutz gewisse Defizite an Grundlagen zur Landschaftsplanung teilweise abgearbeitet werden konnten

20

. Als etablierte Instrumente der freiraumbezogenen Regionalplanung stehen inzwischen Re- gionale Grünzüge, Siedlungszäsuren (Grünzäsuren), Vorrangs- und Vorbehaltsgebiete zur Festlegung einzelner Freiraumfunktionen zur Verfügung

21

. Für die regionalplanerische Bearbeitung des Bereiches Biomasse sind in hervorgehobener Weise die Planungsinstru- mente „Regionaler Grünzug“ sowie „Vorrang-/Vorbehaltsgebiet“ von Bedeutung.

Regionale Grünzüge und Siedlungszäsuren (Grünzäsuren) sind die beiden seit langer Zeit gebräuch- lichen Elemente regionalplanerischer Freiraumsicherung. Von ihrem Ansatz her haben sie den Ge- meindegrenzen übergreifenden Schutz zusammenhängenden Freiraumes und zugleich die Koordina- tion der Siedlungsentwicklung zum Gegenstand. In der Planungspraxis herrscht eine multifunktionale Zweckzuweisung für Regionale Grünzüge und Grünzäsuren vor. Sie sollen nicht nur Siedlungsgebie- te gliedern, Schutz der Landschaft vor Zersiedlung bieten und Freiraumerholung gewährleisten, son- dern explizit auch ökologische Funktion übernehmen:

- Klimaverbesserung und Lufthygiene

- Sicherung und Entwicklung wertvoller Landschaftsbereiche (Biotop- und Artenschutz)

- Schutz des Wasserhaushaltes22.

2.2. Überörtliche Steuerung von Flächeninanspruchnahme durch Erfordernisse der Raumord- nung

Das Raumordnungsgesetz sieht drei verschiedene Steuerungsvarianten zur Ordnung und Entwick- lung des Raumes vor:

- Ziele der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG) - Grundsätze der Raumordnung (§ 3 Nr. 3 ROG)

- Sonstige Erfordernisse der Raumordnung (§ 3 Nr. 4 ROG).

19 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 96 zu § 7 ROG a.F.

20 ARL, 1995, S. 24.

21 ARL, 1995, S. 25.

22 Am Beispiel RROPl Rheinhessen-Nahe KISTENMACHER ET AL 1993, S. 116.

(12)

6

Nach § 8 Abs. 7 ROG können die Festlegungen in Raumordnungsplänen auch Gebiete be- zeichnen,

- die für bestimmte, raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und an- dere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vor- rangigen Funktionen, Nutzungen oder Zielen der Raumordnung nicht vereinbar sind (Vor- ranggebiete) (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG)

- in denen bestimmten, raumbedeutsamen Funktionen der Nutzungen bei der Abwägung mit konkurrierenden Nutzungen besonderes Gewicht beigemessen werden soll (Vorbehaltsge- biete) (§7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG)

- die für bestimmte raumbedeutsame Maßnahmen geeignet sind, die städtebaulich nach § 35 BauGB zu beurteilen sind und an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen werden (Eignungsgebiete) (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG).

- Schließlich kann vorgesehen werden, dass Vorranggebiete für raumbedeutsame Nutzungen zugleich die Wirkungen für raumbedeutsame Maßnahmen haben können (Vorranggebiete mit Wirkungen von Eignungsgebieten) (§7 Abs. 4 S. 2 ROG).

Vorranggebiete sind relativ neue Instrumente der Raumplanung. Mit Verabschiedung des Bundes- raumordnungsprogrammes (BROP) durch MKRO23 und Bundesregierung24 ist der Begriff erstmals in ein Planwerk eingeführt worden. Daran anschließend fand er rasch Verbreitung in Raumordnung und Landesplanung25. Im Kern zielte das Instrument zunächst auf den Abbau räumlicher Disparitä- ten im alten Bundesgebiet26. Mit Einbezug ökologischer Belange in die Raumordnung, Landes- und Regionalplanung hat sich das Schwergewicht der Vorrangkonzepte auf die Freiraumsicherung verlagert. Abgewogene Zielaussagen gelten im Wesentlichen für die Funktionsbereiche

- Land- und Forstwirtschaft

- Naturschutz- und Landschaftspflege - Grundwassersicherung

- Sicherung standortgebundener Rohstoffe - Erholung und Freizeit

- Klimaschutz27 - Bodenschutz28 - Windenergie29.

Vorranggebiete werden nach allgemeiner Ansicht als Ziele der Raumordnung angesehen. Für be- stimmte Gebiete werden exklusive Nutzungen reserviert, indem andere mögliche Nutzungen aus- geschlossen werden, die mit der vorrangigen Funktion nicht vereinbar sind30. Die Festlegung eines Vorranggebietes, z.B. <Landwirtschaft> schließt nicht aus, dass auch außerhalb dieses Gebietes

23 Datum: 14.02.1975.

24 Datum: 23.04.1975.

25 siehe BRÖSSE 1981.

26 GUST 1995, S. 1054.

27 alle in ARL 1995, S. 29.

28 HOPPE in HOPPE/BÖNKER/GROTEFELS 2004, § 6.4.4.1., RdNr. 36.

29 SCHOLICH 2005, S. 1265.

30 HOPPE in HOPPE/BÖNKER/GROTEFELS 2004, § 6.4.4.2.1., RdNr. 37.

(13)

7

Landwirtschaft betrieben werden kann. Es stellt aber sicher, dass landwirtschaftliche Nutzung in- nerhalb des Gebietes nicht durch andere Nutzungen beeinträchtigt wird31. Mit anderen Worten: Die Exklusivität bestimmter Funktionen oder Nutzungen gelten nicht für die Fallkonstellationen, in denen diese anderen Nutzungen mit den als vorrangig festgelegten Funktionen, Nutzungen oder Ziele der Raumordnung vereinbar bleiben32. „In vorbildlicher Weise“33 erfüllen sie die Anforde- rungen, die an ein Ziel der Raumordnung zu stellen sind. Die Qualität als Ziel bedingt, dass seine Festlegung als verbindliche Vorgabe für nachfolgende Planungsentscheidungen niederstufiger Pla- nungsträger fungiert, über die sich Kommunen und andere Planungsträger nicht hinwegsetzen kön- nen34. Es handelt sich insoweit um eine landesplanerische Letztentscheidung35. Die Festlegung eines Vorranggebietes erzeugt insofern eine unmittelbare Durchgriffswirkung auf das kommunale Bauplanungsrecht36.

A. Unterschiedliche Bindungswirkung

Zwischen den drei Typen der Raumordnungserfordernisse bestehen wichtige Unterschiede, im Hinblick auf ihre Bindungswirkung. Vom Prinzip her gilt: Ziele, Grundsätze und Erfordernisse der Raumordnung entfalten Bindungswirkungen vornehmlich für öffentliche Stellen, das sind Behör- den des Bundes und der Länder, kommunale Gebietskörperschaften, bundesunmittelbare und der Aufsicht eines Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (§ 3 Nr. 2 ROG). Diese haben Ziele, Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumord- nung zu beachten oder zu berücksichtigen. Die Beachtungspflicht (§ 4 Abs. 1 S. 1.1. Alt. ROG) beinhaltet eine strikte Rechtsbindung und bedeutet in der Konsequenz, dass Ziele der Raumord- nung bei Abwägungs- und Ermessensentscheidungen nachrangiger Planungsinstitutionen von die- sen nicht überwunden werden können. Bestehende Planungen sind erforderlichenfalls auch nach- träglich an Raumordnungsziele anzupassen37. Die Berücksichtigungspflicht (§ 4 Abs. 1 S. 1 2. Alt ROG) hingegen bezieht sich auf die Grundsätze der Raumordnung; diese können durch nachrangi- ge Planungsträger im Wege der Abwägung modifiziert oder überhaupt nicht zur Anwendung ge- langen.38

Festlegungen in Raumordnungsplänen müssen hinreichend bestimmt sein. Es ist denkbar, dass die Festlegung in einem landesweit gültigen Planwerk für die nächstunterstufige Planungsebene – die Regionalplanungsinstitutionen – noch hinreichend konkretisierbar ist, hingegen nicht mehr für die Ebene der kommunalen Bauleitplanung39. Die Bestimmtheit einer raumordnerischen Festlegung muss daher für jede Planungsstufe selbstständig beurteilt werden. Unter Bestimmtheitsgesichts- punkten kann dieselbe Festlegung in einem Raumordnungsplan gegenüber dem einen Adressaten Zielqualität aufweisen, gegenüber einem anderen Planungsträger oder in einem Genehmigungsver-

31 RUNKEL 1998, S. 14.

32 HOPPE in HOPPE/BÖNKER/GROTEFELS 2004, § 6.4.4.2.1., RdNr. 37.

33 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 127 zu § 7 ROG.

34 HOPPE 1998, S. 1008.

35 HOPPE in HOPPE/BÖNKER/GROTEFELS 2004, § 6.4.4.2.1., RdNr. 37; SCHINK 1998, S. 57.

36 SCHOLICH 2005, S. 1262.

37 PEINE 2003, § 6 D 3, RdNr. 161; KOCH/HENDLER 2009, § 3 Abs. 3a, RdNr. 31.

38 PEINE 2003, § 6 D 3, RdNr. 163.

39 BVERWG in ZfBR 1984, S. 199 f.; GROOTERHORST 1985.

(14)

8

fahren hingegen in einen Grundsatz der Raumordnung umzudeuten sein40. Ziele führen zu der eben genannten strikten Beachtenspflicht, die für die kommunale Bauleitplanung durch die entsprechen- de Klausel des § 1 Abs. 4 BauGB ihre spezifische Bindungs- und Steuerungswirkung entfaltet.

B. Ziele der Raumordnung Ziele der Raumordnung sind - verbindliche Vorgaben

- in Form räumlich oder sachlich bestimmter oder bestimmbarer - von Trägern der Landes- und Regionalplanung

- abschließend abgewogener textlicher und/oder zeichnerischer Festlegungen - in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes

(Wortlaut § 3 Nr. 2 ROG).

Ziele der Raumordnung können nur in Raumordnungsplänen im Sinne des § 3 Nr. 7 ROG aufge- stellt werden; es muss sich also um Festlegungen in landesweit gültigen oder regionalen Raumord- nungsplänen (§ 8 Abs. 1 und 2 ROG) handeln (siehe auch § 7 Abs. 1 S. 1 ROG).

Das besondere Kennzeichen der Ziele der Raumordnung besteht im Merkmal der abschließenden Abwägung. Im Gegensatz zu den Raumordnungsgrundsätzen, die lediglich Vorgaben (Belange) für die Abwägungs- und Ermessensentscheidungen niederstufiger Planungs- und Planvollziehungs- Institutionen bilden, markiert das Kriterium der abschließenden Abwägung eine landes- bezie- hungsweise regionalplanerische Letztentscheidung. In formeller Hinsicht bedeutet dieses, dass der die Ziele formulierende Plangeber deutlich zu erkennen gibt, dass es sich bei der Festlegung um ein von ihm gewolltes Ziel handelt41. Materiellrechtlich orientiert sich das Abwägungsgebot für höherstufige Planungsträger, insbesondere für Landes- und Regionalplanungs-Institutionen, zu- nächst an der für die gemeindliche Bauleitplanung entwickelten Abwägungsdogmatik42.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes besitzt das Gebot gerechter Abwägung als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Verfassungsrang43. Dieses Gebot schließ ein, dass in den Fällen der gesetzlich geforderten abschließenden Abwägung die zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belange sehr genau zu prüfen44 sind45. Die Abwägung muss zu einem bestimmten Ergebnis führen, das bei einer weiteren Zielkonkretisierung nicht erneut zur Dispositi- on gestellt werden kann46. Dem Gebot der planerischen Konfliktbewältigung kommt dabei beson- dere Bedeutung zu. Ihm zu Folge müssen bestehende Zielkonflikte ausgetragen und bereinigt wer- den47.

40 APPOLD 1989, S. 179; RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 42 zu § 3 ROG m.w.N.

41 HOPPE in Hoppe/Bönker/Grotefels 2004, § 6.2.1.2., RdNr. 12.

42 RUNKEL in Bielenberg et al.2003 ff., RdNr. 60-69 zu § 3 ROG.

43 BVERWGE, 34, 301; BVERWGE 48, 56.

44 RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 75 zu § 3 ROG.

45 Siehe zur Abwägung ausführlich GAWRON 2007 A Abschnitt E.I.2.c-dd.

46 RUNKEL in Bielenberg et al.2003 ff., RdNr. 77 zu § 3 ROG.

47 HOPPE in Hoppe/Bönker/Grotefels 2004, § 6.2.1.2, RdNr. 12, S. 227.

(15)

9

Wie ausgeführt, können Ziele der Raumordnung auf den der Landes- und Regionalplanung nach- geordneten Planungsstufen nicht durch planerische Abwägung oder Ermessensausübung überwun- den („weggewogen“), sondern durch die nachfolgenden Planungsebenen allenfalls weiter konkreti- siert, verfeinert oder ausdifferenziert werden48. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt:

„Die vielfältigen Raumnutzungsansprüche bedürfen einer Abstimmung auf verschiedenen Ebe- nen. Das Raumplanungsrecht umfasst eine Abfolge von Planungsentscheidungen auf Bundes- und auf Landesebene mit fortschreitender Verdichtung der Regelungen auf Landes- und Regio- nalebene bis hin zu konkreten Festlegungen auf Gemeindeebene. In dieses mehrstufige System räumlicher Gesamtplanung ist die gemeindliche Bauleitplanung als der Bundesraumordnung sowie der Landes- und der Regionalplanung nachgeordnete unterste Ebene der Planungshierar- chie eingebunden. Jeder der einzelnen Planungsstufen kommt die Aufgabe zu, die verschiede- nen Fachinteressen, die auf dieser Stufe zusammentreffen, zu koordinieren. In vertikaler Hin- sicht wird nach der gesetzlichen Konzeption eine Harmonisierung dadurch sichergestellt, dass die jeweilige Planungsebene die auf der vorgelagerten Stufe ebenenspezifisch aggregierten Be- lange in ihre eigene Planung aufzunehmen hat. Den Zielen der Raumordnung und der Landes- planung kommt hierbei nach § 5 Abs. 2 Satz 1 ROG (a.F. – Th. G.) die Funktion zu, räumlich und sachlich die zur Verwirklichung der Grundsätze nach § 2 ROG notwendigen Voraussetzun- gen zu schaffen. In ihnen spiegelt sich bereits eine Abwägung zwischen den durch die Grund- sätze verkörperten unterschiedlichen raumordnerischen Belangen wider. Sie sind anders als die Grundsätze nicht bloß Maßstab, sondern als räumliche und sachliche Konkretisierung der Ent- wicklung des Planungsraumes das Ergebnis landesplanerischer Abwägung. Hat bereits auf der Stufe der Landesplanung eine überörtliche und überfachliche gesamtplanerische Interessenab- wägung und Konfliktklärung stattgefunden, so ist es systemgerecht, wenn § 1 Abs. 4 BauGB die Bindungswirkungen der landesplanerischen Letztentscheidung, in der das Ergebnis dieses Pro- zesses seinen Niederschlag gefunden hat, in dem durch fortlaufende Konkretisierung von oben nach unten gekennzeichneten mehrstufigen Planungsgefüge, in das die gemeindliche Bauleit- planung eingebettet ist, auf die Gemeinde als Träger der örtlichen Planungshoheit erstreckt“49.

Die Vorgaben raumordnerischer Ziele haben für die verpflichteten Planungsträger verbindlich zu sein. Der Verbindlichkeitscharakter wird aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleitet50. Ein Indiz dafür stellt die Kennzeichnung der raumordnerischen Festlegungen als Ziele dar51.

Ebenfalls aus dem Rechtsstaatsgebot wird das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit abgeleitet.

Bestimmbar ist eine Festlegung dann, wenn sie allein oder im Zusammenhang mit anderen Festle- gungen, naturräumlichen Gegebenheiten, anerkannten Standards etc. derart konkretisiert werden kann, dass sie einen bestimmten räumlichen und sachlichen Inhalt aufweist, den der Zieladressat zu

48 VON DER HEIDE in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 24 zu § 3 ROG.

49 BVERWGE 84, 329, 333f.

50 PAßLICK 1986, S. 111.

51 Ob ein Ziel vorliegt, ist im Rahmen einer objektiven Betrachtungsweise anhand aller Begriffsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG zu ermitteln. HENDLER/KOCH 2009, III 1 RdNr. 24 zu § 3.

(16)

10

beachten hat52. Die Anforderungen an das Bestimmtheitspostulat hat Werner Hoppe wie folgt um- rissen:

„Die Ziele müssen als abschließend abgewogene landesplanerische Letztentscheidungen räum- lich und sachlich so bestimmt oder bestimmbar sein, dass für den Adressaten erkennbar ist, was im Einzelnen Gegenstand der sie betreffenden Beachtungs- beziehungsweise Anpassungspflicht ist. Sie müssen sich geographisch auf einen bestimmten Raum beziehen und für diesen sachlich eine konkrete raumordnerische Entscheidung treffen. Die sachbezogene Komponente des Ziel- begriffes setzt voraus, das der Planaussage eindeutig zu entnehmen ist, für welche konkrete Maßnahme beziehungsweise für welchen konkreten Zweck die landesplanerische Festlegung er- folgt.“53

Die Bestimmtheit beziehungsweise Bestimmbarkeit leidet häufig an sprachlich ungenauen Formu- lierungen, die eher Leerformeln und allgemeinpolitische Festlegungen enthalten als vollzugs- be- ziehungsweise umsetzungsfähige Bestimmungen54. Vielfach werden vermeintliche Ziele der Raumordnung konterkariert durch relativierende Zusätze wie „möglichst“, „grundsätzlich“ u.Ä. All das stellt die strikte Verbindlichkeit in Frage, indem z.B. „berücksichtigen“ statt „beachten“ als Bindungsmodalität gewählt wird55. Strittig ist in letzter Zeit die Frage geworden, ob Zielfestlegun- gen auch in Form von Sollvorschriften oder als „In der Regel“-Ziele vorgenommen werden kön- nen. Diese Festlegungen sollen bei atypischen Fallgestaltungen eine Abweichung von den Zielen der Raumordnung ermöglichen, ohne entsprechende Zielabweichungsverfahren zu induzieren („Raumordnungsziele mit integrierter Abweichungsmöglichkeit“56). Mit Novellierung des ROG im Jahr 2009 ist hier eine ausdrückliche gesetzliche Regelung getroffen worden. § 6 Abs. 1 ROG ge- stattet die Festlegung von Ausnahmen; § 6 Abs. 2 ROG ermöglicht eine Abweichung von den Zie- len der Raumordnung57. Vorschriften zum Zielabweichungsverfahren bestehen in allen Bundeslän- dern.

Dem Bestimmtheitserfordernis wird in Planwerken sowohl durch textliche oder zeichnerische als auch durch eine Kombination beider Darstellungen entsprochen. In der Tendenz nehmen die zeich- nerischen Festlegungen mit niedrigerer Maßstabsgröße der Darstellung und der darin zum Aus- druck kommenden Kleinräumigkeit der Planwerke zu, während textliche Festlegungen besonders die landesplanerische Ebene (Pläne und Programme) beherrschen.

Der Bereich raumordnerischer Zielfestsetzungen findet seine Begrenzungen an der verfassungs- rechtlichen Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen und Verwaltungszuständigkeiten für die Aufgabenfelder Raumordnung und Bodenrecht einerseits und an der Garantie der Kommunalen Selbstverwaltung andererseits. Die Raumordnungsplanung kann für sich keine Gestaltungsoptionen in Anspruch nehmen, die der kommunalen Bauleitplanung in ihrem Kernbereich vorbehalten sind.

52 RUNKEL in Bielenberg et al.2003 ff., RdNr. 29 zu § 3 ROG; KMENT 2006.

53 HOPPE 1999, S. 1458.

54 „Wortbrei“ nach SCHULTE 1996, S. 203; siehe weitere Beispiele bei HOPPE 2001, S. 84.

55 HOPPE 2001, S. 86.

56 KOCH/HENDLER 2009, RdNr. 41, § 3. III. 3 f.

57 KOCH/HENDLER 2009, RdNr. 42 ff. zu § 3 m.w.N.

(17)

11

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie umfasst – jedenfalls im Grundsatz – das Recht jeder einzelnen Kommune auf Planung und Bodennutzung auf ihrem eigenen Gebiet58. Eine so verstan- dene kommunale Planungshoheit steht ihrerseits unter dem Vorbehalt des Gesetzes im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, m. a. W.: sie ist nicht schrankenlos garantiert (Eingriffe der Fachplanun- gen/siehe § 38 BauGB) und die Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung bilden die wichti- gen Anwendungsfälle. Allerdings unterliegen die Eingriffe der (i. d. R. überörtlichen) Planungsträ- ger insbesondere im Bereich der Landes- und Regionalplanung ihrerseits Beschränkungen. Übe- rörtliche Planungsträger sind bei ihren örtlich wirksam werdenden Entscheidungen insbesondere an das Verhältnismäßigkeitsprinzip59 gebunden. Im hiesigen Kontext ist das Prinzip unter doppeltem Gesichtspunkt zu prüfen:

Im Spannungsfeld überörtlicher Gestaltungsrechte von Bodennutzung und örtlicher (= kommunaler) Planungshoheit hat sich der Gesetzgeber prinzipiell für den Vorrang erster ent- schieden. Allerdings muss den Gemeinden grundsätzlich ein ausfüllungsfähiger Gestaltungsraum verbleiben. Die allgemeine Charakterisierung des Spannungsverhältnisses zwischen überörtlicher und örtlicher Planung trägt indessen nicht zur Klärung konkreter Einzelfragen bei. So ist ihr bei- spielsweise nicht zu entnehmen, ob Festlegungen in Raumordnungsplänen lediglich für überge- meindliche Raumeinheiten und das gemeindliche Gesamtgebiet oder auch für gemeindliche Ge- bietsteile getroffen werden dürfen60 . In Rechtsprechung und Literatur wird im Allgemeinen ein raumordnungsplanerischer Durchgriff auf gemeindliche Gebietsteile in begründeten Fällen als zu- lässig angesehen. Der Durchgriff muss sich aber stets auf ein qualifiziertes öffentliches Interesse stützen61. Demnach ist es z.B. zulässig, nach § 8 Abs. 5 Nr. 1d ROG in Regionalplänen Festlegun- gen zu Siedlungsentwicklungen zu treffen, die bereichsscharf ausgewiesen werden62. Gemäß § 8 Abs. 7 ROG ist weiterhin eine Kombination von Gebietsausweisung und Funktionsfestsetzung („Vorrang-, Vorbehalts-, Eignungsgebiet“) statthaft63.

Der Konkretisierungsgrad bauleitplanerischer Darstellungs- und Festlegungsmöglichkeiten in Raumordnungsplänen mit Zielcharakter muss regelmäßig einen hinreichenden Gestaltungsspiel- raum für eigene, substantiell gewichtige planerische Entscheidungen auf der kommunalen Ebene selber belassen64. In der Regel wird dem in der Raumordnung dadurch Rechnung getragen, dass ihre Festlegungen auf großmaßstäblicher Kartengrundlage erfolgen (Maßstab 1:50.000) und zu- meist nur Bereichs-, selten jedoch Flächen-65 oder sogar Gebiets-66 Aussagen enthalten. Die Aus- weisung eines räumlichen – wenn auch nicht parzellenscharf – abgegrenzten Bereiches in höhen- stufigen Planwerken ist zulässig, wenn infolge der regelmäßig damit verbundenen zeichnerischen Unschärfe – beispielsweise durch Gebietsstraffuren67 - in den nachfolgenden Planungsstufen ein

58 BVERWGE 34, 301, 304.

59 Sog. Rastede-Entscheidung: BVERFGE 79, 127ff.

60 KOCH/HENDLER 2009, § 8 IV, RdNr. 12 m.w.N. in Fn 10.

61 BVERWG in UPR 2003, S. 358f.

62 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 87f. zu § 7 ROG.

63 Skeptisch BUSSE 1998, S. 293 ff.

64 BVERFGE 56, 298; siehe weiterhin HALAMA in FS Schlichter 1995, S. 218f.

65 So aber § 1 Abs. 1 BauNVO.

66 So aber § 1 Abs. 2 BauNVO.

67 RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 35 zu § 3 ROG.

(18)

12

noch genügender Gestaltungsraum verbleibt68. Das Erfordernis der sachlich räumlichen Konkreti- sierung verlangt eine gebietsscharfe, zeichnerische Darstellung; rein verbale Raumordnungsziele reichen nicht aus69.

Planungen und Planwerke, die unter die Bindungswirkung des § 3 ROG fallen, müssen schließlich raumbedeutsamen Charakter aufweisen. Im Umkehrschluss bedeutet dieses, dass solche Planungen und Maßnahmen, deren Bedeutung für die Nutzung des Raumes, seiner Funktionen oder Entwick- lung lediglich eine untergeordnete Bedeutung haben, von dieser Bindungswirkung nicht erfasst werden70. Die Raumbedeutsamkeit einer Planung (Maßnahme) oder eines Planes (hier: Regional- planes) wird aus der jeweiligen regionalen Maßstäblichkeit heraus ermittelt71 und korrespondiert mit dem Begriff der Raumnutzung und Raumfunktion eines Gebietes im Sinne von § 7 ROG.

Ebenso wie bei kleinräumig wirkenden Planungen und Planwerke, die von der Bindungswirkung des § 3 ROG nicht erfasst werden, ergibt sich aus der Teil-Räumlichkeit auch, dass Planungen und Maßnahmen, die das gesamte Gebiet der Bundesrepublik betreffen, keine raumbedeutsamen Pla- nungen oder Maßnahmen im Sinne des Gesetzes sind72. Für sie kann sich eine Bindungswirkung an die Erfordernisse der Raumordnung nur aus speziellen Raumordnungsklauseln in den jeweiligen Stammgesetzen ergeben.

Die Aufstellung von Zielen der Raumordnung ist zwar den Ländern überantwortet; an ihrer Formu- lierung und rechtlich verbindlichen Festsetzung sind jedoch die Gemeinden und die Gemeindever- bände, für die eine Anpassungspflicht begründet werden soll, zu beteiligen (§ 1 Abs. 3 ROG, sog.

Gegenstromprinzip). Art und Umfang der durch Artikel 28 Abs. 2 GG verbürgten kommunalen Beteiligung hat sich nach dem jeweiligen Maß und Betroffenheit kommunaler Belange zu richten73. Die Beteiligung verwirklicht das Gegenstromprinzip. Daher erfordert sie umfassende Information und ausreichende Teilnahme an der Planerstellung74.

Die rechtliche Qualifizierung von Festlegungen beziehungsweise Festsetzungen raumplanerischer Elemente als Ziele gewinnt im Zusammenhang mit dem Anbau zu Zwecken der Biomassenutzung eine spezifische Bedeutung. Ziele der Raumordnung führen, wie ausgeführt, zu einer besonderen Bindungswirkung bei niederstufigen Planungsträgern, in der Regel bei den Kommunen. Nur Plan- aussagen der Landes- und Regionalplanung, die als Ziele formuliert und entsprechend kenntlich gemacht (vgl. § 7 Abs. 4 ROG), sind in der Lage, kommunale Planungsvorhaben „einzuhegen“, indem sie die Träger der kommunalen Planwerke (insbesondere der vorbereitenden und verbindli- chen Bauleitplanung) zur Anpassung ihrer Pläne an die Ziele der Raumordnung verpflichten (vgl. § 1 Abs. 4 BauGB). Die planerischen und planungspolitischen Ziele zum Biomasseanbau können dann Wirkmächtigkeit erlangen, wenn sie als Ziele der Raumordnung formuliert werden.

68 GOPPEL 1984, S. 231.

69 BVERWGE 68, 319, 323.

70 RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 238 zu § 3 ROG.

71 RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 239, 249 zu § 3 ROG.

72 RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 241 zu § 3 ROG.

73 BIELENBERG in Bielenberg et al. 2003 ff., § 5, RdNr. 48.

74 Ständige Rechtsprechung, siehe BVERFGE 76, 107; BVERFGE 77, 300.

(19)

13 C. Vorrangs-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete

Festlegungen zur Raumstruktur (gemäß den Katalogen des § 8 Abs. 5 ROG) können durch die Aus- weisung von Gebietsnutzungen zusätzlich qualifiziert werden. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ROG ermöglicht den Ländern die Ausweisung bestimmter Gebiete als Vorrang- (Ausschluss anderer raumbedeutsamer Funktionen oder Nutzungen), Vorbehalts- (bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen erhalten bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen be- sonderes Gewicht) oder Eignungsgebiete (bestimmte raumbedeutsame Maßnahmen, die städtebaulich nach § 35 BauGB zu beurteilen sind, wie Wind- oder Wasserkraft- und Biogasanlagen, und an ande- rer Stelle ausgeschlossen werden). Von diesen Möglichkeiten haben die Länder in ihren Regionalplä- nen in unterschiedlicher Intensität auch für den Bereich Energie Gebrauch gemacht.

In der regionalplanerischen Praxis der Länder stellen Vorranggebiete langjährig bewährte Steuerungsinstrumente zur großflächigen Sicherung und Erhaltung von raumbedeutsamen Nutzungen und von Raumfunktionen dar. Besonders häufig gelangen sie bei folgenden Planungsaufgaben zur Anwendung:

- Vorbeugender Hochwasserschutz

- Wasserversorgung und Grundwasserschutz - Naturschutz und Landschaftspflege

- Rohstoffsicherung - Windenergienutzung75.

Weitere Anwendungsfelder sind bekannt, gelangen aber seltener zur planerischen Anwendung:

Gebiete zur großflächigen Sicherung wertvoller und schutzwürdiger Wälder sowie landwirtschaft- licher Flächen, weiterhin Gebiete für landschaftsbezogene Erholung, zum Schutz der Ressource Böden, zur Sicherung der Siedlungsentwicklung, für Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen, für Forschung und Entwicklung, für Stadterneuerung und für den Klimaschutz76.

Uneinigkeit herrscht in Literatur und Rechtsprechung über die rechtliche Einordnung von Vorbe- haltsgebieten. Vorbehaltsgebiete sind solche Gebiete, in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen bei der Abwägung mit anderen konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen besonderes Gewicht beigemessen werden soll. In der Wortwahl „besonderes Gewicht“

wird von einem Teil der Literatur und Rechtsprechung ein Anhaltspunkt für die Auffassung er- blickt, dass dieses Gewicht nur eingefordert werden dürfe, wenn zuvor im Wege der Abwägung auf landesplanerischer Ebene diesem mit dem Vorbehalt versehenen Belang seine besondere Qualität abschließend beigemessen worden ist77.

„Ein Vorbehaltsgebiet weist insofern eine abschließend abgewogene Komponente im Sinne des Zielbegriffes (§ 3 Nr. 2 ROG) auf, als der Umstand, dass einer bestimmten raumbedeutsamen

75 Siehe SCHOLICH 2005, S. 1261 ff. m.w.N.

76 SCHOLICH 2005, S. 1265.

77 GOPPEL 1998, S. 291; PEINE 2003, § 7 D 4a, RdNr. 237 ; BAYVGH in BayVBl 1998, S. 436 ff.

(20)

14

Funktion oder Nutzung ein <besonderes Gewicht beigemessen werden soll>, in den nachfolgenden Abwägungen nicht mehr zur Disposition steht. (...) Es ist (...) den Abwägenden (...) zumindest für den Regelfall verwehrt, die durch das Vorbehaltsgebiet herausgehobene raumbedeutsame Funktion oder Nutzung nur mit einem einfachen Gewicht zu berücksichtigen. (...) Die Festlegung eines Vor- behaltsgebietes – bedeutet (...), dass ein bestimmter Sachgesichtspunkt (zumindest im Regelfall) zwingend mit einem erhöhten Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Hinsichtlich des erhöhten Gewichts trägt die Festlegung eines Vorbehaltsgebietes mithin landesplanerischen Letztentschei- dungscharakter.“78

Nach wohl überwiegender Meinung weist die Formulierung des „besonderen Gewichts“ jedoch nur auf einen besonderen Abwägungsvorrang hin. Es handelt sich dennoch nicht um landesplanerische Letztentscheidungen, sondern um mit einem besonderen Abwägungsvorrang ausgestaltete Grund- sätze der Raumordnung79. Dieser Abwägungsvorrang stellt ein Optimierungsgebot der Grundsätze der Raumordnung dar80. Vorbehaltsgebiete stellen nach dieser Ansicht Direktiven für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen81 dar, die in einem Planungsraum miteinander harmo- nisieren oder konkurrieren können. Da es für Grundsätze immanent ist, in der erforderlichen Ab- wägung untereinander und gegeneinander in Position gebracht zu werden, spricht nichts dagegen, für ein Vorbehaltsgebiet mehrere verschiedene Vorbehalte für unterschiedliche Funktionen und Nutzungen auszusprechen, die bei von den niederstufigen Planungsinstitution bei entsprechender Überplanung des Gebietes in die Abwägung einzustellen sind82.

Vorbehaltsgebiete erzeugen gegenüber niederstufigen Planungsträgern nur die Verbindlichkeit von Grundsätzen der Raumordnung (§ 3 Nr. 3 ROG); deshalb stellen sie eine planerische Festlegung beziehungsweise Festsetzung geringerer Bindungswirkung dar.

Von ihrer Funktion her zielen Eignungsgebiete auf die planerische Steuerung von raumbedeutsa- men Maßnahmen und Vorhaben, die bauplanungsrechtlich nach § 35 BauGB zu beurteilen sind. Es handelt sich bei den Eignungsgebieten gemäß § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 ROG um ein monofunktionales raumordnerisches Steuerungsinstrument, da mit ihm nur raumordnerische Maßnahmen und Vorha- ben im sog. Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 8 BauGB gesteuert werden können. Im Ver- gleich zu den multifunktionalen Steuerungsinstrumenten Vorrang- und Vorbehaltsgebiet ist es we- niger gut geeignet, Raumnutzungen zu koordinieren und zu steuern83. Durch die Festlegung als Eignungsgebiet können an anderer Stelle des Planungsraumes bestimmte Vorhaben und Maßnah- men ausgeschlossen werden:

„Sie sollen raumbedeutsame Maßnahmen (Vorhaben) im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB dadurch steuern, dass bestimmt Gebiete in einer Region für diese Maßnahmen

78 HENDLER 1998, S. 107; ebenso KOCH/HENDLER 2009, § 3 III 2, RdNr. 25.

79 SCHINK 1998, S. 58; HOPPE 1998, S. 1008 ff.; GROTEFELS in FS Hoppe 2000, S. 376; RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 185 zu § 3; DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 131 zu § 7 ROG; BVERWG in NwVZ 2003, S. 742.

80 HOPPE in Hoppe/Bönker/Grotefels 2004, § 6.4.2.2.2., RdNr. 40.

81 HOPPE in Hoppe/Bönker/Grotefels 2004, § 6.4.2.2.2., RdNr. 41.

82 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 132 zu § 7 ROG.

83 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 134 zu § 7 ROG.

(21)

15

als geeignet erklärt werden, mit der Folge, dass diese raumbedeutsamen Maßnahmen außerhalb dieser Gebiete regelmäßig ausgeschlossen sein sollen. Die Bindungswirkung einer solchen Festle- gung soll sich nach §§ 4 und 5 ROG - ggf. i.V.m. der in § 35 Abs. 3 BauGB enthaltenen Raumord- nungsklausel - richten.“84

Mit der Ausweisung von Eignungsgebieten erfolgt ein Ausschluss entsprechender Vorhaben an anderer Stelle. Die Eignungsgebiete haben damit eine Ausschlusswirkung nach außen und sind insoweit als Raumordnungsziel im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG einzuordnen85. Es handelt sich um planerische Letztentscheidungen86. Als Schwäche des Instruments Eignungsgebiet wird in planeri- scher Sicht angesehen, „dass seine innergebietliche (Hervorhebung von Th.G.) Wirkung vollkom- men offen ist“87. Entsprechend strittig ist die rechtswissenschaftliche Beurteilung. Die Zielqualität hinsichtlich der innergebietlichen Flächen wird teilweise bejaht88, teilweise abgelehnt89. Höchst- richterlich ist zur Zeit zumindest geklärt, dass § 35 Abs.3 S.3 BauGB eine positive Ausweisung an anderer Stelle in Form von Zielen der Raumordnung erfordert:

„Die gesetzgeberische Konzeption verbietet es jedoch, in der Bilanz der Positiv- und Negativflä- chen Vorbehaltsgebiete im Sinne von § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 ROG als Positivausweisung zu wer- ten. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB setzt insoweit Erfordernisse der Raumordnung voraus, die Zielcharak- ter besitzen. Nur so ist sichergestellt, dass sich die privilegierte Nutzung an dem ihr zugewiesenen Standort gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzt. Vorbehaltgebiete bieten diese Gewähr nicht. Sie entfalten typischerweise eine geringere Steuerungskraft. Sie wirken als Gewichtungsvor- gaben auf die nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidung ein und dürfen durch öffent- liche oder private Belange von höherem Gewicht überwunden werden. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 ord- net sie daher den Grundsätzen und nicht den Zielen der Raumordnung zu. Das Raumordnungsge- setz sieht folgerichtig auch nicht vor, dass Vorbehaltsgebiete mit einer Ausschlusswirkung auf anderen Flächen verbunden werden können. Dieses Privileg genießen nach der Konzeption des Bundesgesetzgebers nur Vorrang- und Eignungsgebiete. Den Landesgesetzgebern steht es aller- dings frei, in Ausführung des Rahmenrechts Gebietstypen mit Zielcharakter einzuführen oder zuzu- lassen, die in ihrer gebietsinternen Durchsetzungskraft und Steuerungswirkung Vorrang- oder Eig- nungsgebieten gleichkommen und deshalb in der Flächenbilanz bei der Anwendung von § 35 Abs.

3 S. 3 BauGB als Positivausweisung berücksichtigt werden können.“90

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Planungsträger, der eine Ausschlusswir- kung erzeugen will, sicherzustellen, dass sich privilegierende Vorhaben an anderer Stelle gegen-

84 BT-DRS 13 / 6392, 84.

85 H.M.; siehe HOPPE in Hoppe/Bönker/Grotefels 2004, § 6.4.2.2.3., RdNr. 44; KOCH/HENDLER 2009, § 3 III 2, RdNr. 26.

86 SCHINK 1998, S. 59 und HOPPE ibid.

87 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 135 zu § 7 ROG.

88 HENDLER 1998, S. 113 ff.; SCHMIDT in DVBl 1998, S. 674; PEINE 2003, § 7 D 4a, RdNr. 237 (mit Einschränkung); RUNKEL in Bielenberg et al. 2003 ff., RdNr. 55 zu § 3 ROG (ebenfalls mit Einschränkung).

89 ERBGUTH 1998, S. 212, 214; GROTEFELS in FS Hoppe 2000, S. 380 ff.; HOPPE in Hoppe/

Bönker/Grotefels 2004, § 6.4.2.2.3., RdNr. 44: „innergebietlich ... Charakter eines Vorbehalt-

gebietes nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 ROG ..., ein Optimierungsgebot nach innen ..., nach außen ein Raumordnungsziel“.

90 BVERWGE 118, 33 ff.

(22)

16

über konkurrierenden Nutzungen durchsetzen können91. Unter dieser Voraussetzung können Bin- nenflächen faktisch dann die Rechtswirkung eines Vorbehaltsgebietes erlangen, wenn die Aus- schlusswirkung des Eignungsgebietes für grundrechtsgeschützte Nutzungen wie Kiesabbau oder Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen großflächig erfolgt92, ohne dass dieses ausdrück- lich festgelegt worden ist. Sofern Vorbehaltsgebiete als Raumordnungsziele qualifiziert werden, weisen auch die Binnenflächen von Eignungsgebieten Zielqualität auf. Bei einer Qualifizierung der Vorbehaltsgebiete als Raumordnungsgrundsätze setzt sich hingegen die gespaltene Wirkungsweise der Eignungsgebiete in einer gespaltenen Rechtsqualität fort: Außergebietlich stellen sie Ziele, innergebietlich Grundsätze der Raumordnung dar93.

Schließlich kann nach § 8 Abs. 7 S. 2 ROG vorgesehen werden, dass Vorranggebiete für raumbe- deutsame Nutzungen zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten für raumbedeutsame Maßnah- men haben können (Vorraggebiete mit Wirkungen von Eignungsgebieten). Die Gesetzesnorm re- gelt keinen eigenständigen Raumordnunggebietstyp, sondern kombiniert den zielförmigen innerge- bietlichen Vorrang mit dem zielförmigen außergebietlichen Ausschluss des Eignungsgebietes94. Der innergebietliche Ausschluss von Nutzungen, die den festgelegten Vorrang beeinträchtigen, wird mit einem außergebietlichen Ausschluss der innergebietlich festgelegten Maßnahmen verbun- den95. Damit wird es beispielsweise möglich, Siedlungsgebiete besonders scharf darzustellen. Über die (eingeschränkte) Nutzungsmöglichkeit von Flächen für Siedlungszwecke außerhalb der Sied- lungsgebiete gemäß § 35 BauGB bewirkt die Festsetzung beziehungsweise Festlegung eines Gebie- tes innerhalb des Siedlungsbereiches einer Kommune als Vorranggebiet mit Wirkung eines Eig- nungsgebietes eine ausschließliche Konzentration der Siedlungstätigkeit auf die dergestalt fixierten Flächen.

D. Mengenziele

Eine weitere Option stellen regionale Mengenziele dar. Diese können die maximale Anbaufläche für Biomasse in einer Region oder den Anteil von Biomasse und anderen Erzeugungsarten regenerativer Energien an der regionalen Energieerzeugung festlegen96. Der maximal oder minimal anzustrebende Anteil kann durch ein Ziel der Raumordnung festgelegt werden. Auch eine Beschränkung der maxi- mal zulässigen Anbaufläche für Biomasse in einer Region ist durch eine Zielfestlegung möglich97. Mengensteuernde Instrumente stellen einen besonderen Anwendungsfall der sog. parametrischen Steuerung dar. Bei dieser Form der Steuerung wird ein operationalisierbares Ziel (Parameter) nach- geordneten Adressaten vorgegeben; Art und Weise der Zielerreichung bleibt diesen jedoch selber überlassen98. Mengenziele sind in der Regionalplanung ein bislang wenig angewandtes Instrument, werden aber bereits bei der Steuerung des Wohnflächenzuwachses benutzt99. Obwohl sich in einer

91 DALLHAMMER in Cholewa et al. 1998 ff., RdNr. 136 zu § 7 ROG.

92 KOCH/HENDLER 2009, § 3 III 2, RdNr. 27.

93 HENDLER 1998, S. 114

94 RUNKEL 1998, S. 452; ERBGUTH 1998, S. 211 ff.

95 GROTEFELS 2000, S. 382.

96 EINIG 2008 Folie 9.

97 EINIG 2011 in IzR, S. 384 re.Sp.

98 COOLS/FÜRST/GRIEST 2003.

99 Hinweise bei GAWRON 2007 A, S. 127 m.w.N., und Ludwig 2010, DVBl. S. 948.

(23)

17

bundesweiten Befragung ein knappes Drittel (31 %) der Träger der Regionalplanung für Vorgaben des Landes ausgesprochen haben, wie viel an Flächen in einer Planungsregion für den Anbau von Biomasseprodukten zur energetischen Nutzung vorzusehen ist100, liegen bislang im Bereich der Steu- erung der Biomassenutzung keine Erfahrungen vor101.

Als Vorbild kann jedoch das Landesraumordnungsprogramm von Niedersachsen (in der Fassung vom 08. Mai 2008) dienen, das als Ziel der Raumordnung für ausgewählte Kreise eine ausreichende Ausweisung von Vorrangebieten für Windkraftnutzung fordert, deren Umfang so bemessen sein muss, dass die verbindlichen landesplanerisch vorgegebenem MW – Mindestwerte für Windenergie- nutzung erreicht werden können102. Voraussetzung für die Formulierung von Mengenzielen ist stets eine realistische Abschätzung des Angebots- und Nachfragepotenzials von Biomasse in der Regi- on103. Dafür können Regionale Energiekonzepte bzw. Biomasseentwicklungskonzepte104 Bedeutung erlangen.

Auf den Ebenen der Landes- und Regionalplanung ist zu berücksichtigen, dass eine verstärkte Nut- zung erneuerbarer Energien mit einer Zunahme großräumiger und intensiver Flächennutzungen sowie – bei wachsender Bedeutung energetisch effizienter Ver- und Entsorgungseinheiten – auch mit der Zunahme von Transportverkehren in ländlichen Räumen einhergehen wird. Vermehrte Nutzungskon- flikte in der Fläche auf der einen und vermehrt (dezentrale) Wirtschaftskreisläufe auf der anderen Seite werden die Folge sein. Sie werden zukünftig Veränderungen in den räumlichen Strukturen und Nutzungen maßgeblich prägen.

E. Planungspraxis

Bislang liegen nur wenige Untersuchungen zur Planungspraxis bei der Ausweisung von Anbauflä- chen erneuerbarer Energien vor. Zu erwähnen sind die Diplomarbeit an der Fakultät für Raumpla- nung der Technischen Universität Dortmund105 und ein Forschungsprojekt, das gemeinsam vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und dem Deutschen Biomasseforschungs- zentrum (DBFZ) zu räumlichen Bedingungen und Auswirkungen der Biomasseproduktion durch- geführt worden ist106. Am Beispiel einer detaillierten Erhebung der Potentiale in der Planungsregi- on Westsachsen kommen die brandenburger und sächsischen Forscher/innen zu dem Ergebnis, dass die Bioenergiebereitstellung umweltfreundlich und konfliktarm gestaltet werden kann. Die Regio- nalplanung verfügt über Steuerungsmöglichkeiten, die aus der Bioenergiebereitstellung resultieren- den Umweltauswirkungen und Flächenkonkurrenzen zu steuern107. In der eben genannten detail- liert untersuchten Planungsregion werden zu knapp 50 Prozent der Gesamtfläche bereits textliche

100 MÜLLER/MATZDORF/GAASCH/KLÖCKNER/STARCK/BRANDES (alle ZALF)/BUNZEL/PÄTZ (beide DBFZ) 2010, S. 106.

101 EINIG 2011, S. 384 li.Sp.

102 LANDESRAUMORDNUNGSPROGRAMM NIEDERSACHSEN 2008, Kapitel 4.2, Plansatz 04.

103 EINIG 2008, Folie 11.

104 GASCH/STARICK/KLÖCKNER/MÖLLER/MÜLLER/MATZDORF in IzR 2011, S. 348.

105 TEBBE/WINTER 2010.

106 MÜLLER/MATZDORF/GAASCH/KLÖCKNER/MÖLLER/STARCK/BRANDES (alle ZALF)/

BUNZEL/PÄTZ (beide DBFZ) 2010.

107 MÜLLER ET AL. a.a.O., S. 79.

(24)

18

oder zeichnerische Aussagen im Regionalplan getroffen108. Entsprechende planerische Festlegun- gen können bsp. folgendermaßen lauten:

Übersicht 1: Nutzungsfestlegungen nach Gebietstypen

Gebietstypik Inhalt Instrument

Grünland Ausschluss von Ackerland/

KUP

VRG NuL

Fluss- und Bachauen Ausschluss von Ackerland VRG NuL VBG NuL Kulturhistorisch bedeutsame

Böden

Ausschluss von Ackerland/

KUP

Ziele ohne VRG/VBR

Grünland mit hohem Retenti- onsvermögen

Ausschluss von Ackerland VRG vorbeugender Hochwas- serschutz

Biotoptyp Ausschluss von Waldrestholz-

nutzung

VRG NuL

Freiraum Ausschluss von Anlagen Ziel

Offen zu haltende Landschaften eines Biotopverbunden

Streifenförmige KUP; Agro- forstsysteme

VRG NuL

Bergebaufolgelandschaft Extensive Nutzungsformen/

KUP

Braunkohleplan

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Müller/Matzdorf/Gaasch/Klöckner/Starck/ Brandes (alle ZALF)/ Bunzel/Pätz (beide BBFZ) 2010, Raumverträgliche Bioenergie-bereitstellung, Ebers- walde und Leipzig

Nur in Teilräumen ist mit negativen Umweltauswirkungen und nicht zu vereinbarenden Rauman- sprüchen zu rechnen. Flächenkonkurrenzen können nach Auffassung des Forschungsteams durch Bewirtschaftungsbeschränkungen und Nutzungsauflagen vermieden werden109. Ihre Analyse wie- derlegt die häufig geäußerte Meinung, durch Regionalpläne könnten lediglich Anlagen (im Außen- bereich) gesteuert werden110. U.a. haben sie folgende Empfehlungen ausgesprochen:

108 MÜLLER ET AL., a.a.O., S. 76.

109 STARICK/MATZDORF 2010, Folie 5.

110 STARICK/MATZDORF 2010, op.cit., Folie 7. Siehe auch EINIG 2011, a.a.O.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Produktgruppe: 009.001 Räumliche Planung und Entwicklung, Geoinformationen.. Produkt: 009.001.001 Räumliche Planung

Lagern: Nach dem Abtropfen wird das Käslein auf einem Rost gelagert und mit einer umgekehrten Schüssel zugedeckt (so wird das Austrocknen

Weithin offen ist jedoch auch heute noch, inwieweit und inwiefern Vorstellungen und Konzepte aus der NS-Zeit durch die Kontinuität von Institutionen und Personen die Realität

[r]

Die Stunden 4–7 liegen jeweils mehrere Wochen auseinander, da zunächst Ringelblumensamen gesät werden, die sich entwickeln müssen, um Blüten ernten zu können, die

Möchte die Gemeinde weiterhin im selben Umfang Leistungen anbieten können, welche nicht durch allgemeine Gebühren, Steuergelder oder Fremdkapital finanziert werden müssen, ist

Das Institut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kritisierte aus diesem Grun- de, dass Nutzenbewertungen von Arzneimitteln, für die mitunter meh-

Das Gebiet der Einbeziehungssatzung und seine nähere Umgebung bieten mit Acker-, Verkehrs-, Grünland- und von Ziergehölzen geprägten Wohngartenflächen