Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 41|
15. Oktober 2010 A 1981STUDIEN IM FOKUS
Frauen mit Keimbahnmutationen der DNA-Reparaturgene BRCA1 und -2 haben ein deutlich erhöhtes Risiko vor allem für Mamma-, aber auch für Ovarialkarzinome. Es wird die engmaschige Überwachung mit bildgebenden Verfahren empfohlen.
Prophylaktische Operationen oder medikamentöse Prävention müssen der S3-Leitlinie zur Brustkrebs- Früherkennung zufolge sehr sorg- fältig abgewogen werden. Der Nut- zen prophylaktischer Operationen wurde in einer großen Kohorten - studie prospektiv untersucht.
In 22 Zentren in Nordamerika und Europa war zwischen 1974 und 2008 bei 2 482 Frauen eine Muta - tion in einem der BRCA-Gene dia - gnostiziert worden. Keine der 247 Frauen mit prophylaktischer Mas t - ektomie entwickelte bei prospek - tiver Beobachtung bis 2009 ein BRCA1/2-GENMUTATIONEN
Prophylaktische Operationen senken Krebsrisiko
Mammakarzinom, jedoch 98 von 1 372 Frauen ohne Operation. Die Mortalität wurde durch die Mastek- tomie nicht beeinflusst.
Eine prophylaktische Salping - oophorektomie senkte das Risiko für Ovarialkarzinome bei Brust- krebs in der Anamnese von 6 % auf 1 % (Hazard Ratio 0,15; 95%-Kon- fidenzintervall 0,04–0,59), ohne Brustkrebsanamnese von 6 % auf 2 % (HR 0,28; 95%-KI 0,12–0,69).
Bei Frauen mit BRCA1-Mutation reduzierte die Entfernung von Ovar und Eileiter das Risiko für ein ers- tes Mammakarzinom von 20 % auf 14 % (HR 0,63; 95%-KI 0,41–0,96), bei Vorliegen von BRCA2-Muta- tionen sogar von 23 % auf 7 % (HR 0,36; 95%-KI 0,16–0,82). Die Ge- samtmortalität sank durch die Sal- pingoophorektomie von 10 % auf 3 % (HR 0,40; 95%-KI 0,26–0,61),
die Sterblichkeit bei Brustkrebs von 6 % auf 2 % (HR 0,44;
95%-KI 0,26–0,76) und die Sterb- lichkeit bei Ovarialkar zinom von 3 % auf 0,4 % (HR 0,21; 95%-KI 0,06–0,80).
Fazit: Bei Frauen mit BRCA1/2- Mutationen führte die prophylakti- sche Mastektomie zu einer signifi- kanten Reduktion des Auftretens von Brustkrebs, nicht jedoch der Mortalität daran. Die prophylakti- sche Salpingoophorektomie senkte die Risiken für Ovarial- und Mam- makarzinome und die Mortalität.
Die Daten bestätigten jene aus Vorläuferstudien mit kleineren Fallzahlen, seien sehr valide und hätten Bedeutung für die Beratung von Mutationsträgerinnen, sagte Prof. Dr. med. Marion Kiechle (München). Josef Gulden
Domchek SM et al.: Association of Risk- Reduc ing Surgery in BRCA1 or BRCA2 Muta - tion Carriers With Cancer Risk and Mortality.
JAMA 2010; 304: 967–75.
Viele Patienten mit fortgeschritte- nen Erkrankungen leiden unter quä- lender Atemnot, bei bis zu 90 % der Patienten tritt eine Dyspnoe mit Krebs auf, bei bis zu 95 % der Pa- tienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und bei bis zu 88 % der Patienten mit Herzinsuffizienz. Der Nutzen einer Sauerstoffgabe ist bislang nur bei Patienten mit COPD und Hypox - ämie nachgewiesen.
In einer doppelblinden randomi- sierten kontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit von intranasaler Sauerstoffgabe und Raumluft bei Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen, refraktärer Dys- pnoe und einem arteriellen Sauer- stoffpartialdruck (PaO2) > 7,3 kPa (> 55 mgHg) in neun Zentren in Australien, den USA und Großbri-
REFRAKTÄRE ATEMNOT BEI PALLIATIVPATIENTEN
Therapie mit Sauerstoff ohne Vorteil vor Raumluft
tannien verglichen. Über einen Na- senkatheter wurden 120 Patienten mit Sauerstoff und 119 Patienten mit Raumluft (2 l/min) sieben Tage lang versorgt, wobei sie den Kon- zentrator mindestens 15 Stunden täglich benutzen sollten. Primärer Endpunkt der Studie war die von den Patienten bewertete Empfin- dung der Atemnot mit Hilfe einer Zehnpunkteskala.
Atemnot und Lebensqualität bes- serten sich in beiden Gruppen, ohne Unterschied zwischen Sauerstoff und Raumluft. Die Besserungen bei Atemnot und Lebensqualität traten in der Regel innerhalb der ersten drei Tage ein. Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen unterschieden sich in beiden Gruppen ebenfalls nicht. Im begleitenden Editorial wird darauf hingewiesen, dass in
der Studie der Einfluss der Be - wegung nicht untersucht wurde.
Andererseits bedeutet eine Sauer- stofftherapie eine weitere Belastung für den Patienten und weitere Kos- ten für das Gesundheitswesen.
Nach den Ergebnissen dieser Studie sollte eine Sauerstoffbehandlung bei Patienten ohne Hypoxämie ver- mieden werden, es sei denn, es gebe spezielle Gründe.
Fazit: Bei schwer kranken Patienten mit refraktärer Atemnot ohne Hyp - oxämie hat eine Behandlung mit Sauerstoff im Vergleich zu Raum- luft keine Vorteile.
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
1. Abernethy AP et al.: Effect of palliative oxy- gen versus room air in relief of breathless- ness in patients with refractory dyspnoea:
a double-blind, randomised controlled trial.
Lancet 2010; 376: 784–93.
2. Higginson IR: Refractory breathlessness:
oxygen or room air? Lancet 2010; 376:
746–7.