Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 9|
4. März 2011 A 427RANDNOTIZ
Heike Korzilius
Jeden anglophilen Zeitgenossen wird es erfreuen: Die englische Sprache erobert den Alltag. Der Cof- fee to go hat seinen festen Platz im kulinarischen Treiben. Wenn es beim Essen schnell gehen muss, fährt man beim Drive-in-Schalter vor, das Auto säubert man bei Mr. Wash, und sollte man am Bahnhof mal müssen,
kann man das bei McClean erledi- gen. Auch so mancher Filmverleih macht sich nicht mehr die Mühe, Filmtitel ins Deutsche zu übersetzen.
Da schaut man sich dann „Black Swan“, „The King’s Speech“ oder
„Another Year“ an. Zugegeben – in all diesen Fällen bleiben die Folgen überschaubar, wenn man nicht jedes einzelne Wort versteht.
Szenenwechsel: die Notaufnahme einer Universitätsklinik irgendwo im Westen Deutschlands. Hinweisschil- der sollen den Patienten die Orien- tierung erleichtern, sinnloses Umher- irren verhindern und den Zugang zu schneller Hilfe ermöglichen. Theore- tisch. „Stroke Unit“ prangt dort in großen Lettern und „Chest Pain Unit“. Nun kann man davon ausge- hen, dass das Personal – vom Arzt über den Pfleger bis hin zum Ver- waltungsangestellten – auch ohne Untertitel weiß, was sich hinter den Bezeichnungen verbirgt. Handelt es sich doch um den geläufigen wissen- schaftliche Jargon, der demonstriert, dass man auf der Höhe der Zeit agiert und international in der Champion’s League mitspielt.
Von dieser Symbolik unbeein- druckt bleibt der Patient. Spricht er kein oder nur unzureichend Eng- lisch, wird er einzig mit dem Pro- blem hadern, in welche Richtung er sich mit seinen Brustschmerzen denn nun wenden soll. Einen Erklä- rungsansatz für die Fremdsprachen- affinität der Schildermaler liefert ein Intensivpfleger: „Die spinnen.“
Everything clear
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat eine Analyse der Ver- sorgung depressiver Patienten vor- gelegt. Der mehr als 340 Seiten lange Bericht stellt detailliert den derzeitigen Stand von Diagnose, Therapie, Versorgungsangeboten und Präventionsmöglichkeiten bei De- pressionen dar.
Die Analyse gehört zum Modell- projekt „Verfahren zur verbesserten Versorgungsorientierung am Bei- spielthema Depression“. „Die Idee war, an diesem Beispiel zu prüfen, ob die Gesamtanalyse eines Versor- gungsfeldes einen Zugewinn bringt“, erklärte Dr. Rainer Hess, Vorsitzen- DEPRESSION
G-BA stellt Analyse der Versorgung vor
der des G-BA. Der Bericht soll als Grundlage für Arbeitsaufträge und Handlungsempfehlungen dienen, über die in den Unterausschüssen des G-BA beraten werden soll.
Eine abschließende Bewertung, ob auch weitere Indikationen nach diesem Modell analysiert werden sollen, steht noch aus. Hess sprach sich trotz des hohen personellen und zeitlichen Aufwands für die Fortfüh- rung solcher Projekte aus. Der Be- richt kann auf der Internetseite des G-BA abgerufen werden (www.
g-ba.de/downloads/17-98-3016/
2011-02-17_Versorgungsorientie rung_Bericht.pdf). mei
Knapp eine halbe Million Men- schen in Deutschland erfüllt die DSM-IV-Kriterien für die Diagnose Pathologisches Glücksspielen. Cir- ca 800 000 Menschen kann man als problematische Spieler bezeichnen (drei bis vier DSM-Kriterien), und etwa drei Millionen erfüllen ein bis
zwei Kriterien für problematisches Glücksspielen. Dies sind die Ergeb- nisse des Projekts Pathologisches Glücksspielen und Epidemiologie (PAGE) der Universitäten Greifs- wald und Lübeck. Die großangeleg- te Studie wurde von den Bundes- ländern finanziert, die im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags von 2008 verpflichtet wurden, die wis- senschaftliche Forschung zur Ver- GLÜCKSSPIEL
Hohes Suchtrisiko durch Spielautomaten
meidung von Suchtgefahren durch Glücksspiele sicherzustellen.
„Das höchste Suchtrisiko weisen Glücksspielautomaten in Spielhal- len oder Gaststätten auf“, sagt Stu- dienleiter Dr. med. Hans-Jürgen Rumpf, Universität zu Lübeck. Er- höhte Raten fanden die Wissen- schaftler bei jüngeren Män- nern, Migranten, Menschen mit niedrigerem Bildungssta- tus und Arbeitslosen. Rumpf sprach zudem von einer „gra- vierenden therapeutischen Un- terversorgung“ von pathologi- schen Glücksspielern.
Angesichts der Ergebnisse der PAGE-Studie fordert der Grünen-Politiker Harald Ter- pe Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und Bun - desgesundheitsminister Philipp Rösler (beide FDP) auf, „end- lich die Reißleine zu ziehen und wirksame Vorgaben für das Auto- matenspiel einzuführen“. Rösler hatte zuvor dem Vorstoß der Bun- desdrogenbeauftragten, Mechthild Dyckmans, Geldspielautomaten in Gaststätten zu verbieten, eine Absa- ge erteilt. Er schlägt die Einführung einer Spielerkarte vor, die mit ei- nem Geldbetrag geladen werden
kann. PB
Einfacher Zu- gang, hohes
Risiko: Das Spielen an Automaten kann süchtig machen.
Foto: Keystone