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NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Ileus
Beim Ileus liegt entweder eine mechanische Verlegung des Darmlumens durch Strangulation oder durch einen obstruierenden Prozeß vor, oder es handelt sich um eine Funktionsstörung durch Darm- lähmung oder spastische Kontraktionen, so daß eine geregelte Peristaltik nicht in Gang kommt. Be- sonders gefährlich ist der Strangulationsileus, bei dem es durch Einklemmung in äußere oder inne- re Hernien, durch Bridenabschnürung, durch Volvulus oder Intussuszeption gleichzeitig zu einer Abklemmung der Blutversorgung mit konsekutiver Nekrose des Darmes kommt. Bei einer Lumen- obstruktion durch intrinsische Prozesse oder durch Kompression von außen bleibt die Blutversor- gung zunächst intakt. Ursache des häufigen dynamischen Ileus sind toxische Einflüsse (Stoffwech- selstörungen, Peritonitis) oder eine reflektorische Darmlähmung (Gallen- und Nierenkolik, Ovartor- sion, Myokardinfarkt). Der spastische Ileus bei Bleivergiftung, akuter Porphyrie und Tabes spielt nur eine untergeordnete Rolle. Für die klinische Symptomatik entscheidend ist ferner der Sitz des Darmverschlusses: Je höher der Verschluß (Dünndarmileus), desto stürmischer ist das Erschei- nungsbild und der Verlauf.
Symptomatik
Plötzlich einsetzende krampf- artige periumbilikale Schmer- zen, in Intervallen von 3 bis 5 Minuten auftretend, Erbrechen großer Flüssig- keitsmengen, Singultus, verfallenes Aussehen, Tachy- kardie, Hypotonie, Exsikkose.
Nach einigen Stunden Dauer- schmerz, fäkulentes Erbre- chen, Zeichen der Peritonitis, Fieber, Oligurie: Dünndarm- ileus.
Milder, protrahierter Verlauf mit allmählichem Einsetzen von Stenoseerscheinungen, Borborygmi, Meteorismus, Singultus, Stuhl- und Wind- verhaltung: Dickdarmileus.
Diagnose
• Abdominelle Narben?
• Hernien?
• Sichtbare Darmsteifungen bei dünnen Bauchdecken, synchron mit Kolik gesteiger- te peristaltische Aktivität (Stenoseperistaltik) bei Aus- kultation des Abdomens (hochklingend — metallisch), im paralytischen Stadium Fehlen der Darmgeräusche.
• Bei druckschmerzhaftem Abdomen Verdacht auf Stran- gulation.
• Digitale Untersuchung der Bruchpforten und des Mast- darms.
• Während der ersten 24 Stunden können beim Ileus noch Stuhl und Winde abge- hen!
Therapie
O Legen einer Sonde in Ma- gen — Duodenum, absolute Nahrungskarenz.
O Volumensubstitution mit 500 ml Plasmasteril® oder Ringerlösung bei längerem Krankenhaustransport.
• Analgesie mit 2 bis 5 ml Buscopan comp.® oder Noval- gin® i. v.
O Sedierung des Patienten mit 10 mg Valium® i. m.
O Umgehende Einweisung in eine chirurgische Klinik.
Je heftiger die Koliken, je anhaltender das Erbrechen und je ausgeprägter der Schock, desto ern- ster ist die Prognose und desto dringlicher ist ein chirurgisches Vorgehen. Häufigste Ursachen ei- nes mechanischen Ileus sind Adhäsionen und Briden, inkarzerierte Hernien, Tumoren und Invagi- nationen. Beim reinen paralytischen Ileus, zum Beispiel nach Nierenkolik, Versuch einer Stimula- tion der Peristaltik mit 0,5 bis 1 mg Prostigmin®, 0,5 bis 1 g Bepanthen® in 500 ml 0,9prozentige NaCI-Lösung oder 1/4 mg Doryl® (1 Amp.) s. c. möglich. 1 x Klysma-Sorbit® zur Peristaltikanregung.
Anschrift des Verfassers:
Privatdozent Dr. med. Wolfgang Rösch Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12, 8520 Erlangen
2210 Heft 35 vom 26. August 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT