Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
28. Juni 2017
Grenzen der Grenzwertableitung , Berlin
Grenzwertableitung Kupfer:
AGS, wir haben ein Problem!
Dr. Martin Wieske
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Regelungen am Arbeitsplatz
Startpunkt: TRGS 900
2
Arbeitsplatz-Grenzwert (AGW)
Konzentration eines Stoffes, bei der auch bei wiederholter, langfristiger Exposition keine
Gesundheitsbeeinträchtigung zu befürchten ist.
Keine Gefährdung
„Gesundheitsbasierter“
Grenzwert
Bis 2005:
Technische Richt-
Konzentrationen (TRK)
Geringste Konzentration eines Stoffes, die nach dem Stand der Technik
(vertretbarer Aufwand) erreicht werden kann.
Verbleibende Gefährdung/ Risiko
„Stand der Technik“ basierter Grenzwert
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Aufgehobene Luftgrenzwerte der TRGS 900:
• Beryllium und seine Verbindungen
• Cadmium und seine Verbindungen
• Chrom (VI)-Verbindungen
• Cobalt und seine Verbindungen
• Kupfer und seine Verbindungen
• Nickel und seine Verbindungen
• …
Gefahrstoffverordnung 2005
Folgen für die Metallindustrie
3
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
KUPFER IST EIN ESSENTIELLES ELEMENT FÜR DEN MENSCHEN
ERFAHRUNGEN AM ARBEITSPLATZ LIEGEN VORAufgehoberer MAK:
• 1000 µg/m³ (E)
• 100 µg/m³ (A)
Die Realität
4
Bild: Aurubis
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Der übliche Weg:
Basis: Epidemiologie und tierexperimentelle Studien (sowie in vitro Daten)
• Identifikation des empfindlichsten Endpunktes (lokal, systemisch)
• Identifikation der Dosis ohne adversen Effekt (NOAEL)
• Ggf. Berechnung der humanäquivalenten Konzentration (HEC)
• Anwendung von Sicherheitsfaktoren abhängig von der Datenlage (Speziesunterschiede, Studiendauer, Expositionsweg)
• Festsetzung des rechtsverbindlichen AGW
• Bekanntmachung in TRGS 900
Ableitung von Arbeitsplatzgrenzwerten (BekGS 901)
5
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
MAK 2004
MAK 2013
MAK: Kupfer und seine anorganischen Verbindungen
6
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Wahrnehmung
7
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Kritischer Endpunkt: Lokale Wirkungen am Atemtrakt
• Nach alter MAK-Begründung (2004) weder valide epidemiologische Studien noch gute tierexperimentelle Daten vorhanden
• Alter MAK-Wert wurde aus Tierstudien geschätzt.
• Mittlerweile neue 28-Tage Studie an Ratten mit Cu2O (A-Staub) nach OECD Guideline 412 vorhanden (ICA 2010)
• Neuer MAK-Wert für A-Staub basierend auf dieser Studie und HEC + MPPD 2.01 festgesetzt
UA III:
• Deponierte Dosis über MPPD 2.01 berechnet, Neuberechnung der deponierten Dosis mit MPPD Version 2.11 und HEC nach Leitfaden
• Anwendung von Extrapolationsfaktoren trotz HEC
MAK und UA III
8
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Exposition gegenüber Cu2O: 0,2/ 0,4/ 0,8/ 2 mg/m³
• Neutrophile im Blut ; ab 0,4 mg/m³ signifikant
• Lungengewichte , ab 0,4 mg/m³ signifikant
• Akute Entzündung (Lunge) , ab 0,4 mg/m³ zunehmend
• Bronchioalveoläre Lavage: LDH, Gesamtprotein, Gesamtzellzahl und % Neutrophile ,
• Lymphoide Hyperplasie des bronchialen Lymphknoten , ab 0,4 mg/m³ bei der Mehrzahl der exponierten Tiere
• Keine nasalen subakuten Entzündungen bei 0,4 und 0,8 mg/m³
• 3 Tiere mit subakuter nasaler Entzündung bei 2 mg/m³
Histiozytose (foamy macrophages) (Lunge) ab 0,2 mg/m³
Die Befunde:
28-Tage-Studie
9
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Kritischer Effekt: Lokale Wirkung am Atemtrakt
• Niedrigste Dosisgruppe (0,2 mg Cu2O bzw. 0,17 mg Cu/m³) als LOAEC
• Faktor 3 für Extrapolation auf NAEC: 0,067 mg Cu2O/m³
• Einstufung von Cu2O als schwerlöslich
• Berechnung deponierter Dosis (MPPD 2.01) und HEC-Berechnung
• NAEC Mensch 0,012 mg Cu/m³
Unterstützende Daten:
• Drummond (1986): Dosisabhängige Reduktion der pulmonalen Abwehrmechanismen ab 0,12 bzw. 0,13 mg/m bei gleichzeitiger Streptokokken-Inhalation (Maus CuSO4)
• Epidemiologie (Gleason 1968): Grippeähnliche Symptome bei 0,12 bis 0,36 mg/m³, nicht bei 0,008 mg/m³
MAK-Wert basierend auf allen Daten: 0,01 mg/m³ (10 μg/m³)
MAK
10
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
HEC-Berechnung gemäß Leitfaden:
• Für leicht lösliche Stäube:
HEC/CT = 0,008 x 150 x (DFT/DFH) = 1,2 x (DFT/ DFH)
• Mechanismus-Vorstellung: größter Teil der deponierten Dosis von Cu2O wird erst nach Phagozytose in den Makrophagen gelöst wird und dort zytotoxisch wirkt
HEC-Berechnung für Cu2O nach Leitfaden
11
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Basis: LOAEC 0,2 mg Cu2O/m³ (28 Tage-Studie)
• Extrapolationsfaktor LOAEC auf NOAEC: 3
• HEC (leicht löslicher Staub) ~2
• Extrapolationsfaktor Subakut auf Chronisch: 6
• Faktor für Inter- und Intraspeziesvariabilität: 5
• Umrechnung von Cu2O auf Cu
~200
AGW 1,09 μg Cu/m³
Berechnung nach AGW-Kriterien mit HEC
12
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Basis: LOAEC 0,2 mg Cu2O/m³ (28 Tage-Studie)
• Extrapolationsfaktor LOAEC auf NOAEC: 3
• Extrapolationsfaktor Subakut auf Chronisch: 6
• Faktor für Inter- und Intraspeziesvariabilität: 5
• Extrapolation erhöhte Atemtätigkeit: 2
• Umrechnung von Cu2O auf Cu
~200
AGW 0,98 μg Cu/m³
Berechnung nach AGW-Kriterien ohne HEC
13
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
Beurteilungsmaßstäbe für Metalle
Einordnung
14
Stoff Beurteilungsmaßstab Ehem. Werte
Beryllium und
Berylliumverbindungen AGW 0,14 µg/m³ (E)
AGW 0,06 µg/m³ (A) 5 µg/m³ bzw. (E) 2 µg/m³
Cadmium und anorg.
Cadmiumverb. als C1A, C1B eingestuft
AK 0,16 µg/m³ (A)
TK 1,0 µg/m³ (E) 30 µg/m³ bzw. (E) 15 µg/m³
Chrom (VI)-Verbindungen BM 1,0 µg/m³ (E) 100 µg/m³ bzw. (E) 50 µg/m³
Cobalt und anorganische Cobaltverb als C1A, C1B eingestuft
AK 0,5 µg/m³ (A) TK 5,0 µg/m³ (A) 500 µg/m³ bzw. (E) 100 µg/m³
Kupfer und seine
Verbindungen AGW 1,0 µg/m³ (A) 1000 µg/m³ (E)
100 µg/m³ (A)
Nickel Metall AGW 6,0 µg/m³ (A) 500 µg/m³ (E)
Nickelverbindungen als
C1A, C1B eingestuft AK 6,0 µg/m³ (A) TK 6,0 µg/m³ (A) 500 µg/m³ (E)
* noch nicht veröffentlicht
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
ARBEITSMEDIZINISCHE UNTERSUCHUNGEN OSTIGUY 1995:
• Copper refinary: Elektrolyse und Gießerei
• Verunreinigungen: Ag, Se, Pb, As, Schwefelsäure, Asbest
• Total dust < 5 mg/m³, Cu < TLV Canada (0,2 mg/m³)
• 494 Arbeiter in 1991, davon 80 % schon in 1983 untersucht
• Keine relevanten Effekte
BORAK (2000):
• kein Zusammenhang zwischen Cu-Expositionen und einer erhöhten Inzidenz von Metallrauchfieber
Diskrepanz zu Human-Informationen
15
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
STATEMENTS VON ARBEITSMEDIZINERN
• Untersuchungen von sehr vielen Arbeitnehmern, die z.T. auch Jahrzehnte gegenüber Kupfer exponiert waren.
Untersuchungsumfang von präklinischen Parametern bis hin zu Lungenfunktionstests: keine Befunde.
MESSREPORT
• Expositionen in der deutschen kupferherstellenden und – verarbeitenden Industrie.
• Die TRK Werte bis 2004 wurden überwiegend eingehalten (1 mg/m³ für E-Staub und 0,1 mg/m³ für Kupfer-Rauch)
Diskrepanz zu Human-Informationen
16
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
TIERVERSUCH VERSUS HUMANDATEN:
? Ratte sensitiver als der Mensch
? funktionelle Unterschiede zwischen Ratten- und Humanmakrophagen
? Effekte, die in den tierexperimentellen Studien (nur 28-Tage Studie) beobachtet wurden, werden in Humanstudien
möglicherweise gar nicht untersucht oder können nicht untersucht werden
Frage nach Relevanz der Tierdaten für den Menschen und nach Adversität bleibt!
Mögliche Ursachen für die Diskrepanz
17
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
BEGLEITUNG DURCH EXPERT PANEL
• Darstellung der vermutlich an den Arbeitsplätzen prozessbedingt zu erwartenden Verbindungen.
• Untersuchung zur Bioverfügbarkeit von Kupfer aus arbeitsplatztypischen Stäuben: Speziesspezifische Wirkungsunterschiede von Cu-Ionen denkbar
• Erhebung von Humandaten (Exposure Studies und quantitative Vergleiche)
Kupfer: Lösungsansätze
18
Martin Wieske, 28.6.2017 Seite
28. Juni 2017
Grenzen der Grenzwertableitung , Berlin
Danke!
Dr. Martin Wieske