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Archiv "Epidemiologie der Meningokokken-Meningitis: Weltweite Ausbreitung eines neuen, virulenten Serogruppe-C-Stammes" (27.12.1999)

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A-3302

M E D I Z I N

(34) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 51–52, 27. Dezember 1999 er gramnegative Diplokokkus

Neisseria meningitidis (Me- ningokokkus) verursacht Sep- sis und Meningitis. Die invasive Me- ningokokken-Erkrankung (IMD) be- trifft überwiegend Kleinkinder und Ju- gendliche. Hierbei sind geographische Unterschiede in der Altersverteilung zu beobachten. So wurden Meningo- kokken-Infektionen in England und Wales im Beobachtungszeitraum von 1984 bis 1991 überwiegend im Alter bis einem Jahr beobachtet, wobei im sechsten Lebensmonat die Inzidenz mit 50/100 000/Jahr am höchsten war (Gesamtinzidenz 0,4/100 000/Jahr). In Norwegen hingegen fanden sich zirka 30 Prozent der Infektionen bei den 13- bis 20jährigen (17). In Deutschland beträgt die Inzidenz der Erkrankung für die Gesamtbevölkerung etwa 1/

100 000/Jahr (10). Meningokokken-In- fektionen treten sowohl endemisch als sporadische Fälle, als auch gelegentlich als Ausbrüche der Erkrankung, die bis zur Epidemie reichen können, auf.

Ausbrüche haben in industrialisierten Ländern überwiegend familiären oder

institutionellen Ursprung. Sie gehen zum Beispiel von Kindergärten, Schu- len, Wohnheimen oder militärischen Einrichtungen aus. Erregerreservoir ist der Nasopharynx von gesunden Keimträgern. Die Keimtransmission erfolgt durch Tröpfcheninfektion bei engem Kontakt. Es gibt einen jahres- zeitlichen Rhythmus der Erkrankung mit einer Häufung im ersten Quartal des Jahres. Risikofaktoren für die Ma- nifestation der Infektion scheinen ne- ben dem Alter das Rauchen, Erkäl- tungskrankheiten und Influenza zu sein. Defizienzen im Komplementsy- stem erhöhen ebenfalls das Risiko, an einer Meningokokken-Infektion zu er- kranken. Beispielsweise findet sich bei Patienten mit Defekten in terminalen Komponenten des Komplementsy- stems, die an der Ausbildung des lyti-

schen Komplexes beteiligt sind, ein zir- ka 10 000fach höheres Risiko. Zudem wurde beobachtet, daß Patienten mit Properdinmangel, einem Faktor, der den alternativen Weg der Komple- mentaktivierung unterstützt, eine mit fast 75 Prozent deutlich erhöhte Le- talität der Meningokokken-Infektion aufweisen (6, 12).

Bedingt durch die außergewöhn- lich hohe Freisetzung an Endotoxin (Lipopolysaccharid, LPS) bei der bak- teriämischen Phase der IMD kann es zu perakuten septischen Verläufen mit Gerinnungsstörungen kommen. Hier- bei sind die LPS-Spiegel bei Patienten mit septischem Schock, Multiorgan- versagen (Nierenversagen, ARDS [„acquired respiratory distress syn- drom“], Hämorrhagien der Nebennie- ren) und disseminierter intravasaler Koagulation höher als bei Patienten mit einem überwiegend meningiti- schen Krankheitsbild. Hohe LPS- Spiegel korrelieren mit einer schlech- ten Prognose der Erkrankung. Patho- physiologisch ist der LPS-Effekt auf eine massive Erhöhung der systemi- DIE ÜBERSICHT

Epidemiologie der

Meningokokken-Meningitis

Weltweite Ausbreitung eines neuen, virulenten Serogruppe-C-Stammes Ulrich Vogel

1

Mark Achtman

2

Matthias Frosch

1

Neisseria meningitidis ist die wichtigste Ursache von Sepsis und Meningitis bei Kleinkindern und Jugendlichen. Seit eini- gen Jahren breitet sich weltweit ein neuer Meningokokken- Klon der Serogruppe C mit dem elektrophoretischen Typ ET15/ET-37 aus. Dieser Klon führt häufig zu septischen Krankheitsverläufen mit hoher Letalität und weist eine rela- tiv hohe Erkrankungshäufigkeit bei Jugendlichen auf. Aus- brüche wurden in mehreren Ländern, unter anderem in Ka- nada und in Tschechien beschrieben. Im Frühjahr 1998 ver-

ursachte der Stamm mehrere Krank- heitsfälle im Landkreis Rottal/Inn. Es

kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich der Klon in Deutschland weiter ausbreiten wird. Deshalb ist eine sorgfäl- tige Überwachung der epidemiologischen Situation drin- gend erforderlich.

Schlüsselwörter: Neisseria meningitidis,

Epidemiologie, elektrophoretischer Typ, ET15/ET-37, Multilokus-Sequenztypisierung

ZUSAMMENFASSUNG

Epidemiology of

a Novel Meningococcal Clone

Neisseria meningitidis is the major cause of sepsis and meningitis in children and young adults. A couple of years ago, a novel meningococcal clone with the electrophoretic type ET15/ET-37 began to spread worldwide. Infections due to this clone frequently present as a sepsis with an elevated risk of fatal outcome. The highest attack rate is found in young adults. Among other countries, outbreaks

have been reported in Canada and the Czech Republic. In the beginning of 1998, the strain

was isolated from five patients in Rottal/Inn (Bavaria). Until now, further spread of the clone in Germany cannot be excluded. Therefore, careful surveillance of the epidemiolo- gy of meningococcal disease in Germany is mandatory.

Keywords: Neisseria meningitidis,

epidemiology, electrophoretic type, ET15/ET-37, multilocus sequence typing

SUMMARY

D

1Institut für Hygiene und Mikrobiologie (Vor- stand: Prof. Dr. med. Matthias Frosch), Bayeri- sche Julius-Maximilians-Universität, Würzburg

2Molekulare Genetik (Direktor: Prof. Dr. rer.

nat. Dr. h.c. Thomas A. Trautner), Max-Planck- Institut, Berlin

(2)

schen Spiegel der Zytokine TNF-a, Il-1, Il-6 und Il-8 zurückzuführen (5).

Der bei einigen Patienten perakute Verlauf der Meningokokken-Sepsis erklärt die hohe Letalität der Er- krankung, die trotz der guten Wirk- samkeit von b-Laktamantibiotika bei zirka zehn Prozent liegt.

Populationsgenetik und Typisierungsverfahren von Neisserien

Zur Aufklärung epidemiologi- scher Zusammenhänge bei Aus- brüchen der Meningokokken-Erkran- kung wird die außerordentlich hohe Variabilität der Erreger ausgenutzt.

Die genomische Struktur der Meningo- kokken ist sehr flexibel und durch De- letionen, Insertionen und Rearrange- ments großer Bereiche des Chromo- soms gekennzeichnet. Meningokokken besitzen zudem vielfältige Mechanis- men zur Variation verschiedener Ober- flächenmoleküle, wie der Proteine der äußeren Membran, der Kapsel oder des LPS. Selbst Stoffwechselgene, die nicht unter einem Selektionsdruck durch das Immunsystem des Wirts ste- hen, werden durch beständige Mikro- evolution variiert. Diese Mikroevoluti- on wird neben Punktmutationen vor al- lem durch die effiziente Aufnahme von freier DNA anderer Meningokokken- Stämme und Neisserienarten (Trans- formation) verursacht (2, 24). Dadurch weisen Meningokokken insgesamt eine sehr heterogene Populationsstruktur auf, die bei der Typisierung und der epi- demiologischen Analyse Berücksichti- gung finden muß. Für diese Fragestel- lungen hat sich die Multilokus-Enzym- elektrophorese (MLEE) bewährt, die durch die elektrophoretische Analyse von Isoenzymmustern die Zuordnung zu einem elektrophoretischen Typ (ET) erlaubt. Gruppen verwandter ET werden wiederum in klonalen Linien zusammengefaßt. Eine deutliche Ver- einfachung dieser auf wenige Spe- ziallabors beschränkten Methode konnte durch die erst kürzlich be- schriebene Multilokus-Sequenztypisie- rung (MLST) erreicht werden (25).

Statt der elektrophoretischen Auftren- nung von Enzymen wird hierbei auto- matisiert die Nukleotidsequenz einer Reihe von Stoffwechselgenen be-

stimmt und durch den Nachweis sig- nifikanter DNA-Sequenzunterschiede Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Isolaten unterschiedlicher klonaler Li- nien aufgezeigt (Grafik). Durch die Möglichkeit des elektronischen Trans- fers der erhobenen Typisierungsdaten zwischen internationalen Referenzzen- tren ist zu erwarten, daß die MLST in Zukunft andere Typisierungsverfahren weitgehend ersetzen wird. In Europa wird die Mehrzahl der Fälle an IMD durch klonale Linien verursacht, die dem ET-37-Komplex, dem ET-5-Kom- plex, dem A4-Kluster oder der Linie III zugehören (1). Solche Komplexe bün- deln klonale Linien, die sich nur in we- nigen Allelen der MLEE/MLST unter- scheiden (Grafik). So gehören ET15- Meningokokken dem ET-37-Komplex an und unterscheiden sich in der MLEE von anderen Stämmen dieses Komplexes nur im Fumaraseallel.

Varianten aus einem ET oder Sequenztyp (ST) besitzen häufig ähnliche Se- rogruppen, Serotypen und Serosubtypen. Die Sero- gruppe reflektiert die chemi- sche Zusammensetzung des Kapselpolysaccharids, die mit den für Serogruppen spezifischen Antikörpern oder durch eine molekular- genetische Bestimmung des Kapselgenotyps bestimmt werden kann (29). Die Sero- typisierung und Serosub- typisierung erfolgt durch die Charakterisierung von Membranproteinen (PorB/

PorA) mittels monoklonaler Antikörper. ET15-Meningo- kokken sind beispielsweise zumeist der Serogruppe C zugehörig und exprimieren in der Regel den Serotyp 2a und die Serosubtypen P1.2 und P1.5. Hieraus ergibt sich die antigenetische Formel C:2a:P1.2,5. Serotypisierun- gen sind allerdings aufgrund der Häufigkeit von nicht ty- pisierbaren Isolaten und der antigenetischen Variabilität der Meningokokken-Ober- flächenstrukturen innerhalb eines Klons grundsätzlich als problematisch anzu- sehen. So finden sich in der tschechischen Republik ET15-Menin- gokokken mit der Antigenformel C:NT:NST, wobei NT und NST für nicht serotypisierbar beziehungsweise nicht serosubtypisierbar stehen. Zu- dem tauchten in letzter Zeit in Kanada, Tschechien und Australien ET15- Stämme auf, die anstelle der Serogrup- pe-C- eine Serogruppe-B-Kapsel ex- primierten (15, 18, 22, 26). Diese Vari- anten entstanden wahrscheinlich durch den oben beschriebenen horizontalen Gentransfer (7, 13, 28).

Weltweite Ausbreitung von ET15-Meningokokken

1988 wurde in Kanada erstmals ein Anstieg von Serogruppe-C-Me- ningokokken-Infektionen registriert, der über mehrere Jahre anhielt (3, 14, 30). Die Erkrankungen waren

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Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 51–52, 27. Dezember 1999 (35) DIE ÜBERSICHT

1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 A4 Kluster

ET-37-Komplex

ET-5-Komplex

„lineage 3“

Genetische Distanz Serogruppe A

Grafik

Dendrogramm zur Darstellung der genetischen Distanz von 79 ver- schiedenen Meningokokken-Sequenztypen. Das Dendrogramm wurde auf der Basis der Multilokus-Sequenztypisierung (MLST) mit- tels Klusteranalyse (UPGMA) erstellt. Im oberen Teil des Dendro- gramms befinden sich Serogruppe-A-Stämme. Die Positionen der klonalen Gruppen, die häufig mit Serogruppen-B- oder -C-Menin- gokokkeninfektionen assoziiert sind (A4 Kluster, ET-37 Komplex, ET-5 Komplex und „lineage 3“), sind gekennzeichnet. Ein verglei- chendes Dendrogramm einer klonalen Spezies wie Salmonella typhi würde sich auf wenige Äste beschränken.

(3)

überwiegend auf Meningokokken mit dem Serotyp 2a und den Serosub- typen P1.2 und/oder P1.5 zurückzu- führen. Die MLEE-Analyse ergab, daß es sich um einen neuen ET aus dem ET-37-Komplex handelte, der mit ET15 bezeichnet wurde. Infek- tionen mit diesem Klon waren durch eine erhöhte Erkrankungshäufigkeit bei den 5- bis 19jährigen gekenn- zeichnet, die bei Jugendlichen als Ausdruck der Ausbruchsituation der Erkrankung gewertet werden kann, da das Sozialverhalten von Jugendli- chen Keimtransmissionen begün- stigt. ET15-Meningokokken befallen aber auch Kleinkinder; so wurde bei einem ET15-Ausbruch unter Kana- diern indianischer Herkunft in einem Reservat in Manitoba eine höhere Inzidenz bei Kindern unter zwei Jah- ren als bei der Gruppe der 11- bis 14jährigen beobachtet (23). Die Le- talität der durch ET15 verursachten Meningokokken-Erkrankung war im Vergleich zu den anderen ET verdop- pelt. Ebenso fand sich ein zirka fünf- facher Anstieg von Krankheitsresi- duen (Hautnarben, Amputationen, Gehörschäden, Nierenschäden) bei Überlebenden der IMD durch ET15- Meningokokken im Vergleich zu Pa- tienten mit Meningokokken anderer klonaler Linien (11). Betroffen wa- ren vor allem die atlantischen Pro- vinzen und Quebec. Als Reaktion wurden in Kanada seither insgesamt neun Massenvakzinierungskampa- gnen durchgeführt. 1993 wurden 1,6 Millionen Impfungen der Serogrup- pe-C-Polysaccharidvakzine mit ei- nem Kostenaufwand von 25,5 Millio- nen kanadischen Dollar an 84 Pro- zent der Bewohner Quebecs im Alter von sechs Monaten bis 20 Jahren ver- teilt. Die Effizienz der Vakzinierung betrug 79 Prozent, was vermutlich mindestens 37 Todesfälle im Folge- jahr verhinderte (8).

ET15-Meningokokken tauchten in Europa erstmals Anfang 1993 in der tschechischen Republik auf, wo sie rasch für einen Anstieg der Se- rogruppe-C-Meningokokken-Erkran- kungen verantwortlich gemacht wer- den konnten (21, 22). Die durch ET15-Meningokokken hervorgerufe- nen Krankheitsbilder waren durch schwere septische Verläufe mit einer mit 20 Prozent weit überdurchschnitt-

lichen Letalität gekennzeichnet. In dem am stärksten betroffenen Distrikt Olomouc stieg die altersbezo- gene Inzidenz bei den 15- bis 19jähri- gen auf über 50/100 000 an (zum Ver- gleich: 1,9/100 000 für den Rest der tschechischen Republik). Daraufhin wurden in Olomouc im Juni 1993 6 191 Jugendliche vakziniert (20). In den folgenden zwölf Monaten wurde in dieser Region nur noch ein weiterer Fall an IMD registriert. Dieser Patient gehörte zur nicht immunisierten Al- tersgruppe der Ein- bis Vierjährigen.

Nachdem ursprünglich ET15- Meningokokken in der tschechischen Republik ausschließlich die Serogrup- pe-C-Stämme aufwiesen, gehörten schon 1995 und 1996 zirka 20 Prozent aller in Tschechien untersuchten ET15-Isolate zur Serogruppe B (22).

Man kann daher vermuten, daß ET15- Meningokokken nach einem Wechsel des Kapseltyps zur Serogruppe B in menschlichen Populationen mit ge- steigerter Herdenimmunität (zum Beispiel nach Vakzinierungskampa- gnen gegen die Serogruppe C) einen deutlichen Selektionsvorteil aufwei- sen. Für die Überwachung der Aus- breitung dieses Klons sind diese Be- obachtungen von großer Bedeutung, da sie den hohen Stellenwert moleku- larer Typisierungsverfahren zeigen und die Bedeutung serologischer Ty- pisierungen bei der Aufklärung epi- demiologischer Zusammenhänge von ET15-Erkrankungen stark einschrän- ken.

Mittlerweile sind ET15-Menin- gokokken in mehreren Ländern wie Israel, Australien (New South Wales) und Griechenland auf dem Vor- marsch (4, 15, 19). In Deutschland ist derzeit noch kein eindeutiger Trend für einen Anstieg des Serogruppe-C- Anteils an Fällen von IMD und damit einer Ausbreitung von ET15-Menin- gokokken zu beobachten. Es wird aber angenommen, daß mindestens zehn Prozent der seit 1990 in Deutsch- land isolierten Serogruppe-C-Isolate zum ET15-Typ gehören (10a). Nach Angaben des Nationalen Referenz- zentrums für Meningokokken in Hei- delberg weisen die Länder Berlin und Bayern überdurchschnittlich hohe Raten an Serogruppe-C-Erkrankun- gen von mehr als 35 Prozent auf (9).

Ein Drittel der Serogruppe-C-Isola-

te besaß 1997 die Antigenformel C:2a:P1.2,5, die auch bei ET15- Meningokokken gefunden wird. Al- lerdings liegen für diese Stämme kei- ne publizierten MLEE- oder MLST- Daten vor, eine eindeutige Zuord- nung zum klonalen Typ ET15 ist des- halb nicht möglich.

Zwischen dem 25. Februar und dem 2. März 1998 kam es im Land- kreis Rottal/Inn, Bayern, bei überwie- gend jugendlichen Patienten zu fünf Fällen von IMD durch C:2a:

P1.2,5-Meningokokken (10). Eine epidemiologische Verbindung zwi- schen den Fällen konnte nicht festge- stellt werden. Dennoch spricht die räumliche und zeitliche Häufung der Fälle für einen Ausbruch der Erkran- kung. Es handelte sich bei den Stäm- men um ET15-Meningokokken (D.

Caugant, WHO Collaborating Centre for Reference and Research on Meningococci, Oslo, persönliche Mit- teilung). Entsprechend der weltweit beobachteten Homogenität aller ET15-Stämme (16, 27) konnten wir mit Feintypisierungsverfahren (zum Beispiel der Pulsfeldgelelektrophore- se) keine nennenswerten Unterschie- de zwischen den bayerischen und tschechischen ET15-Stämmen beob- achten. Es ist daher anzunehmen, daß der ET15-Klon nun auch in Deutsch- land eingeführt wurde. Bisher ist das neue Auftreten von ET15-Isolaten nicht mit einer insgesamt erhöhten In- zidenz an Meningokokken-Infektio- nen verbunden, jedoch geben die weltweit beobachteten schweren Ver- läufe der ET15-Erkrankungen Anlaß zur Sorge.

Folgerung

Weltweit breitet sich ein neuer virulenter Meningokokken-Klon aus, an dem überwiegend Jugendliche er- kranken und der zu einem Anstieg der altersbezogenen Letalität an IMD führt. Der Klon ist mittlerweile auch in Deutschland anzutreffen.

Die Ausbreitung dieses Klons kann nur durch Typisierungen von Menin- gokokken-Isolaten von Erkrankten und Trägern mittels moderner mole- kularer Methoden überwacht wer- den, da mittlerweile in anderen Län- dern erste Veränderungen im klassi-

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Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 51–52, 27. Dezember 1999 (37) schen Antigenprofil der ET15-

Meningokokken aufgetreten sind.

Derzeit besteht Unklarheit über die Effizienz von Massenvakzinierungs- kampagnen, die sich auf die am häu- figsten betroffenen Altersgruppen beschränken. Es ist denkbar, daß die Stämme über nichtvakzinierte ge- sunde Meningokokken-Träger weiter in der Population zirkulieren und sich bei Nachlassen der Herdenim- munität erneut ausbreiten können.

Desweiteren besteht die Möglich- keit, daß eine für Serogruppen spezi- fische Vakzinierung zu antigeneti- schen Veränderungen der Kapsel- substanz führt und somit das Ent- stehen neuer virulenter Varianten fördert.

Eine wissenschaftliche Beglei- tung von Impfprogrammen gegen ET15-Meningokokken sollte neben einer zentralen Erfassung von Krankheits- und Todesfällen auch umfangreiche Analysen der Verbrei- tung der ET15-Meningokokken in der Population einbeziehen. Dieses ist nur durch Untersuchung des Meningokokken-Trägerstatus bei ei- ner Vielzahl von Individuen in einer betroffenen Region möglich und er- fordert die molekulare Typisierung der gewonnenen Isolate. Letztlich ist jedoch das ärztliche Wissen um die Epidemiologie, die initialen Sympto- me, Verlaufsformen und Therapie der IMD ein Garant dafür, daß die Letalität und die Folgeschäden die- ser schweren bakteriellen Erkran- kung so gering wie möglich gehalten werden können.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-3302–3305 [Heft 51–52]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Matthias Frosch Institut für Hygiene und Mikrobiologie

Bayerische Julius-Maximilians- Universität Würzburg

Josef-Schneider-Straße 2 97080 Würzburg

DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT

Erhöhter Blutdruck bei älteren weißen Frauen geht mit einer vermin- derten Knochendichte am Femur ein- her. Das zeigte eine prospektive Stu- die, bei der die Knochendichte im Be- reich des Oberschenkelhalses bei 3 676 Frauen im Alter von 66 bis 91 Jahren (Mittelwert 73 Jahre) sowie Größe, Gewicht und Blutdruck gemessen wur- de. Diese Werte wurden nach drei bis fünf Jahren erneut bestimmt, wobei die Rate des Knochensubstanzverlusts ermittelt wurde. Adjustiert wurden die Berechnungen für Alter (sowohl Osteoporose als auch Hypertonie tre- ten in höherem Alter häufiger auf), Gewicht, Rauchen und Hormoner- satztherapie. Nachdem die Frauen ge-

mäß ihrer systolischen Blutdruckwerte in Quartilen eingeteilt wurden, zeigte sich ein signifikanter Anstieg des jähr- lichen Substanzverlusts von 2,26 mg/cm² bis zu 3,79 mg/cm² zwischen er- ster und vierter Quartile. Dieser Zu- sammenhang, so die Autoren, kann auf Abnormalitäten im Kalziumstoff- wechsel wie etwa höhere renale Kalzi- umverluste bei Bluthochdruckpatien-

tinnen hinweisen. silk

Cappuccio FP et al.: High blood pressure and bone-mineral loss in elderly white women: a prospective study, Lancet 1999;

354: 971–975.

Dr. Francesco P. Cappuccio, Blood Pres- sure Unit, Department of Medicine, St.

George’s Hospital Medical School, Lon- don SW17 ORE, Großbritannien.

Hoher Blutdruck korreliert mit verminderter Knochendichte

Eine große US-amerikanische Ko- hortenstudie an über einer Million Er- wachsener konnte nachweisen, daß ein erhöhtes Körpergewicht auch ohne das Vorliegen weiterer Risikofaktoren wie Rauchen, Alter, Geschlecht oder Be- gleiterkrankungen zu einer erhöhten Gesamtmortalität führt. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen waren Body-Mass-Indizes zwischen 23,5 und 24,9 (Männer) beziehungsweise 22,0 und 23,4 (Frauen) mit dem niedrigsten

Risiko einer Sterblichkeit an kardio- vaskulären, onkologischen oder ande- ren Erkrankungen verknüpft. Höhere Werte führten zu signifikant mehr To- desfällen in diesen Bereichen. acc Calle EE et al.: Body-mass index and mortality in a prospective cohort of US-adults. N Eng J Med 1999; 341:

1091–1105.

Dr. Calle, Department of Epidemiology and Surveillance Research, American Cancer Society, 1599 Clifton Road NE, Atlanta, GA 30329, USA.

Body-Mass-Index und Mortalität

Bei instabiler Angina pectoris hat sich die kurzfristige Gabe von nieder- molekularem Heparin (NMH) in Ver- bindung mit Acetylsalicylsäure als ef- fektiv erwiesen. In einer skandinavi- schen prospektiv randomisierten Mul- ticenterstudie wurde nun der Wert ei- ner langfristigen Gabe von NMH un- tersucht. 2 267 Patienten mit instabiler Angina pectoris erhielten Dalteparin oder Plazebo über drei Monate, die Studienendpunkte waren Tod oder Myokardinfarkt. Während nach einem Monat noch ein signifikanter Vorteil für die NMH-Gruppe nachzuweisen war, ging dieser Unterschied im wei- teren Verlauf der Behandlung und der sechsmonatigen Nachbeobachtung

verloren. Die Autoren folgern, daß NMH nur in der Frühphase bei instabi- ler Angina pectoris das Risiko des Myokardinfarktes oder plötzlichen Herztodes verringert und daß dieser Effekt eventuell bei Patienten mit in- stabiler Angina pectoris bis zur Durch- führung der Invasivdiagnostik ausge- nutzt werden sollte. acc Fragmin and Fast Revascularization dur- ing In-Stability in Coronary artery dis- ease (FRISC II) Investigators: Long- term low-molecular-mass heparin in un- stable coronary-artery disease: FRISC II prospective randomized multicentre study. Lancet 1999; 354: 701–707.

Dr. Lars Wallentin, Department of Car- diology, Cardiothoracic Centre, Universi- ty Hospital, S-751 85 Uppsala, Schweden.

NMH bei instabiler Angina pectoris effektiv

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